Der Lichtblick ist das Ende des Kaiserreiches, der Zusammenbruch des Alten. Auch da zeigt sich schon, dieser Tag in Berlin, das, was Björn Tschöpe heute wieder zusammenführen will, MSPD, USPD, Spartakus, die Trennung der Arbeiterklasse soll mit diesem Antrag quasi überwunden werden. Das ist das, warum wir heute darüber reden.
Zur Vorgeschichte dieses Antrages gehört, dass es einen koalitionären Versuch gab, bei dem Genosse Tschöpe im Nachhinein noch einmal Ebert und Noske aus der MSPD heraus und an die USPD heranbringen und wieder heilen wollte, was seitdem getrennt war, allein die böse Fraktion Bündnis 90/Die Grünen wollte vergangenes Jahr nicht mitmachen. In einer gemilderten, in Teilen sogar abgewogeneren Formulierung ereilte das Parlament dann wenige Tage vor dem 100. Jahrestag ein Antrag, oh Wunder, der Fraktion DIE LINKE und das Thema war auf der Tagesordnung. Jetzt haben wir Mai, lange her, ein halbes Jahr später, aber es ist ja viel passiert. Das ist etwas, wir beschäftigen uns ja mit vielen Punkten. Ich hätte mich gefreut, wir hätten uns in dieser letzten Plenarwoche noch mit wichtigen Punkten beschäftigen können wie dem Brexit-Antrag und einer Städtepartnerschaft, das wäre in die Zukunft gegangen.
Wir machen auch noch Vergangenheitsbewältigung für Sie, meine Damen und Herren. Also, ich habe gesagt, was für mich Wegpunkte der deutschen demokratischen Entwicklung sind. Wir hätten uns lange über die Frankfurter Nationalversammlung, das Paulskirchenparlament unterhalten können, denn die parlamentarische Demokratie ist es, der es in Deutschland zu gedenken gilt.
(Abgeordneter Dr. Buhlert [FDP]: Und zu verteidi- gen! – Abgeordneter Tschöpe [SPD]: Ein derartiger Unsinn! Es geht nicht!)
Die Soldatenrepublik, die Räterepublik – Herr Dr. Buhlert hat dazu schon fast alles und auch viel Richtiges gesagt – wollte Arbeiter und Soldaten nach sowjetischem Vorbild zur Macht führen und alle anderen waren rechtelos. Sie ist kein Vorbild für eine Demokratie im Jahr 2019. Es ging nicht um Gewaltenteilung, es ging nicht um Minderheitenschutz, es ging nicht um Rechtsstaatlichkeit, all das
sind Merkmale unserer heutigen freien, offenen Gesellschaft, unserer parlamentarischen Demokratie. Für nichts davon stand die Bremer Räterepublik.
Ihnen geht es, glaube ich, um etwas ganz anderes. Sie wollen tatsächlich schauen, dass sie hier wieder Boden gutmachen. Ich bin der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen dankbar und war an einer Szene beteiligt, die auch mit der Festwoche zu tun hatte. Die Kollegin Dr. Müller und ich saßen im Beirat der Landeszentrale für politische Bildung, dort lag ein Flyer, das Programm der Woche. Was da unter dem Dach der Landeszentrale zusammengetragen wurde, das war sehr abenteuerlich. Als dann nachgefragt wurde, wie dieses Programm eigentlich zustande gekommen ist – und ich kann das alles sagen, weil es ja dann auf meine Nachfrage hin noch einen Bericht in der Sitzung der Deputation für Kinder und Bildung gab –, war diese Veranstaltungsreihe ein Wünsch-dir-was-Konzert von zum Teil linksradikalen, außerdemokratischen Kräften. Das war schon abenteuerlich, als dann noch behauptet wurde, dass ja alle eingeladen worden wären, sich daran zu beteiligen. Wir haben in unseren Bereichen genau recherchiert und sowohl wir als auch die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen waren nicht eingeladen worden, sich zu beteiligen.
Wenn die FDP das jetzt auch noch sagt, dann begrenzen wir uns wieder auf diesen Teil des Hauses, sind wieder bei USPD, sind wieder bei MSPD. Ich kann mich Herrn Dr. Buhlert anschließen. Christian Weber hat etwas sehr Weises – wie viele andere weise Dinge – gemacht, als er seiner Zeit den Festvortrag, der wissenschaftlich dokumentiert tatsächlich etwas ist, das auch aufzeigt, dass sich die Geschichtsforschung über die Räterepublik weiterentwickelt hat, – –.
In den vierziger Jahren gab es ein einheitliches Bild, das heute zum Glück vielfältiger ist, aber Sie werden hier keine Geschichtsklitterung betreiben können und die Räterepublik in Bremen zu einer Sternstunde der Demokratie aufwerten. Es wird von uns natürlich keine Zustimmung geben.
Die Räterepublik dient als mahnendes Beispiel, was passieren kann, wenn man eine Gesellschaft außerhalb der Demokratie befördern möchte. Für uns ist die freiheitlich-demokratische Grundordnung, auf der wir stehen, keine Folge dieser Bremer Räterepublik. – Herzlichen Dank!
Sehr geehrte Frau Präsidentin, liebe Kollegen des Hohen Hauses, ich weiß gar nicht, woher Sie immer wissen, was ich sagen möchte. Das ist sehr nett, dass ich Sie jetzt sicher überraschen werde. Das ist wirklich nett, weil der 9. November 1918 in der Tat in der Geschichtsschreibung ein eher positiv besetzter Tag ist und ich doch sehr dafür werben würde – –. Das ist ja ein sehr kurzer Antrag, die Antragsbegründung der Fraktion DIE LINKE ist sehr lang, aber ein sehr kurzer Antrag, der im Grunde darauf abzielt, ein Konzept zu erarbeiten, wie dieser Tag in Zukunft zu würdigen ist. Daher werde ich diesem Antrag zustimmen.
Das Geschichtsbild in der Fraktion DIE LINKE, das in der Antragsbegründung steht, das mag man vielleicht in diesen oder jenen Teilen ablehnen, aber darauf kommt es ja nicht an. Wir beschließen über einen Antrag und nicht über das Geschichtsbild der Fraktion DIE LINKE. Also ich bitte da doch – –. Der 9. November – und daher habe ich mich heute gemeldet, gerade auch wegen dem 8. Mai gestern –, das ist doch wieder das Gleiche, wir haben doch nicht den 9. November wegen der Bremer Räterepublik, sondern wir haben sie wegen der Ausrufung der Republik durch Philipp Scheidemann. Dieser Mensch ist ein ganz großes Vorbild, das doch für alle von links bis rechts gelten kann, ein vorbildlicher Patriot und Demokrat.
Das ist es doch, was wir am 9. November bundesweit würdigen, und nicht die Bremer Räterepublik in ihren Ausformungen. Die ist ein Teil davon, ein Teil dieser Entwicklung, das ist ein vielfältiger Tag, der dann über die Nazi-Zeit hinweg bis zum Mauerfall 1989 eine weitere Entwicklung nimmt, genauso wie die Rezeption des 8. Mai. Das gehört doch alles zu einem Tag, und wenn man schon Symbolpolitik und Zuschreibungen zu einem Datum macht, so wird das Datum umso wichtiger, je mehr man ihm zuschreibt, und nicht, je enger man es führt. Insofern kann ich das Bild von Revolution,
das von den Fraktionen der CDU und der FDP geteilt wurde, nicht ganz teilen. Geschichte ist nun einmal immer – –.
Wir haben in den vergangenen vier Jahren über Martin Luther geredet, über die Einführung des Feiertages. Das gibt es doch nie, dass aus einem Datum wie dem 31. Oktober, wie dem 8. Mai, wie dem 9. November das entsteht, was die Leute, die dort aktiv waren, vielleicht gewollt haben. Das ist doch gerade bei so wichtigen Daten demokratisch, sich über die Vielfalt an diesem Tag, die man da hineinsymbolisieren kann, zu unterhalten und darüber, dass die Reformation und die Würdigung der Reformation etwas anderes ist, als Luther intendiert hat.
Dass die deutsche Geschichte einen anderen Weg genommen hat, als die Revolutionäre des 9. November 1918 gewollt haben, ist doch ganz klar, aber das macht gerade diese Tage so wichtig, sich an ihnen darüber zu unterhalten. Daher noch einmal: mein Ja zu dem Antrag, nicht zu dem Geschichtsbild der Fraktion DIE LINKE, mit dem kleinen Hinweis, lassen Sie mich schließen, dass die Demokratie in Deutschland ganz gewiss nicht ihren Ausgang genommen hat, wie es in dem Antrag der Fraktion DIE LINKE steht, sondern dass wir in Deutschland mit Verlaub mindestens seit Johannes Althusius im 16./17. Jahrhundert eine jahrhundertelange Tradition von demokratischen Gedanken haben, die wir meinetwegen auch alle im 9. November symbolisiert sehen können. – Vielen Dank!
Sehr geehrte Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich gestehe, ich hatte gehofft, der Tagesordnungspunkt ginge ohne Debatte durch. Jetzt muss ich mich dazu verhalten, das mache ich auch gern. Wir werden dem Antrag der Fraktion DIE LINKE zustimmen, ich betone aber, unaufgeregt, ganz besonders nüchtern, stimmen wir dem Antrag zu, weil er eben verlangt, dass es – und das hat sich ja heute gezeigt, dass es offensichtlich dringend notwendig ist – eine historische Einordnung der Novemberrevolution geben soll und der folgenden Räterepublik in Bremen und dass es eine wissenschaftliche Aufarbeitung geben soll, die dann in ein wie auch immer geartetes Erinnerungskonzept mündet. Also, dass es einen objektiven Blick auf die Ereignisse gibt, kann ich nur unterstützen. Unter Ausschluss der Vorwegnahme, dass
die Novemberrevolution nun die Wiege der Demokratie in Deutschland ist, das ist mir ganz besonders wichtig.
Unbestritten ist natürlich, die Novemberrevolution markiert eine wichtige Zäsur in Deutschland, unter dem Eindruck, und das ist nun einmal Grundbedingung, der kriegerischen Zustände in Europa. Es ist eben auch ein europäisches Phänomen und kein deutsches Phänomen.
Unter dem Eindruck des unmenschlichen Ersten Weltkriegs formierte sich Widerstand, vor allem gegen den damals noch gängigen unbedingten Gehorsam. Es formierte sich der Wille zur Autonomie und zur politischen Mit- und Selbstbestimmung. In diesem Sinne markieren die Ereignisse rund um die Novemberrevolution einen demokratischen Ansatz, einen demokratischen Aufbruch, vor allem aber einen sozialen Aufbruch, der dann am Ende zu Errungenschaften führte wie der Einführung des Achtstundentages, der Betriebsräte und der Arbeitsvermittlung. Ganz besondere Errungenschaften, die keiner in Frage stellen will. Das ist hier verortet, aber da hört es nicht auf.
Was hier auch verortet ist – ich hoffe, dazu wird es historische Aufarbeitungen und vor allem Forschungen geben, weil es da bisher jedenfalls wenig gibt –, inwieweit die Novemberrevolution selbst, Auslöser für die Einführung des Frauenwahlrechtes ist. Daran mag ich jetzt, ich bin keine Historikerin, noch einmal ein Fragezeichen setzen, aber dass immer, wenn der Novemberrevolution gedacht wird, das Frauenwahlrecht gern unterschlagen wird, ist kein Zufall. Deswegen bin ich der Fraktion DIE LINKE hier dankbar, dass das nicht unterschlagen, sondern zumindest in einen zeitlichen Kontext gestellt wurde. Denn, und das ist doch ganz offensichtlich, auch vor allem den kriegsmüden Frauen ist das zu verdanken gewesen. In einer gleichen zeitlichen Spanne ist auch, dass das Frauenwahlrecht, das aktive und passive Wahlrecht für Frauen, eingeführt wurde, und das ist zu dieser Zeit die wohl zentralste demokratische Leistung.
Ebenso oft wie das Frauenwahlrecht unterschlagen wird, wird aber bei Erinnerungsfeierlichkeiten, auch wie wir sie letztes Jahr erwogen haben, die Kehrseite dieser Revolution unterschlagen. Nämlich die politische Verrohung, die durch die Revolution mit Einzug hielt, die politische Gewalt, die sehr viele Opfer forderte. Zur Romantisierung eines
demokratischen Aufbruchs taugt die Novemberrevolution eben nicht, sondern man braucht beide Sichtweisen auf diese Zeit.
Wir unterstützen einen differenzierten Antrag, wie er jetzt vorliegt, und wir unterstützen auch ein Erinnerungskonzept. Wir erwarten aber, dass bei der Konzeptionierung und auch bei zukünftigen Erinnerungsveranstaltungen, Podiumsdiskussionsreihen ein kritischer und differenzierter Blick, insbesondere auch auf die Radikalisierungsprozesse, die sich dann im Anschluss an die Novemberrevolution in Deutschland ausbreiteten, gelegt wird. Das wäre unser Anspruch an ein solches Konzept, und in dem Sinne unterstützen wir den Antrag. – Vielen Dank!
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Die historischen Ereignisse der Jahre 1918 und 1919, beginnend mit dem Matrosenaufstand bis hin zur Verabschiedung der Weimarer Reichsverfassung im August 1919, sind von herausragender Bedeutung für die Demokratie in Deutschland einerseits, aber auch für das Land Bremen. Diese knapp zehn Monate markieren den Übergang von der autoritären, militaristischen, elitären und undemokratischen Gesellschaft des Kaiserreiches zu der ersten wirklich demokratisch zu nennenden Verfassung im damaligen deutschen Reich und in Bremen.
Über diese Ereignisse, Entscheidungen und Entwicklungen streiten die Historikerinnen und Historiker bis heute und werden dies, so wie das sich in der Debatte hier abgezeichnet hat, auch noch weiter tun.
Jenseits vieler Kontroversen haben aber Revolution und die Monate danach entscheidende Veränderungen und Fortschritte mit sich gebracht. Sie bedeuten das Ende der konstitutionellen Monarchie in Deutschland und führten zur Gründung der ersten deutschen Republik mit einer demokratischen Verfassung. Zum ersten Mal konnten nun freie, gleiche und geheime Wahlen abgehalten werden, zum ersten Mal wurde Frauen die Teilhabe an politischen Prozessen zugestanden, zum ersten Mal wurde die Gleichheit aller vor dem Gesetz festgeschrieben und Standesunterschiede abgeschafft
und zum ersten Mal wurde Arbeiterinnen und Arbeitern Mitbestimmung über die eigenen Arbeitsbedingungen zugestanden.
Die Verfassung von 1919 als wichtigstes Ergebnis der Revolutionsjahre, veränderte nicht nur die politische und soziale Gegenwart der Zeitgenossinnen und –genossen. Ihre Bedeutung zeigt sich auch noch bei der Entstehung der Bundesrepublik. Die Autorinnen und Autoren des Grundgesetzes der Bundesrepublik orientierten sich nicht zuletzt an der Weimarer Reichsverfassung, sie lernten aus ihren Errungenschaften und zogen Konsequenzen aus ihren Fehlern.
Denn gleichzeitig sind die Ereignisse von 1918 und 1919 auch eine Mahnung, dass die demokratischen Errungenschaften der Revolution eben nicht selbstverständlich sind. Sie haben keine Naturgesetzlichkeit erlangt. Mit der Machtübernahme der Regierung Hitler wurde die Demokratie zunächst schleichend und dann krachend ausgehöhlt. Dies konnte geschehen, weil die Demokratie nicht mehr ernst genommen wurde, weil viele der ständigen Neuwahlen und Kabinettswechsel überdrüssig waren und weil viele die Demokratie von Weimar als dysfunktional und nicht mehr schützenswert wahrgenommen haben.
Dies konnte aber auch geschehen, weil Justiz, Verwaltung und Militär in großen Teilen strukturell noch antidemokratisch eingestellt waren und die Wehrhaftigkeit der jungen Demokratie untergruben. Als klar war, was das bedeutet, war es schon zu spät, war die Demokratie Geschichte und die Diktatur Realität.
Der Senat begrüßt genau aus diesen Erwägungen heraus diese Initiative, die historischen Ereignisse der Jahre 1918 und 1919 und ihren Einfluss auf die Gegenwart besonders zu würdigen. In der Erinnerung an Revolution und Republik liegt ein erinnerungspolitisches Potenzial, sowohl was den Kampf breiter Bevölkerungsschichten für die Demokratie und die damaligen Eliten angeht, als auch was die Verlässlichkeit demokratischer Errungenschaften angeht.
Dass es hier um mehr geht, als um einen historischen Lern- und Diskussionsprozess, das war selten so deutlich, wie das auch gerade in diesen Zeiten der Fall ist. Der Senat begrüßt daher auch den Vorstoß, ein Konzept zu erarbeiten, auf dessen Grundlage die Geschichte der Jahre 1918 und 1919 in der
Bremen hat eine lange Tradition einer von der Stadtgesellschaft getragenen Erinnerungsarbeit. Dies zeigt nicht zuletzt die Bandbreite der zivilgesellschaftlichen Akteurinnen und Akteure und unterschiedlichen Institutionen, die sich jährlich am Programm zum 27. Januar, dem Tag des Gedenkens an die Opfer des Nationalsozialismus, beteiligen. Die Erinnerungsarbeit zur Geschichte der Jahre 1918 und 1919 sollte in dieser Tradition stehen.
Eine rein staatlich organisierte Erinnerungsarbeit hierzu würde jedoch gerade diesem historischen Thema zuwider laufen. Der Senat wird deshalb die Landeszentrale für politische Bildung in diesem Prozess im Rahmen seiner Möglichkeiten unterstützen. Das Ziel ist es, die Novemberrevolution mit den Aspekten Demokratie, Frauenwahlrecht und Mitbestimmung fest in der Erinnerungs- und Gedenklandschaft des Landes Bremen zu verankern. Ein Erinnerungskonzept muss im Sinne der mit 1918 und 1919 verbundenen Demokratisierung eine gesellschaftliche Verortung besitzen, lebendig und flexibel sein und einen Dialog in der Stadtgesellschaft ermöglichen.
Der Senat wird darüber hinaus die historischen Fachbereiche von Universität und Hochschulen in Bremen und Bremerhaven bitten, die Geschichte der Jahre 1918 und 1919 in Forschung und Lehre zu berücksichtigen und zu prüfen, inwieweit die Thematik stärker im Geschichtsunterricht an bremischen Schulen integriert werden kann. – Vielen Dank!