Protocol of the Session on May 22, 2014

(Glocke)

ich habe die Glocke gehört, Herr Präsident! –, die die Überlegungen, welche Talente und Fähigkeiten sie haben, die sie in einer Ausbildung zur Geltung bringen können, deutlicher zum Ausdruck kommen lässt.

Ich habe noch einige Punkte zu den Positionen der Grünen zur Ausbildungsförderung zu sagen und werde das in einem zweiten Redebeitrag tun. – Danke!

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen)

Als nächster Redner hat das Wort der Abgeordnete Kastendiek, Fraktion der CDU.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Als ich die Antwort des Senats auf die Große Anfrage gelesen habe, kam mir spontan der Gedanke, dass diese Anfrage einen gewissen Charme hat, denn vor dem Hintergrund der Beantwortung dürfen der Senat und Sie sich nicht wundern, wenn DIE LINKE – sicherlich eher aus gekränktem Stolz, nicht selbst auf eine solche Idee gekommen zu sein – an der Stelle eher von einem Marketing-Gag spricht.

Wenn man sich an der Stelle schon zu Beginn des Jahres so positioniert – zugegebenermaßen auch sehr medienwirksam, das erinnerte mich ein bisschen an Ihren Vorgänger, der auch mit einer Idee um die Ecke kam, die man dann sukzessive zurückgenommen hat –, dann sollte man zumindest bei der Beantwortung der ersten Frage dieser Großen Anfrage mehr Substanz bringen, als einfach nur zu sagen, wir überlegen noch, konzeptionell sind wir noch nicht so weit. Meine sehr verehrten Damen und Herren, das haben Sie sich selbst zuzurechnen!

(Beifall bei der CDU)

Fakt ist, wir haben hier ein gesellschaftspolitisches Problem, nämlich auf der einen Seite, wie wir die Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Wirtschaft langfristig mit qualifizierten Fachkräften sichern, aber natürlich auch auf der anderen Seite, wie wir jungen Menschen eine Perspektive geben können und wie wir möglichst wenig junge Menschen durch ein Netz fallen lassen, das wir möglichst engmaschig stricken wollen.

Ich möchte, auch wenn das wieder Zahlenbimserei ist, Herr Kollege Reinken, doch ein, zwei Zahlen in die Diskussion einbringen, die uns als CDU-Fraktion nachdenklich stimmen. Zum einen verlassen 400 junge Menschen jedes Jahr in Bremen die Schulen ohne Schulabschluss. Wie sollen diese jungen Menschen in ihrem weiteren Berufsweg eine Chance erhalten in einer immer komplexer werdenden Berufswelt mit immer höheren Anforderungen, die die Berufswelt stellt? Wie wollen diese jungen Menschen ohne Sozialtransferleistungen dauerhaft, langfristig, nachhaltig ihre Lebensperspektive selbst gestalten? Das ist eine Zahl, die uns zum Nachdenken bringen muss.

Zum anderen müssen wir auch das, was das Statistische Bundesamt am Mittwoch veröffentlicht hat, zur Kenntnis nehmen: Im Jahre 2013 sind mit 525 000 Ausbildungsplätzen immerhin 4,3 Prozent weniger Ausbildungsverträge abgeschlossen worden als im Vorjahr, es haben sich aber 11 Prozent weniger darum beworben. Auch das ist eine Zahl, die uns zeigt, dass offensichtlich die Attraktivität der dualen Berufsausbildung nicht so hoch ist, wie wir uns das insgesamt vorstellen und wie sie auch tatsächlich ist.

Wenn man sich dann auch noch anschaut – in der Antwort zu Frage 7 wird das auch ausgeführt –, wie viel Ausbildungsverträge vorzeitig aufgelöst werden,

dann macht das deutlich, wo mögliche Stellschrauben und mögliche Problembereiche sind, auf die wir uns konzentrieren müssen.

Ich möchte auch aus meiner eigenen Erfahrung sprechen, denn im beruflichen Hintergrund bekommen wir oft mit, dass es selbst in einem Bereich, in dem das Abitur keine Eingangsvoraussetzung für eine Ausbildung ist, für uns schwer ist, qualifizierte Auszubildende zu bekommen, die auch Sekundärtugenden mit sich bringen, zum Beispiel morgens pünktlich zur Arbeit zu kommen, damit fängt es zum Teil an. Das ist sicherlich nur eine Seite der Medaille.

Deshalb muss sich aus Sicht der CDU-Fraktion auf folgende Punkte konzentriert werden: Erstens, wir müssen uns die Berufsorientierung vornehmen, das ist ein ganz entscheidender Punkt, meine sehr verehrten Damen und Herren. Es geht nicht, um nur eine Sache herauszugreifen, dass im Bereich der Oberschulen und Gymnasien einzig und allein das Studium das Ausschlaggebende ist. Angesichts der hohen Abbruchquote in der akademischen Ausbildung ist dies ein Punkt, über den nachgedacht werden muss.

Ein zweiter Punkt sind die Übergangssysteme. Wir haben mit einer Kleinen Anfrage Anfang des Jahres danach gefragt, wir müssen sehen, was aus der Beantwortung dieser Kleinen Anfrage folgt. Dieses Thema muss gemeinschaftlich angegangen werden, und wir als CDU-Fraktion wollen unseren Teil dazu beitragen.

Ein dritter Punkt ist natürlich, was auch vor Ort gemacht werden kann, um die Attraktivität der dualen Berufsausbildungen zu erhöhen und es am Ende auch den Unternehmen und Betrieben zu erleichtern. Ich spreche als Stichwort – das ist uns in den Gesprächen mit der Kreishandwerkerschaft berichtet worden – das Thema des Tischlereihandwerks an. In dem Bereich sind durch die verstärkte Verblockung der Ausbildung zwischenzeitlich immer weniger Ausbildungsbetriebe bereit, in die Ausbildung einzusteigen. Das ist eine Entwicklung, Herr Reinken, die Sie zur Kenntnis nehmen müssen, und es muss darüber nachgedacht werden, ob das der richtige Weg ist.

Wenn man sich auch den Sachverhalt vor Augen führt, zum Beispiel im Bereich staatlicher Berufsausbildungen und Qualifikationen – Sie haben sich vorletzten Montag, Herr Reinken, beim TBZ informiert –, wie die berufliche Ausbildung in den Schulen stattfindet, dann stellt man fest, der Bereich kann nicht mehr mit den Entwicklungen mithalten, die in den Unternehmen gefordert werden. Man darf sich natürlich nicht wundern, wenn man auf der einen Seite im Bereich der Berufsorientierung Defizite hat, auf der anderen Seite die Betriebe sagen, dass es so nicht weitergehen kann, und dann als Schlussfolgerung feststellt, dass viele junge Menschen in Bremen keine Ausbildung bekommen.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich fasse zusammen! Erstens, ich glaube, dieses gesellschaft

liche Thema muss von uns überparteilich angegangen werden, und wir als CDU-Bürgerschaftsfraktion wollen uns daran beteiligen. Wir wollen unseren Teil dazu beitragen, dieses Problem zu lösen.

(Beifall bei der CDU)

Zweitens, ich glaube, das Thema hat es nicht verdient – und deswegen kann ich auch nur empfehlen beziehungsweise davor warnen –, für Marketing- oder Profilierungszwecke, so legitim das in der Politik auch ist, genutzt zu werden. Ich glaube, damit schadet man dem Thema zu sehr.

(Glocke)

Herr Präsident, die Glocke habe ich nicht gesehen, sondern eher gehört, ich habe hinten leider keine Augen im Gegensatz zu meinem Kollegen Dr. Güldner!

Ein dritter Punkt ist, dass wir hinsichtlich der Zuständigkeiten ganz genau hinsehen müssen, ob eine Konzentration der Zuständigkeiten und Verantwortlichkeiten im Bereich der Berufsausbildung nicht dringend notwendig ist. Dort gibt es noch zu viel Verantwortliche, es bleibt zu viel zwischen den zuständigen Stellen und Einrichtungen hängen. Ich glaube, das System kann noch viel effizienter sein. Dann kommen wir Schritt für Schritt an das Ziel, nämlich dass junge Menschen in Bremen und Bremerhaven auch eine Perspektive haben, wenn sie nicht sofort eine nicht geförderte berufliche Ausbildung bekommen. – Vielen Dank!

(Beifall bei der CDU)

Als nächste Rednerin hat das Wort die Abgeordnete Frau Bernhard, Fraktion DIE LINKE.

Sehr geehrter Herr Präsident, meine Damen und Herren! Mein Neid hält sich in Grenzen. Ich frage mich ernsthaft: Wie lange wollen Sie sich denn noch heranarbeiten? Vor fast genau zehn Jahren, im Februar 2004, hat die Bremische Bürgerschaft hier eine Debatte zur Ausbildung geführt. In dieser Debatte hat der heutige Bürgermeister genau das gesagt, was Herr Reinken und Herr Senator Günthner heute sagen: Wir wünschen, dass jeder Jugendliche, der einen Ausbildungsplatz will, auch einen Ausbildungsplatz erhält. Daran hat sich im Jahr 2014 überhaupt nichts geändert.

(Abg. Frau G r o t h e e r [SPD]: Überhaupt nichts?)

Die Kollegin Schön hat damals, vor zehn Jahren, hier gesagt, dass es zu dem Zeitpunkt ungefähr 2 000 bis 2 500 Jugendliche gab, die weder weiter zur Schule gingen noch einen Ausbildungsplatz gefunden ha

ben. Genau die Zahl, die wir auch heute haben! Der Ausgangspunkt dieser Debatte damals war im Übrigen die Diskussion um die Ausbildungsumlage. Sie wurde noch von Rot-Grün auf Bundesebene beantragt, wieder eingepackt und ist verschwunden. Ich finde, diese Diskussion ist aber immer noch wert, geführt zu werden.

(Beifall bei der LINKEN)

Woran ich mich, ehrlich gesagt, überhaupt nicht delektieren kann, sind diese Marketingstrategien. Das Auseinanderklaffen von Wunsch und Wirklichkeit durchzieht diese Debatten seit gestern, vorgestern und Längerem ganz intensiv. Diesen Stolz auf die realpolitische Umsetzung, die so dermaßen erfolgreich sein soll, kann ich nicht ganz teilen, da könnte man durchaus ein bisschen mehr Bescheidenheit an den Tag legen.

Ich kann für die Fraktion DIE LINKE sagen, diese konsistente, nüchterne, sachliche Arbeit, die wir an den Tag legen, frei von Populismus und wirklich gradlinig – das muss ich doch einmal ganz explizit betonen! – liegt uns viel näher.

(Abg. Frau D r. S c h a e f e r [Bündnis 90/ Die Grünen]: Besonders in der Finanzpoli- tik!)

Diese sachliche Auseinandersetzung würde ich gern weiterführen, denn wenn ich mir das hier anschaue, dann möchte ich, dass dieser Misere beendet wird. Ich stehe nicht hier, um nur darzustellen, dass alles schlecht und fruchtbar sei, aber Sie können doch nicht ununterbrochen so tun, als hätten wir irgendwie goldene Zeiten und Sie gerade wieder einmal die Weisheit mit Löffeln gefressen. Das ist einfach nicht der Fall. (Beifall bei der LINKEN – Abg. D r. G ü l - d n e r [Bündnis 90/Die Grünen]: Wer sagt das denn?)

Was macht man denn nun? Die einzigen zwei Vorschläge, die immer genannt werden, sind der Ausbildungspool und etwas Ähnliches wie die Ausbildungsumlage für die Betriebe. Das alles hatten wir schon! Ich würde mir wünschen, dass wir gerade dieses Übergangssystem, diese expliziten Warteschleifen, die die Jugendlichen haben – –. Das ist doch wirklich kein Spaß, das ist doch eine Verschwendung von Ressourcen par excellence, und es ist auch eine Geldverschwendung.

Wenn ich mir die Mittel ansehe, die Sie im Moment eingestellt haben, dann sie auch nicht überbordend hoch, zumal Sie jetzt auch die Schulsozialarbeiter in den Jahren 2014 und 2015 aus dem beschäftigungspolitischen Programm zahlen.

(Abg. D r. G ü l d n e r [Bündnis 90/Die Grünen]: Wenn die Schulen wollen!)

Das war die Bewegung, die im April noch mit hinzugekommen ist. Das muss man sich auch einmal vor Augen halten, wie die Gelder gerade wieder fröhlich hin- und hergeschoben werden!

Mir ist wichtig, wenn Sie sich gemeinsam mit den Jobcentern zusammensetzen, dass die Jugendberufsagentur nicht die Zwangsfürsorge wird, die sie zum Teil an Gestalt einnehmen kann, es geht nämlich auch um die Frage, wie wir den Jugendlichen so nahekommen, dass sie sich wirklich aktiviert und aufgehoben fühlen und nicht weiter sanktioniert und beobachtet werden. Das ist der entscheidende Unterschied, und das hat Hamburg durchgeführt. Wir führen meines Wissens auch keine Diskussionen mit dem Jobcenter, dass hier diese Sanktionsebene zurückgestellt wird. Das wäre ein ganz wichtiger Punkt.

(Beifall bei der LINKEN)

Allein die Tatsache, dass wir hier zum Jobcenter zentralisieren, schafft doch überhaupt keine Bereitschaft der Jugendlichen, sich damit auseinanderzusetzen. Ich meine, aus den langjährigen Erfahrungen aller möglichen Träger in der jugendpolitischen Arbeit wissen wir, wie schwierig es ist, mit Jugendlichen Perspektiven zu entwickeln. Das ist eine sehr kleinteilige Angelegenheit, und nach meiner Erfahrung ist das Jobcenter aktuell zuletzt dazu in der Lage, das ist so.

(Beifall bei der LINKEN)

Wirklich Sorge gemacht hat mir – das möchte ich noch einmal zum Abschluss sagen – ein Satz in der Senatsvorlage, und an diesem Satz orientiert werde ich Sie weiterverfolgen, das möchte ich ganz ehrlich sagen! Auf Seite 11, ganz unten, steht doch glatt: „Allen Jugendlichen und jungen Erwachsenen sollen Zugänge zu Ausbildung und Arbeit ermöglicht werden.“ Wenn Sie mir allen Ernstes am Ende erzählen wollen, die Vermittlung in prekäre Beschäftigung führe dazu, dass die Jugendlichen eine Perspektive haben, dann, muss ich ganz ehrlich sagen, hüpfe ich im Dreieck! So etwas darf es nicht geben!

(Abg. W i l l m a n n [Bündnis 90/Die Grü- nen]: Wo steht das denn? – Abg. D r. G ü l d n e r [Bündnis 90/Die Grünen]: Wer hat das denn gesagt?)

Das steht unten auf Seite 11 in der Senatsvorlage!

(Abg. W i l l m a n n [Bündnis 90/Die Grü- nen]: Da steht „in Arbeit“!)

In Arbeit! Ja, genau, das ist der Punkt!

(Zurufe vom Bündnis 90/Die Grünen)

Das ist überhaupt nicht populistisch! Es ist, ehrlich gesagt, eine Frechheit, dass Sie mit dieser Perspektive kommen, denn was sind denn das für Arbeitsplätze? Sie wollen Qualifikation, Ausbildung und tatsächlich eine Ebene haben von Qualität für Jugendliche, die in der Lage sein müssen, sich zu ernähren, eine Perspektive zu bekommen und sich weiterzuqualifizieren. Wenn Sie dann mit allen möglichen Jobs kommen und das in diesem Satz bereits enthalten ist – –.