Protocol of the Session on May 22, 2014

Im Januar sind der Kollege Reinken und Herr Senator Günthner an die Presse getreten und haben ge

sagt: Wir brauchen eine Ausbildungsplatzgarantie. Falsch, streichen wir das Wort „Platz“, es ist eine Ausbildungsgarantie! „Ausbildung garantiert“ hieß es! Wir wollen, dass jeder Schulabgängerin und jedem Schulabgänger in Bremen und Bremerhaven ein Ausbildungsplatz angeboten wird. Eine radikale Zielsetzung! Wir reden hier, wenn dieses Ziel erreicht werden soll, von mindestens 2 500 Jugendlichen.

Der Landesvorstand der Grünen hat das am 1. März auch gleich relativiert und beschlossen: Wir begrüßen die Initiative für eine Ausbildungsplatzgarantie. Darin war das Wort „Platz“ im Übrigen noch enthalten, da hatte er noch nicht die neuen Informationen der Politmarketingabteilung der SPD-Fraktion auf dem Schirm, nehme ich an. Darin steht: eine freiwillige Selbstverpflichtung – darauf kommt es mir eigentlich an – und kein verbindlicher Rechtsanspruch, es wird keine Garantie für den Wunschausbildungsplatz geben!

Wir wollen wissen: Was garantiert denn nun eigentlich diese Ausbildungsgarantie, was ist das, und was wird den Jugendlichen zur Verfügung gestellt? Ganz klar ist, der Senat schreibt in seiner Antwort, die geplanten Jugendberufsagenturen werden keine zusätzlichen Ausbildungsplätze schaffen, sie können im besten Fall dafür sorgen, dass wir bessere Informationen über den Verbleib der Jugendlichen bekommen, aber sie ändern an der Ausbildungsmisere erst einmal gar nichts. Diese Misere ändert sich nur, wenn erstens erheblich mehr Ausbildungsplätze geschaffen werden und zweitens natürlich auch die Ausbildungsplätze an benachteiligte Jugendliche aus Bremen oder Bremerhaven gehen.

(Beifall bei der LINKEN)

In dieser, ehrlich gesagt, ziemlich dürftigen Mitteilung des Senats gibt es überhaupt keine greifbaren Ziele, Perspektiven und Pläne. Die Förderperiode geht von 2014 bis 2020, wir haben jetzt Mai 2014, und es liegt immer noch kein Konzept auf dem Tisch. Das heißt also, wir haben heute bereits ein halbes Jahr verstreichen lassen. Dieses Jahr, wenn wir uns das vor Augen halten, ist so gut wie vorbei.

(Abg. Frau B ö s c h e n [SPD]: Ach nein, das kommt jetzt noch!)

Ich möchte einmal wissen, wie Sie das alles noch im Herbst auf den Weg bringen wollen, wenn ich bedenke, wie das alles aufgestellt ist!

Selbst in der Senatsvorlage zum BAP gibt es in keiner Weise ein Konzept. Da heißt es, es wird jetzt eine Arbeitsgruppe oder eine Steuerungsgruppe gebildet, die sich über dieses Konzept unterhält. Diese Senatsvorlage ist von letzter Woche. Ich finde das, ehrlich gesagt, angesichts der fortgeschrittenen Zeit eine riesige Problematik,

(Beifall bei der LINKEN)

denn dass die Förderperiode Anfang 2014 beginnt, das wissen wir schon ziemlich lange, das ist nicht vom Himmel gefallen.

Deswegen sagen wir, bisher ist diese Ausbildungsgarantie das komplette Selbstmarketing des Senats. Diese neue ESF-Periode gibt nach wie vor zu denken, wenn wir sehen, auf welchem Stand wir eigentlich sind. Wir müssen bei diesem Thema Gas geben, und das passiert nicht. Im Moment rangiert das wahrscheinlich in etwa auf folgender Ebene: „Können wir vielleicht die Gewinnausschüttung der GEWOBA senken?“ oder „Wie kann man am besten die PISA-Ergebnisse verbessern?“. Das ist in etwa so die Ebene, auf der wir mit dieser Ausbildung umgehen, und da muss ich ehrlich sagen, verkündete Ziele nützen uns erst einmal gar nichts, insbesondere nicht den Jugendlichen, die dringend einen Ausbildungsplatz bräuchten.

Wenn ich bedenke, wie alt dieses Problem ist und mit welcher Chuzpe sich jetzt insbesondere die SPDFraktion hierhinstellt und sagt, Trara, wir machen uns jetzt auf, um genau diese Misere in Angriff zu nehmen, dann bin ich, ehrlich gesagt, leicht erschüttert, denn das steht in keinem Verhältnis zueinander, wie viel Reklame Sie dafür machen und wie wenig dahinter steckt. – Vielen Dank!

(Beifall bei der LINKEN)

Als nächster Redner hat das Wort der Abgeordnete Reinken, SPD-Fraktion.

Herr Präsident, meine liebe Kolleginnen und Kollegen! Frau Kollegin Bernhard, dass Sie das ärgert, dass wir damit jetzt Reklame machen, verstehe ich aus Sicht der LINKEN voll und ganz, das ändert aber nichts daran, dass wir uns ernsthaft mit dem Thema auseinandersetzen müssen.

(Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/ Die Grünen)

Man kann natürlich sagen, die Antworten, die der Senat zum gegenwärtigen Zeitpunkt gibt, insbesondere auf die ersten von Ihnen gestellten Fragen, sind uns nicht ausreichend. Ich glaube aber, in der Antwort des Senats ist auch deutlich erklärt, warum sie zum gegenwärtigen Zeitpunkt nicht ausreichend sind.

Zum Thema der Großen Anfrage! Ich will nur darauf verweisen, dass die überwiegende Zahl – das haben Sie eben selbst bestätigt – der von Ihnen gestellten Fragen völlig unsinnig ist,

(Beifall bei der SPD)

weil Sie die Antworten auf diese Fragen allesamt schon nachlesen können, vielleicht nicht genau be

zogen auf den heutigen Zeitpunkt, aber inhaltsgenau bezogen auf die Debatten, die wir zu früheren Zeitpunkten geführt haben, oder bezogen auf das, was zum Beispiel in den im Rahmen der Bremer Vereinbarungen erarbeiteten Unterlagen schon dokumentiert ist. Vieles von dem ist nicht wirklich neu, da haben Sie natürlich vollkommen recht. Wenn etwas aber nicht völlig neu ist, wieso muss man es dann zum Gegenstand einer Großen Anfrage machen?

(Beifall bei der SPD)

Wichtig ist doch – und deswegen haben wir uns doch dieses Themas an prominenter Stelle angenommen – neben der Feststellung, in der Tat ein unbewältigtes, ein ungelöstes Problem zu haben, jetzt dazu überzugehen, uns noch einmal konkret mit den Maßnahmen und Wegen zu beschäftigen. Meine These ist, dass das alles nicht auf dem Papier, nicht über schnelle Programme und auch nicht über große Erklärungen geht, sondern man sich Stück für Stück an die offenen Fragen und Probleme heranarbeitet.

(Beifall bei der SPD)

Ein Teil dieser offenen Fragen und Probleme neben der Zahlenbimserei, die wir immer gern machen – das wird hier auch wieder schön in der Antwort des Senats gemacht, mit der wir jetzt auch noch andere Statistiken hinzuziehen und uns mit dem Problem der Einpendler und diesem und jenem beschäftigen können –, sind Fragen zu unserem Bildungssystem, unserem Berufsbildungssystem, die aufzuwerfen sind.

Es wird Ihnen nicht entgangen sein, dass in dem Positionspapier, das nicht der Senat, sondern Herr Senator Günthner und ich zu Papier gebracht haben und das von vielen auch sehr positiv aufgegriffen worden ist, gleich am Anfang eine ausgesprochen kritische Auseinandersetzung mit dem steht, was wir gegenwärtig in den letzten Jahren als Übergangssysteme konstruiert haben.

Es ist, glaube ich, nötig, dass wir uns gemeinsam mit dem Thema auseinandersetzen müssen, und gemeinsam, meine Damen und Herren, heißt im Übrigen aus meiner Sicht nicht nur, dass es die Politiker zusammen mit den Ressorts machen können, gemeinsam heißt im Bereich der beruflichen Bildung und Ausbildung ganz klar und deutlich, dass wir uns mit den Akteuren gemeinsam dem Thema widmen müssen, mit den Leuten im Handwerk, in der Industrie, in der Logistik, mit den Arbeitgebern, mit den Gewerkschaften, den Kammern, den Schulen und den Verbänden. Das geht nur gemeinsam!

(Beifall bei der SPD)

Man kann nun eine kleingeistige Debatte darüber führen, ob das vielleicht alles schon ausreichend beantwortet ist – da stimme ich Ihnen sogar zu, das ist

noch nicht ausreichend beantwortet –, aber für uns als SPD ist völlig klar, wir wollen einen neuen Weg, und wir akzeptieren es nicht, dass junge Menschen weiterhin ohne Perspektive bleiben, in sinnentleerten Warteschleifen aufbewahrt werden und wir, wie es einmal eine Mitarbeiterin des Bildungsressorts in einer von uns durchgeführten Veranstaltung hier im Haus der Bürgerschaft gesagt hat, damit jungen Menschen Lebenszeit stehlen. Das wollen wir nicht, das wollen wir ändern, und das ist ein Projekt, mit dem wir uns intensiv beschäftigen.

(Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/ Die Grünen)

Im Übrigen halte ich auch nichts von diesen wechselseitigen Schuldzuweisungen, die dann gern nach dem Motto stattfinden, die Wirtschaft müsste eigentlich viel mehr unternehmen, und die Wirtschaft antwortet dann, aber die Jugendlichen sind noch nicht ausbildungsreif, mit denen können wir nichts anfangen. Mit diesen Debatten müssen wir, finde ich, aufhören. Es ist unsere Aufgabe – wir als SPD haben sie zumindest angenommen –, hier voranzugehen, etwas zu unternehmen und positive Ziele zu formulieren. Das geht in dieser Frage, wie gesagt, nur mit den Partnern. Natürlich brauchen wir dazu ein Programm, aber das muss durchdacht sein.

Ich merke, meine Redezeit ist zu Ende. Dann melde ich mich noch zu einem zweiten Redebeitrag. – Herzlichen Dank!

(Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/ Die Grünen)

Als nächster Redner hat das Wort der Abgeordnete Dr. Güldner, Fraktion Bündnis 90/Die Grünen.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich teile vollständig die Einschätzung meines Kollegen Reinken und bin davon ausgegangen, dass auch Frau Bernhard es nicht anders sieht, dass wir es mit einem sehr ernsten Problem zu tun haben, nämlich uns um eine Verbesserung der Ausbildung der jungen Menschen im Land Bremen zu kümmern.

Es gibt mehrere Querverbindungen. Die Querverbindung, die mir zuerst einfällt, ist die zum Thema Armut. Wir haben hier im Haus einen neuen Ausschuss. Es ist nicht so, wie es DIE LINKE manchmal – zumindest in der Öffentlichkeit – darstellt, dass die absolute Höhe der Transferleistungen an der Armut schuld ist. Da geht es vielleicht um die Gerechtigkeit oder um andere Dinge, die auch wichtig sind. Schuld an der Armut sind aber der Mangel an Ausbildung und der Mangel an Arbeit Ein Problem, über das wir hier reden, ist unmittelbar die Frage, wie wir Prävention von Armut und Ausgrenzung betreiben können.

Deswegen ist das Thema Ausbildung so wichtig, meine Damen und Herren!

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen und bei der SPD)

In diesem Zusammenhang ist selbstverständlich auch das Thema Fachkräfte für unsere Unternehmen wichtig, und dieses Thema ist vom Handwerk über den Mittelstand bis hin zur Großindustrie selbstverständlich extrem wichtig. Wann immer Gespräche mit Vertretern aus diesen Bereichen stattfinden, steht dieses Thema, wie ich finde, zu Recht ganz weit oben auf der Agenda.

Meine Kollegen haben schon Zahlen und Fakten zur Bremer Situation benannt. Ich merke bei mir, dass ich immer zusammenzucke, wenn dargestellt wird, dass in Bremerhaven 10 Prozent eines Schulabschlussjahrgangs am Ende tatsächlich einen Ausbildungsplatz bekommen. Da wird noch einmal ganz deutlich, welche Dimension das Problem hat. Das heißt ja nicht, dass in Bremerhaven nicht mehr ausgebildet wird, da werden natürlich auch niedersächsische Schulabsolventinnen und -absolventen ausgebildet, aber 10 Prozent der Bremerhavener Schulabgänger bekommen einen dualen Ausbildungsplatz. Das ist in der Tat eine Zahl, die, wie ich finde, sehr bestürzend ist.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen und bei der SPD)

Die Grünen haben mit den vielen Akteuren, die jetzt und auch schon seit langer Zeit die Absicht haben, dieses Problem anzugehen, eine große Einigkeit, dass in der Fortschreibung dessen, was wir schon über viele Jahre gemacht haben, nicht die Lösung liegen kann. Wir können das Problem nicht mit alten Rezepten angehen, sondern sollten es mit neuen Initiativen bearbeiten. Das war bei den Bremer Vereinbarungen so, das war bei vielen anderen Beiträgen so.

Ich finde es äußerst willkommen, dass – teilweise von innen, aus Bremen kommend, teilweise von außerhalb, wie zum Beispiel aus Hamburg – neue Ideen und Konzepte in diese doch etwas festgefahrene Debatte über die Frage, wie wir es schaffen, dass mehr Jugendliche eine vernünftige Berufsausbildung erhalten, eingebracht worden sind. Dabei teilen die Grünen mehrere grundsätzliche Annahmen, zum Beispiel die Annahme, dass es sich bei dieser Situation in Bremen in der Tat um einen sozialen Skandal handelt – ich würde das so sagen –, mit dem wir auf gar keinen Fall leben können, das hat der Kollege Reinken auch gesagt! Wir haben nicht vor, mit dieser Tatsache zu leben, und werden alles tun, damit es sich ändert.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen und bei der SPD)

Ich teile die Ansicht, dass es unbedingt notwendig ist, über den Tellerrand hinauszuschauen, sich Beispiele aus anderen Gegenden Deutschlands und der Welt anzuschauen, wie man das System verbessern kann. Das System, das hier beschrieben worden ist, benötigt dringend einen Umbau, und der Einsatz der Mittel, die wir selbst aufbringen, und der Mittel, die der Bund aufbringt, muss viel stärker fokussiert werden. Wir müssen hier, glaube ich, die aufgrund der massiv zurückgehenden Arbeitslosigkeit auf Bundesebene frei werdenden Mittel unbedingt auf die beiden Bereiche Langzeitarbeitslosigkeit und Ausbildung konzentrieren. Hier ist, glaube ich, der Bund genauso gefordert wie Bremen.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen)

Die Grünen teilen im Übrigen in der Sache, wo es dann konkret wird, dass das bisher ausbildungsvorbereitende Übergangssystem auf keinen Fall immer zielgerichtet auf die spätere Ausbildung im dualen System hinarbeitet und wir hier einen dringenden Veränderungsbedarf haben, nämlich dass wir im Bereich des Umgangs der Arbeitsagentur und der Jobcenter mit den Jugendlichen einen dringenden Veränderungsbedarf in Richtung einer Jugendberufsagentur haben, wir uns in der Orientierung auf den ersten Arbeitsmarkt und auf die duale Ausbildung in Unternehmen und Berufsschulen als oberstes Ziel konzentrieren und dabei auch den Unternehmen helfen müssen, dies alles in teilweise schwierigen Situationen mit Ausbildungsverbünden und ausbildungsbegleitenden Hilfen für die Jugendlichen zu verbessern.

Wir betonen in dieser Thematik aber einige Punkte auch noch einmal besonders. Vieles dreht sich in dieser Diskussion um die Ausbildungsfähigkeit und -willigkeit. Hier ist die Frage, wer diesen Punkt definiert und wie wir schon hier, und zwar früher als im eigentlichen Ausbildungssystem, in der Schule ansetzen können, damit junge Menschen erstens die notwendigen Informationen haben, aber zweitens diese Informationen auch auf eine Art und Weise vermittelt werden –

(Glocke)