Protocol of the Session on November 26, 2004

Uns liegen mittlerweile zwei Gutachten von Herrn Prof. Merten und Herrn Prof. Ebsen vor. Im Gegensatz zu Ihnen, Herr Spies, bin ich nicht der Auffassung, dass uns die Gutachten nicht weiterhelfen. Das sehe ich anders.

Bei der Frage der materiellen Verfassungsmäßigkeit der gesetzlichen Grundlagen der Erweiterten Honorarverteilung ist Herr Prof. Ebsen der Meinung, dass § 8 des Gesetzes über die Kassenärztliche Vereinigung Hessen und die Kassenzahnärztliche Vereinigung Hessen – KVHG – nicht die Anforderungen an hinreichende inhaltliche Vorgaben für gesetzliche Ermächtigungen zur Schaffung

autonomer Satzungsrechte erfülle und damit verfassungswidrig sei.

Demgegenüber hält Herr Prof. Merten § 8 KVHG für materiell verfassungsgemäß. Hinsichtlich des Eigentumsschutzes verweist Herr Prof. Merten darauf, dass der von der Gesamtvergütung erfolgende Abzug zur Finanzierung des Alters-, Invaliditäts- und Hinterbliebenenversorgungssystems für die hessischen Kassenärzte lediglich eine Inhalts- und Schrankenbestimmung des Eigentums darstelle, die auch durch Satzung geregelt werden könne und daher keiner formellen gesetzlichen Regelung bedürfe. Daraus zieht Herr Prof. Merten – dem ich mich anschließe – insgesamt die plausible Schlussfolgerung, dass § 8 KVHG materiell verfassungsgemäß ist.

Weiter betont Herr Prof. Merten in seinem Gutachten die Verantwortung der Kassenärztlichen Vereinigung für die Regelung der Alterssicherung der Kassenärzte, wobei sie das gewählte System geänderten wirtschaftlichen Bedingungen anpassen können, um die Zahlungsfähigkeit sicherzustellen. Er weist darauf hin, dass die Einführung einer umlagefinanzierten Alterssicherung eine Entscheidung der Kassenärztlichen Vereinigung war, die von der staatlichen Aufsicht lediglich zu genehmigen war.

Sie, Herr Kollege Spies, sagen – das haben Sie gerade wiederholt –, dass insbesondere ältere Ärzte einen Vertrauensschutz genießen müssen. Hierzu ist zu sagen, dass bereits in dem Papier von Herrn Prof. Ebsen – das ist das Gutachten, das die KV eingeholt hat – zum Ausdruck gebracht wird, dass sich aufgrund eines Rückgangs der Durchschnittshonorare die Leistungen der EHV und dementsprechend der Wert erworbener Ansprüche verringern.

Er betont weiter,dass die betroffenen Kassenärzte keinen verfassungsrechtlichen Schutz aus Art. 14 Grundgesetz genießen, weil das Risiko des Wertverlustes wegen des Absinkens der Durchschnittshonorare aus der Gesamtvergütung zum Inhalt der Rechte aus der Erweiterten Honorarverteilung gehören. Gleiches muss dann aber auch gelten, wenn das Abrechnungssystem durch den Bundesgesetzgeber so umgestaltet wird, dass der über die Kassenärztliche Vereinigung abzurechnende Honoraranteil sinkt und dies zu einer Absenkung der Leistungen aus der Erweiterten Honorarverteilung und zu einer Verringerung des Wertes der erworbenen Ansprüche führt,wie das durch das GMG ab dem 1.Januar dieses Jahres der Fall ist.

Eine Einführung der integrierten Versorgung stellt eine qualitative Verbesserung für die Patienten dar. Ich denke, wir haben in hohem Maße eine Übereinstimmung,was die Einführung der integrierten Versorgung angeht.

Herr Kollege Spies, im Übrigen darf ich darauf verweisen, dass nach § 140 SGB V die Gesamtvergütung in den Jahren 2004 bis 2006 lediglich um maximal 1 % gesenkt wird.

Meine Damen und Herren,im Ergebnis halte ich fest,dass ich die von Prof. Ebsen aufgestellten These, § 8 KVHG sei zu unbestimmt und daher verfassungswidrig, und das Land Hessen trage für den Bestand, die Entwicklung und die Anpassung der EHV eine Gewährleistungsverantwortung, nicht teilen kann. Wir lehnen daher den Gesetzentwurf der SPD ab.

(Beifall bei der CDU)

Vielen Dank, Frau Kollegin Oppermann. – Das Wort hat die Frau Kollegin Schulz-Asche für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Meine Fraktion wird sich bei der Abstimmung über den SPD-Antrag enthalten, und zwar deshalb, weil wir der Auffassung sind, dass das Problem der Kassenärztlichen Vereinigung mit der Versorgung älterer Ärzte tatsächlich besteht, und zwar nicht erst seit Einführung des Gesundheitsmodernisierungsgesetzes, sondern schon seit langem, und dass sich die KV sehr viel früher hätte daranmachen müssen, das Problem zu lösen.Wenn es landesrechtlicher Regelungen bedürfen sollte, damit die KV das tun kann, dann würden wir entsprechende Initiativen durchaus unterstützen.

Was die SPD hier vorschlägt, ist aber als Lösung aus unserer Hinsicht in zweifacher Hinsicht bedenklich. Das eine sind die grundsätzlichen rechtlichen Bedenken mit der Lösung, die Frau Oppermann dargestellt hat. Das wird die Sozialministerin gleich noch einmal unterstreichen.

Ich möchte deshalb auf einen inhaltlichen Punkt zu sprechen kommen, der meiner Meinung nach deutlich macht, wie problematisch es ist, dass wir in der Gesundheitspolitik vor allem über Kosten und Finanzmittel, aber nicht mehr über die Inhalte diskutieren. Der SPD-Gesetzentwurf schlägt vor, Mittel aus dem Bereich der integrierten Versorgung zu verwenden.Aus unserer Sicht werden aber viel zu wenig Mittel für Modelle der integrierten Versorgung eingesetzt. Das ist für mich einer der wesentlichen gesundheitspolitischen Ansätze, wenn wir den Menschen in den Mittelpunkt stellen und nicht nur über Finanzmittel und Versicherungen reden, sondern tatsächlich auch einmal überlegen, wie die Versorgung von Patienten gestaltet werden sollte. Daher ist eine integrierte Versorgung das Mittel der Zukunft. Daher können wir hieraus keine Mittel für Versäumnisse eines einzigen Bereichs opfern, für Versäumnisse im ambulanten Bereich und der Kassenärzte.

Die integrierte Versorgung geht davon aus, dass der Patient in einem integrierten System ambulanter, teilstationärer, stationärer und präventiver Leistungen eingebunden ist. Aus solchen neuen Ansätzen kann man nicht einfach Versäumnisse der KV aus der Vergangenheit finanzieren.

Das Zweite, was ich sagen wollte:Wie ist das Problem der KV eigentlich entstanden? Die Antwort darauf müsste uns eigentlich darauf aufmerksam machen, dass es aufgrund der Zulassungspraxis der KV tatsächlich einen Mangel an jungen Ärzten und vor allem an jungen Ärztinnen gibt. Ich denke, dass wir zwar nicht im Rahmen der Beratung dieses Gesetzentwurfs, aber an anderer Stelle einmal genauer hinschauen sollten, nach welchen Kriterien Neuzulassung – insbesondere im ambulanten Bereich – erfolgen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Teilzeitangebote von Gemeinschaftspraxen, eine Erhöhung der Zahl der zugelassenen Ärztinnen im ambulanten Bereich – diese Fragen sind in den letzten Jahren von der KV Hessen nicht ausreichend berücksichtigt worden. Jetzt hat man das Problem, dass man tatsächlich die Solidarität derjenigen, die bereits im System sind, einfordern

muss. Man hat nicht daran gedacht, dass man auch im ambulanten Bereich strategisch nach vorne denken muss.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Die Probleme, die jetzt mit der Umlage in der Altersversorgung bestehen, sind ein Problem der KV Hessen. Darüber muss auch hier einmal geredet werden – wie gesagt, nicht im Zusammenhang mit diesem Gesetzentwurf, aber wir werden sicher noch Gelegenheit haben, die grundsätzliche Verbesserung der Struktur der ambulanten Versorgung im Verhältnis zu stationären und teilstationären Leistungen zu diskutieren. Das steht auf der Tagesordnung, das sollten wir tun.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Vielen Dank.– Das Wort hat der Kollege Florian Rentsch, FDP-Fraktion.

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Zunächst möchte ich mit dem Vorurteil aufräumen, das sich in der Diskussion ein bisschen eingeschlichen hat, dass nämlich die Ärzte in Deutschland im Geld schwimmen. Es kommt einem manchmal so vor, dass Ärzte heutzutage noch ein Salär hätten, das dermaßen hoch sei, dass sie überhaupt kein Problem hätten, ihr Auskommen zu finanzieren. Dass das nicht so ist, sehen wir schon an der Tatsache, dass manche Ärzte sogar beim Landtag Zuflucht suchen, um sich hier einen Nebenverdienst zu sichern. So gut kann die Situation also nicht mehr sein.

(Heiterkeit und Beifall bei der FDP)

Meine Damen und Herren, es geht jetzt ganz konkret darum, dass die SPD ein wirkliches Problem aufgegriffen hat. Mit dem GMG sind Änderungen in der Altersvorsorge der Ärzte eingetreten.Die Problemlage sieht so aus, dass die Ärzte aufgrund der Tatsache, dass das GMG Einzelverträge neben der Abrechnung zwischen der Kassenärztlichen Vereinigung und den Krankenkassen zulässt, einen großen Teil ihrer Umlagefinanzierung verlieren werden, weil die Einzelverträge an der Grundlagenverrechnung nicht teilhaben.

Wir haben mehrere Gutachten – die Kollegin Oppermann hat darauf hingewiesen –, die genau die Frage klären sollen, ob es in Ordnung ist, dass die Kassenärztliche Vereinigung auch auf diese Einzelverträge zugreifen kann. Die Kollegen sagen jetzt – das hat eben auch die Kollegin Schulz-Asche ausgeführt –, das sei eigentlich ein Problem der Kassenärztlichen Vereinigung, weil die Kassenärztlichen Vereinigung nicht früh genug von einer Umlagefinanzierung auf eine kapitalgedeckte Finanzierung umgestellt habe.

(Widerspruch der Abg. Kordula Schulz-Asche (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))

Das habe ich aber so verstanden, Frau Kollegin SchulzAsche.

(Frank-Peter Kaufmann (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN): Das wollten Sie so verstehen!)

Sie haben aber Recht, wenn Sie sagen, dass die Umlagefinanzierung letztendlich gescheitert ist. Das ist das Problem. Ich glaube aber, das hat die Kassenärztliche Verei

nigung erkannt. Die Kassenärztliche Vereinigung führt eine sehr intensive Diskussion über die Frage, wie sie das System umgestalten kann. Deshalb haben wir auch diesen Gesetzentwurf der SPD vorliegen. Die Kassenärztliche Vereinigung diskutiert darüber,wie sie das System der Altersvorsorge ändern kann, während sie das Problem lösen muss, dass sie sich in einer Umlagefinanzierung befindet, die sie auf der Grundlage der bestehenden Gesetze geplant hat, und jetzt mit der neuen Situation umgehen muss.

Meine Damen und Herren, ich kann dem Kollegen Dr. Spies nur absolut zustimmen: Es ist die Frage, ob die Politik handelt und dieses Problem löst oder ob sie die Ärzte in dieser Frage im Stich lässt. Da kann ich ihm, wie gesagt, nur absolut beipflichten. Frau Ministerin, ich verstehe nicht ganz, warum Sie hier nicht aktiv werden wollen. Sie sagen, wir haben auf der einen Seite ein Gutachten von Prof. Ebsen vorliegen, das ganz klar sagt, dass es selbstverständlich die Möglichkeit gibt, hier aktiv zu werden und die gesetzlichen Voraussetzungen dafür zu schaffen, dass auch die Einzelverträge einbezogen werden können.

Es gibt ein widerstreitendes Gutachten von Prof. Merten. Da hat die Frau Kollegin Oppermann Recht. Nichtsdestotrotz ist das eine Rechtsfrage. Nur: Sie haben zu dieser Frage noch nichts erklärt. Es tut mir Leid, vielleicht bin ich nicht schlau genug, um das zu verstehen.

Kollege Rentsch, Herr Dr. Spies hat den Wunsch, eine Zwischenfrage zu stellen.

(Florian Rentsch (FDP): Ja, ich lasse sie zu!)

Herr Kollege Rentsch, würden Sie mir zustimmen, wenn ich behaupte, dass auch das Gutachten von Prof. Merten in keiner Weise die vorgeschlagene Lösung ausschließt, sondern nur zu dem Ergebnis kommt, dass das Land nicht gezwungen werden könne, die vorgeschlagene Novelle durchzuführen?

Herr Kollege Dr. Spies, darin kann ich Ihnen nur vollständig zustimmen. Genau so ist es.

(Beifall der Abg. Roland von Hunnius und Hein- rich Heidel (FDP))

Herr Prof. Ebsen geht in seinem Gutachten relativ weit. Er sieht beim Land sozusagen eine Handlungsnotwendigkeit. Aber Prof. Merten sieht auf jeden Fall die Möglichkeit zum Handeln.

Frau Ministerin, das verstehe ich in dieser Diskussion nicht: Ich habe das Gefühl, Sie sehen noch nicht einmal die Möglichkeit, hier zu handeln, obwohl eine Gesetzesänderung nötig oder möglich ist. Aber ich frage Sie hier auch ganz konkret – und das wollen sicherlich auch die Ärztinnen und Ärzte in diesem Land wissen –:Was ist Ihr Beweggrund, zu sagen, wir wollen den Ärzten nicht helfen? Ist das alleine die Tatsache, dass Sie sagen, das sollen die Ärzte im bestehenden System lösen? – Sie können es nicht lösen, weil die rechtlichen Vorraussetzungen dafür fehlen. Das ist jedenfalls unsere Ansicht.

Meine Damen und Herren, deswegen werden wir dem SPD-Antrag zustimmen. Ich hoffe, die Landesregierung überlegt es sich noch einmal, kehrt auf den Pfad der ärztlichen Tugend zurück und steht den Ärztinnen und Ärzten in Hessen bei dieser Frage der Altersvorsorge zur Seite. – Vielen Dank.

(Beifall bei der FDP und des Abg.Dr.Thomas Spies (SPD))

Vielen Dank, Herr Kollege Rentsch. – Das Wort hat die Sozialministerin, Frau Staatsministerin Lautenschläger.

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Ziel des Gesetzentwurfs der SPD-Fraktion war es, der Kassenärztlichen Vereinigung in Hessen zu ermöglichen, auch jene Honorare bei der Bemessung ihrer Altersversorgung mit einzubeziehen, die durch ihre vertragsärztliche Tätigkeit, wie etwa bei der integrierten Versorgung – das hat die Frau Kollegin Schulz-Asche auch angesprochen –, anfallen.

Schauen wir uns einmal an, wie Sie argumentieren. Herr Kollege Rentsch, da bin ich ein bisschen überrascht. Anscheinend besteht auch bei Ihnen kein Streit darüber,dass die hier in Hessen vorliegenden Regelungen verfassungsgemäß sind. Das ist der eine Teil. Das hat auch Prof. Merten hier sehr deutlich bestätigt.

Der zweite Aspekt ist:Was müssen wir tun, um dieses System aufrechtzuerhalten? Oder: Kann es überhaupt so aufrechterhalten werden?

Herr Kollege Rentsch, ich gebe zu, mich überrascht hier insbesondere Ihre Argumentation.

(Zuruf der Abg.Kordula Schulz-Asche (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))

Denn Sie wissen, dieses System, wie es heute funktioniert, hat eine große Anzahl von Problemen – um es vorsichtig zu formulieren. Die Kassenärztliche Vereinigung diskutiert das seit Jahren. Durch das Gesundheitsmodernisierungsgesetz ist jetzt eine weitere Möglichkeit der Vertragsabschlüsse hinzugekommen. Bisher wird die nur in einem kleinen Umfang genutzt. Sie wollen uns jetzt erklären, dass mit der Hereinnahme derjenigen, die solche direkten Verträge abschließen, die bestehenden Probleme einfacher zu lösen seien, nämlich das Problem der EHV und der Altersversorgung innerhalb der KV.