Protocol of the Session on February 23, 2006

Steigende Staatsschulden und steigende Zinsausgaben stellen die Handlungsfähigkeit des Staates grundlegend infrage. Solide Staatsfinanzen sind auch Voraussetzung für ein stabiles Staatswachstum und verlässliche Sozialsysteme, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der SPD)

Daher wird auch ein Teil der Mehreinnahmen zur Senkung der Lohnzusatzkosten eingesetzt.

Herr Kollege Kahl, der Herr Kollege Rentsch möchte Ihnen eine Zwischenfrage stellen.

Es bleibt dabei: Gerade aus Gründen der sozialen Gerechtigkeit wird der ermäßigte Mehrwertsteuersatz nicht angetastet. Wir haben in diesem Zusammenhang auch durchgesetzt, dass es keine Besteuerung auf Sonntags-, Feiertags- und Nachtzuschläge gibt.

(Beifall bei der SPD)

Ich komme zu Hessen. Für Hessen bedeutet das Thema 350 bis 400 Millionen c zusätzliche Einnahmen. Ohne diese Einnahmen ist Hessen wegen der katastrophalen Finanzpolitik der Regierung Koch vollständig handlungsunfähig.

(Beifall des Abg. Norbert Schmitt (SPD))

Fünf verfassungswidrige Haushalte, die galoppierende Verschuldung und der Verkauf von Landesvermögen in großem Stil sind die Ergebnisse Ihrer Finanzpolitik, an der die hessische FDP auch beteiligt war.

(Beifall bei der SPD)

Meine Damen und Herren, zur Erinnerung: Für die hessische Rekordneuverschuldung von 2 Milliarden c im Jahr 2002 tragen CDU und FDP die Verantwortung.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD – Zuruf des Abg. Gottfried Milde (Griesheim) (CDU))

Kurz vor der Bundestagswahl hatte die FDP schon einmal eine Aktuelle Stunde zur Mehrwertsteuer beantragt. Schon damals hat sie sich mit markigen Worten gegen

eine Mehrwertsteuererhöhung ausgesprochen. Ich muss das wiederholen, was ich damals gesagt habe; auf dieses Zitat ist auch die Kollegin Erfurth eingegangen. Herr Otto Hermann Solms hat gesagt,

(Florian Rentsch (FDP): Er heißt Hermann Otto!)

an der Frage der Mehrwertsteuererhöhung würden die Liberalen die Koalition nicht scheitern lassen. Das ist die ehrliche Antwort darauf.Aber die Wählerinnen und Wähler haben sich so entschieden, dass sich diese Frage für die FDP glücklicherweise nicht stellt.

(Beifall bei der SPD – Zuruf von der FDP)

Sehen Sie, das ist Ihr Problem.

(Zuruf von der FDP: Wenn die SPD lügt, ist das nicht unser Problem!)

Meine Damen und Herren, lassen Sie mich schließen, indem ich für meine Fraktion Folgendes sage. Auch Ihre jetzt gestartete Kampagne – sie heißt: hessische Kommunalwahl auch Volksabstimmung über Mehrwertsteuererhöhung – wird kläglich scheitern.Mit Ihrem Wahlergebnis werden Sie noch nicht einmal das Quorum für eine Volksabstimmung erreichen.

(Beifall bei der SPD)

Schönen Dank, Herr Kollege Kahl. – Das Wort hat Herr Staatssekretär Dr.Arnold.

Sehr geehrter Herr Präsident, meine Damen und Herren! Die Hessische Landesregierung hält die geplante Erhöhung der Mehrwertsteuer für unverzichtbar. Auch wenn wir zu Beginn des Jahres 2006 eine gewisse tendenzielle Besserung feststellen können, bleiben die öffentlichen Haushalte nach wie vor in einer außerordentlich ernsten Lage. Trotz vielfacher Ausgabenbegrenzungen liegen die regelmäßig fließenden Einnahmen noch immer dramatisch unter den laufenden Ausgaben.

(Frank-Peter Kaufmann (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Warum haben Sie jahrelang den Subventionsabbau toleriert?)

Daraus ist ein enormer struktureller Handlungsbedarf entstanden,

(Frank-Peter Kaufmann (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Den die Landesregierung mit verursacht hat!)

den die Bundesregierung mit voller Unterstützung der Hessischen Landesregierung zielstrebig angeht. Im Koalitionsvertrag zwischen CDU/CSU und SPD wurde vereinbart,in gemeinsamer Anstrengung die öffentlichen Finanzen wieder auf eine solide Basis zu stellen. Meine Damen und Herren, das ist eine ganz wichtige Zielsetzung dieser großen Koalition. Es wurden bereits haushaltsentlastende Maßnahmen beschlossen. Ich erinnere an die Abschaffung der Eigenheimzulage, an die Kürzung der Pendlerpauschale.

(Nicola Beer (FDP): Das 25-Milliarden-c-Packet!)

Jetzt wird in dem Haushaltsbegleitgesetz – darin ist die von der FDP kritisierte Anhebung der Mehrwertsteuer

um 3 % enthalten – ein weiterer wichtiger Schritt unternommen. Lieber Kollege von Hunnius, zu den Worten „doppelter Wahlbetrug“ sage ich Ihnen ganz deutlich: Die CDU hat vor der Bundestagswahl gesagt: 2 %.

(Nicola Beer (FDP): Ja und?)

Die SPD und die CDU/CSU haben in einem ausgewogenen Koalitionsvertrag verantwortungsvoll gegeneinander abgewogen, was notwendig ist. Die Erhöhung der Mehrwertsteuer um 3 % ist notwendig. Ich denke, das ist auch deutlich geworden.

(Beifall bei der CDU – Zuruf des Abg. Frank-Peter Kaufmann (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))

Ich sage ausdrücklich mit Blick auf das, was Sie zum Mittelstand gesagt haben: Die Koalition hat auch Impulse für Wachstum und Beschäftigung in einem Umfang von 37 Milliarden c vereinbart – 25 Milliarden c durch den Bund, die anderen 12 Milliarden c durch die Länder und die Gemeinden. Das ist der notwendige Mix aus Wirtschaftsbelebung und entschlossener Konsolidierung.

(Beifall des Abg. Gottfried Milde (Griesheim) (CDU))

Lieber Herr Kollege von Hunnius, das ist auch ein Zeichen für den Mittelstand. Sie und ich wissen, dass die Umsatzsteuer, wenn eine Vorsteuerabzugsberechtigung vorliegt, eigentlich nur ein Durchlaufposten für mittelständische Unternehmen ist.

Die beschlossene Erhöhung der Mehrwertsteuer von 16 auf 19 %

(Zurufe der Abg. Roland von Hunnius und Michael Denzin (FDP))

dient auch der Senkung der Lohnnebenkosten bei der Arbeitslosenversicherung. Das wurde bereits von Herrn Kahl deutlich gesagt. Ich bin deshalb der festen Überzeugung, dass die im Rahmen dieses Gesamtkonzepts vorgesehene Erhöhung der Mehrwertsteuer auch mit Blick auf unsere Verpflichtung im Rahmen des Europäischen Stabilitäts- und Wachstumspaktes notwendig und alternativlos ist.

(Frank-Peter Kaufmann (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Das ist Quatsch! Alternativlos ist nie etwas!)

Alle anderen Vorschläge und Forderungen, so notwendig sie im Einzelnen sind und so wichtig sie auch in ihrer Bedeutung sind, führen nur mittelfristig, lieber Herr Kaufmann, zu einer entsprechenden Entlastung.

(Frank-Peter Kaufmann (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):Weil Sie es jahrelang blockiert haben!)

Wir brauchen unmittelbare, zeitnahe Wirkungen. Das heißt:Wenn wir es in Deutschland nicht schaffen, wenigstens im kommenden Jahr – nach fünf Überschreitungen in Folge – das Maastricht-Kriterium für das Defizit einzuhalten, dann werden Strafzahlungen nicht auszuschließen sein. In der Situation, wo das Defizit der öffentlichen Haushalte noch immer bei rund 54 Milliarden c liegt, der Schuldenstand der öffentlichen Hand insgesamt an der 1,5-Billionen-c-Grenze liegt,halte ich es für politisch verantwortungslos, wenn man auf dringend benötigte Einnahmen verzichtet.

(Nicola Beer (FDP):Abzocke!)

Sie haben Zahlen zu Hessen genannt. Herr Kahl, die Gesamtzahlen, auch für den Bund: Wir reden hier von einer

Größenordnung von 45 Milliarden c in den nächsten drei Jahren. Für die Länderhaushalte stehen davon in den Jahren 2007 bis 2009 jeweils jährlich knapp 7,5 Milliarden c zur Verfügung. Für den hessischen Landeshaushalt bedeutet dies Mehreinnahmen zwischen 350 und 450 Millionen c.

(Reinhard Kahl (SPD): So, wie ich es gesagt habe!)

So, wie Sie es gesagt haben.

Ich fasse zusammen. Meine Damen und Herren, die derzeitige Situation aller öffentlichen Haushalte lässt keinen Raum zum Verzicht auf schnell und zuverlässig wirkende Maßnahmen. Deswegen ist die Mehrwertsteuererhöhung auch aus unserer Sicht eine dringend notwendige Maßnahme im Rahmen der Gesamtkonzeption. Mit einem solchen Bündel struktureller Maßnahmen – dazu zähle ich auch Einsparungen auf der Ausgabenseite, den Abbau von Steuervergünstigungen, die Schließung von Steuerschlupflöchern – werden das Ausgabeniveau und die Finanzierungsmöglichkeiten der öffentlichen Haushalte sukzessive wieder in Einklang gebracht.

Ich lade Sie deshalb alle ein, daran konstruktiv mitzuwirken – im Interesse der Zukunft Deutschlands

(Nicola Beer (FDP): Nein!)