Protocol of the Session on May 14, 2008

(Beifall bei der FDP)

Sie treffen mit Ihren Regelungen den Mittelstand an einer ganz sensiblen Stelle, denn wir alle wissen doch, dass in den nächsten Jahren unzählige mittelständische Unternehmen auf die kommende Unternehmergeneration überführt werden müssen. Genau an diesem Punkt wirkt sich Ihr Gesetzentwurf aus, der keine Entlastung für den Mittelstand bringen wird.

Es nutzt auch nichts, wenn Sie immer darauf verweisen, dem sei nicht so. Schauen wir uns doch einmal an, an welche Vorraussetzungen die mögliche Steuerbefreiung unternehmerischen Vermögens geknüpft ist. Zunächst einmal ist festzuhalten: 15 % des Vermögens sind überhaupt nicht von der Erbschaftsteuer befreit, sondern werden, obwohl es sich um Betriebsvermögen, um unternehmerisch notwendiges Vermögen handelt, pauschal der Erbschaftsbesteuerung unterworfen.

Hinsichtlich des restlichen Vermögens haben wir Befreiungstatbestände – Sie können das „Abschmelzmodell“ oder wie auch immer nennen –, die so weit an der unter

nehmerischen Wirklichkeit vorbeigehen, dass man sie in keiner Weise für gut und mittelstandsfreundlich befinden kann. Das muss man hier einmal deutlich sagen.

Ich will das an zwei Beispielen festmachen.Wir haben mit der sogenannten Lohnsummenregelung als Befreiungstatbestand die Verpflichtung, über einen Zeitraum von 10 oder 15 Jahren – darüber ist man sich im Moment noch nicht ganz einig; wenn wir Glück haben, werden es nur 10 Jahre sein – dauerhaft mindestens 70 % der Lohnsumme zu erreichen und aufrechtzuerhalten, die in den fünf Jahren vor der Verwirklichung des Steuertatbestandes in dem Unternehmen im Durchschnitt vorhanden war.

(Beifall bei der FDP)

Meine Damen und Herren, ganz abgesehen davon, dass in einer globalisierten Welt ein Planungszeitraum von 10 bis 15 Jahren hinsichtlich der Lohnsumme so weit jenseits der unternehmerischen Lebenswirklichkeit ist, dass es überhaupt nicht einsichtig und erkennbar ist, wie die Unternehmen jemals damit umgehen sollen, um in den Genuss dieser Steuerbefreiung zu kommen, treffen Sie die Unternehmen mit dieser Regelung genau dann, wenn es ihnen sowieso am schlechtesten geht.

Wann entlassen denn mittelständische Unternehmen Mitarbeiter? Machen wir uns doch nichts vor: Der klassische Mittelständler entlässt seine Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter doch nicht aus Gründen der Gewinnmaximierung, sondern dann, wenn es in seinem Unternehmen für die Marktanpassung notwendige Umstrukturierungsprozesse gibt.Genau in dem Moment,in dem es dem Unternehmen sowieso schlecht geht, kommt der Fiskus, fordert die Zahlung der Erbschaftsteuer nach und versetzt dem Unternehmen damit endgültig den Todesstoß. Das ist absurd.

(Beifall bei der FDP – Michael Boddenberg (CDU):Was wollen Sie denn?)

Herr Kollege, wenn Sie den Antrag gelesen hätten, wüssten Sie, was wir wollen. Aber ich werde es Ihnen noch einmal erklären.

(Jörg-Uwe Hahn (FDP): Er hat ihn gelesen!)

Deswegen würden wir es sehr begrüßen – die Möglichkeit besteht;denn die Beratungen in Berlin sind noch nicht abgeschlossen –, wenn man sich auf der Grundlage der Reformnotwendigkeit, wie sie das Bundesverfassungsgerichtsurteil bestätigt hat, zu einer echten Reform des Erbschaftsteuerrechts durchringen würde.

Dazu gehört in einem ersten Schritt – das ist das Mindeste, was wir als FDP von Ihnen fordern –, dass wir die Gesetzgebungszuständigkeiten für das Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuerrecht auf die Bundesländer übertragen. Das ist auch insofern nur konsequent, als die Aufkommenshoheit, was die Erbschaft- und Schenkungsteuer betrifft, ohnehin bei den Bundesländern liegt. Das Beispiel anderer Länder, z. B. der Schweiz, zeigt uns, dass es sehr wohl möglich ist, Gebietskörperschaften jenseits einer Bundesvereinigung diese Möglichkeiten einzuräumen.

Dann könnten wir in der Tat zu einem echten Wettbewerbsföderalismus bei der Frage nach der besten Steuerund Finanzpolitik kommen. Dann hätte in der Tat jeder Landtag für sich die Möglichkeit, zu entscheiden, ob und inwieweit die Erbschaftsteuer ein Standortfaktor für die Ansiedlung oder Beibehaltung von unternehmerischen Tätigkeiten ist.

(Michael Boddenberg (CDU): Sie haben meine Frage nicht beantwortet!)

Insofern wäre es nur konsequent, wenn jedes Bundesland für sich entscheiden könnte, ob – oder eben auch nicht; das ist die Konsequenz,die wir für Hessen fordern würden – und in welcher Höhe und Ausgestaltung eine Erbschaftsteuer erhoben werden soll. Das wäre aber das Mindeste. Das wäre der erste Schritt in Richtung einer echten Reform des Erbschaftsteuerrechts. Die Chance besteht nach wie vor.

Ich kann nur dringend an Sie appellieren – das ist auch der Inhalt unseres Antrags –, dass wir jetzt noch die Chance ergreifen, zumindest die Umsetzung der ersten Stufe zu bewirken, nämlich die Übertragung der Gesetzgebungszuständigkeiten hinsichtlich der Erbschaft- und Schenkungsteuer auf die Bundesländer.

(Beifall bei der FDP – Zuruf des Abg.Michael Bod- denberg (CDU))

Ich appelliere an die Kolleginnen und Kollegen von der CDU, aber auch von der SPD und an die geschäftsführende Landesregierung, sich in Berlin noch einmal mit Nachdruck für ein solches Modell zu verwenden.

Als FDP werden wir dem auf jeden Fall aufgeschlossen gegenüberstehen, weil das eben eine echte Reform wäre, die dem föderalen Gedanken unserer Republik und dem Wettbewerb zwischen den Bundesländern, der für eine Entwicklung in der gesamten Republik gut und notwendig ist, endlich Rechnung trägt.

Ringen Sie sich also dazu durch, noch einmal darüber nachzudenken und einen vernünftigen Weg zu gehen.Wir haben Ihnen einen Vorschlag dazu unterbreitet.Sie haben jetzt in Berlin die Möglichkeit, an die Umsetzung zu gehen. – Herzlichen Dank.

(Beifall bei der FDP)

Vielen Dank, Herr Kollege Blum. – Nun hat sich Herr Kollege Boddenberg zu einer Kurzintervention gemeldet.

Meine Damen und Herren! Ich hoffe, Sie sind nicht überrascht, dass ich Ihren Antrag sehr wohl gelesen habe.

(Leif Blum (FDP): Er hat eben nicht den Eindruck gemacht!)

Mein Zwischenruf bezog sich darauf,dass Sie kritisiert haben, dass der Entwurf im Bund vorsieht, dass die Unternehmen auch zukünftig einen bestimmten Umfang an Beschäftigung, sprich:Arbeitsplätzen, aufrechterhalten müssen, um in den Genuss – das apostrophiere ich; Sie haben ja Zweifel, dass es einer ist – einer Steuerminderung zu kommen. In diese Richtung ging mein Zwischenruf: „Was wollen Sie denn?“ Sie haben auf meinen Zwischenruf lediglich geantwortet, die FDP könne sich vorstellen, die Zuständigkeiten auf der Länderebene zu verändern.

(Leif Blum (FDP): Sie haben nicht zugehört!)

Aber Sie haben nicht gesagt, wie sich ein Unternehmen – auch ein Mittelstandsunternehmen – Ihrer Vorstellung nach entwickeln muss, um in eben diesen Genuss zu kommen.

(Beifall bei der CDU)

Vielen Dank, Herr Kollege Boddenberg. – Der nächste Redner ist Herr Kollege Schmitt für die SPD-Fraktion.

(Zuruf von der CDU)

Wenn Sie sich einig sind, ist das kein Problem. Die Wortmeldungen sind bei mir in einer anderen Reihenfolge eingegangen. – Dann erhält jetzt Herr Kollege Milde für die CDU-Fraktion das Wort.

Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich glaube, es ist sinnvoll, dass zunächst ein Mitglied der CDU-Fraktion etwas sagt; denn wir haben einen eigenen Antrag eingebracht, und Herr Kollege Schmitt möchte sicherlich auf die verschiedenen Anträge eingehen.

Von dem Thema Erbschaftsteuer sind 80 % der Deutschen nur insofern betroffen, als sie dankbar sind, dass die anderen 20 % diese Steuer zahlen. Aber auch bei diesen 80 % der Deutschen ist eine gewisse Nervosität entstanden, nachdem das Urteil des Bundesverfassungsgerichts ergangen ist, in dem es heißt: Ihr dürft als Politiker die Vermögensarten nicht unterschiedlich besteuern. Das Haus, das einen Vermögenswert darstellt und genauso zu bewerten ist wie ein Sparbuch, wie Festgeld, wie Aktienbesitz oder wie ein Unternehmen, muss gleich besteuert werden. – Das sagt das Bundesverfassungsgericht eindeutig.

Jetzt haben wir Freibeträge, wie wir sie früher hatten, in der politischen Absicht, dafür zu sorgen – Herr Kollege Blum hat schon aus unserem Antrag zitiert –, dass in Deutschland „Oma ihr klein’ Häuschen“ oder das Haus des Normalverdieners nicht besteuert wird. Man ist nämlich davon ausgegangen, dass dieses Vermögen ohnehin sehr niedrig bewertet wird. Hätte man die Freibeträge in einer Neufassung gleich gelassen, wären fast alle Deutschen, die eigene Immobilien besitzen, in dem Moment, da sie ihr Erbe antreten, in die schwierige Situation gekommen, Erbschaftsteuer zahlen zu müssen. Das heißt, fast alle kleinen Familien hätten für ihr Haus eine Substanzsteuer zahlen müssen.

Ich sage ganz deutlich – das war immer die Haltung der CDU –: Ertragsteuern sind in jedem Fall besser als Substanzsteuern; denn bei einer Ertragsteuer geht man davon aus, dass jemand etwas verdient und einen Teil dessen abgibt. Wer viel verdient, gibt viel ab. Wer wenig verdient, gibt wenig ab. Das ist in Deutschland ein klares Prinzip.

Bei der Substanzsteuer haben wir ein anderes Problem. Was machen Sie eigentlich mit einem Haus,das Sie erben? Woher nehmen Sie das Geld? Wenn Sie es versteuern müssen, gehen Sie zur Bank und nehmen einen Kredit von einem nicht unerheblichen Umfang auf.

Ähnlich ist es bei einem Unternehmen. Nur ist es dort noch viel schlimmer; denn möglicherweise übernimmt man ein Unternehmen, das schon eine hohe Fremdkapitalisierung hat. Sie stehen dann vor der Frage: Führe ich das Unternehmen weiter, oder verkaufe ich es gleich?

Ich stelle die Frage einmal an die Runde. Herr Kollege Kahl, ich bin noch dabei, die Grundvoraussetzungen zu

schaffen.Dann stehen Sie vor der Frage:Bleibe ich Unternehmer, rette ich die Arbeitsplätze in Deutschland, oder verkaufe ich das Unternehmen, und nach mir kommt die Sintflut? Oder gehe ich rechtzeitig ins Ausland, lege dort mein Geld an, verlasse dieses Land, nehme mein Unternehmen möglicherweise mit, und die Arbeitsplätze sind weg?

Das sind die Grundvoraussetzungen, über die wir gesprochen haben, als wir zu der Frage kamen, wie wir mit dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts umgehen. Da muss ich sagen, was Roland Koch mit dem Bundesfinanzminister ausgehandelt hat, war eine hervorragende Grundlage, Eckpunkte darzustellen, auf welcher Basis diese Probleme, wie ich sie eben dargestellt habe, angegangen werden können, dass vor allen Dingen der normale Immobilienbesitzer und Familienunternehmen in Deutschland in eine Besteuerung hineinkommen, die erträglich ist.

Man muss auch sagen:Natürlich hatten wir bisher ein Problem gehabt, dass Unternehmen nicht gleich behandelt wurden, weil die Kapitalgesellschaft und die Familiengesellschaft unterschiedlich besteuert wurden, auch bei der Erbschaftsteuer. Das ist natürlich ein Problem. Wenn ich ein großes Aktienvermögen habe – nehmen wir an,ich bin an einem Unternehmen beteiligt, das eine Aktiengesellschaft ist –,dann muss ich sofort 30 % bezahlen.Das heißt, ich muss auch Aktien verkaufen, und ich muss an die Substanz gehen, während der Familienunternehmer bisher weitgehend verschont wurde.

Das Bundesverfassungsgericht hat sehr deutlich gemacht, dass der politische Wille nicht einfach heißen kann, die einen einmal weniger als die anderen zu besteuern. Deswegen kam der Vorschlag, dass man mit einer Abschmelzung in verschiedenen Jahren dafür sorgen kann, dass über verschiedene Jahre – der Vorschlag ist 15 Jahre – ein Familienunternehmen gehalten werden muss, bevor es zu einer Besteuerung kommen würde, was den meisten in Deutschland zu lang ist.

Das hat eine breite Diskussion ausgelöst. Das will ich zugeben. Deswegen hat der Bundesrat – wir haben das in Punkt 4 unseres Antrages deutlich gemacht – zu dieser Behaltensfrist von 15 Jahren vorgeschlagen, sie auf zehn Jahre zu reduzieren, und dieses Abschmelzen auch noch vorgeschlagen und gesagt: Es kann nicht sein – Kollege Blum hat darauf hingewiesen –, wenn sich ein mittelständischer Unternehmer bereit erklärt hat, das Unternehmen den ganzen Widrigkeiten mit Lohnsummen und mit Bewertung jedes Jahr zum Trotz weiterzuführen, aber nach neun Jahren in eine unternehmerische Schwierigkeit kommt und das Unternehmen aufgibt, dass er dann nach dem bisherigen Entwurf den kompletten Steuersatz nachbezahlen. Das ist wirklich absurd. Das muss man wirklich sagen.

(Beifall der Abg. Nicola Beer (FDP))

Dieses Unternehmen zu verschonen ist absolut richtig. Deswegen ist der jetzt gemachte Vorschlag, der im Bundesrat eine breite Mehrheit gefunden hat,richtig,dass man einen sogenannten Abschmelzungszeitraum gefunden hat. Das heißt, wenn der nach neun Jahren das Unternehmen aufgibt, hat er nur noch einen Teil als Erbschaftsteuer zu zahlen. Damit schaffen wir beides.

Aber ich will ganz deutlich machen, unser Hauptziel muss folgendes in Deutschland sein – ich sage das immer, wenn ich hier vorne stehe –: Die wichtigste Sozialpolitik, die wir betreiben können, ist es, dafür zu sorgen, dass Arbeitsplätze in Deutschland entstehen, und noch viel mehr da

für zu sorgen, dass nicht sinnloserweise Arbeitsplätze verloren gehen.

Deswegen ist es bei der Unternehmensnachfolge möglicherweise für den einen oder anderen nie eine ganz gerechte Frage, wie Unternehmen besteuert werden, denn natürlich ist es am einfachsten, zu sagen: Die haben mehr, die müssen mehr geben. – Aber in der praktischen Durchführung führen solche Lösungen dazu, dass Unternehmen in Deutschland aufgegeben werden.

Jetzt gibt es in der Welt unterschiedliche Modelle, wie man dies angeht. Aber es gibt fast kein Modell in irgendeinem Land – das sage ich auch an die Kollegen der FDP –, in dem sowohl auf eine Vermögensteuer als auch auf eine Erbschaftsteuer verzichtet wird. In den allermeisten Ländern gibt es eines von beiden.Deswegen sage ich,ich halte am Ende die Erbschaftsteuer immer noch für die gerechtere Steuer als die Vermögensteuer,