Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Die FDP hat sich offensichtlich vorgenommen, mit diesem Antrag einmal eine Aktuelle Stunde lang Opposition vorzuspielen.
In den letzten beiden Tagen und auch an vielen Sitzungstagen davor habe ich die FDP und ganz besonders ihren verehrten Herrn Vorsitzenden, der gerade nicht im Saal ist, als selbst ernannte Regierungssprecher erlebt, gepaart mit einem für die FDP sicher schmerzlichen Verlust der Regierungsverantwortung. Die Vereinigung des ziemlich hohen Kuschelpegels und des schmerzlichen Verlustes der Regierungsmitverantwortung hat auf mich manchmal schon peinlich gewirkt.
Mit der Mehrwertsteuererhöhung haben Sie nun ein Thema entdeckt, mit dem Sie glauben, sich als Anwalt von Verbraucherinnen und Verbrauchern und als Anwalt der sozial Schwächeren gerieren zu können. Ich frage mich allerdings, meine Damen und Herren von der FDP: Wer soll Ihnen diese Rolle ernsthaft abnehmen?
(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Andrea Ypsilanti (SPD): Ja! – Zuruf des Abg. Florian Rentsch (FDP))
Wenn es einen Preis gäbe, welche Partei in den letzten Jahren Mehrwertsteuererhöhungen am häufigsten zugestimmt hat, hätte ihn, muss ich sagen, die FDP redlich verdient.
Die Mehrwertsteuer in der neuen Form wurde 1968 als Nettoallphasenumsatzsteuer mit Vorsteuerabzug – so heißt sie nämlich ganz korrekt – eingeführt. Das hat die große Koalition gemacht. In der Folgezeit wurde der Um
satzsteuersatz fünfmal erhöht – der Kollege Williges ist darauf eingegangen –: 1978, 1979, 1983, 1993 und 1998. Jetzt dürfen Sie einmal raten, wie oft die FDP der Erhöhung zugestimmt hat.
Immer dabei; Herr Kollege Schmitt, Sie haben es gesagt. Die FDP war jedes, aber auch jedes Mal dabei, wenn es darum ging, die Umsatzsteuer zu erhöhen.
Für die Chronisten unter Ihnen: Die SPD war es zweimal, die CDU dreimal. Jetzt wollen sie die Vorsprünge anscheinend aufholen.
Ich glaube, es gehört nicht viel Phantasie dazu, zu prophezeien: Wäre die FDP jetzt noch mit an der Regierung, hätte sie ihre Verbraucherschutzrolle sofort in die Kiste gepackt und mit affenartiger Geschwindigkeit das Gegenteil behauptet.
Denn ein paar Hintertürchen haben Sie ja im Vorfeld schon einmal gesucht und vorsichtig angestoßen. Hermann Otto Solms hat in einem Interview des Deutschlandfunks am 12. Juli 1905, also noch vor der Bundestagswahl – –
2005. Entschuldigung, Herr Rentsch; das war ein Versprecher. – Am 12. Juli 2005 hat sich Herr Solms als aufrechter Streiter gegen die Mehrwertsteuererhöhung ausgesprochen, um im gleichen Interview aber am Ende zu behaupten:Na ja,scheitern soll die Regierungsbeteiligung daran aber auf keinen Fall.
Offensichtlich ist dieses Virus aber auch hoch ansteckend; denn wie sonst kann man sich erklären, dass die SPD trotz markiger Erklärungen im Vorfeld – das kann ich Ihnen nicht ersparen – nach der Bundestagswahl ratzfatz einen Schwenk vollzogen hat und sich zur Merkel-MünteSteuer umentschlossen hat, wie sie auch Herr von Hunnius hier beschrieben hat.
Wir von den GRÜNEN haben vor der Wahl erklärt: Wir halten die Erhöhung für kontraproduktiv. Die Begründung hierfür hat der Herr Kollege von der FDP hier gegeben; ich kann sie mir ersparen. Ich sage jetzt mit voller Überzeugung: Die Erhöhung ist nach wie vor überflüssig.
Ich möchte zum Schluss meiner Rede Ihr Augenmerk noch auf einen anderen Aspekt lenken. Allein die Erhöhung der Umsatzsteuer soll rund 20 Milliarden c bringen. Ich sage Ihnen: Wir würden diese Erhöhung nicht brauchen,wenn sich die Finanzminister der Länder endlich auf eine sinnvolle und abgestimmte Bekämpfung des Umsatzsteuerbetrugs einigen würden. Nach Untersuchungen des Ifo-Institutes könnten 20 Milliarden c eingesammelt werden, wenn endlich die Schlupflöcher im Umsatzsteuerrecht geschlossen würden und alles das eingenommen werden würde, was dem Staat zusteht. Dann kämen wir ohne Umsatzsteuererhöhung zu einer Haushaltssanie
rung, und das wäre auch ein Schritt in Richtung Steuergerechtigkeit, die wir ja alle immer wieder anmahnen.
Ich bin sofort fertig, Herr Präsident. – In Kürze mein Fazit: Wir brauchen keine Mehrwertsteuererhöhung. Wir brauchen aber auch keine markigen Erklärungen der FDP, die das Papier nicht wert sind, auf dem sie stehen.
Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Unter dem schönen unpolitischen Titel „Es wird Zeit, jetzt das Richtige tun“ startet die hessische FDP ihren Kommunalwahlkampf. An der Spitze der Forderungen steht mangels kommunalpolitischer Verankerung – in den Kommunen haben Sie ja nicht viel zu sagen – die Forderung nach der Ablehnung der Mehrwertsteuererhöhung.
Deshalb ist das Thema Mehrwertsteuer alles andere als ein neues Thema und vielmehr der Versuch, den FDPKommunalwahlkampf hierher in den Landtag zu verlegen, weiter nichts, meine Damen und Herren.
Das Lüftchen, das Sie entfachen wollen, hat Ihnen Herr Koch mit dem Chaos in der Regierung auch noch kaputtgemacht. Das ist das Ergebnis.
Dabei wollen wir noch einmal daran erinnern – es ist ja schon gesagt worden –, dass die FDP in der Regierungsverantwortung mit der CDU/CSU für zahlreiche Steuererhöhungen, besonders bei den Verbrauchssteuern, mitverantwortlich ist.
Meine Damen und Herren, ich bitte doch, die Erregung etwas zu reduzieren, dem Kollegen Kahl wieder aufmerksam zuzuhören, alles in Ruhe zu ertragen und auch die Zwischenrufe etwas zu regeln.
Meine Damen und Herren, man kann festhalten: Die Mehrwertsteuererhöhung zum 1. Januar 2007 wäre die erste ohne Beteiligung der FDP, und das ist Ihr Problem.
Im Koalitionsvertrag der großen Koalition ist die Mehrwertsteuererhöhung festgeschrieben,und dies wird umgesetzt. Uns als hessischer SPD ist die Zustimmung zur Erhöhung der Mehrwertsteuer wahrlich nicht leicht gefallen.
Wenn man sich die Koalitionsvereinbarung auf Bundesebene einmal insgesamt ansieht und bewertet,trägt sie die hessische Partei mit; denn die Deckungslücke im Bundeshaushalt ist allein durch Sparmaßnahmen nicht zu schließen, auch wenn Sie das laufend wiederholen.
Entscheidend ist: Kürzungen und drastische Einschnitte in das soziale Netz, was Sie im Grunde genommen wollen, wird es mit der SPD nicht geben. Das ist die Botschaft.
Steigende Staatsschulden und steigende Zinsausgaben stellen die Handlungsfähigkeit des Staates grundlegend infrage. Solide Staatsfinanzen sind auch Voraussetzung für ein stabiles Staatswachstum und verlässliche Sozialsysteme, meine Damen und Herren.