Protocol of the Session on November 26, 2004

Nein. – Ich möchte Ihnen dazu Folgendes sagen: Die Freien Demokraten haben dazu eine differenzierte Posi

tion eingenommen, das habe ich sehr wohl zur Kenntnis genommen. Wenn ich anderer Auffassung bin und mich wegen der vorgegebenen Zeit auf einen – aber wie ich finde: sehr wichtigen – Bereich beschränke, möchte ich Folgendes ausführen. In mehreren Reden ist zu Recht auf die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts hingewiesen worden.

(Günter Rudolph (SPD): Zu Recht!)

Es ist eine ausgesprochen wichtige Entscheidung. Was ist der Kern dieser Entscheidung? – Das Bundesverfassungsgericht hat uns gesagt: Wohnraumüberwachung wie auch Telekommunikationsüberwachung sind grundsätzlich zulässig. Sie sind jedoch aus Sicht des Bundesverfassungsgerichts im Kernbereich privater Lebensgestaltung unzulässig. Daraus wird ein Verwertungsverbot gefolgert.

Ich bin der Auffassung, dass dies in der Strafverfolgung durch das Bundesverfassungsgericht abschließend geregelt ist. Ich bin jedoch ebenfalls der Auffassung, dass das Bundesverfassungsgericht im Gefahrenabwehrbereich diese abschließende Regelung nicht getroffen hat und nach meiner Überzeugung auch nicht treffen kann,weil es hier um etwas anderes geht. Im Gefahrenabwehrbereich sind wir in einer völlig anderen Situation.

Der Gesetzgeber und das Verfassungsgericht können nach einer eingetretenen Straftat andere Mittel anwenden als bei der Gefahrenabwehr. Am deutlichsten wird dies bei den Verjährungsvorschriften.Im Strafrecht haben wir die Vorschrift, dass ein Fall nach einer bestimmten Zeit nicht weiter verfolgt wird, weil Rechtsfrieden eingetreten ist. Bei der Gefahrenabwehr geht es um etwas völlig anderes.Es geht dort um eine unmittelbare Gefahr und es ist Aufgabe der Polizei, diese Gefahr abzuwenden. Die Ableitung des Bundesverfassungsgerichts ist letztlich darauf zurückzuführen, dass hier Individualschutzrechte entsprechend hoch gehalten werden. Dagegen habe ich nichts.

Die Abwägung des Individualschutzrechts des bis dahin mutmaßlichen Täters im Strafverfolgungsverfahren hinsichtlich seiner Rechte, nicht abgehört zu werden bzw. nicht in seiner Wohnung vom Staat behelligt zu werden, gegen eine unmittelbare Drohung für Leib und Leben eines Dritten, eines Opfers, führt für mich dazu, dass dieser Schutz der Individualrechte des vermeintlichen Täters hinter den Anspruch des möglichen Opfers auf Schutz von Leib und Leben zurücktritt.

(Beifall bei der CDU)

Diese Abwägung liegt diesem Gesetz zugrunde. Wir haben es nicht schrankenlos gemacht. Wir haben gesagt: Es muss die Ultima Ratio sein, alles andere geht nicht. Wir brauchen eine richterliche Anordnung, und wir haben es für den Schutz höchster Rechtsgüter, Leib und Leben. Wenn ich Leib und Leben eines Dritten, der Opfer wird, unter Umständen retten kann, dann ist es für mich entscheidender und für den Staat in seiner Handlungsaufgabe vorrangiger als die Frage, ob ich jemanden abhören kann oder nicht, der einer Straftat verdächtig ist.

(Beifall bei der CDU)

Herr Staatsminister, die zwischen den Fraktionen vereinbarte Redezeit ist abgelaufen.

Herr Präsident, dann will ich mit einer Schlussbemerkung enden. Ich habe gehört, wir haben noch eine dritte Lesung, das gibt dann vielleicht die Gelegenheit, zu der ein oder anderen Frage noch Stellung zu nehmen.

Das, was wir hier machen, ist notwendig, es ist ausgewogen. Es bringt denjenigen, die in besonderer Weise verpflichtet sind, sich für den Schutz der Gesellschaft einzusetzen, Rechtsklarheit. Ich bedanke mich bei all denen, die dieses Gesetz unterstützen, und hoffe, dass wir in der dritten Lesung vielleicht eine noch breitere Unterstützung erfahren. – Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU)

Meine Damen und Herren, es gibt eine Wortmeldung des Kollegen Al-Wazir zur Kurzintervention.

Herr Präsident, der Innenminister hat gerade gesagt, ich hätte für – wenn ich mich richtig erinnere – billigen Beifall aus meiner Ecke den Datenschutzbeauftragten in der Frage Kennzeichenlesegeräte in Anspruch genommen. Ich weise darauf hin, dass ich die Stellungnahme des Datenschutzbeauftragten in der Frage DNA-Analyse bei strafunmündigen Kindern und in der Frage Lauschangriff, nicht in der Frage Kennzeichenlesegeräte zitiert habe. Herr Innenminister, insofern hätten Sie sich diesen Vorwurf des billigen Beifalls einfach sparen können.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD – Günter Rudolph (SPD): So viel zur Wahrheit!)

Was die Frage Kennzeichenlesegeräte angeht, sollte es Ihnen zu denken geben, wenn sogar die hessische FDP der Meinung ist, in einem Änderungsantrag fordern zu müssen, etwas klarzustellen. Sie sollten den GRÜNEN bitte nicht vorwerfen, dass sie nicht von dieser Welt seien. Als Innenminister – auch wenn Sie sich gerne als „harter Hund“ gerieren, wenn ich es einmal so ausdrücken darf – sollten Sie in Debatten auf bestimmte Sachen einfach verzichten. – Herzlichen Dank.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD – Zuruf der Abg. Birgit Zeimetz-Lorz (CDU))

Meine Damen und Herren,es liegen keine weiteren Wortmeldungen vor.Wir sind am Ende der Aussprache.

Die dritte Lesung ist beantragt. Wir überweisen den Gesetzentwurf der Landesregierung, Drucks. 16/3189 zu Drucks.16/2325, und den Gesetzentwurf der Fraktion der SPD, Drucks. 16/3188 zu Drucks. 16/731, an den Innenausschuss. – Einvernehmlich so beschlossen.

Ich rufe Tagesordnungspunkt 93 auf:

Zweite Lesung des Gesetzentwurfs der Fraktion der SPD für ein Gesetz zur Änderung des Gesetzes über die Kassenärztliche Vereinigung Hessen und die Kassenzahnärztliche Vereinigung Hessen – Drucks. 16/3200 zu Drucks. 16/2469 –

Berichterstatter ist Abg. Florian Rentsch. Herr Rentsch ich erteile Ihnen das Wort.

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Der Sozialpolitische Ausschuss empfiehlt dem Plenum, den Gesetzentwurf abzulehnen.

Der Gesetzentwurf war dem Sozialpolitischen Ausschuss in der 42. Plenarsitzung am 14. Juli 2004 nach der ersten Lesung zur Vorbereitung der zweiten Lesung überwiesen worden

Der Sozialpolitische Ausschuss hat nach Durchführung einer schriftlichen Anhörung betroffener Verbände und Organisationen den Gesetzentwurf in seinen Sitzungen am 9. September sowie abschließend am 18. November 2004 behandelt und ist mit den Stimmen der CDU gegen die Stimmen von SPD und FDP bei Enthaltung des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN zu dem genannten Votum gelangt.

Zuvor wurde der mündliche Änderungsantrag der Fraktion der SPD, in der Neuformulierung des § 8 Abs. 1 Satz 1 das Wort „Kassenärzte“ durch die Worte „Vertragsärztinnen und Vertragsärzte“ sowie das Wort „Kassenärzten“ durch die Worte „Vertragsärztinnen und Vertragsärzten“ zu ersetzen, in der Neuformulierung des § 8 Abs. 2 Satz 1 vor dem Wort „Ärzte“ die Worte „Ärztinnen und“ einzufügen und in der Neuformulierung des § 8 Abs.2 Satz 2 die Worte „die bis zum 31. Dezember 2003 erworben worden sind“ zu streichen, mit dem gleichen Stimmenverhältnis abgelehnt.

Vielen Dank, Herr Berichterstatter. – Das Wort in der Aussprache hat Herr Kollege Dr. Spies für die SPD-Fraktion. Es sind fünf Minuten Redezeit vereinbart.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Die Ablehnung des von uns vorgestellten Gesetzentwurf durch die Mehrheitsfraktion bleibt am Ende unverständlich. Lassen Sie mich noch einmal die unendliche Geschichte zweier weitgehend verschiedener Probleme rekapitulieren.

Das erste Problem ist die Erweiterte Honorarverteilung der Ärzte. Dieses Problem ist seit Jahren bekannt. Es handelt sich um ein Umlagesystem, das aus einem prozentualen Anteil der Gesamtvergütung für die ambulante Tätigkeit in Hessen finanziert wird. Das Budget steigt nur wenig, die Lebenserwartung der Empfänger erheblich. Das führt notwendigerweise zu einem steigenden Beitragssatz. Das hat mit dem demographischen Wandel – die Landesregierung versucht gerne, hier einen Zusammenhang herzustellen – überhaupt nichts zu tun. Das hat damit zu tun, dass die Zahl der niedergelassenen Ärzte zugenommen hat, dass das Gesamthonorar begrenzt ist und dass die Empfänger länger leben. Darüber sollten wir uns doch eigentlich freuen.

(Zuruf der Abg.Kordula Schulz-Asche (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))

Das Problem hat die KV allerdings in der Vergangenheit nicht aus eigener Kraft gelöst. Das hätte sie aber tun sollen. Da sind wir uns völlig einig.

Nun gibt es ein zweites,ganz anderes Problem.Dieses Gesamthonorar ist in Zukunft nicht mehr das Gesamthonorar. Ärzte und Krankenkassen können direkte Verträge abschließen mit dem Ziel von mehr Wettbewerb unter den Anbietern. Dieses Honorare laufen dann nicht mehr über den Etat der KV. Das bedeutet: Bei gleichen Ausgaben ist der Honorartopf kleiner.

Dieses Problem ist künstlich verursacht. Sieht man sich nun die diversen Schriftwechsel an – zuletzt das Schreiben der verehrten Frau Ministerin vom 5. Mai an mich –, dann stellt man fest, dass die Landesregierung bis dato offenkundig nicht begriffen hat, dass es sich um zwei ganz verschiedene Probleme handelt. Frau Ministerin, ich zitiere:

Erst im Anschluss an eine Selbstverwaltungsentscheidung, die nun schon seit mehreren Sitzungen der Abgeordnetenversammlung der KV Hessen immer wieder vertagt wird, kann nochmals die Prüfung erfolgen, ob es einer zusätzlichen landesgesetzlichen Regelung für die Durchführung und Sicherung der EHV bedarf.

Da reden Sie von einem Problem, das wir alle seit Jahren kennen. Das Problem, um das es gegangen ist und um das es uns geht, nämlich die Auswirkungen des Gesundheitsmodernisierungsgesetzes 2003, ist offenkundig gar nicht angekommen. Denn die KV kann nicht durch Satzung beschließen,dass Mittel,die die Krankenkassen aufgrund eines Vertrages direkt an die Ärzte verteilen,von der KV zu einer Beitragszahlung herangezogen werden können.Tatsächlich, auch die Landesregierung hat es begriffen. Jedenfalls hat der Staatssekretär in der letzten Ausschusssitzung glücklicherweise deutlich gemacht, dass er verstanden hat, dass es nicht geht. Bravo.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Zwei Jahre lang ist diese Frage verhandelt worden.Seit einem halben Jahr haben viele Menschen versucht,der Landesregierung klarzumachen, dass es zwei Probleme gibt und dass das zweite Problem, nämlich die sinkenden Einnahmen aufgrund des Gesundheitsmodernisierungsgesetzes, nur durch gesetzgeberisches Handeln des Landes gelöst werden kann.

Es gibt zwei Rechtsgutachten, eines der KV und eines der Landesregierung, die zu vielen spannenden Punkten ob der Erweiterten Honorarverteilung zu interessanten Ergebnissen kommen. In der vorliegenden Frage helfen sie alle nicht weiter.Meine Damen und Herren,denn eines ist völlig unstrittig: Ob das Land Hessen nun durch die Verfassung verpflichtet ist, das KV-Gesetz zu ändern oder nicht, sei dahingestellt, ob § 8 des KV-Gesetzes in seiner gegenwärtigen Form verfassungsgemäß ist oder mittelfristig erneut novelliert werden muss, sei dahingestellt. Völlig unstrittig ist: Durch die Zustimmung der Landesregierung zum Gesundheitsmodernisierungsgesetz im Bundesrat am 19. Dezember 2003 ist das zweite Problem entstanden. Das gab es vorher nicht. Problem zwei, das Problem der sinkenden Einnahmen im Honorartopf durch Verträge unter Umgehung der KV, kann nur durch den von uns vorgelegten Gesetzentwurf gelöst werden. Eine andere Lösung gibt es nicht.

(Beifall bei der SPD und des Abg. Florian Rentsch (FDP))

Meine Damen und Herren, wir haben ein Thema, die Erweiterte Honorarverteilung. Wir haben aber zwei Probleme. Eines muss die KV selber lösen. Das andere können nur wir lösen. Die KV ist soweit. Es hat lange genug

gedauert. Das wissen wir alle.Aber sie ist so weit, dass sie eine sauber gerechnete Lösung für Problem eins hat – das Problem,das sie selber lösen muss.Wenn wir diese Lösung haben, sollten wir ihr doch nicht mit einem zweiten Problem auch noch Knüppel zwischen die Beine werfen.

Es geht hier nicht um Großverdiener. Meine Damen und Herren, die Vorstellung vom Einkommen der Ärzte ist nicht immer präzise. Wir reden bei den Betroffenen der EHV über alte Landärzte, die bei Nacht und Nebel, bei Wind und Wetter, samstags und sonntags, wann auch immer, über Land gezogen sind, um sich um ihre Patienten zu kümmern,und die gerade nicht die Gelegenheit hatten, durch größere private Rücklagen ihre Altersversorgung zu sichern.

Herr Kollege Dr. Spies, darf ich Sie darauf hinweisen, dass die Redezeit beendet ist?

Sie konnten in das Versorgungswerk der Landesärztekammer überhaupt nicht aufgenommen werden und haben ihre Altersversorgung über die EHV geregelt.

Meine Damen und Herren, ich denke, die KV will kein Geld von uns. Sie will keine weitergehende Unterstützung. Sie will nur eines: Nachdem sie endlich zu dem Punkt gekommen ist, ihr Problem Nummer eins zu lösen, möchte sie,dass wir ihr keine zusätzliche Hürde aufbauen. Das haben wir getan. Gehen Sie noch einmal in sich, und stimmen Sie unserem Gesetzentwurf zu,damit wir die von uns verursachte zweite Hürde beseitigen. – Danke schön.

(Beifall bei der SPD und des Abg. Florian Rentsch (FDP))

Herzlichen Dank. – Das Wort hat Frau Kollegin Oppermann, CDU-Fraktion.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Die Erweiterte Honorarverteilung der Kassenärztlichen Vereinigung ist seit vielen Jahren – darauf hat der Kollege Spies hingewiesen – ein Diskussionspunkt innerhalb und außerhalb der Kassenärztlichen Vereinigung.Heute beraten wir abschließend in zweiter Lesung den Gesetzentwurf der SPD. Deswegen will ich auch nicht weiter auf die Historie eingehen. Was die Historie angeht, stimme ich mit Ihnen überein, Herr Kollege Dr. Spies.

Uns liegen mittlerweile zwei Gutachten von Herrn Prof. Merten und Herrn Prof. Ebsen vor. Im Gegensatz zu Ihnen, Herr Spies, bin ich nicht der Auffassung, dass uns die Gutachten nicht weiterhelfen. Das sehe ich anders.