Protocol of the Session on June 19, 2013

Ich sehe im Seniorenmodul die Möglichkeit auf mehr Selbstbestimmtheit für Menschen mit Behinderungen. Wir sind und haben durch die Einführung der Inklusion den Grundstein für die neue Behindertenpolitik gelegt. Diesen Weg müssen wir auch nach der Schule für behinderte Menschen aufrecht weitergehen. Hierzu müssen wir behinderten Menschen ermöglichen, auch auf den ersten Arbeitsmarkt zu kommen, und zwar muss gewährleistet sein, dass die Durchlässigkeit – da hatte Frau Grönert ja geendet – aus den Werkstätten heraus auch möglich ist.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen)

Wir haben in der letzten Expertenkommission gehört, dass diese Möglichkeit im Promillebereich liegt. Wir haben allerdings einen guten Ansatz mit der Werkstatt Bremen, wir gründen jetzt einen Integrationsbetrieb, und das Budget für Arbeit ist auch eine Möglichkeit.

Wir müssen auch versuchen, dass wir diese festen Strukturen aufbrechen bei der Tagesförderung, auch hier sollte es immer Ziel sein, dass wir aus der Tagesförderung heraus versuchen – es ist schwierig, das wissen wir –, Menschen in den Werkstattbereich zu überführen. Auch hier ist die Möglichkeit, dass dies passiert, das haben wir im Ausschuss gehört, im Promillebereich, hier gibt es aber auch größere Anstrengungen, die dies eventuell möglich machen können.

Abschließend lassen Sie mich noch sagen, dass wir keine pauschalen Maßnahmen befürworten, alle Hilfen müssen sich in erster Linie immer direkt auf den betroffenen Menschen richten und auf seine Behinderung direkt eingehen.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen)

Eines möchten wir Grünen aber nicht: Dass Menschen mit Behinderungen in der Werkstatt über 65 Jahre arbeiten, bis sie umfallen. Das ist nicht unser Ziel.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen)

Deswegen lassen Sie uns das Seniorenmodul gemeinsam weiterentwickeln. – Danke, dass Sie mir zugehört haben!

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen)

Als nächster Redner hat das Wort der Abgeordnete Möhle.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Richtigerweise ist ja von meinen Vorrednern zitiert worden, dass die Große Anfrage „Angebote für älter werdende Menschen mit Behinderungen im Land Bremen“ heißt, und genau so hat der Senat auch geantwortet. Es geht eben nicht nur um die Frage des Seniorenmoduls, sondern es geht um die Frage insgesamt, was eigentlich mit älteren Menschen, die behindert sind, in Bremen und Bremerhaven passiert.

Man muss fairerweise und auch ehrlicherweise sagen, dass wir mit der Frage relativ neu konfrontiert werden, weil es eine Generation der Behinderten, die in das Rentenalter kommen, jetzt eigentlich das erste Mal gibt. Dass das historische Gründe hat, muss ich jetzt hier nicht in aller Breite ausführen, aber es ist so. Deswegen glaube ich, dass die Diskussion über die Frage, wie es in dem Bereich organisiert werden muss, eine außerordentlich wichtige ist. Ich glaube aber auch, dass wir die Offenheit haben sollten, relativ ideologiefrei zu schauen, was das Richtige ist, was man an der Stelle tun muss.

(Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/ Die Grünen)

Ich habe den Bericht von „buten un binnen“ auch gesehen, Frau Grönert, und ich war auch, ehrlich gesagt, kurzfristig ziemlich schockiert über das, was da über den Bremer Äther gelaufen ist. Ich habe dann danach gedacht, das ist aber ein Anlass für mich, einmal die Spastikerhilfe und auch das Jugendhilfswerk in St. Magnus vor Ort zu besuchen, mit den Betreuern zu reden, mit den Menschen vor Ort zu reden, und ich habe festgestellt – und auch das, finde ich, muss man hier in der Debatte ehrlicherweise sagen –, so wie nicht behinderte Menschen vielfältig sind, sind auch behinderte Menschen unglaublich vielfältig.

(Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/ Die Grünen)

Es gibt einen Teil, da macht ein Förderprogramm richtig Sinn. Zu sagen, dass man versucht, Menschen mit Behinderung fit zu machen für eine Werkstatt, auch für eine betreute Werkstatt, das macht Sinn, und das wird auch gemacht. In dem Bereich, finde ich, ––––––– *) Vom Redner nicht überprüft.

macht es dann auch Sinn, einen Lebensabschnitt zu haben und zu sagen, da reicht es dann mit 65 Jahren in den Werkstätten auch, und dann kann man in Rente gehen. Ich finde nur, dass die Betreuung und die Förderung eben nicht aufhören dürfen. Man kann Menschen mit Behinderungen und vor allem Menschen mit geistiger und Mehrfachbehinderung eben nicht einfach so „fit für den Arbeitsmarkt“ machen.

(Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/ Die Grünen)

Wer das glaubt, davon bin ich fest überzeugt, hat es sich vor Ort noch nicht angeschaut. Das empfehle ich dann jedem, der hier solche Vorstellungen hat, dass das für alle Menschen gleich sei. Ich habe Menschen kennengelernt, mit denen es außerordentlich schwierig ist, überhaupt eine irgendwie geartete Kommunikationsebene aufzubauen. Dazu braucht man außerordentlich hohes pädagogisches Geschick, das ist das eine, zum anderen braucht man eine unglaublich menschliche Sensibilität, um jede Regung auch entsprechend einordnen zu können und daraus Schlüsse zu ziehen.

Ich war mit meiner Kollegin Frau Schmidtke in St. Magnus, die in dem Gebiet ja auch immer sehr rührig ist und da auch sehr viel Erfahrung hat. Sie haben uns dort berichtet, derzeit daran zu arbeiten, mit den Behinderten nicht in so bestimmender Weise umgehen zu wollen, sondern dass sie dialogischer werden wollen. Weil die Arbeit sehr schwierig ist und die Behinderten gelegentlich auch sehr schwierig sind, neigen die Menschen, die mit diesen Menschen zu tun haben und mit denen arbeiten, dazu, gelegentlich einfach bestimmte Sachen durchzusetzen: Das wird jetzt so gemacht, basta! Und dieses „das wird jetzt so gemacht“ wollen sie deutlich nicht.

(Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/ Die Grünen)

Ich sage das deswegen, und das ist für mich eine ganz wichtige Erfahrung gewesen, dass nämlich selbst die Menschen, die in diesem Bereich arbeiten – wobei ich an dieser Stelle einfügen will, ich finde, dass sie großartige Arbeit leisten unter extrem schwierigen Bedingungen

(Beifall bei der SPD)

und unser aller Dank genau für diese Arbeit auch verdienen –, sich mit der Frage auseinandersetzen, wie sie eigentlich den Behinderten gerechter werden können. Heutzutage ist die Frage der Arbeit mit Behinderten mit Sicherheit nicht mehr so, wie sie vielleicht vor 20, 30 Jahren war. Die Psychiatriereform hat gezeigt, dass man andere Wege gehen kann, in Bremen auch andere Wege gegangen ist, und ich glaube, das ist gut und richtig.

(Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/ Die Grünen)

Aus meiner Sicht, um das ganz deutlich zu sagen, sind wir in der Frage ein Stück weit auseinander, ich bin fest davon überzeugt – ich meine den Koalitionspartner, ich muss das an dieser Stelle einfach einmal sagen –, dass es einen Kreis von Menschen gibt, wo das Seniorenmodul nicht funktioniert und auch nicht funktionieren kann.

(Beifall bei der SPD)

Für die Menschen, glaube ich, müssen wir eine Lösung finden, und zwar nicht, um irgendein Ziel in Richtung Werkstatt, Arbeitsmarkt oder so zu erreichen, nur damit für diese Menschen das Leben lebenswerter wird, dass sie glücklicher werden können, trotz ihrer schweren Behinderung Anteil haben können am Leben überhaupt. Das ist schon schwer genug. Gehen Sie in die Einrichtungen, schauen Sie sich da um! Dann werden Sie mir relativ schnell recht geben, dass es solche Fälle auch gibt, und nur für diese Fälle spreche ich an dieser Stelle gegen das Modul. Nicht generell, nicht dass ich da gleich falsch verstanden werde, aber an der Stelle glaube ich, man muss einfach zur Kenntnis nehmen, dass es Menschen mit Behinderungen gibt, die so schwerwiegend sind, dass sie außerhalb dieser Kategorien fallen.

Dennoch muss man schauen – das ist für mich übrigens auch ein Kernthema in der Altenarbeit –, dass die Menschen so viel, wie sie selbst können, auch machen dürfen.

(Beifall bei der SPD)

Das ist eine ganz zentrale Frage auch in der Altenpflege: Man muss den alten Menschen nicht schon das Brot klein schneiden, wenn sie es noch selbst können.

(Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/ Die Grünen)

Man muss das bei den Behinderten genauso nicht da machen, wo sie es können, aber wo sie es nicht können, wo sie die Hilfe benötigen, da muss man die Hilfe auch leisten. Ich möchte an dieser Stelle schließen, ich habe so das Gefühl, meine fünf Minuten Redezeit sind auch gleich abgelaufen.

(Abg. T s c h ö p e [SPD]: Sie sind der Ein- zige, der darauf achtet im Moment!)

Ich glaube, dass wir die Diskussion offenhalten müssen, ich will an dieser Stelle noch nicht sagen, es sei fertig, die Idee sei zu Ende gedacht, sondern ich glaube, wir brauchen da eine gewisse Öffnung. Wir brauchen da auch eine gewisse neue Form des Nachdenkens, und ich finde Ihre Große Anfrage völlig berech

tigt. Es würde sich auch lohnen, über die Antwort des Senats dahingehend zu diskutieren, wie vielfältig eigentlich das Hilfsangebot in Bremen und Bremerhaven insgesamt ist. – Soweit vielleicht zum ersten Teil! Danke schön!

(Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/ Die Grünen)

Als nächste Rednerin hat das Wort die Abgeordnete Frau Bernhard.

Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren! Ich bin der Meinung, dass diese Große Anfrage und dieses Thema richtig waren und dass wir uns mit diesem Thema durchaus weiter auseinandersetzen müssen, insbesondere vor dem Hintergrund, dass es ja ein Bereich ist, der uns weiter beschäftigen wird, weil die Zahlen faktisch zunehmen werden. Das ist eine Problematik, die uns in Zukunft mehr begleiten wird.

Ich möchte ganz speziell auch auf dieses Seniorenmodul eingehen. Es ist ja eine relativ neue Errungenschaft, es ist durchaus auch umstritten gewesen, wobei ich interessanterweise feststellen musste, es gibt auch einige, die in der Umsetzung der Meinung sind, das sei ein gutes Instrument. Die Frage ist allerdings, wie jetzt die präzise Ausgestaltung ist. Wenn ich mir das ansehe, jetzt auch aufgrund dieser Antwort, es sind ja relativ wenige, die das momentan in Anspruch nehmen. Wir haben 53 Berechtigte, also Leistungsberechtigte, 20 im ambulanten Bereich und 33 im stationären und in Bremerhaven überhaupt niemanden. Das hat mich schon erstaunt, da muss man ja einmal fragen, woran das liegt: Wird es zu wenig weitergetragen, wird darüber zu wenig informiert? Es müssen ja Gründe vorliegen.

Ich finde auch die Argumentation nicht wirklich überzeugend, dass die, die besonders „fit“ sind, nicht so viel Unterstützung brauchen, und ihnen wird ja in der Antwort unterstellt, dass sie den Tag selbst organisieren könnten. Nach unseren Recherchen und auch den Rückmeldungen aus den Einrichtungen ist das wirklich nicht der Fall, ganz im Gegenteil! Deswegen gibt es, finde ich, den meisten Reflexionsbedarf bei dem Modul dieser untersten Kategorie, das sind dann diese 180 Euro, und auf der anderen Seite auch bei der Kategorie für die Schwächeren, das sind diese 400 Euro. Wenn man bedenkt, dass es 20 Euro pro Tag sind, ist es wenig ist für einen Monat, wirklich sehr wenig.

Gerade unter dem Gesichtspunkt der Inklusion: Da ist es auch so, man sagt nicht, dass die Leistungsstärkeren weniger gefördert werden sollen, sondern dass sie adäquat gefördert werden müssen. Das ist in dem Zusammenhang mit zu bedenken, und das müssen wir auch hier zugrunde legen. Das heißt, diese ––––––– *) Von der Rednerin nicht überprüft.

Antwort bringt uns schon ein Stück näher heran an die Problematik, ich finde aber, wir müssen uns das noch einmal vornehmen, und zwar aus meiner Sicht auch in der zuständigen Deputation. Ich bin der Meinung, wir müssen auch diejenigen stärker einbeziehen, die das in den Einrichtungen umsetzen.

Herr Möhle hat es ja vorhin auch schon einmal angesprochen, dieses Modul ist ja nicht wirklich passgenau für alle, sondern man muss einmal sehen, wie es sich auch differenziert. Dass wir unter der Fahne der Eigenverantwortung, mehr Wahlfreiheit, im Grunde genommen auch die Leistungen einschränken, kann nicht die politische Perspektive sein. Es ist ein anspruchsvolles Projekt zu sagen, wir wollen stärker in die ambulante Betreuung, das finde ich auch richtig, aber das heißt auch, dies politisch entsprechend verantwortlich begleiten zu müssen. Darauf möchte ich eigentlich hinaus, dass wir das stärker einbeziehen und in Zukunft mitreflektieren und auch noch einmal auswerten, ob die Pauschalen so bleiben können, wie sie sind. – Vielen Dank!

(Beifall bei der LINKEN)

Als nächste Rednerin hat das Wort die Abgeordnete Frau Grönert.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Herr Schmidtmann hat eben gesagt, dass innerhalb des Seniorenmoduls Angebote für schwerstmehrfachbehinderte Menschen entwickelt werden müssen, zumindest habe ich es so verstanden, aber das Seniorenmodul als solches gilt ja für alle. Das gilt für die, die in der Werkstatt arbeiten und eben in der Hilfebedarfsgruppe I sind, genauso wie für die anderen, nur in der Finanzierung unterscheidet sich das am Ende.

Das ist grundsätzlich bis zum Jahr 2016 jetzt auch erst einmal so festgeschrieben, und ich glaube, es ist gut, dass wir jetzt das Ganze im Blick behalten. Frau Senatorin Stahmann hat ja auch gesagt, dass sie nach den Sommerferien eine Evaluation vorlegen möchte, und ich glaube, dass unsere Große Anfrage für diesen Rahmen jetzt, mit der Antwort zusammen natürlich, eine gute Diskussionsgrundlage gibt.

Ein paar Punkte habe ich aber noch, die ich vorhin einfach nicht mit einbinden konnte. In den Tagesförderstätten werden zurzeit etwa 20 Personen betreut, die über 65 Jahre alt sind, und in der Antwort des Senats wird hier auf mögliche im Seniorenmodul verankerte Ausnahmeregelungen verwiesen. Das war ja vor ein paar Monaten auch immer so ein Diskussionspunkt, da gibt es ja Ausnahmemöglichkeiten, aber ich habe für diese Ausnahmeregeln nirgendwo Kriterien finden können, das war immer nur so eine ––––––– *) Von der Rednerin nicht überprüft.

diffuse Beschreibung davon, wenn die individuelle Unterstützung das erfordert und Ähnliches.