Marjana Schott

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Last Statements

Wir bitten darum, dass das Krankenhausgesetz aus dem Paket herausgenommen und einzeln abgestimmt wird.
Erster Vizepräsident Lothar Quanz:
Ich lasse über Art. 1 und Art. 2 des Gesetzentwurfs getrennt abstimmen.Wer Art. 1 des Gesetzentwurfs zustimmen möchte, den bitte ich um ein Handzeichen. – Gibt es Gegenstimmen? – Enthaltungen? – Das ist nicht der Fall. Dann ist Art. 1 des Gesetzentwurfs einstimmig beschlossen.
Wer Art. 2 des Gesetzentwurfs zustimmen möchte, den bitte ich um ein Handzeichen. – Wer ist dagegen? – Enthaltungen? – Die Fraktion DIE LINKE. Art. 2 ist ebenfalls angenommen,sodass der Gesetzentwurf insgesamt in zweiter Lesung seine Zustimmung gefunden hat und zum Gesetz erhoben ist.
Wir kommen zu Tagesordnungspunkt 5:
Zweite Lesung des Gesetzentwurfs der Landesregierung für ein Gesetz zur Änderung des Kirchensteuergesetzes – Drucks. 17/767 zu Drucks. 17/507 –
Hierzu gibt es einen Änderungsantrag der Fraktion der SPD, Drucks. 17/768.
Berichterstatter ist Herr Kollege Hugo Klein.
Sehr geehrte Frau Vorsitzende, sehr geehrte Damen und Herren! Ich finde es unglaublich beruhigend, die FDP auf der Seite Nordhessens zu wissen. Ich hoffe, dass das eine verlässliche Größe ist.
Denn ich finde, es ist ganz wichtig, dass sich viele Menschen für Nordhessen einsetzen. Dass Sie sich jetzt Gedanken um Nordhessen machen, finde ich sehr schön. Ich hoffe, das werden Sie auch in Zukunft tun. Ich hoffe, Sie werden es auch immer im Interesse der Menschen dort tun.Das wird dann davon abhängen,was die Mehrheit der Menschen dort will.
Wenn jetzt Ihre Sorge ist, ob es dort einen Flughafen gibt oder nicht, dann weiß ich nicht, ob es darum geht, dass Nordhessen eine bessere Ausgangssituation bekommt, oder darum,Nordhessen jetzt realistisch zu beurteilen.Ich glaube, es geht einfach nur darum, hier das zu tun, was wir seit Tagen tun, nämlich Spielchen spielen, wer mit wem, wann, warum oder warum nicht.
Ich finde das höchst albern und bedauerlich. Allerdings fände ich es sehr schön, sich darauf verlassen zu können, dass Sie Nordhessen unterstützen werden. – Vielen Dank.
Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren! Wenn wir uns darüber einig sind, dass wir Klimaschutzziele erreichen müssen, dann, finde ich, ist es eine unserer Aufgaben, und zwar eine der wichtigsten, in unserer Bevölkerung dafür zu werben. Was wir hier tun, ist aber, eine permanente Verunsicherung zu erreichen. Immer dann, wenn ich mit Menschen darüber rede, die diese Klimafrage erörtern, höre ich: Ja, es besteht doch die Gefahr, dass irgendwann das Licht ausgeht; es besteht die Gefahr, dass der Strom so teuer wird, dass wir ihn nicht mehr bezahlen können.
Wenn ich in der Anhörung richtig zugehört habe, besteht diese Gefahr aus wissenschaftlicher Sicht nicht. Wir können sehr wohl die ganze Welt mit erneuerbaren Energien versorgen.Technisch ist es möglich.Wissenschaftler haben das gerechnet, und es ist nicht widerlegbar.
Es ist auch so möglich, dass wir uns nicht in Abhängigkeiten von einer bestimmten politischen Region begeben. Wir müssen es nur politisch wollen. Wenn wir es wollen, können wir es erreichen. Wir können es sogar relativ schnell erreichen.Auch das war zu hören.
Es ist hochgradig verantwortungslos, wenn wir an dieser Stelle die Bevölkerung weiterhin verunsichern und erzählen, der Strom ginge aus. Tatsächlich geht das Licht auf diesem Planeten aber endgültig aus, wenn wir uns nicht bewegen.
Die Auswirkungen der Klimaveränderungen können wir allenthalben sehen. Es gibt Menschen, die sie in den letzten Jahren sehr existenziell zu spüren bekommen haben und die immer wieder und auch gegenwärtig zu spüren
bekommen. Wenn uns das egal ist, dann sind wir an dem Punkt angekommen, wo es keine Umkehr mehr gibt.
Da fragen Sie doch ganz einfach die Wissenschaftler noch einmal.Oder Sie hätten besser zugehört.Wir können mithilfe von Wind-,Wasser- und Solarenergie weltweit sogar steigenden Energiebedarf decken. Das ist machbar, wenn es politisch gewollt ist.
Wenn ich hier höre, dass die Solarsatzung etwas ganz Problematisches ist, weil sie Häuslebauer zwingt: Wir haben irgendwann Häuslebauer auch gezwungen,sich an die Kanalisation anzuschließen. Kein Mensch wird heute mehr infrage stellen, dass das sinnvoll ist. Genauso sinnvoll ist es, Neubauten entsprechend auszustatten. Es wird niemand wirtschaftlich ruiniert, denn kein Mensch muss seinen Altbau ad hoc in irgendeiner Weise umstellen.
Die Satzung sagt: Immer dann, wenn etwas erneuert werden muss, muss es nach neuestem technologischen Stand erneuert werden. – Daran werden die Mieten nicht steigen.
Die Nebenkosten von Mieten steigen durch die Situation ins Unermessliche, die wir im Moment haben. Das kann dem Vermieter derzeit relativ egal sein, denn der nimmt seine Miete ein. Die Leidtragenden sind an der Stelle die Menschen, die die hohen Nebenkosten zahlen müssen, weil die Häuser nicht entsprechend isoliert werden. Dem wird mit so etwas wie der Solarsatzung – der Ausdruck ist fälschlich, ich würde sie eher Umweltsatzung nennen – endlich Gerechtigkeit getan,dass nämlich dann Vermieter in Gebäude investieren müssen, in die sie es sonst vielleicht nicht würden.
Auch der Denkmalschutz ist sehr deutlich berücksichtigt. Lesen Sie die Solarsatzung noch einmal genau, dort steht es drin.
Wer der Meinung ist, der erneuerbare Strom sei nicht bezahlbar, hat auch nicht richtig zugehört. Wir konnten alle deutlich hören, dass der Break-even-Point ziemlich nah vor uns liegt. Die Ausbeutung der Energiequellen wird immer teurer – Wind, Wasser und Sonne haben wir. Die Technologiepreise sinken. SMA in Nordhessen z. B. wird Ihnen bestätigen,dass sie in den letzten fünf Jahren und in den fünf Jahren davor die Kosten für ihre Geräte jeweils halbiert haben, und zwar aufgrund von Forschung. Sie haben das Ziel, das auch weiterhin zu tun.
An dieser Stelle werden wir sehr bald zu dem Punkt kommen, wo wir bei den Preisen ein Patt haben, und danach wird es sich andersherum auseinanderentwickeln, als Sie es hier dargestellt haben.
Wenn wir über hessische Energien nachdenken, müssen wir nicht in den Grenzen von Hessen denken. Stattdessen müssen wir deutlich darüber hinausdenken.Denn dass ein relativ kleines Land das nicht immer und sofort alleine stemmen kann, ist verständlich. Wir müssen den Mix haben, einschließlich der erneuerbaren Energien. Damit schaffen wir jede Menge Arbeitsplätze – das können Sie sich in Nordhessen anschauen.
Wer immer noch am Atomstrom hängt, der soll einmal nach Asse fahren und mit den Menschen dort sprechen und ihre Ängste hören. Oder vielleicht sollte er dort leben,wenn er keine Angst vor dem hat,was dort gerade geschieht. Mir persönlich macht das unglaublich viel Angst.
In diesem Sinne ist es völlig klar, dass man nur zu einem Ergebnis kommen kann, wenn man diese Energieanhörung richtig auswertet: Wir müssen in der Bevölkerung dafür werben – und nicht Angst schüren –, dass wir erneuerbare Energien brauchen, und zwar schnell und flächendeckend.
Die Verunsicherung muss ein Ende haben. Die Verunsicherung darf von diesem Haus gerade nicht ausgehen, sondern es muss dargestellt werden: Es ist machbar. Es muss den Ängsten immer deutlich entgegengetreten werden. Ich nehme diese Ängste der Menschen da draußen sehr ernst.
Das sollten wir alle tun. Genau deshalb müssen wir uns klar positionieren und sagen: Es geht, wir müssen es wollen; und wir geben alle Anstrengungen da rein, das, was wir wollen, auch in praktisches Handeln umzusetzen. – Vielen Dank.
Den Gefallen werde ich Ihnen nicht tun.– Herr Präsident, meine Damen und Herren! Wenn wir hier über die Agendapolitik sprechen wollen,müssen wir vor allem über eine breit in der Gesellschaft verankerte Armut reden. Wenn 22 % der Beschäftigten im Niedriglohnsektor arbeiten, ist das alarmierend. Wenn wir von über 1 Million neuen Arbeitsplätzen sprechen und dabei ausklammern,
dass 1 Million Menschen arbeiten, die trotz ihrer Beschäftigung Transferleistungen beziehen müssen, nehmen wir die Realitäten dieser neuen Arbeit nicht wahr. Die Realität ist: keine Teilhabe am kulturellen Leben, eingeschränkter Zugang zu gesundheitsfördernden Maßnahmen, verstärkte Altersarmut, geringe Mobilität, keine Teilhabe am lebenslangen Lernen und schlechte Bildungschancen für die Kinder der Betroffenen.
Insbesondere für die Kinder sind die weitverbreitete Armut sowie die Angst vor gesellschaftlichem Abstieg und Perspektivlosigkeit ein massives Problem.
Wir reden hier doch nicht über Lösungen.
In der vergangenen Plenarwoche wurde schon ein gesamter Dienstagnachmittag damit verbracht, dass die CDU die Regierung beklatscht, und heute verbringen wir einen ganzen Dienstagnachmittag damit, Debatten zu führen, die uns keinen Schritt weiterbringen. Sie haben doch überhaupt keine Lösungen.
Die einzige Idee, die Sie haben, besteht darin, dieses Parlament lahmzulegen, anstatt zu arbeiten. Fragen Sie nicht nach Lösungen, wenn Sie selbst keine haben.
Im Übrigen erklären Sie uns hier, die Armut sei zurückgegangen. Tatsächlich ist die Armut nicht zurückgegangen, sondern die Definition dessen, was Armut bedeutet, ist enger gefasst worden.
Wir reden darüber, dass die Armutsgrenze bei 60 % des medianen Einkommens liegt, und dann haben wir weniger Arme. Das ist doch ganz einfach. Wenn wir statt 1.000 c nur noch ungefähr 800 c medianes Einkommen haben, haben wir logischerweise auch weniger Arme.
Wenn die Armutsgrenze demnächst bei 400 c liegt, haben wir noch weniger Arme. Das ist es, wovon Sie hier reden.
Ich nehme an, Sie haben Ihr Leben in der DDR verbracht und wissen es deshalb so genau.
Erster Vizepräsident Lothar Quanz:
Ich darf darum bitten, dass auf der rechten Seite des Hauses ein bisschen weniger lautstark argumentiert wird.
Sie scheinen ein intimer Kenner der DDR zu sein. Ich wüsste gern, woher Sie Ihre Weisheit haben. Ich für meinen Teil bin nicht aus der DDR.Ich komme aus Bad Hersfeld, und das liegt in Hessen. Falls Sie das noch nicht wissen, nehmen Sie sich eine Landkarte.
Aber wir können uns das noch einmal im Einzelnen anschauen. Wir können an der Stelle auch einmal auf diese viel gelobten Arbeitsplätze in Nordhessen eingehen. Ich möchte Ihnen das an einem gut nachvollziehbaren Beispiel deutlich machen.
Ich jedenfalls war da nicht.
Es gibt die Abteilung eines relativ großen Betriebs, den Sie alle kennen dürften. In dieser Abteilung gibt es 250 Arbeitsplätze. Das ist das Briefzentrum Kassel. Von den 250 Menschen, die diese Arbeitsplätze innehaben, sind noch 50 vollzeitbeschäftigt. Die anderen 200 arbeiten in Teilzeit. Ein erheblicher Teil dieser Stellen wird ständig neu besetzt.
Herr Boddenberg, lassen Sie mich doch auch einmal ausreden. Ihre Kinderstube lässt verdammt zu wünschen übrig.
Von den verbleibenden 200 in diesem Betrieb arbeitet darüber hinaus ein erheblicher Teil in prekären Beschäftigungsverhältnissen; denn sie sind bei Leiharbeitsfirmen angestellt. Das heißt, sie werden alle drei Monate ausgewechselt – und das ohne besonderen Grund, nur damit man sie nicht gleich bezahlen und so wie alle anderen in diesem Betrieb beschäftigen muss.
Ich kann Ihnen sagen, warum ich etwas gegen diese Teilzeitarbeit habe. Sie erfolgt in Wochenarbeitszeiten von 15 bis 26 Stunden. Gearbeitet wird überwiegend nachts. Der Arbeitsort ist mit dem öffentlichen Personennahverkehr nicht zu erreichen.Ein Mensch verdient dort zwischen 700 und 900 c netto, je nach Familienstand, und davon muss er auch noch einen Pkw finanzieren. Sie glauben doch nicht ernsthaft, dass man von dem, was am Ende übrig bleibt, leben kann. Das sind Ihre hochgelobten nordhessischen Arbeitsplätze.
Das ist sehr freundlich von Ihnen.
Ich finde Ihre Art, mich hier zu beleidigen, absolut grenzwertig und darüber hinaus. Ich glaube, dass Sie auch keine Ahnung haben.
Im Übrigen gibt es in Nordhessen eine ganze Menge solcher Arbeitsplätze. Schauen Sie sich die Situation in Bad Hersfeld an. Dort gibt es ebenfalls Arbeitsplätze in der Logistik, und die sind nicht anders.Aber das wollen Sie ja nicht wahrhaben. Sie wollen sich hier beklatschen. Das ist Ihre Hauptaufgabe. Das ist reine Geldverschwendung und dient nur Ihrem Einkommen.
Wir haben in diesem Haus erst kürzlich erfahren, dass die Anzahl der Menschen, die an Bildungsurlauben teilnehmen, ständig zurückgeht. Was glauben Sie denn, woran das liegt? Die Verdichtung der Arbeit und der steigende Druck der Kollegen, wenn man nur eine Woche weg ist, sind gar nicht mehr zu bewältigen. Lebenslanges Lernen
ist eine wichtige Aufgabe. Ich glaube, darüber sind wir uns alle einig.Aber wenn wir in prekären Verhältnissen leben, haben wir kein Geld,um an der Bildung teilzuhaben.Deswegen werden solche Angebote nicht wahrgenommen.
Die Kinderarmut ist wohl das traurigste Kapitel in dieser ganzen Working-Poor und Arbeitslosigkeitsgeschichte. Ärzte schreiben wachrüttelnde Artikel über die Auswirkungen der zunehmenden Verarmung auf die Gesundheit der Kinder. Es gibt in diesem Land wieder Kinder, die hungern.Ich habe es nicht für möglich gehalten,dass in einem Land, in dem Wohlstand herrscht und keine Naturkatastrophen das alltägliche Leben beeinflussen, Hunger zum Lebensalltag einer bestimmten Bevölkerungsschicht gehört. Aber die 4,29 c, die einem erwachsenen Arbeitslosengeld-II-Empfänger, und die 2,60 c, die einem Kind pro Tag für die Ernährung zur Verfügung stehen, reichen eben nicht aus, um jemanden dauerhaft gesund zu ernähren.
Mit anderen lebenswichtigen Dingen sieht es nicht besser aus. Hinweise auf warme Wollpullover sind in diesem Zusammenhang eine mehr als unangemessene Verhöhnung der bewusst arm gemachten Menschen.
Ja, das kann schon sein. – Die Bildungschancen hängen in diesem Land schon seit Längerem vom Geldbeutel der Eltern ab. Nur wer es sich leisten kann, die notwendigen Lernmittel zu kaufen, kann dem Unterricht in vollem Umfang folgen. Taschenrechner, PC und Internetzugang gehören heute zu den selbstverständlichen Hilfsmitteln an modernen Schulen. Das ist auch gut so; denn Ausbildung und Schule sollen zeitgemäß sein.
Nicht gut ist, dass diese Dinge von den Eltern angeschafft werden müssen und im Etat eines erheblichen Teils unserer Bürgerinnen und Bürger eben nicht mehr unterzubringen sind. Auf diese Weise zementieren wir die Armut über die Generationen hinweg.
Wenn wir uns die Einkommensentwicklung im unteren Segment anschauen, stellen wir fest, dass der Lohnanstieg im Niedriglohnsektor vom Preisanstieg völlig aufgefressen wird.
Wenn wir die Verbraucherpreise im Hinblick auf die Einkommen der Arbeitslosengeld-II-Bezieher betrachten, erkennen wir, dass das Ergebnis noch viel grauenvoller ausfällt. Da das gesamte Einkommen für die Existenzsicherung ausgegeben werden muss,ergibt sich seit der Einführung des Arbeitslosengelds II ein realer Einkommensverlust von 175 c im Monat. Das entspricht fast 50 %.
Die Unternehmensgewinne schießen durch die Decke. Den Managern werden Rekordgehälter gezahlt.Wir können nicht nachvollziehen, warum wir hier dann darüber reden, dass es nicht möglich sein soll, den Menschen vernünftige Gehälter zu zahlen.
Die Arbeitslosigkeit sinkt, weil die Menschen unter dem herrschenden Druck bereit sind,Arbeit unter den ungünstigsten Bedingungen anzunehmen. Andere verdienen daran, dass die Menschen unter diesen Bedingungen arbeiten.Wir sind damit so weit weg von einem Sozialstaat, wie es sich kaum jemand in diesem Land je vorstellen konnte.
Wir hören immer wieder, dass das noch nicht reichen würde und dass kein Grund zur Klage bestehe. Das sind Schläge in die Gesichter der Betroffenen.
Die Regierungen haben für die gesamte Bevölkerung da zu sein. Sie sind für das Wohl aller und nicht nur für den wachsenden Gewinn einiger weniger verantwortlich.
So stellt sich aber die Politik für die Mehrheit der Menschen unseres Landes nicht dar. Die Politikverdrossenheit ist nur ein Ergebnis davon. Resignation, Perspektivlosigkeit, insbesondere bei den Jugendlichen, und steigende Aggression sind die weitaus alarmierenderen Anzeichen dieser Situation.
Als Antwort auf diese Probleme höre ich dann, man müsse über die Verschärfung des Jugendstrafrechts nachdenken. Hier im Hause sind sich fast alle darüber einig, dass wir geschlossene Einrichtungen für 10- bis 14-Jährige brauchen. Ich überlasse es jedem selbst, was das für Assoziationen in ihm weckt.
Ich fordere Sie auf, intensiv darüber nachzudenken, welchen Hintergrund die steigende Gewaltbereitschaft junger Menschen hat. Wir müssen darüber nachdenken, wie wir den Gründen begegnen können.
Wir erleben die Ergebnisse der Politik gegen die Interessen der Mehrheit der Menschen dieses Landes und wundern uns. Brauchen wir erst Ausschreitungen, wie es sie in Paris gab? Was tun wir dann? Schreien wir dann nach Polizei und Gefängnissen,anstatt eine Politik zu machen,mit der sich die Menschen unseres Landes wieder ernst genommen fühlen?
Glauben Sie denn ernsthaft, jemand könne den Spruch noch ertragen, er solle den Gürtel enger schnallen, wenn er arbeitslos ist und gleichzeitig in der Zeitung liest, dass die Manager Gehälter in zweistelliger Millionenhöhe abschöpfen? Im Jahr 2006 stieg das feste Grundgehalt der Vorstände im Vergleich zum Vorjahr um 8 %. Die variablen Gehaltsanteile nahmen sogar um 17 % zu.
Die realen Zahlen zeigen, dass der variable Anteil häufig höher als das Grundgehalt ist. Der variable Anteil ist abhängig von der Erhöhung des Gewinns, den das Unternehmen einfährt.Diese Steigerung des Gewinns geht aber leider auf Kürzungen bei denjenigen zurück, die die Gewinne erarbeiten. Hier haben die Betroffenen dann zynischerweise das Wahlrecht zwischen Lohnkürzung oder Arbeitslosigkeit. Wer es genauer wissen will, kann nach Hanau fahren und mit den Kollegen der Vacuumschmelze darüber reden. Sie erleben das nämlich gerade hautnah.
Dauerhaften Aufschwung schafft man nicht durch Senkung der Einkommen, Druck auf die Arbeitnehmer und Senkung der Unternehmensteuern.
Eines hat die jüngste Vergangenheit eindeutig gezeigt: Trotz höherer Gewinne in den Jahren 2000 bis 2006 – sie stiegen von 224 Milliarden c auf 337 Milliarden c, also um etwa 50 % – sind die Investitionen nicht merklich gestiegen.Das Gegenteil ist sogar der Fall.Logisch und sinnvoll wäre eine Politik, die darauf setzt, durch steigende
Einkommen wachsende Nachfrage zu erzeugen. Damit würden mehr Arbeitsplätze geschaffen. Aber das würde eine Wende in der Wirtschafts- und Tarifpolitik voraussetzen.
Erster Vizepräsident Lothar Quanz:
Frau Schott, danke sehr. – Herr Rentsch, Sie haben sich für die FDP-Fraktion zu Wort gemeldet. Ihnen stehen noch 13 Minuten 50 Sekunden Redezeit zur Verfügung.
Wir hätten gerne, wenn das für die CDU in Ordnung ist, die getrennte Abstimmung des Abs. 1.
Erster Vizepräsident Lothar Quanz:
Wenn Sie das beantragen, gehe ich davon aus, dass wir getrennt abstimmen, zunächst über den Abs. 1. Wer Abs. 1 zustimmen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. – Das ganze Haus. Ich frage trotzdem noch: Ist jemand dagegen? – Das ist nicht der Fall. Enthaltungen? – Ebenfalls nicht. Somit einstimmig angenommen.
Ich lasse über den übrigen Entschließungsantrag der Fraktion der CDU abstimmen.Wer ist für diesen Antrag? – CDU und FDP.Wer ist dagegen? – Die übrigen Fraktionen. Gibt es Enthaltungen? – Das ist nicht der Fall. Damit abgelehnt.
Ich rufe Tagesordnungspunkt 76 auf,den Dringlichen Entschließungsantrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN betreffend Menschen und Sozialstaat stärken: Arbeitslosigkeit weiter abbauen, Beschäftigungschancen erhöhen. – Auch da zur Geschäftsordnung, Frau Schott.
Auch hierzu hätten wir gerne die getrennte Abstimmung über jeden einzelnen Absatz.
Erster Vizepräsident Lothar Quanz:
Also jeden einzelnen Absatz, gut.
Wer dem Abs. 1 zustimmen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. – CDU, FDP, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, FDP.Wer ist dagegen? – Die Fraktion DIE LINKE. Damit ist dieser Absatz angenommen.
Abs. 2: Wer möchte zustimmen? – CDU, BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN, SPD. Wer ist dagegen? – DIE LINKE. Wer enthält sich? – Die FDP. Damit ist dieser Absatz angenommen.
Abs. 3:Wer möchte zustimmen? – DIE LINKE, SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN. Wer ist dagegen? – Die CDU. Wer enthält sich? – Die FDP. Damit ist dieser Absatz angenommen.
Abs. 4: Wer möchte zustimmen? – DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN. Wer ist dagegen? – Die CDU. Enthaltungen? – Die FDP. Damit ist dieser Absatz angenommen.
Dann kommen wir zu Abs. 5. Wer möchte zustimmen? – CDU,BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SPD.Wer ist dagegen? – DIE LINKE. Enthaltungen? – Die FDP. Damit ist auch dieser Absatz angenommen.
Abs. 6: Wer möchte zustimmen? – DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN. Wer ist dagegen? – CDU. Enthaltungen? – FDP. Damit ist auch dieser Absatz angenommen.
Jetzt lasse ich abstimmen über den Dringlichen Entschließungsantrag der Faktion der SPD betreffend Deutschland und Hessen sozial gestalten. – Frau Schott, bitte.
Auch hier hätten wir gerne getrennte Abstimmungen.
Erster Vizepräsident Lothar Quanz:
Auch hier Absatz für Absatz?
Ich rufe Abs. 1 auf. Wer möchte ihm zustimmen? – SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN. Wer ist dagegen? – CDU, FDP und DIE LINKE. Damit ist dieser Absatz abgelehnt.
Meine Damen und Herren, wir sind mitten in der Abstimmung.
Abs. 2: Wer möchte ihm zustimmen? – SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN. Wer ist dagegen? – CDU, FDP und DIE LINKE. Damit ist auch dieser Absatz abgelehnt.
Abs. 3: Wer möchte ihm zustimmen? – SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und DIE LINKE. Wer ist dagegen? – CDU und FDP. Damit ist dieser Absatz angenommen.
Abs. 4: Wer möchte zustimmen? – SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN. Wer ist dagegen? – CDU, FDP und DIE LINKE. Damit ist auch dieser Absatz abgelehnt.
Abs. 5: Wer möchte zustimmen? – SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und DIE LINKE. Wer ist dagegen? – CDU und FDP. Damit ist dieser Absatz angenommen.
Abs. 6: Wer möchte zustimmen? – SPD, BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN und DIE LINKE. Wer lehnt ab? – CDU und FDP. Damit ist dieser Absatz angenommen.
Schließlich Abs. 7: Wer möchte zustimmen? – SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und DIE LINKE. Wer ist dagegen? – CDU und FDP. Damit ist auch dieser Absatz angenommen.
Damit sind die Abs. 3, 5, 6 und 7 angenommen. – Vielen Dank für diese nicht ganz einfache Abstimmung.
Noch eingegangen und an Sie verteilt wurde ein Änderungsantrag der Fraktion der SPD, Drucks. 17/697, zu dem Dringlichen Gesetzentwurf der Fraktion der FDP für ein Gesetz zur Änderung des Hessischen Sparkassengesetzes und zur Änderung des Gesetzes zur Errichtung der Frankfurter Sparkasse als Anstalt des öffentlichen Rechts, Drucks.17/682 zu Drucks.17/326,Tagesordnungspunkt 75. Er wird nachher bei der Diskussion um das Sparkassengesetz mit aufgerufen.
Damit kommen wir zu Tagesordnungspunkt 15:
Zweite Lesung des Gesetzentwurfs der Landesregierung für ein Gesetz zur Änderung des Hessischen Besoldungsund Versorgungsanpassungsgesetzes 2007/2008 sowie zur Änderung besoldungsrechtlicher Vorschriften – Drucks. 17/680 zu Drucks. 17/505 –
Mit dazu aufgerufen wird der
Änderungsantrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Drucks. 17/690 –
Berichterstatter ist Herr Beuth. Herr Beuth, Sie haben das Wort als Berichterstatter.
Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Damen und Herren! Der Hessische Landtag verurteilt die brutale Gewalttat von Rechtsextremisten, jüngst begangen unter anderem an einem wehrlosen 13-jährigen Mädchen im Schwalm-Eder-Kreis auf das Schärfste und spricht sich entschieden gegen jede Form von Rechtsextremismus, Antisemitismus und Rassismus aus.
Der Hessische Landtag fordert alle hessischen Bürgerinnen und Bürger auf, sich aktiv am Kampf gegen Rechtsextremismus, Antisemitismus, Rassismus und sämtliche seiner Erscheinungsformen zu beteiligen und sich für ein selbstbestimmtes und friedliches Miteinander aller in Hessen lebenden Menschen unterschiedlicher Kulturen einzusetzen.
Meine Damen und Herren,das ist der Antrag,den wir hier heute möglichst einstimmig verabschieden sollten.
Ich glaube, den traurigen Anlass für diesen Antrag brauche ich hier nicht darzustellen.Aber es gibt ein paar Dinge in diesem Zusammenhang, die zu erörtern mir absolut notwendig erscheint.Wie immer, wenn eine Gewalttat begangen wird, muss man sich auch hier fragen: Wäre es zu verhindern gewesen? – Ich denke, ja. Es wäre zu verhindern gewesen.
Im Frühjahr dieses Jahres gab es so viele rechte Aktivitäten im Schwalm-Eder-Kreis, dass der Elternverein des Schwalmgymnasiums Treysa zu einem Vortrag „Rechte Jugendkulturen“ eingeladen hat. Im Saal saßen neben zahlreichen anderen Teilnehmern auch Mitglieder der
Freien Kräfte Schwalm-Eder und – man beachte – des Staatsschutzes.
Ich möchte es uns allen ersparen, dass ich hier die lange Liste der Aktivitäten von verschiedenen rechten Gruppen aufführe.Aber für diejenigen im Raum,die es interessiert, ist es auf der Internetseite Antimanifest nachzulesen.
Bereits im Verfassungsschutzbericht des Jahres 2005 werden die Freien Kräfte Schwalm-Eder im Zusammenhang mit Gewalt erwähnt. Wenn die Verantwortlichen einschließlich Herrn Bouffier nichts davon gewusst haben wollen, dass es organisierte rechte Gruppen gibt, mutet das mindestens befremdlich an.
Helge von Horn, Mitarbeiter der Arbeitsstelle Rechtsextremismus und Gewalt in Braunschweig,ansässig in Nordhessen, urteilt: „Für alle, die sich professionell mit dem Thema beschäftigt haben, war zu erkennen, dass sich die Situation im Schwalm-Eder-Kreis verschärft.“ Am 5. Oktober 2006 hat er in der Gedenkstätte Trutzhain in Schwalmstadt einen Vortrag zum Thema „Rechte Jugendkulturen – Mode und Strategien“ gehalten. Mitglieder einer rechten Gruppierung, vermutlich der Freien Kräfte Schwalm-Eder, haben die Veranstaltung derart gestört, dass die Polizei eingreifen musste.
Nun zum Täter. Im Polizeibericht heißt es:
Drei der Tatverdächtigen sind der rechten Szene zugehörig. Sie waren bereits zuvor auch bei einer Demonstration der Jugendgruppe solid in Schwalmstadt-Treysa aufgefallen ist, wobei der 19jährige wohnungslose Haupttäter kurzzeitig festgenommen wurde.
Der Überfall auf das Sommercamp wurde nach vorläufigen Erkenntnissen von Tätern verübt, die den Freien Kräften zuzuordnen seien. Das sagt Alexander Eisvogel, Präsident des Landesamtes für Verfassungsschutz. Ob er aus dem Umfeld der örtlichen Kameradschaften stammt oder gar ein Aktivist ist, konnte der Verfassungsschutz allerdings nicht sagen.
Wer zusammen mit Marcel Wöll gearbeitet hat, wer von der Polizei bereits wegen schwerer Körperverletzung gesucht wird, wer unzählige rechte Domains betreibt und Propaganda- und Videomaterial für die rechte Szene erstellt, der soll weder der örtlichen Polizei noch dem Staatsschutz aufgefallen sein?
Am 24. Juni 2007 wurde ein Video mit dem Titel: „Deutscher, Augen auf! Du bist im Krieg!“ veröffentlicht, in dem Schnippkoweit wie in vielen anderen seiner Videos selbst auftrat. In einem wüsten Gemenge aus Rassismus, Ausländerhass und Antisemitismus wird zum Krieg aufgerufen.
Wer mehr über Kevin Schnippkoweit wissen will, sollte sich den Panoramabericht ansehen. Er heißt: „Jeden Tag Nazigewalt – alle schauen weg“. Das Zitat: „Kevin S. ist... immer wieder aufgefallen, drängte sich den Ermittlungsbehörden geradezu auf. Doch gehandelt haben die... nie.“ Es ist merkwürdig, wenn Medien die Ermittlungsarbeit öffentlich kritisieren dürfen, aber ein Abgeordneter der Linksfraktion nicht.
Es ist mir unbegreiflich, wieso Kevin Schnippkoweit vor diesem Hintergrund nach seiner Festnahme am Tag vor
der Tat wieder auf freien Fuß gesetzt werden musste. Vor diesem Hintergrund muss man eindeutig sagen:
Es hätte verhindert werden können. – Wenn wir Jugendliche davor schützen wollen, müssen wir ihnen die Werte unserer Demokratie besser vermitteln. Wenn wir sie davor schützen wollen, dass sie in diesen braunen Sumpf geraten, müssen wir darauf achten, dass wir ihnen eine lebenswerte Zukunft anbieten. Denn Armut und Chancenlosigkeit sind der beste Nährboden für Rassismus und Hass.
Wir müssen unserer Jugend Perspektiven für eine lebenswerte Zukunft schaffen. Deshalb muss sich dieser Landtag eindeutig gegen alles rechte Gedankengut äußern,
um deutlich zu machen, hier geht es um eine rechtsmotivierte Straftat,und um deutlich zu machen,dass für diesen braunen Sumpf in diesem Land kein Platz ist.
Ich möchte beantragen, dass wir alle Anträge in einzelnen Punkten abstimmen.
Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren! Leider geht es nicht so heiter weiter. Ich bin aber froh, dass die Stimmung in diesem Raum etwas lockerer geworden ist, als es heute Morgen der Fall war. Vielleicht können wir das beibehalten, auch wenn das Thema jetzt ein ernsthaftes ist. – Der Datenschutz ist natürlich auch ein sehr ernsthaftes Thema.
Wir haben folgende Situation. Jeweils zur Einschulung der Kinder sind bestimmte Dinge anzuschaffen.Das brauche ich gar nicht im Einzelnen aufzuzählen, weil wir das alle hinter uns haben – nehme ich wenigsten an –: Man muss einen Schulranzen und eine Schultüte kaufen. Der Schulranzen ist mit Heften, Schreibutensilien, Malblocks und dergleichen zu füllen, die Schultüte in der Regel mit irgendwelchen netten Dingen, denn sie soll den Kindern bekanntlich den Schulanfang versüßen.
Das alles kostet Geld.Wir haben Familien, in denen Geld extrem rar ist, und wir haben Regelsätze, in denen diese Kosten nicht eingerechnet sind.
Wenn ein Kind trotzdem durch das erste Schuljahr gebracht ist, geht es wieder los. Dann beginnt das zweite Schuljahr. Bis dahin sind die Turnschuhe zu klein. Es müssen andere Linien im Heft sein, die Malblöcke sind vollgemalt, und die Stifte sind aufgebraucht. Das heißt, das Einkaufen geht wieder los.
Im zweiten und in allen folgenden Schuljahren haben wir immer wieder dieselbe Situation: In den Regelsätzen der Kinder, deren Eltern Hartz IV beziehen, ist dafür kein Geld vorgesehen. Das heißt, die Möglichkeit, ein Kind adäquat auszustatten, ist de facto nicht gegeben.
Wir haben eine ähnliche Situation bei Geringverdienern, also bei Menschen, die ähnlich wenig Geld haben wie Hartz-IV-Empfänger. Auch sie haben nicht die Möglichkeit, irgendwo einen Zuschuss für die Einschulung ihrer Kinder zu beantragen.
All das war einmal anders. Es gab die sogenannten einmaligen Hilfen zu besonderen Anlässen, auf deren Grundlage die Kommunen solche Anlässe, wie z. B. Einschulungen, Konfirmationen und Klassenfahrten, wirt
schaftlich unterstützen konnten. Das ist mit der Neuregelung weggefallen.
Wir haben in Hessen ungefähr 125.000 Kinder, deren Eltern Hartz IV beziehen – SGB II –, und davon sind etwa 75.000 Schulkinder. Ganz genau lässt sich diese Zahl mit unseren Mitteln nicht erfassen. Möglicherweise kann man das auch noch präzisieren.
Hinzu kämen die Kinder, deren Eltern und Familien ähnlich arm sind: SGB XII,Asylbewerberleistungsgesetz und Geringverdiener. Deswegen ist es ein bisschen schwierig, zu beurteilen, wie hoch die Zahl tatsächlich ist. Aber ich denke, die Zahl von 75.000, die wir ermittelt haben, ist deutlich die Untergrenze.
Nun kann man natürlich sagen, das ist nicht Ländersache. Wenn die Regelsätze zu niedrig sind, ist das eine Angelegenheit des Bundes. Was haben wir damit zu tun? – Man macht es sich sehr einfach,wenn man sich überlegt:Wer ist zuständig? Wir sind es nicht. Wunderbar, wir haben es vom Tisch. – Das hilft aber den Kindern in unserem Land überhaupt nicht.
Wenn wir den Kindern in unserem Land helfen wollen, müssen wir schauen, was wir selbst für Möglichkeiten haben. Was haben wir als Land für Möglichkeiten? Was haben unsere Kommunen für Möglichkeiten? Soweit wir ermitteln konnten, gibt es bundesweit derzeit etwa 27 kreisfreie Städte und Kreise, die bereits handeln und Zuschüsse an die betroffenen Menschen in ihrem Bereich zahlen.
Wir Landespolitiker sollten uns überlegen, dass wir diesem Beispiel folgen sollten und müssten. Wir müssen uns überlegen, in welcher Größenordnung das stattfinden kann, wie man das organisieren kann und wo man Einkommensgrenzen für die Menschen festlegt, die geringverdienend sind. Darüber sollten wir uns im Ausschuss in aller Ruhe unterhalten.
Wir haben einen Ansatz gewählt, bei dem wir sagen: Mit 120 c liegen wir immer noch unter den Forderungen, die andernorts gestellt werden. Der DGB hat deutlich mehr ausgerechnet.Wenn wir durch ganz durchschnittliche Geschäfte gehen und den Einkaufskorb mit den Sachen füllen, die ein Kind für den Schulbeginn braucht, werden wir ganz schnell feststellen, dass mehr als 120 c benötigt werden.
Wir wollten aber zumindest einen Einstieg in das Thema schaffen.Sie werden wie immer fragen:Wie wollen Sie das denn finanzieren? Es ist schön, dass die LINKE wieder die große Wundertüte auspackt und den sozialen Gedanken in diesem Saal hochhält, aber keine Idee hat, wie man das finanziert.
Ich hätte Ihnen an der Stelle einen Finanzierungsvorschlag zu machen. Wenn ich davon ausgehe, dass dieses Paket pro Jahr ungefähr 10 Millionen c kosten wird,kann ich folgendermaßen rechnen. Für die Finanzierung des ersten Jahres würde ich dafür auf eine Umgehungsstraße verzichten, die kein Mensch braucht und will. Die Bürger von Dreieich haben sich deutlich dagegen ausgesprochen. Es gibt Befragungen der Menschen, die dort leben. Das wäre genau die Finanzierung des ersten Jahres.
Für das nächste und das übernächste Jahr muss man das eben in den Haushaltsansatz hineinrechnen. Vielleicht sollten wir uns auch einmal überlegen, ob wir weitere solcher Umgehungsstraßen haben. Das weiß ich nicht genau. Aber ich glaube, mit gutem Willen können wir dieses Paket finanzieren.
Mein Appell an dieses Haus ist, es zu versuchen.Wir sollten uns im Ausschuss zusammensetzen und schauen, wie wir es im Detail erarbeiten können, damit wir diesen Kindern Möglichkeiten geben und beweisen, dass Chancengleichheit und Bildungsgleichheit eben nicht nur Worte sind, sondern dass wir tatsächlich gleiche Chancen für die Kinder haben, dass also alle Kinder die Materialien kaufen können,die sie für das Lernen in der Schule brauchen.
Das sind ganz viele Sachen, von denen die Lehrer sagen: Ich weiß, ich kann euch nicht verpflichten, das zu kaufen. Aber wenn ihr das Arbeitsheft zum Lehrbuch kauft, ist es deutlich besser. – Was soll denn das Kind machen, wenn mit diesem Arbeitsheft in der Schule gearbeitet wird, wenn Hausaufgaben in solchen Arbeitsheften aufgegeben werden? Es kann nicht sein, dass ein Kind das Arbeitsheft nicht kauft, weil die Familie das Geld nicht aufbringen kann.
Deswegen müssen wir schauen, dass wir hier eine Lösung finden. Das kann nicht der Weisheit letzter Schluss sein. Wir müssen auf die Bundespolitik einwirken.Wir müssen schauen, dass die Regelsätze verändert werden. Das Land muss wieder aus der Verantwortung herauskommen. Das ist nicht als Dauerzustand, sondern als Überbrückungslösung gedacht.
Dazu gehört der Ansatz, auf den Bund den entsprechenden Druck auszuüben, damit die Situation geschaffen wird, dass das, was die Familien tatsächlich im Portemonnaie haben, zum Leben ausreicht, statt dass eine permanente Mangelwirtschaft – oder sogar noch weniger – festgeschrieben wird. Lassen Sie uns deshalb jetzt gemeinsam überlegen, wie wir das Problem lösen können. – Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.
Herr Rentsch, wenn Sie schon unseren Antrag aus Sachsen zitieren, dann sagen Sie bitte auch dazu, was die dortigen Kollegen in Bezug auf die Höhe des Fonds gefordert haben. Vielleicht ist das ja angemessen. Es spricht überhaupt nichts gegen eine interfraktionelle Zusammenarbeit, oder? Ich weiß nicht, was hier das Problem sein soll. Da Sie gesagt haben, dass wir Verantwortung übernehmen sollten, muss ich feststellen, dass Sie sich selbst vor der Verantwortung wegducken. Sie tragen nämlich auch die Verantwortung für die 75.000 Schulkinder, die nichts dafür können, dass ihre Eltern nicht die Mittel haben, ihnen alles Notwendige zu kaufen, was man für die Schule braucht.
Herr Kollege Bauer, aufgrund der Art und Weise, wie Sie vorhin über die betroffenen Kinder und Eltern gesprochen haben, habe ich es sehr bedauert, dass die obigen Ränge leer waren, denn in Ihrer Tonlage lag eine Verachtung, die den Impetus hatte:Wenn die Eltern zu faul sind, zu arbeiten, dann sollen die Kinder von uns auch keine Unterstützung bekommen. – Das war die Tonlage Ihrer Rede. Das finde ich empörend, und es handelt sich um einen Schlag ins Gesicht derer, die sich in diesem Lande um Arbeit bemühen oder sogar arbeiten, welchen aber trotzdem so wenig übrig bleibt, dass sie von dem Entgelt ihrer Arbeit nicht leben können und aufstocken müssen.
Es gibt eine steigende Anzahl von Vollzeiterwerbstätigen, die nicht mehr von dem leben können, was sie verdienen. Genau um diese Menschen geht es in diesem Antrag. Es geht nicht darum, Erwerbslosigkeit immer weiter zu alimentieren,sondern darum,Kinder zu befähigen,an dieser Gesellschaft teilhaben und lernen zu können, um zu verhindern, dass sie die Erwerbslosen der nächsten Genera
tion werden. Es geht darum, ihnen Chancengerechtigkeit zu geben, damit sie in der Lage sein werden – vorausgesetzt, die gesellschaftlichen Rahmenbedingungen sind gegeben –, für sich selbst zu sorgen.
Es steht einem Abgeordneten nicht an, in dieser Art und Weise, wie Sie über diese Eltern und Kinder gesprochen haben, zu reden. Es handelt sich um arrogantes Verhalten den Menschen gegenüber, die in diesem Lande jeden Tag ordentlich darum kämpfen, ihr Leben zu regeln. Ich finde dies empörend.
Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich verstehe mich hier noch immer als Lernende. Ich höre sehr interessiert zu und staune über das, was ich erfahre. Ich bin manchmal begeistert, manchmal entsetzt, doch stelle ich immer wieder fest, dass es um einen Inhalt geht, der sehr wichtig ist. Es geht um ein Thema, welches den Menschen unter den Nägeln brennt und zu dem ein Redebeitrag gegeben wird. Diesen höre ich zu einem Drittel an und denke, dass dies ganz spannend und interessant ist. Aber dann kommt plötzlich die Wende, denn dann geht es beispielsweise lediglich darum, zu sagen, dass man zwar keine Polemik wolle – dennoch wird es dann polemisch, und zwar genau dann, wenn ich gerade denke: Ich kann nun nachvollziehen, was passiert; es geht tatsächlich um den Inhalt. – Es schlägt plötzlich um, und es geht in den unterschiedlichsten Formen wieder nur darum, je nach Couleur des Redners, entweder die Regierung zu loben, zu lobhudeln oder gar zu beschimpfen.
Wenn ich das Problem betrachte, dann möchte ich an dieses Haus die dringende Bitte richten, dass wir mit einer großen Ernsthaftigkeit in den Ausschuss gehen, um genau hinzuschauen und zu fragen,was wir tatsächlich brauchen. Ich wünsche mir, dass wir hierüber reden.
Ich wünsche mir aber auch, dass wir nicht nur eine Arbeitsgruppe einsetzen werden,die gute Ergebnisse erzielt, und dass am Ende nicht lediglich die guten Ergebnisse übrig bleiben, die wir dann in den Schrank packen, statt sie in die Tat umzusetzen.
Wir können uns das in der Schulpolitik anschauen. Da finde ich es geradezu beispielhaft, wie viele Modellprojekte es gegeben hat, die alle wunderbar ausgebildet worden sind, um dann mit null Konsequenzen in irgendwelchen Schränken zu verschwinden. Wir können hier auch darüber reden, wie es sein könnte, wenn es gut wäre. Ich glaube, wir alle haben eine Vorstellung davon, wie es gut wäre. Dann können wir die Keule auspacken und sagen:
„Leider können wir es uns nicht leisten.“ Damit packen wir es dann wieder weg.
Wenn wir wirklich zielorientiert hinschauen wollen, wie wir die Qualität in den Krankenhäusern verbessern wollen, wie wir die Situation der dort arbeitenden Menschen verbessern wollen, dann müssen wir uns doch von vornherein darüber im Klaren sein, dass das Geld kosten wird. Wir müssen gemeinsam überlegen, wo wir dieses Geld hernehmen können und wie wir es am effizientesten einsetzen können.Denn es ist doch klar,dass man da wirklich effizient und wirtschaftlich arbeiten muss. Aber es muss uns auch klar sein: Es geht nicht zum Nulltarif, wenn wir an der Stelle etwas verbessern wollen.
Zu sagen, es habe überhaupt keinen Zweck, darüber nachzudenken, oder es gehe sowieso nicht, weil..., finde ich sehr müßig. Denn wir alle wissen, dass es notwendig ist und dass wir es tun müssen. Deshalb sollten wir gemeinsam schauen, wo und wie es gehen kann, und alle Beteiligten, die Herr Dr. Spies und die anderen in ihrem Vorschlag für eine Arbeitsgruppe aufgezählt haben, einbinden. Denn es ist notwendig und wichtig, dass genau die Menschen, die vor Ort in den Krankenhäusern, in den Einrichtungen betroffen sind, an der Stelle mitsprechen können und dass wir zu einem Ergebnis kommen, das wir dann aber bitte auch umsetzen. – Danke.
Erster Vizepräsident Lothar Quanz:
Danke sehr, Frau Schott. – Zu einer Kurzintervention hat sich Herr Rentsch gemeldet. Bitte, Herr Rentsch, Sie kennen das: zwei Minuten.
Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Posch, es gibt Länder, in welchen Bahngleise nebeneinander herlaufen; das sind in der Regel solche, in denen man die Bahn privatisiert hat. Wir wollen aber eine vernünftige Infrastruktur, bei der man Straßen, den öffentlichen Personennahverkehr und andere Verkehrswege sinnvoll miteinander verbindet. Deshalb dürfen wir nicht noch mehr an Stellen ausbauen, wo man besser stoppen sollte. Wir sollten stattdessen mehr Wert auf den öffentlichen Personennahverkehr legen, besonders in Nordhessen;denn diese Situation haben wir insbesondere in Nordhessen, und zwar nicht nur in Kassel oder dem direkten Umland.
Es gibt Regionen, in welchen man zwar versuchen kann, mit dem Bus ins Nachbardorf zu fahren, doch schafft man dies bestenfalls ein- oder zweimal am Tag.
Es gibt im Raum Eschwege die Situation, dass Menschen, die auf den öffentlichen Personennahverkehr angewiesen sind, durch veränderte Ladenöffnungszeiten in bestimmten Orten nicht mehr einkaufen können. Vor der Stadt Eschwege befinden sich riesige Einkaufszentren, doch auf dem flachen Land stirbt der gesamte Geschäftsbereich. Dort verlieren wir Einkaufsmöglichkeiten, und wir verlieren an Lebensqualität.Wir verlieren insbesondere für die älteren Menschen, die dort leben, die Möglichkeit, in diesem Raum überhaupt noch zu überleben.
Dort brauchen wir keine Autobahn, sondern Omnibusse, die von Dorf zu Dorf fahren, und zwar nicht nur einmal morgens um sieben hin und einmal abends um sieben Uhr wieder zurück. Es ist notwendig, dass Menschen tatsächlich Arbeitsplätze, Kindergärten, Einkaufsbereiche und Schulen erreichen können.Wir brauchen eine flächendeckende und vernünftige Sicherung von Schulangeboten, statt Schulschließungen, da dort eine Besiedlung vorherrscht, wie es eben andernorts, beispielsweise im Rhein-Main-Raum, nicht der Fall ist. Dort haben wir eine ganz andere Situation, und daher haben wir auch ganz andere Schlüsselzahlen.
Wir brauchen keine nochmalige Diskussion über den Flughafen. Doch was wird heute schon wieder gemacht? – Die CDU-Fraktion stellt einen Antrag, in welchem sie die Regierung lobt. Was kommt dabei am Ende raus? – Dass wir entweder klatschen oder nicht. Das bringt uns nicht weiter. Vielleicht werden Sie dieses Problem irgendwann noch einmal haben, doch haben Sie bereits einmal mit uns abgestimmt, und da hatten Sie auch ein Problem.
Was hat das mit Demokratie zu tun, wenn man seine Zeit damit verbringt, zu reden, statt zu handeln?
Ich weiß nicht, welches Bild heute von Nordhessen gezeichnet werden sollte, denn dieses Nordhessen, das ich kenne, hat mit den Beschreibungen relativ wenig zu tun.
Sie reden von Arbeitsplätzen, die geschaffen worden sind. – Diese sind geschaffen worden.Doch haben Sie sich auch einmal gefragt, zu welchen Konditionen diese geschaffen wurden? Wenn es sich nicht um SMA-Arbeitsplätze handelt, dann handelt es sich in der Regel – das haben wir heute Morgen auch gehört – um Arbeitsplätze im Logistikbereich, die derart bezahlt sind, dass sie überwiegend aufstocken müssen, damit die Menschen davon leben können – es sei denn, diese sind alleinstehend. Das sind die Arbeitsplätze, die Sie in dieser Region geschaffen haben. Diese haben den Menschen nicht sehr viel gebracht.
Ich habe SMA ausgeschlossen, aber in Verbindung mit SMA sei darauf hingewiesen, dass sich die Universität nicht erst in den letzten Jahren unter Ihrer Regierungsverantwortung zu einer guten Hochschule entwickelt hat. Die Vorraussetzungen hierfür – nämlich ISET und SMA – sind vor 20 Jahren geschaffen worden und nicht erst in den letzten drei Tagen entstanden.
Man sollte daher nicht so tun, als ob dort in den letzten Jahren unglaubliche Verbesserungen gelaufen seien, die die Wirtschaft in einer Art und Weise angekurbelt hätten, dass dort etwas entstanden wäre, was nicht ohnehin bereits im Entstehen begriffen war.Ich sehe ein Nordhessen, welches Sie hier nicht gezeichnet haben. Ich erkenne ein Nordhessen, in welchem wir ein Problem haben, nämlich mit überwiegend älteren Menschen im ländlichen Bereich
in Nordhessen –, deren Mobilität immer mehr eingeschränkt wird,unter anderem dadurch,dass es keinen vernünftigen Omnibusverkehr mehr gibt.Wir haben dort die Situation, dass der bestehende Transport deutlich teurer ist als beispielsweise im südhessischen Raum. Das heißt: Wenn ich mich bewegen will, dann muss ich als einzelner Bürger deutlich mehr investieren. Auch hier besteht wiederum Ungleichheit, denn gleichzeitig sind die Einkommen verhältnismäßig geringer und die Arbeitslosenzahlen deutlich höher. Es gibt ein Ungleichgewicht, das wir erkennen müssen.
Ich rede Nordhessen nicht schlecht; ich bin nur nicht gewillt, so zu tun, als hätten wir dort keine Probleme.
Das ist die einfachste Lösung.Etwas Besseres fällt Ihnen wohl nicht ein, als zu sagen: „Ziehen Sie doch einfach nach Frankfurt“. Sie lassen die Menschen dort hängen, denn wer dort nicht mehr sein möchte und dort nicht mehr arbeiten kann, der zieht einfach nach Frankfurt. Vielleicht wäre da auch Köln oder München eine Möglichkeit.Wieso ziehen eigentlich die Südhessen nicht nach Nordhessen? – Da es so wenig attraktiv ist, dort zu leben, obwohl man so preiswert leben kann.
Wieso soll man nicht die Probleme benennen, die vorhanden sind? Ich finde es ein Unding, so zu tun, als ob es in Nordhessen einen Aufschwung gäbe und es allen Men
schen wunderbar ginge. Das entspricht einfach nicht den Tatsachen. Es entspricht einfach nicht der Situation, die die Menschen beispielsweise in der Nordstadt in Kassel oder in kleinen Ortschaften im Werra-Meißner-Kreis erleben. Dort haben wir genau die Probleme, die Sie hier verschweigen und die Sie nicht sehen wollen. Auf diesem Auge sind Sie völlig blind; und diese Menschen sind Ihnen völlig egal. Es geht um Renommierprojekte, die Sie vorzeigen wollen. Diese Menschen interessieren sich nicht dafür, ob wir dort einen Flugplatz haben. Diese Menschen brauchen Sie nicht, denn Sie wollen – –
Sie wollen hier die Situation dieser Menschen schönreden, um an der Wahrheit vorbeizuschauen. Es gibt alte Menschen, die sich darüber Sorgen machen, wie sie ihr Leben in einer Region bewältigen, in der man nicht einmal mehr einkaufen kann und in der es überhaupt keine Möglichkeit mehr gibt, sich selbst zu versorgen; doch das interessiert Sie überhaupt nicht. Hier interessiert Sie so etwas, wie Beberbeck zu bauen, wo irgendwelche Menschen zum Golfspielen hinkommen können.
Anschließend müssen wir noch ein paar Straßen pflastern, damit die Menschen, die Golf spielen wollen, auch hinkommen. Das ist das, was Sie hier interessiert.
Ich rede Nordhessen nicht schlecht. Sie reden die Probleme weg, die wir dort auf dem Tisch haben. Sie wollen sie nicht wahrhaben, und Sie wollen sie nicht sehen. Denn Sie haben dafür keine Lösungsansätze. Ich habe in der Zwischenzeit den Verdacht: Sie haben nicht einmal mehr ein Interesse, überhaupt noch Lösungen dafür zu finden. Ich habe stellenweise schon das Wort „Verwüstung“ gehört. „Es ist doch egal, lassen wir die Nordhessen aussterben. Wir sind ohnehin alt. Was brauchen wir uns da zu kümmern?“
Das ist doch das, was hier teilweise passiert. Es hat verdammt wenig damit zu tun, die Menschen vor Ort tatsächlich zu unterstützen.
Ich würde Sie auffordern, einfach einmal durch die Kasseler Nordstadt oder in andere Orte zu fahren und sich das anzuschauen. Dort gibt es Marktplätze, um die herum es leer stehende Geschäfte gibt, in die niemand mehr hineingeht, weil man da nur pleitegehen kann. Dort gibt es leer stehende Wohnhäuser, die keiner mehr kaufen will, weil es dort keine Arbeitsplätze mehr gibt, weil es keine Kindergärten gibt.
Ich denke, wir müssen schauen, dass wir den öffentlichen Beschäftigungssektor ausbauen,
dass wir die Möglichkeiten, die wir haben, nutzen, um den Menschen dort ein Leben zu geben.
Wir können Menschen dabei unterstützen, dass sie lange in ihren eigenen Wohnungen bleiben können.Wir können die Menschen dabei unterstützen, dass sie weiterhin in den ländlichen Gebieten leben können. Wir können die Situation in den Kindergärten und den Schulen verbessern. Damit schaffen wir Arbeitsplätze.Arbeitsplätze führen dazu,dass Menschen wieder Geld haben,das sie in der Region ausgeben.
Das, was Sie machen wollen, führt uns dazu, dass wir beispielsweise – ich nenne die Zahl noch einmal – auf dem Flugplatz in Kassel-Calden tatsächlich von 60 zusätzlichen Arbeitsplätzen reden und nicht von den viel beschworenen Tausenden.
Fangen wir einfach bei 25.000 an.Dann sehen wir weiter.
Es ist doch die Frage, wo wir unsere Prioritäten setzen. Es ist doch die Frage, welche Bedingungen wir in diesem Land vorfinden. Schauen wir doch bitte auch einmal über die Landesgrenzen hinaus. In Südniedersachsen und in Thüringen gibt es ähnliche Probleme. Warum setzen wir uns nicht mit den Kollegen dort ein bisschen intensiver zusammen und schauen,wie wir die Probleme regional lösen können?
Sie schauen mit Ihrem südhessischen Blick nach Nordhessen und meinen, Sie hätten die Lösungen.
Ja, Sie schauen mit Ihrem ganz speziellen Hofgeismarer Blick. Ich weiß.Aber der reicht genau von Hofgeismar bis Kassel.Alles andere wird weggeblendet.
Von mir aus auch in Wolfhagen. Dann kennen Sie genau die Situation, die ich gerade beschrieben habe. Denn Wolfhagen gehört zu den Orten, in denen es gar nicht so blendend aussieht.
Wir wollen, dass die Menschen dort arbeitstechnisch gefördert werden, wo es notwendig ist. In Nordhessen muss beispielsweise der öffentliche Beschäftigungssektor ausgebaut werden, damit die Menschen dort, wo sie leben, Arbeit finden können, damit wir auf die Art und Weise Dinge wieder ankurbeln können.
Wir wollen, dass die Menschen die Arbeit erreichen können und die Arbeit die Menschen erreicht,indem man solche Verkehrsanbindungen schafft, die es ermöglichen, dort hinzukommen, damit es nicht völlig unmöglich ist, eine Arbeit aufzunehmen.
Wir wollen, dass auf dem Gebiet der Gesundheit, der Versorgung älterer Menschen, der Bildung für Kinder Arbeitsplätze geschaffen werden. Das können wir in all diesen Regionen tun, wo es notwendig ist. Da, wo wir wirtschaftlich klare Situationen haben, wo Arbeitsplätze vorhanden sind, müssen wir nicht zusätzlich hineingehen, sondern wir müssen es genau an solchen Stellen wie in Nordhessen tun.
Das ist unsere Idee.Wir brauchen dafür weder Beberbeck noch diesen Flughafen, noch diese Autobahnen.
Denn das alles bringt uns an der Stelle nicht wirklich weiter. Wir wollen nicht in Beton investieren, wir wollen in Menschen investieren.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Es ist erstaunlich, aber es gibt tatsächlich Tagesordnungspunkte, bei denen sich das ganze Haus einig zu sein scheint.
Das könnte uns nachdenklich machen. Wir sollten schauen, ob es mehr Punkte gibt, an denen wir das hinbekommen.