Protocol of the Session on July 14, 2004

Ich will bei den Relationen bleiben.Damit sind wir bei der Frage:In welchem Bundesland sind wir eigentlich? Ich gehöre zu den Menschen, die Erzeugnisse von Märklin und Matchbox nette Formate finden. Sie sind schön, sie bilden die Realität in einem kleinen Maßstab ab. Aber die Modellprojekte, die wir in Hessen durchführen – von diesem Kompetenzzentrum bis zu allem anderen –, haben für das Land gerade einmal einen Matchbox-Maßstab. Mit Verlaub, für ein Land, das die Energiepolitik auch im Bauwesen früher einmal geprägt hat, ist das ein Rückschritt.Wir sollten an dieser Stelle zu Eins-zu-Eins-Modellen kommen, in denen sich die Welt und nicht das Spielzeug eines Ministers oder einer Ministerin widerspiegelt.

(Beifall bei der SPD)

Beim vorangegangenen Tagesordnungspunkt ist viel von dem Lob der Kommunen die Rede gewesen. Das sollte man einmal auf die Energiepolitik übertragen.Wenn man das zusammenfasst, was in Hessen passiert, dann muss man sagen: Der Landrat des kleinen Odenwaldkreises betreibt mehr Energiepolitik als die gesamte Landesregierung.

(Beifall bei der SPD und bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Um es noch netter zu sagen, will ich Marx zitieren.

(Zurufe von der CDU)

Ich meine natürlich Willi Marx, den Landrat des Kreises Gießen.

(Heiterkeit bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Er hat neulich auf einer Veranstaltung gesagt:Wenn es die Gesellschaft Hessen-Energie nicht gäbe, dann müssten wir sie erfinden, denn sie ist eine Agentur, die es schafft, die Landkreise Wetterau und Gießen zum Fortschritt zu führen, wie es nur wenige andere schaffen.

(Jörg-Uwe Hahn (FDP): Und den Kreis Vogelsberg!)

Natürlich auch den Vogelsbergkreis. – Diese Energieagentur haben Sie verkauft. Mit ihr macht jetzt eine private,von den Kommunen getragene Gesellschaft Gewinn. Auch das ist ein spannender Prozess. Ich glaube, an der Stelle sollten Sie, statt die Zukunft zu verschleudern, ein Stück weit darauf achten, dass wir als Land Hessen die Zukunft selbst gestalten. Das wäre eine Ihrer Hausaufgaben.

(Beifall bei der SPD und bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Frau Hammann hat zu Recht gesagt: Wir reden hier über das Sparen, ständig und ohne Ende. – Aber es ist eben auch eine Verschleuderung öffentlicher Gelder, wenn man dafür sorgt, dass öffentliche Gebäude Energie verbrauchen ohne Ende. Wenn man, statt darüber zu reden, dass es sinnvoll ist, Geld für eine vernünftige Energieversorgung zu investieren, darüber nachdenkt, wie man all das möglichst schnell an Private vergibt, damit die daraus Gewinne ziehen können, sage ich: Wer einmal, wie das Land Hessen, Vorreiter im Wohnungsbau war, der steht hier in der Pflicht. Die Standards, die die früheren Hessischen Landesregierungen im Wohnungsbau gesetzt haben,sind heute allgemein gültig.Inzwischen sind wir einen Schritt weiter. Die amtierende Landesregierung hat sich aber vor fünf Jahren von dieser Vorreiterrolle verabschiedet.

Lassen Sie uns von den Menschen reden. Frau Lautenschläger wurde ja nicht müde, zu betonen, wie wichtig das ist. Reden wir einmal über die Belange der Menschen. Was bedeutet es, wenn wir noch immer Wohnungen nach den Standards bauen, die dazu führen, dass die „zweite Miete“ dicht an die erste heranreicht? Was heißt es, wenn wir die technischen Fortschritte, die es gibt, die in Hessen an vielen Stellen modellhaft umgesetzt sind, nur in einem Teil des Wohnungsbestandes auf die Reihe bekommen, weil sich die Landesregierung aus der Förderung zurückgezogen hat? Das heißt, dass wir die Menschen dazu verurteilen, für eines ihrer lebenswichtigen Güter mehr zu zahlen, als es ihnen der technische Fortschritt ermöglichen würde. Das ist ein Versagen der Regierung, und genau so muss es hier benannt werden.

(Beifall bei der SPD und bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Der nächste Punkt betrifft die Zukunftsgestaltung. Wir haben sehr viel darüber geredet, wie wir konkurrenzfähig werden. Da wird in Zwischenbemerkungen immer wieder über Lohnsenkungen, Lohnnebenkostensenkungen, über die Streichung von Urlaubstagen, über die Arbeitszeitverlängerung palavert. Wenn wir über den Teil der Gesellschaft reden, der die Industriegesellschaft repräsentiert, der zur Industrieproduktion beiträgt, dann lassen Sie uns bitte schön darüber sprechen, welchen Anteil in diesem Bereich die Lohnnebenkosten und welchen Anteil die Energie- und Materialkosten haben. Statt darüber zu reden, wie man Menschen quälen kann, indem man ihr Einkommen beschneidet, indem man ihre Arbeitszeit verlängert, sodass sie in einem Ballungsraum real gar nicht mehr existieren können, sollten wir darüber diskutieren, dass es ihnen besser geht, wenn sie weniger für Energie und Rohstoffe ausgeben müssen und die Produkte auf diese Weise billiger und konkurrenzfähiger werden. Keine Konkurrenz auf Kosten der Menschen, sondern eine Konkurrenz zugunsten der Umwelt, zugunsten der Energieeinsparung: Dafür sollten Sie sich engagieren. Das wäre eine gute Politik. Sie aber warten ab.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Zurufe von der CDU)

Zukunftsgestaltung bedeutet auch Sicherung des Wohlstands in einer sich ändernden Welt. Wer den Umbau zuerst schafft, wer es zuerst schafft, zu neuen Produktionsformen zu kommen, der wird die Zukunft gestalten. Wer das nicht versucht, wer nur darüber redet, dass man die alten Technologien subventionieren muss, wer darüber redet, dass man ihre Laufzeiten verlängern muss, der sorgt dafür, dass die deutschen Unternehmen nicht Marktführer werden.

Deutschland war einmal Marktführer im Umweltbereich. Das war ein Projekt aller Parteien in Deutschland. Das muss man sehr deutlich sagen. Das war zu einem Zeitpunkt, als Sie noch in Bonn regierten. Damals haben die GRÜNEN dieses Projekt vorangetrieben, und die Sozialdemokraten haben es vorangetrieben. Damals waren wir Marktführer. Damals bestand aber Einigkeit unter den Parteien. Damals ging es nämlich darum, deutlich zu machen, dass wir – Deutschland vorn – ein Stück weit in der Lage sind, an dieser Stelle nicht nur etwas für die Umwelt und für das Klima zu tun, sondern dass wir auch in der Lage sind, uns wirtschaftlich nach vorne zu bringen.

Dass Herr Töpfer in Ihrer Partei inzwischen als ein Exot gilt, ist ein Problem, mit dem Sie zurechtkommen müssen. Aber dass das Land Hessen, das in diesem Prozess auch als Bundesland eine Vorreiterrolle hatte, heute der Entwicklung hinterherhinkt, das rechne ich Ihnen negativ an. Ich finde, an dieser Stelle muss endlich etwas passieren, denn Sie verschenken die Zukunft hessischer Unternehmen.Vieles von dem, was die Unternehmen machen, machen sie ohne Ihre Hilfe. Das finde ich zwar gut, aber mit ein paar Anstößen von Ihnen könnten sie mehr machen. Frau Hammann hat gesagt, dass ein Unternehmen in Niestetal weit voran sei. An diesem Erfolg haben viele Menschen mitgearbeitet. Die Solarregion Nordhessen ist ein politisches Gemeinschaftsprodukt, witzigerweise von Kommunalpolitikern und Privatleuten unterstützt. Die Landesregierung ist wieder einmal außen vor. An dieser Stelle ist Ihr Nichtstun sträflich. Ich denke, Sie sollten Ihr Nichtstun beenden.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Herr Abg. Möller, Sie haben gesagt: Wir haben es doch schon in das Regierungsprogramm hineingeschrieben. – Ja, Sie haben im Regierungsprogramm angekündigt, was Sie machen wollen. Die Frage ist: Warum machen Sie es nicht? Alles, was Sie aufgezählt haben, tut diese Landesregierung genau nicht. Das ist ein Verständnis Ihres Programms, das ich nicht teilen kann.

In Ihrem Programm sind Sie aber in einer bestimmten Weise noch viel ehrlicher. Sie haben dort nämlich hineingeschrieben, wer das alles machen soll. Ich zitiere aus Ihrem Regierungsprogramm zum Thema Altgebäudebestand: „Wir erwarten ein entsprechendes Aktionsprogramm durch die Bundesregierung“. Als ich diesen Satz gelesen habe, war ich hin- und hergerissen, denn auf der einen Seite ist das ein Armutszeugnis für Hessen, aber auf der anderen Seite zeigt sich darin eine angemessene Bescheidenheit. Sie überlassen die Bewältigung dieser Aufgabe nämlich denen, die es besser können, und das ist ein guter Zug von Ihnen.

(Heiterkeit und Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Meine Damen und Herren, das Wort hat Herr Heidel für die FDP-Fraktion.

Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! Bevor ich auf die Beiträge meiner Vorredner eingehe, will ich mich erst einmal mit dem eigentlichen Thema auseinander setzen, denn diese Auseinandersetzung habe ich bei einigen Vorrednern vermisst.

Wenn ich mir die drei vorliegenden Anträge der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN betrachte, dann kommt es mir so vor, als ob Sie in Sachen Marktmechanismen und Wettbewerb einfach nichts dazugelernt haben und auch nichts dazulernen wollen.

(Beifall bei der FDP – Lachen bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Die von der Bundesregierung durchgesetzte Novellierung des EEG ist ein eindeutiger Beweis für Starrsinn,für ideologische Verblendung und den Willen zu einem Alleingang in Europa. Alle wissen, dass ich für regenerative Energien stehe. Sie aber wollen, ideologisch verblendet, auf Biegen und Brechen etwas durchsetzen, was so nicht geht. Deshalb betreibt die Bundesregierung keine erfolgreiche Energiepolitik – obwohl uns das die GRÜNEN hier mit ihren Anträgen suggerieren wollen.Nein,ich sage schlicht und ergreifend: Das ist Klientelpolitik, was dort betrieben wird.

(Beifall bei der FDP – Zurufe von dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Meine Damen und Herren, nach unserer Auffassung soll sich das Land auf die Beratung zum Energiesparen konzentrieren. Das kann durch Contracting-Verträge geschehen. Damit wären wir nach unserer Auffassung auf einem rechten Weg.

Wenn Sie – die GRÜNEN – dann in Ihrem Antrag noch fordern, die Aktivitäten mit der Bundesregierung abzustimmen, und sagen, dort gäbe es ein Konzept: Meine Damen und Herren von den GRÜNEN, wo ist denn dort ein Konzept?

(Lachen des Abg. Tarek Al-Wazir (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))

Es gibt lediglich ein Konzept für die Windenergie, kein bisschen mehr. Alle anderen werden von Ihnen benachteiligt und sollen aus dem Markt gekegelt werden.

(Beifall bei der FDP – Zuruf des Abg. Jürgen Frömmrich (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))

Lassen Sie mich das an dem Punkt der Festpreise deutlich machen. Festpreise für Strom aus Wind, Wasser, Sonne, Erdwärme und Biomasse sind von der Bundesregierung willkürlich gegriffen worden. Dort sind unterschiedliche Preisansätze gemacht worden, die bisher nicht zu begründen sind. Sagen Sie mir bitte, warum der normale Verbraucher, der normale Mensch in diesem Land, jährlich 2,7 Milliarden c mehr für Energie bezahlen soll – durch Ihr Erneuerbare-Energien-Gesetz, das Sie geändert haben.

(Zuruf des Abg. Martin Häusling (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))

Wenn ich dann noch die Subventionen, die der Kollege Möller vorgetragen hat, dazurechne, dann sind wir bei einer immensen Summe,

(Zuruf des Abg. Jürgen Frömmrich (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))

die dadurch der Volkswirtschaft entzogen wird.

(Zuruf der Abg. Ursula Hammann (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))

Wenn Bundesumweltminister Trittin dann rechnet, dass 1,46 Millionen Beschäftigte in der Umweltbranche tätig sind, dann wollen wir das einmal ein bisschen hinterfragen. Bei dieser Rechnung werden 40.000 Bahnmitarbeiter der Umweltbranche zugerechnet. Es werden die Schornsteinfeger und die Angestellten in botanischen Gärten und Zoos mitgerechnet.

(Heiterkeit und Zuruf des Abg. Jörg-Uwe Hahn (FDP): Die Affen im Zoo auch, oder wie?)

Meine Damen und Herren, nach Ihrer Lesart sind das alles Mitarbeiter im Umweltbereich.

(Tarek Al-Wazir (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Heinrich, was hältst du denn hier für Dinosaurierreden?)

Herr Kollege Al-Wazir, wenn ich das auf andere Bereich umsetze – ich nehme dazu nicht einmal die Landwirtschaft, auch dort könnte ich Ihnen das vorrechnen –, ich nehme einmal die Autoindustrie: Dort muss ich den gesamten Straßenbau dazurechnen, die Stahlproduktion, die chemische Industrie als Kunststofflieferant – und dann komme ich schlechterdings auf 5 Millionen Arbeitsplätze, die ich Ihnen nach Ihrer Lesart im Zusammenhang mit der Autoindustrie vorrechnen könnte.

(Norbert Schmitt (SPD): 700.000 sind es bei der Automobilindustrie!)

Meine Damen und Herren,was muss die zukünftige Energiepolitik bewirken? Welche Ziele muss Sie verfolgen und wie?

Ich sage ganz deutlich: Es müssen drei Ziele gleichrangig – ich betone: gleichrangig – verfolgt werden,Versorgungssicherheit,Wettbewerbsfähigkeit und Umweltverträglichkeit. Ich betone: gleichrangig. Ich könnte sie genauso gut andersherum vorlesen: Umweltverträglichkeit, Wettbewerbsfähigkeit, Versorgungssicherheit. Das müssen die drei Ziele sein – vor dem Hintergrund, dass wir wissen, dass sich der Energieverbrauch bis zum Jahr 2050 wahrscheinlich verdoppeln wird.

Meine Damen und Herren, unter diesen Vorraussetzungen dürfen wir jeglichen Energiemix, gleich welcher Art und wie er gestrickt ist, von der Kohle bis zur Kernenergie, nicht außer Acht lassen. Es wird darum gehen, genügend Energie zur Verfügung zu stellen, um die Lebensqualität auch in Zukunft zu sichern.

Was aber macht die rot-grüne Bundesregierung?