Sigrid Grönert
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Last Statements
Wir fragen den Senat:
Wie viele Fälle von Tuberkulose bei Flüchtlingen im Land Bremen sind dem Senat seit Anfang 2014 bekannt?
Wie lange warteten Flüchtlinge im Land Bremen im Jahr 2014 im Durchschnitt auf ihre regelhafte Tuberkuloseuntersuchung?
Welche Maßnahmen hat der Senat eingeleitet, um zu verhindern, dass es zu einer Ausbreitung von Tuberkulose durch unerkannte Fälle kommt?
In Bremen-Nord hat es ja solche Fälle gegeben. Ich habe jetzt leider nicht den Leitfaden vor Augen, von dem Sie eben gesprochen haben. Können Sie noch einmal sagen, wie in Bremen-Nord konkret mit den Fällen umgegangen wurde?
Wie wird konkret bei der Feststellung des Impfstatus, den die Flüchtlinge dann schon mitbringen, vorgegangen? Wenn Blutanalysen notwendig sind, werden diese von der AOK bezahlt?
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Die Fraktion der LINKEN beschäftigt den Senat mit 52 Fragen, die sich weitgehend mit anderen Problemen als mit dem Wohnen
beschäftigen, obwohl die Große Anfrage mit „Unterkünfte und Wohnraum für Geflüchtete“ überschrieben ist. Ich war, ehrlich gesagt, schon kurz davor, bei der LINKEN anzurufen, um nachzufragen, über welche Themen wir denn heute konkret diskutieren wollen: vielleicht über die Kinderbetreuung oder über die Gesundheitsversorgung, das Sachleistungsprinzip –
das hat zumindest wenig mit Wohnraum zu tun, würde ich sagen! –,
den Platzmangel in der Zentralen Aufnahmeeinrichtung, der ZASt, in der Steinsetzerstraße, die Sprachkurse oder eben doch lieber über die Überprüfung von Sicherheitsdiensten und die ambulante sozialpädagogische Betreuung für unbegleitete minderjährige Flüchtlinge? Das sind alles Themen, die DIE LINKE in der Großen Anfrage anreißt, und Frau Vogt hat ja eben noch neue Aspekte eingebracht.
Die Beantwortung dieser Großen Anfrage war sicher für den Senat eine logistische Meisterleistung, und trotzdem sind viele Antworten schon wieder veraltet, zum Beispiel das vom Senat erklärte Ziel, in neu zu schaffenden Einrichtungen 70 bis höchstens 180 Plätze einzurichten. Wir haben inzwischen wohl alle mitbekommen, dass aktuell von einer Verdoppelung von Plätzen an Standorten wie zum Beispiel Arbergen die Rede ist. Dort sollen zukünftig 240 statt 120 Flüchtlinge untergebracht werden, also weit mehr als die angedachten oder angestrebten 180 Flüchtlinge.
Es gibt aber auch teils sehr widersprüchliche Aussagen in der Antwort: In der ZASt, so sagt der Senat, gebe es 220 Plätze, bis vor ein paar Monaten hieß es aber immer, die ZASt sei für höchstens 180 Plätze ausgelegt. Im Dezember waren dort sogar 312 Personen gemeldet, und ich will, ehrlich gesagt, gar nicht wissen, wie es dort im Januar aussah.
Ein Abschnitt in der Antwort des Senats beschäftigt sich dann aber doch mit Wohnraum für Flüchtlinge. Dieser Teil betrifft aber auch viele andere Menschen in unserer Stadt, die günstigen Wohnraum suchen. Konkurrenzbildung sowie eine Verdrängung an die Stadtränder soll laut Antwort des Senats vermieden werden. Zudem sollen alle zentral, also mitten in der Stadt, wohnen können. Zur Erreichung dieses Ziels will der Senat bis zum Jahr 2020 durch Innenentwicklung 1 300 neue Wohnungen bauen lassen.
Diese Zielzahlen setzte er sich aber bereits, bevor die Flüchtlingszahlen stiegen. Das reicht jedoch mittlerweile nie und nimmer aus, und ich bin mir sicher, dass ein Blick auf die Stadtränder, wo angeblich niemand wohnen will, sehr geboten ist, zum Beispiel ziehen die Familien, die in Bremen keine Möglichkeit für ein Eigenheim für sich sehen, doch schon alle lange ins niedersächsische Umland und kommen von dort dann zum arbeiten nach Bremen.
Alle nicht! Nein, okay, das stimmt nicht! Das nehme ich zurück, also viele der Familien!
Wer aber ein Haus bauen will, wird es wohl kaum in der Innenstadt können.
Es ist jedenfalls ein unbestritten großer Erfolg, dass im letzten Jahr fast 1 000 Flüchtlinge in günstige Wohnungen vermittelt werden konnten. Wie will der Senat aber, wenn er jährlich nur 1 300 neue Wohnungen bauen lassen will, die Konkurrenzbildung und Verdrängung auf Dauer verhindern?
Zumindest die Konkurrenzbildung ist schon jetzt ein riesiges Problem. Die geplanten jährlichen 1 300 Neubauten können die Nachfrage nach Wohnraum in den nächsten Jahren niemals decken, und sie sind schon jetzt noch weniger als der berühmte Tropfen auf dem heißen Stein.
Wir brauchen jährlich sicher mehr als 2 000 neue Wohnungen in Bremen – wie viele, weiß ich nicht genau, das können die Baupolitiker vielleicht ausrechnen! –,
aber darunter, glaube ich, hilft es nicht viel.
Das kann nicht allein durch Innenverdichtung gelingen. Es ist zudem über alle Bautätigkeiten hinaus durchaus sinnvoll – und da bewegt sich ja auch etwas –, möglichst viele private Vermieter durch Zusagen auf Unterstützung davon zu überzeugen, ihren freien Wohnraum zur Miete anzubieten, anstatt ihn leer stehen zu lassen.
Auf all die anderen Themen, die die LINKE in der Anfrage abfragt, kann und will ich an dieser Stelle
nicht eingehen. Es ist ja kein Geheimnis, dass es in quasi allen Bereichen mit der Umsetzung doch ziemlich hapert. Das ist bei der Unterbringung so, bei der Beschulung und auch bei der Betreuung der Flüchtlinge in einer eigenen Wohnung, das hat Herr Möhle eben auch angesprochen. Die Systeme und ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sind am Rande der Erschöpfung. Fast täglich ändern sich zudem die Bedarfe durch die stetig steigenden Zugangszahlen.
Wir halten es jedoch nach wie vor für dringend geboten, schutzbedürftige Flüchtlinge mit einem gesicherten Status, ob mit Familie, als Single oder minderjährig einreisend, von Anfang an gut zu integrieren. Sie werden meistens lange, viele sogar für immer bei uns bleiben. Der Bremer Senat aber hinkt mit der Integrationsarbeit den Erfordernissen ständig hinterher. Auf dem Papier werden zwar immer wieder hehre Ziele formuliert. Das allein reicht aber nicht, die Umsetzung muss das auch widerspiegeln.
Allen politischen Unzulänglichkeiten zum Trotz geht der größte Teil der Bremer Bevölkerung offen und motiviert auf die Flüchtlinge zu. Das gibt ihnen wiederum das gute Gefühl, willkommen zu sein, und das sorgt für ein gutes Miteinander in unserer Stadt. Ich hoffe, dass das lange so bleibt. – Vielen Dank!
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Der Abschlussbericht lässt sich gut lesen, aber ist im Grunde eine Darstellung der aktuellen Bremer Situation. Vieles, was schon im Entwicklungsplan zu finden ist, wird hier erneut aufgegriffen. Natürlich hat sich manches in den vergangenen drei Jahren verändert, aber es wird nach meinem Eindruck nicht deutlich dargestellt, ob diese Veränderungen dem Engagement, mit Blick auf die Umsetzung des Entwicklungsplanes, geschuldet sind oder ob sie eher durch Neuerungen, die die Zeit so mit sich bringt, zu begründen sind. Den Lobeshymnen von Frau Mohammadzadeh kann ich mich nicht so ganz anschließen.
Genau! – Ich finde es spannend, dass gleich zu Beginn des Abschlussberichts des Senats die kritischen Kommentierungen des Bremer Rates zum Entwicklungsplan aufgegriffen werden, die aber – so steht es im Entwicklungsplan, wen wundert’s – nicht in allen Punkten von den Ressorts geteilt werden. Der Bremer Rat schaut sich die Arbeit der Ressorts natürlich nicht mit einer wohlwollenden Innensicht an. Er bewertet das, was draußen in der Stadt bei den Menschen ankommt, und das ist auch gut so.
Ich will konkret zwei Punkte aus der kritischen Kommentierung des Bremer Rates aufgreifen; zuerst
eine Aussage zu den steigenden Flüchtlingszahlen auf Seite 9. Dort steht, dass diese Entwicklung nicht überraschend kam. Der Senat hat das im Entwicklungsplan 2012 auch selbst eingeräumt. Dort steht, dass die Zahl der Flüchtlinge seit dem Jahr 2008 wieder steigt. Diese Feststellung blieb aber vom Senat anscheinend über einen längeren Zeitraum schlichtweg ohne Konsequenzen. Heute bemühen sich die zuständigen Behörden, die aktuelle Lage zu bewältigen, aber man sieht deutlich, dass der Entwicklung mit viel Mühe und Anstrengung ständig hinterhergelaufen wird.
Auch die CDU-Fraktion hatte immer wieder darauf hingewiesen, dass man sich vorausschauend viel besser auf die steigenden Zugänge hätte einstellen können. Natürlich wäre es nicht klug gewesen, Wohnheime auf Vorrat einzurichten, aber man hätte schon viel früher nach Plätzen und Möglichkeiten dafür suchen können, um im Notfall handlungsfähig zu sein.
Auf den Seiten 34 und 35 der kritischen Kommentierungen des Bremer Rates wird mit Blick auf die Arbeitsmarktintegration von Migranten angemerkt, dass die Arbeitsmarktakteure im Land Bremen ihr volles arbeitsmarktpolitisches Gestaltungspotenzial nicht hinreichend abrufen können, weil sie offensichtlich wesentlich mehr neben als miteinander arbeiten.
Diese Einschätzung teilen wir ebenfalls, und wir halten es für wichtig und richtig, für eine verbesserte Erwerbsintegration von Migranten und Migrantinnen sobald wie möglich eine abgestimmte und einheitliche Strategie aller Arbeitsmarktakteure zu erarbeiten. Zu den Akteuren gehören unter anderem die Agentur für Arbeit, die Bremer Jobcenter, die Sozialpartner und auch die Kammern. Es ist – das will ich nicht unerwähnt lassen – auch ein guter Anfang, dass sich einige Vertreter dieser Gruppen im Rahmen des Bündnisses für soziale Zusammenhalt bei der Integration von Flüchtlingen in Ausbildung zusammengesetzt haben.
Ich möchte noch direkt auf einige Punkte des Senatsberichts eingehen. Gleich zu Beginn greift er das Thema Stadtamt auf, wobei für mich die Ausländerbehörde die relevante Stelle ist. Der Senat betont, dass er Strukturen und Personalstärke an die gestiegenen Anforderungen angepasst hat. Man orientiert sich immer am Leitbild einer gelebten Willkommenskultur. Die Orientierung an einem solchen Leitbild macht aber noch keine Willkommenskultur. „Von wegen willkommen“, titelte vor einigen Wochen der „Weser-Kurier“. Herr Mäurer gestand in dem Artikel ein, dass die vorgenommene Personalverstärkung mit den steigenden Flüchtlingszahlen nicht mithalten könne.
Ich würde sagen: Willkommenskultur ist erst vorhanden, wenn die Kunden wirklich etwas davon mer
ken. Wenn diese Willkommenskultur bei den Kunden nicht ankommt, dann braucht man das auch nicht schönzureden.
Der Senat erwähnt auch den Vertrag mit den islamischen Religionsgemeinschaften und mit der Alevitischen Gemeinde als Signal einer vertiefenden Zusammenarbeit. Das, was nach der Unterzeichnung bis heute passiert ist, ist allerdings sehr überschaubar und wäre auch ohne diese Verträge möglich gewesen. Als Beitrag gegen Diskriminierung aufgrund ethnischer Zugehörigkeit nennt der Senat ein Pilotprojekt für anonymisierte Bewerbungsverfahren, das im Jahr 2015 im Bildungsressort verankert werden soll.
Ich möchte darauf hinweisen, dass der Antrag dazu aus der CDU-Fraktion kam und sich die Koalition mit einer Zustimmung sehr schwer getan hat.
Schließen möchte ich mit einer Aussage aus den kritischen Anmerkungen des Bremer Rates. Dort steht: In allen 14 Handlungsfeldern wurden Anstrengungen unternommen und auch Teilerfolge erzielt. Dennoch bleibt viel zu tun im dynamischen Feld von Partizipation und Integration.
Sehr geehrter Herr Präsident, meine Damen und Herren! Die zu diesem Thema vorgelegte Mitteilung des Senats hat auch mich sehr beeindruckt, und ich würde es sehr begrüßen, wenn wir hier öfter einmal solche sachlichen und auch selbstkritischen Berichte vorgelegt bekommen würden.
Frau Dr. Kappert-Gonther hat in ihrer Rede bereits die wichtigsten Fakten des Berichts genannt, diese werde ich jetzt nicht alle wiederholen. In dem Bericht, der unter anderem eine umfassende Befragung auswertet, wird sehr deutlich, was die zuständigen Akteure und auch wir Politiker schon vorher geahnt haben: Die Versorgungssituation für Menschen mit Doppel- oder Mehrfachdiagnosen, nämlich der mit einer geistigen Behinderung und einer seelischen Verletzung und/oder einer psychischen Störung, ist verbesserungswürdig. Das darf man aber nicht nur einfach feststellen, sondern eine solche Feststellung muss man auch als Arbeitsauftrag verstehen.
Einiges wurde auch schon unternommen, um herauszufinden, wo genau die Defizite liegen und wie mögliche Lösungswege aussehen könnten. Es werden in dem Bericht auch Vorschläge gemacht, wie man die Situation kurzfristig verbessern könnte, Frau Schmidtke hat die Punkte schon alle aufgeführt. Das sind alles Schritte, die sich ohne allzu großen Aufwand umsetzen ließen.
Das größte Vorhaben bleibt aber die Einrichtung eines MZEB, eines Medizinischen Zentrums zur Behandlung von Erwachsenen mit einer geistigen Behinderung. Da die Kassenärztliche Vereinigung der
Sehr geehrter Herr Präsident, meine Damen und Herren! Es ist alles ein wenig durcheinander und mir fällt es schwer, jetzt zum Thema Demenz zu kommen, aber wir sind flexibel.
Genau. – Dann beginne ich einmal.
Die hitzige Diskussion zu einer Anfrage in der Fragestunde vor einigen Monaten hat den Ausschlag für diese Große Anfrage gegeben. Die CDU-Fraktion fragte damals nach der Bedeutung von Demenzdör
fern für Bremen. Zur Veranschaulichung berichteten wir von einem Besuch in Hogeweg in der Nähe von Amsterdam. Damals hatte Herr Staatsrat Frehe unmissverständlich klargemacht, dass er solche sogenannten Spezialeinrichtungen in Bremen ganz sicher nicht haben möchte.
Applaus an der falschen Stelle, würde ich sagen. – Aber an verschiedenen Orten in Deutschland gibt es bereits ähnliche Projekte.
Von Demenz betroffene Menschen bemerken bei beginnender Demenz anfangs nur eine zunehmende Vergesslichkeit über das übliche Maß hinaus. Sie fühlen sich den Anforderungen des Alltages immer weniger gewachsen, wissen bald nicht mehr, wie man zum Beispiel den Bus benutzt, und viele ziehen sich langsam aus dem Alltagsleben zurück. Die zunehmende Isolation befördert wiederum den geistigen Verfall, und nach einiger Zeit greift das Vergessen auch auf das Langzeitgedächtnis über.
Irgendwann erkennen die Betroffenen ihre Nachbarn und Familienangehörigen nicht mehr, wobei Phasen des Könnens, des Erkennens und des Vergessens sich lange abwechseln und den Betroffenen durchaus bewusst wird, wie sich ihr Leben langsam verändert. Auch ich glaube, dass ein möglichst würdevolles Leben für Betroffene zunächst davon abhängt, dass Demenz von allen als dazugehörend akzeptiert wird. Es heißt immer, Betroffene sollten ermutigt werden, sich frei zu bewegen, und sie sollten einfach zum Stadtbild dazugehören. Es wird angenommen, dass die Bevölkerung nur dafür sensibilisiert werden müsste, dann unterstütze sie betroffene Menschen beim Einkaufen, im Nahverkehr oder bei Orientierungslosigkeit.
Das Sozialressort sagt allerdings, ohne dass es weiter erklärt wird, dass sich die Pflegeeinrichtungen nur in den Stadtteilen öffnen müssten, dann würden die Bewohner mit Demenz die Anbindung an das reale Leben behalten. Da mag etwas dran sein und wir sollten auch an solchen Entwicklungen arbeiten. Doch trotz einzelner Erfolge ist das gern beschriebene Szenario noch lange nicht die Realität in Bremen, meine Damen und Herren.
Der Wunsch prägt eben nicht die Wirklichkeit, die nach wie vor eher rau ist. Wer im Supermarkt einmal erlebt hat, wie sehr ein Mensch mit Demenz beim Bezahlen an der Kasse unter Druck gerät, der versteht, dass sich ein solcher Mensch derartigen Situationen zukünftig möglichst selten aussetzt. Auch die Öffnung von Pflegeeinrichtungen in den Stadtteilen bleibt trotz einiger Ansätze ein nicht näher definiertes, in die Zukunft gerichtetes Szenario.
Ja, es gibt begleitete Ausgänge und Gruppen, besonders von Kindergärten, die in die Einrichtung kommen oder sogar bei ihnen angesiedelt sind. Aber am selbstbestimmten Verlassen einer Einrichtung wird der allergrößte Teil der dementen Bewohner noch immer mit allen möglichen Tricks gehindert; denn die Gefahr der Eigen- und Fremdgefährdung ist sehr groß. Die Straße mit Autos ist direkt vor der Tür und die Orientierungslosigkeit könnte die Rückkehr verhindern. So werden Betroffene, deren Bewegungsdrang mit zunehmender Erkrankung steigt, in einer Einrichtung festgehalten und das Verlassen wird auf begleitete Situationen beschränkt.
Ich gehe zwar davon aus, dass man sich innerhalb einer Einrichtung engagiert um diese Menschen kümmert, aber Vertröstungen, Ausreden, Märchen und auch beruhigende Medikamente gehören bis heute zum Alltag dementer Menschen dazu. Die Teilhabe am realen Leben sollte doch aber ganz anders aussehen. Oder muss diese Teilhabe ab einem gewissen Erkrankungsstadium vielleicht gar nicht mehr so aussehen, wie es sich viele Menschen, einschließlich der hier im Saal und im Bremer Senat, ohne Demenz oder ohne fortgeschrittene Demenz zu haben – zum Glück – vorstellen?
Gehen wir vielleicht zu sehr von den eigenen Bedürfnissen aus und ist der Wunsch eines Nichterkrankten nach Normalität für Betroffene vielleicht zumindest teilweise nur der eigenen Angst vor der Erkrankung geschuldet? Sollten wir nicht vielmehr den Blick auf die erkrankten Menschen richten und fragen, was sie brauchen? Ihre Bedürfnisse verändern sich zwar meistens sehr langsam, aber doch beständig. Während anfangs noch viel Teilhabe am gesellschaftlichen Leben möglich ist und verständnisvolle Mitmenschen viel auffangen können, wird es zunehmend schwieriger. Ab einem gewissen Punkt wird das Leben in den eigenen vier Wänden auch mit viel Hilfe von außen nicht mehr möglich sein. Dann steht fast immer der Umzug in eine Pflegeeinrichtung an.
Hier macht der Senat nun einen Unterschied zwischen sogenannten Spezialeinrichtungen, wie zum Beispiel Demenzdörfern, und in seinen Augen normalen Pflegeangeboten.
Spezialangebote scheinen dem Bremer Senat nicht nur hier, sondern grundsätzlich ein Dorn im Auge zu sein. In Demenzdörfern wird zum Beispiel aus seiner Sicht die reale Welt nur nachgebildet. Geschäfte, Cafés, Restaurants, Arztpraxen, Theater und andere Angebote sind aber real in dieser Anlage vorhanden,
und die Menschen aus der Umgebung können diese eben ebenso nutzen wie die Bewohner. Ich werde gleich noch auf andere Punkte eingehen. – Danke!
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Herr Hamann, ich habe nicht gesagt, dass alle diese Menschen jetzt in solch ein Dorf ziehen sollen, sondern es geht einfach um die Möglichkeit, überhaupt darüber nachdenken zu dürfen, dass so etwas auch in Bremen als Angebot denkbar wäre. interjection: (Beifall bei der CDU)
Ja, es gibt in Bremen natürlich bereits verschiedene gute Angebote für Menschen mit Demenz, für die ich sehr dankbar bin, und es gibt auch hervorragende Unterstützungs- und Beratungsangebote für die Angehörigen, denn diese leiden meistens ebenso unter der Demenz wie die Betroffenen selbst, doch leider reichen diese Angebote mit Blick auf die demografische Entwicklung noch lange nicht aus. Vielen Initiativen, die sich in den Stadtteilen um eine Sensibilisierung der Bewohner bemühen, wie Frau Dr. Kappert-Gonther es auch gesagt hat, fehlen die finanziellen Mittel und die Ressourcen, um wirklich nachhaltig erfolgreich arbeiten zu können.
Wer aber wie der Senat hochgesteckte Ziele hat, sollte diese auch zielstrebig umsetzen, doch der Senat weiß bis heute nicht, wie Bremen strategisch und zielgerichtet zu einem demenzfreundlichen Bundesland werden könnte, so steht es jedenfalls ganz deutlich in der Antwort zu Frage 7 auf unsere Große Anfrage. Mit Blick auf jetzt schon 8 000 bis 12 000 Betroffene in unserem Bundesland ist das aber ein Armutszeugnis, denn wie lange soll die Entwicklung konkreter Ideen und Maßnahmen noch dauern? Den Hinweis auf begleitete Besuche auf realen Wochenmärkten im Stadtteil, die von einer Einrichtung durchgeführt werden, werte ich als Versuch, davon abzulenken, dass außer einzelnen, sicher tollen Aktionen bislang nicht viel möglich ist. Welche Angebote außerhalb der Einrichtung gibt es denn für Bewohner an den restlichen Tagen?
Nur eines scheint für den Senat schon vor der Entwicklung einer Strategie ganz sicher: Laut der Antwort auf Frage 5 wird es in Bremen aus ideologischen Gründen ganz bestimmt keine Genehmigung für ein Demenzdorf geben. Ich will solch eine Möglichkeit
auch nicht idealisieren, aber wenn ich sehe, was für die meisten dementen Menschen bis heute Realität ist und dass es in Bremen keine zielgerichteten strategischen Maßnahmen für die Zukunft gibt, dann sehe ich dort durchaus eine Not. Die 152 Bewohner in Hogeweyk zum Beispiel leben in Häusern, die eine nach außen abgeschlossene Siedlung bilden – ohne Zaun, Herr Erlanson! –, und den Bewohnern in der Anlage ist dadurch die größtmögliche Bewegungsfreiheit gefahrlos ermöglicht.
Diese Bewegungsfreiheit gibt es in der Stadt und in den bisherigen Bremer Einrichtungen einfach nicht, und ich sehe auch nicht, dass wir das in den nächsten drei bis fünf Jahren erreichen werden, Herr Erlanson hat dazu den Beitrag von Frau Dr. KappertGonther auch bereits entsprechend kommentiert.
Der Senat antwortet übrigens auf Frage 3, wo wir nach Menschen fragen, die nach dem Verlassen einer Einrichtung orientierungslos aufgegriffen wurden, Folgendes: „Weder auf diesem noch auf anderen Wegen hat die Bremische Wohn- und Betreuungsaufsicht Kenntnis davon erlangt, dass eine Bewohnerin oder ein Bewohner infolge eines orientierungslosen Verlassens einer Einrichtung zu körperlichem Schaden gekommen ist.“ Das hört sich gut an, aber wenn man wie ich direkten Kontakt zu einer Familie hat, in der ein 72-jähriger Mann hier in Bremen Ende 2013 aus einer Bremer Einrichtung nicht nur einen körperlichen Schaden erlitten hat, sondern zu Tode gekommen ist und erst Wochen später aufgefunden wurde, dann wundert es mich, dass das hier nicht aufgefallen ist, sondern dass hier geschrieben steht, so etwas sei in Bremen niemals passiert. So viel zum Thema Selbstbestimmung, Teilhabe und Öffnung der Einrichtungen nach außen in dem Stadtteil!
Frau Dr. Kappert-Gonther, Demenz ist doch keine Behinderung, für die man es einfach mit einem Tempo-30-Schild oder irgendeinem barrierefreien Straßenbild eine menschenfreundliche Stadtentwicklung schaffen kann, dass die Menschen vielleicht nicht drei Schritte auf die Straße, wieder vier Schritte zurück und wieder fünf Schritte vor gehen und sie dann, selbst wenn es längere Ampelphasen gibt, über die Straße gehen können. Dann kommen sie aber trotzdem nicht zurück in die Einrichtung, weil sie sich verlaufen. Die Fremd- und die Eigengefährdung bleibt doch dann einfach bestehen!
Seitdem ich vor einiger Zeit das hier schon erwähnte Demenzdorf besichtigt habe, kann ich mir sehr gut vorstellen, auch in solch einer Einrichtung zu leben, wenn ich einmal an Demenz erkranken sollte. Wie man ein solches Dorf dann aufbaut und wie man es einrichtet, ob es dann so sein muss, dass man die
Fehler übernimmt, die vielleicht in der Schweiz in der Einrichtung gemacht wurden, ist doch jedem selbst überlassen. Man kann sich doch dann auch an guten Beispielen und gut laufenden Einrichtungen orientieren. Ich möchte mich jedenfalls draußen bewegen dürfen und nicht nur in einem Gebäude im Kreis laufen, wo der Flur als Rundlauf angelegt wurde, damit die Bewohner wenigstens so die Möglichkeit haben, ein wenig am Stück laufen zu können. Es könnte zwar auch sein, dass die Unterbringung in solch einer Anlage nicht zu finanzieren ist, weil wir ganz andere Versorgungssysteme haben als die Niederländer, aber ich will mir trotzdem ganz bestimmt nicht politisch ideologisiert vorschreiben lassen, wie es für mich richtig zu leben wäre, wenn ich einmal an Demenz erkranken sollte.
Ich bitte den Senat, allen voran Herrn Staatsrat Frehe, der heute leider nicht anwesend ist, von der vehementen Ablehnung gegenüber bestimmten Lebensformen Abschied zu nehmen. Menschen sind verschieden und haben verschiedene Bedürfnisse. Niemand sollte für den anderen entscheiden, was gut oder schlecht für ihn ist, solange Dritte dadurch nicht beeinträchtigt werden. Wir brauchen vielfältige Angebote, damit jeder für sich entscheiden kann, wie er oder sie einmal leben möchte. Wenn sich der Senat wünschenswerterweise hoffentlich bald auf den Weg macht, Bremen wirklich strategisch und zielgerichtet zu einem demenzfreundlichen Bundesland zu entwickeln, dann bitte ich darum, die unterschiedlichen Wünsche der Bürgerinnen und Bürger zu berücksichtigen und nicht nur den eigenen, doch sehr eingeschränkten Vorstellungen Rechnung zu tragen. – Danke!
Ich habe nicht unbedingt eine Frage, aber in der Antwort auf die Anfrage 5, die Sie eben angesprochen haben, steht für mich deutlich lesbar: Ein Konzept für ein Demenzdorf wie in Hogeweg würde vom Senat in Bremen nicht unterstützt werden.
Das wollte ich nur noch einmal anmerken. Das habe ich eben anders verstanden.
Meine Damen und
Herren! Sehr geehrter Herr Präsident! Sanktionieren durch Kürzung der Leistungen – das ist die einzige Möglichkeit, die das Jobcenter hat, um Kunden und Kundinnen, die sich nicht an Absprachen halten, mit Nachdruck zu zeigen, dass Absprachen eben doch eingehalten werden sollten. Wer Geld vom Jobcenter bezieht, ist verpflichtet, aktiv daran mitzuarbeiten, einen Job zu finden, durch den das Bestreiten des eigenen Lebensunterhalts wieder möglich wird. Viele Kunden arbeiten an diesem Ziel sehr engagiert mit. Aber es gibt eben auch andere.
Im Zusammenhang mit Sanktionen denke ich
nicht an die Menschen, die vielfältige Problemlagen, zum Beispiel durch körperliche oder psychische Er krankungen oder durch Süchte, haben und denen es deshalb schon beinahe unmöglich ist, den Weg zurück in das normale Arbeitsleben zu finden. Ich denke an diejenigen, die vergessen, verdrängen oder manchmal auch ignorieren, dass zum GefördertWerden auch das Fordern gehört.
Die Mitarbeiter des Jobcenters dürfen nach Mei
nung der CDU erwarten, dass Menschen sich an Abmachungen halten und Termine zumindest ab sagen und deren Ausfall begründen, wenn sie sie nicht einhalten können. Sie dürfen auch erwarten, dass arbeitsfähige Kunden regelmäßig Bewerbungen schreiben und dies nachweisen beziehungsweise
nachweisen, wenn sie sich persönlich vor Ort be worben haben, weil manchen das Schreiben einer Bewerbung sehr schwer fällt.
Ja, die meisten Sanktionen erfolgen wegen Melde
versäumnissen oder nicht abgesagter Termine. Aber es gibt beim ersten Versäumnis noch gar keine Sanktion! Das Meldeversäumnis wird auch akzeptiert, wenn es eine plausible Begründung für den ausgefallenen Termin gibt. Doch irgendwann kommt der Punkt, an dem sanktioniert wird, damit deutlich wird, dass auch Jobcenter-Termine eine ernst zu nehmende Angele genheit sind. Auch lange vorbereitete Zusagen für eine Weiterbildungsmaßnahme können später nicht ohne plausible Begründung einfach zurückgezogen werden, ebenso wenig andere Absprachen, die man bereits getroffen oder sogar unterschrieben hat.
In der Anfrage der LINKEN wird auf all das an
keiner Stelle eingegangen. Auch in dem Beitrag von Frau Bernhard soeben war das kein Thema. In den Augen der LIINKEN können Sanktionen anscheinend niemals sinnvoll eingesetzt werden; sie gehören möglichst gänzlich abgeschafft. Für Sie sind Sanktionen lediglich willkürlich platzierte Sparmaßnahmen des Jobcenters. Dabei liegt die Sanktionsquote in Deutschland insgesamt nur bei 4,3 Prozent, in Bremen sogar nur bei 3,4 Prozent.
Was schlagen die LINKEN denn vor, wie sonst
das Jobcenter dem Anspruch von Fördern und For dern gerecht werden könnte? Möchten Sie, dass Jobcenter-Kunden ihr Geld bekommen und sonst in Ruhe gelassen werden, außer es meldet jemand freiwillig Interesse an einem Arbeitsplatz an? Es gibt zwar hier und da Überlegungen auch in Richtung positiver Motivation für solche Menschen, die bereits in Maßnahmen sind; aber das betrifft vorrangig die jenigen, die ohnehin vorwärts streben, weniger den Kreis derer, die von Sanktionen betroffen sind. Zu den verschärften Sanktionen für unter 25-Jährige kann ich noch anmerken, dass im Koalitionsvertrag der Bundesregierung bereits eine Prüfung zugesi chert wurde.
Mir stellen sich beim Lesen der Anfrage der Frak
tion DIE LINKE aber noch viele weitere Fragen, zum Beispiel: Wie oft wurde in Bremen wegen Melde versäumnissen oder aus entsprechenden anderen Gründen so stark sanktioniert, dass jemand wirklich die Wohnung verloren hat? Wie werden die Mitar beiter des Jobcenters eigentlich für das Einleiten von Sanktionen geschult? Richten sich alle Mitarbeiter nach einem einheitlichen Maßstab, oder wird die Umsetzung von Sanktionen und die Anwendung von Ermessensspielräumen jedem selbst überlassen? Gibt es Rückkopplungen unter den Mitarbeitern zu der Frage, wer wann warum und wie oft sanktioniert hat? Passiert es, dass ein Mitarbeiter Kunden und Kundinnen wesentlich öfter sanktioniert als andere? Wenn ja, wie wird damit umgegangen?
Diese Fragen hätte ich gern beantwortet gehabt,
weil es in diesem Bereich wirklich noch Verbesse
rungspotenzial zu geben scheint. Kein JobcenterKunde möchte das Gefühl haben, lediglich an einen gern sanktionierenden Mitarbeiter geraten zu sein, während der Kunde im Nebenzimmer in Ruhe ge lassen wird. Ein Jobcenter ist es seinen Kunden und Kundinnen schuldig, dass sie sich grundsätzlich von jedem Mitarbeiter wenigstens annähernd gleichbe handelt fühlen.
Aber all diese Fragen haben die LINKEN leider
nicht stellen wollen; also gibt es darauf auch keine Antworten. Das finde ich schade – für die Kunden Jobcenters und auch für uns. Vielen Dank!
Herr Präsident, mei
ne Damen und Herren! Insgesamt kommen mir die Antworten des Senats auf die Große Anfrage zwar sehr interessant vor, aber ich habe irgendwie den Eindruck, dass die Fragen, die Frau Wendland zusam mengestellt hat, recht planlos aneinandergereiht sind.
Nach einem nochmaligen Blick auf die Überschrift,
bezahlbares Wohnen für einkommensärmere Men schen sicherstellen, kam ich zu dem Entschluss, dass die Überschrift doch sehr gut zu einem Antrag gepasst hätte. Schade, dass Sie, Frau Wendland, das nicht daraus gemacht haben, aber dazu haben Ihnen, nehme ich an, die konkreten Forderungen gefehlt, oder Sie konnten Ihren Koalitionspartner dafür nicht gewinnen.
Keine Ahnung, warum es dann nur eine Große An frage ist.
Folgende im Grund bekannte Fakten finden wir
in der Antwort des Senats. Mit dem Wohnraumför derungsprogramm aus den Jahren 2012 und 2013 sollen etwa 700 Neubauwohnungen gefördert wer den, die einer Belegungsbindung unterliegen, die zu einem Mietneupreis von maximal 6,50 Euro pro Quadratmeter führen darf. Parallel zum Bau dieser 700 Wohnungen sinkt aber die Zahl der Belegungs
bindungen im Mietwohnungsbestand wesentlich stärker, sodass die 700 geförderten Neubauten es keineswegs ausgleichen können. Dieser Abwärtstrend wird auch in den nächsten Jahren so weitergehen. Selbst ein weiteres Wohnraumförderungsprogramm wird diesen Trend nicht aufhalten können. Folglich wird es in Bremen in den nächsten Jahren trotz der sozialen Wohnraumförderung nicht, wie manche vielleicht annehmen könnten, mehr geförderte Woh nungen geben, sondern wesentlich weniger. Das ist aber mit Blick auf die Höhe der Mieten gar nicht so dramatisch, denn die Mieten für die meisten der über 40 000 Wohnungen der GEWOBA und auch der anderen Wohnungsbaugesellschaften liegen teilweise weit unter 6,50 Euro pro Quadratmeter, viele sogar nur knapp über 5 Euro. Das ist weit un ter den 6,50 Euro, die der soziale Wohnungsneubau garantieren kann.
So großartig sozial und für Einkommensärmere
erschwinglich sind die sozial geförderten Neubauten also keinesfalls. Trotzdem heißt es in der Einleitung der Großen Anfrage der Grünen, ich zitiere: „Mit dem Wohnraumförderungsprogramm 2012/2013 hat der Senat einen wichtigen Schritt zur Schaffung neuen Wohnraums gemacht. Damit werden 700 Wohnein heiten zu einem Mietpreis im unteren Marktsegment für Menschen mit geringem oder gar keinem Ein kommen gefördert, sogenannte Sozialwohnungen im Neubau.“ Die Schaffung dieser 700 Wohnungen im Neubaubereich erfüllt doch einen ganz anderen Zweck als einfach nur günstigen Wohnraum zu schaffen, den es in Bremen ja ganz offensichtlich gibt, zumindest unter dem Preis von 6,50 Euro pro Quadratmeter. Der geförderte Neubau von Sozial wohnungen kann doch nur den Sinn erfüllen, eine gewisse soziale Durchmischung in Neubauquartieren zu gewährleisten. Das ist natürlich durchaus auch sehr sinnvoll. Doch ausreichend günstige Wohnungen für alle in allen Stadtteilen wird es nur geben, wenn das Angebot die Nachfrage übersteigt, und das wird es in einigen Quartieren schon strukturell bedingt auch in Zukunft nicht geben können.
Ich kann somit nur wiederholen, was auch gestern
schon in einigen Debatten gesagt wurde, nämlich dass in Bremen mehr gebaut werden muss, wenn man überteuerte Mieten eindämmen will, und zwar nicht nur im von allen Parteien gewollten Sozialwoh nungsneubau. Wir brauchen auch mehr Wohnungen im Einfamilienhausbereich, und dort wiederum nicht nur Reihenhäuser, sondern auch freistehende. Dann würden wir viele steuerzahlende Familien auch nicht mehr an das Bremer Umland verlieren.
Ein weiterer wichtiger Aspekt beim Bauen ist der
Bedarf an bestimmten Wohnungsgrößen. Wir brau chen dringend viele kleine Wohnungen für Singles und zwei Personen. Ebenso dringend brauchen wir
Wohnungen für Großfamilien und darüber hinaus barrierefreie und rollstuhlgerechte Wohnungen. Um das zu schaffen, brauchen wir mehr Bauflächen mit und auch ohne Sozialwohnungsquote und neue Ansätze, wie zum Beispiel den Blick in die Stadtge biete, in denen das Wohnen bislang eher unüblich oder gar nicht erlaubt war.
Ein weiterer Punkt in der großen Anfrage ist –
das wurde auch schon angesprochen –, dass auch Wohnungen für sogenannte Wohnungsnotstandsfälle immer knapper werden. Die betroffenen Menschen sollten natürlich nicht zunehmend und schon gar nicht auf Dauer in Notunterkünfte oder Billighotels einquartiert werden, weil dort die Unterbringung für eine einzelne Person schnell sehr teuer werden kann. Auch diesen Trend kann man nur durch wei ter steigende Bauaktivitäten aufhalten, und somit muss der Senat sich noch einiges einfallen lassen. Die schon oft bemühte lange Bank ist für das Thema bezahlbares Wohnen in Bremen zurzeit jedenfalls kein passendes Möbelstück. – Danke!
Herr Präsident, meine
Damen und Herren! Nach meinen Recherchen gehen im zuständigen Callcenter des Jobcenters Bremen bis zu 1 100 Anrufe in der Woche ein. Der Hauptgrund für die meisten Anrufe sind eindeutig die Fragen nach dem Verbleib des auszuzahlenden Geldes, und vom Callcenter kann normalerweise ohne größeren Aufwand eine zufriedenstellende Antwort darauf ge geben werden. Eine Terminabsage oder -verlegung führt dagegen oft zu einer Rückrufbitte, die vom Call center an den zuständigen Sachbearbeiter oder die Sachbearbeiterin im Jobcenter weitergegeben wird.
So wie ich es verstanden habe, melden sich diese
dann im Lauf der nächsten 48 Stunden beim Kunden zurück, um das Anliegen zu klären. Diese Rückruf bitte kann nach Auskunft aus dem Jobcenter vom Kunden selbstverständlich auch an ein Zeitfenster gebunden werden, sodass niemand die ganze Zeit zu Hause sitzen und auf den Rückruf warten muss, wie DIE LINKE es in ihrem Antrag beschreibt. Der Senat antwortet auf diese Frage ganz eindeutig: Ein verpasster Rückruf des Jobcenters stellt keine Pflichtverletzung dar, die zu einer Sanktion führt. Heute haben auch fast alle Jobcenter-Kunden ein Handy, darüber ist die Erreichbarkeit für eine große Gruppe der Kunden jedenfalls ohnehin gewährleistet.
Insgesamt soll die Weiterleitung der Anliegen
vom Callcenter an die Sachbearbeiter gut und zu friedenstellend funktionieren. Wenn einmal etwas nicht funktioniert, wird meines Wissens auch erst sanktioniert, wenn jemand mehrfach unentschul digt einen Termin versäumt hat oder mehrfach die Absprachen nicht einhält.
Wenn die Sachbearbeiter, wie von den LINKEN
beantragt, nun wieder direkt für die Kunden erreich bar wären, dann wären manche von diesen Kunden vielleicht auch sogar wesentlich zufriedener als jetzt.
Was aber passiert mit den Kunden, die gerade beim Sachbearbeiter im Büro sitzen und beraten werden sollen? Es kann sehr störend und unbefriedigend sein, wenn der Sachbearbeiter oder die Sachbear beiterin während eines Beratungsgesprächs ständig unterbrochen wird. Zudem würde sich der Kun denkontakt dadurch erheblich verlängern, und die Wartezeiten für weitere Kundengespräche würden sich wahrscheinlich ziemlich ausweiten.
Darüber hinaus gab und gibt es auch in diesem
Modell niemals eine Garantie für das direkte Errei chen des zuständigen Sachbearbeiters. Er oder sie ist einmal krank, befindet sich im Urlaub oder ist einfach einmal nicht im Raum, vielleicht auf einer Weiterbildung oder einfach einmal auf der Toilette.
Die von der Fraktion der LINKEN gewünschte und
idealisierte Erreichbarkeit eines zuständigen Sach bearbeiters oder einer zuständigen Sachbearbeiterin kann und wird niemals garantiert werden. Es müsste dann wohl auch wieder eine teure Telefonzentrale im jeweiligen Jobcenter geben, die solche Kontakt versuche auffangen kann. Wenn ich so die Pros und Contras in den Blick nehme, dann kann ich mir nicht vorstellen, dass eine Rückkehr zum alten Modell mit direkter Durchwahlmöglichkeit zum Sachbearbeiter wirklich vorteilhafter wäre, aber andererseits scheint es, zumindest nach Ansicht der Fraktion der LINKEN und ich denke auch sonst, unzufriedene Kunden und Kundinnen des Jobcenters zu geben.
Das, finde ich, muss man ernst nehmen, und deshalb
soll das Anliegen auch in der Wirtschaftsdeputation geprüft werden. Die CDU-Fraktion ist damit auch einverstanden und stimmt der Überweisung zu.
Sehr geehrter Herr
Präsident, meine Damen und Herren! Bremen hat im letzten Jahr mehr als 2 500 Flüchtlinge aufgenommen, davon sind fast 500 unbegleitete minderjährige Kinder und Jugendliche. Viele Hürden wurden gut genom men, und eine große Anzahl Bremer Bürgerinnen und Bürger hat sich sehr engagiert an der Aufnahme und Unterstützung der Flüchtlinge beteiligt. Das läuft alles viel besser als in den Neunzigern, als schon einmal ähnlich viele Flüchtlinge nach Bremen kamen.
Doch obwohl wir in Bremen wirklich stolz auf das
sein können, was wir geschafft haben, mangelt es auch bei uns zunehmend überall an Ressourcen. Die aufnehmenden Systeme zeigen sich zunehmend überfordert. Das ist natürlich nicht nur ein Bremer Problem, sondern es betrifft viele andere Kommu nen in Deutschland ebenso. Die Bundesregierung hat auch deshalb zum Jahresbeginn das Asyl- und Aufenthaltsrecht geändert. Damit wurde auch für langjährig Geduldete durch die Neubestimmung des Bleiberechts der Weg in einen dauerhaften und rechtlich abgesicherten Status geebnet.
Zudem wurde beschlossen, dass Asylbewerber
sich nach nur noch drei Monaten residenzpflichtfrei im Bundesgebiet bewegen können. Auch die Vor rangprüfung für die Arbeitsaufnahme entfällt für Asylbewerber und -geduldete nach nun spätestens 15 Monaten, und der Bund wird den Ländern für die Flüchtlingsunterbringung ungenutzte Flächen oder Gebäude kostenfrei zur Verfügung stellen.
Mit den Änderungen wurden aber auch die Länder
Serbien, Mazedonien und Bosnien-Herzegowina zu sicheren Herkunftsstaaten erklärt, zumal die Aner kennungsquote für Asylsuchende aus diesen Län dern unter einem Prozent liegt. Außerdem bekäme
Bremen vom Bund für die Jahre 2014 und 2015 mehr als 5 Millionen Euro für die Flüchtlingsaufnahme.
Bremen hat allerdings als einziges Bundesland
das ganze Änderungspaket samt fünf Millionen Euro abgelehnt, weil die Bremer Grünen die eu ropäischen Asylsuchenden weiterhin nicht in ihre sicheren Herkunftsländer zurückschicken möchten. Auch die Änderungen des Freizügigkeitsgesetzes, womit Schwarzarbeit eingedämmt und Kindergeld missbrauch verhindert werden sollen, gefallen ihnen nicht. Die Bremer CDU jedenfalls begrüßt besonders die Neubestimmung des Bleiberechts und freut sich, dass die Geduldeten, die schon länger in Bremen leben und sich integriert haben, nun einen sicheren Rechtsstatus erhalten.
Auch vom Bremer Senat wird ja die stichtagsun
abhängige Änderung im Bleiberecht begrüßt, wie wir der Antwort des Senats zu Frage 4 unserer Gro ßen Anfrage entnehmen können. Doch der Bremer Senat schickt durch seine Entscheidung, weiter keine Flüchtlinge zurückzuführen – auch nicht in die sicheren Herkunftsstaaten – ,erneut Menschen in einen unsicheren Aufenthaltsstatus, der, wie er zu Recht selbst sagt, keine verlässliche Lebensper spektive bietet. Wenn der Bremer Senat aber allen hier eine Chance geben möchte, dann muss er auch wissen, dass nach der Kür die Pflicht kommt, und entsprechend handeln.
Diese Pflicht beinhaltet nämlich die Versorgung
und die Integration der Flüchtlinge, während der Bund für die Asylverfahren zuständig ist.
Wenn Bremen bei seiner Linie bleiben möchte, und
darüber scheinen sich zumindest die Grünen und Herr Mäurer ja einig zu sein, dann müssten auch die Prio ritäten bei der nächsten Bremer Haushaltsaufstellung gewaltig verschoben und die Finanzen in Zukunft so zugeteilt werden, dass alle Asylsuchenden gut integriert werden können. Viel mehr Geld müsste zu mindest in die Bereiche Soziales und Bildung fließen. Das wäre dann konsequentes Handeln und würde beweisen, dass nicht nur die Kür, sondern auch die nachfolgende Pflicht ernst genommen wird. Ob das aber allen an der Haushaltsaufstellung beteiligten Parteien und Ressorts gefallen würde, lasse ich jetzt erst einmal dahingestellt.
Es zeichnet sich aber jetzt schon ab, dass es mit
Blick auf die weiter steigenden Flüchtlingszahlen zumindest für Bremen auf Dauer unmöglich wird, alle ankommenden Menschen angemessen unterzu bringen und zu integrieren. Wir sollten deshalb die vorhandenen Kapazitäten vorrangig für die wirklich schutzbedürftigen Menschen einsetzen.
Wir als Bremer CDU sehen mit Sorge, wie der Senat
zwar theoretisch allen eine Chance geben möchte,
dies aber in der Praxis nicht umsetzt. Es gibt weder genügend Sprachkurse noch eine ausreichende Be gleitung für die, die schon frühzeitig in eine eigene Wohnung ziehen. Es gibt nur wenige, bereits heute völlig überforderte Migrationsberatungsstellen für die spätere Betreuung. In den Kindergärten und Schulen fehlen die Ressourcen. Die Ausländerbehörde, die ein Willkommenscenter sein und den Flüchtlingen noch viel mehr Unterstützung und Beratung für die Integration anbieten könnte, macht immer nur auf sich aufmerksam, weil die viel zu wenigen Mitar beiter völlig überlastet sind. Ich könnte noch mehr aufzählen, aber ich mache hier erst einmal Schluss und lasse die anderen zu Wort kommen. – Danke!
Herr Präsident, meine
Damen und Herren! Frau Vogt, wer hier wohl Wahl kampf macht! So wie Sie ständig in jeder Rede auf den Wahlkampf hinweisen, finde ich, machen Sie genau umgekehrt die Werbung für sich!
Frau Tuchel möchte Ihnen noch Folgendes sagen:
Ich finde es unglaublich, wie Sie, ohne rot zu werden, eine Falschaussage machen und uns unterstellen, dass wir in der Sozialdeputation jedes Thema, jede Initiative zu Flüchtlingen ablehnen würden. Das stimmt definitiv nicht, und ich hätte diese Aussage von Ihnen nicht erwartet, das muss ich sagen!
Bremen bekommt, das habe ich vorhin schon ge
sagt, vom Bund für die Jahre 2014 und 2015 mehr als 5 Millionen Euro für die Flüchtlingsaufnahme, aber die Bremer Regierungsparteien erwarten mehr und beklagen immer wieder – heute war das nicht ganz so deutlich, aber die anderen Male –,dass der Bund nicht so viel gibt, wie man gebrauchen könnte, und dass man eigentlich noch viel mehr haben müsste, man hat ja auch ausreisepflichtige Asylbewerber hier, und das muss man einfach einmal feststellen. Der Bund wird sich aber nicht darauf einlassen, und zwar zu Recht nicht, denn er erwartet von den Bundes ländern, dass sie auch ihre Hausaufgaben machen.
Es reicht eben nicht, dass Bremen als einziges
Bundesland seit dem Jahr 2011 lediglich 24 Straf täter, aber sonst niemanden, in ihr Herkunftsland zurückgeführt hat. Um eventuellen Unterstellungen von Unmenschlichkeit zu begegnen – nicht nur eventuellen, die noch kommen könnten, sondern auch denen, die schon da waren –, möchte ich noch
einmal deutlich sagen, dass es uns darum geht, dass man erkennt, dass der Ruf nach maximaler Hilfe für alle unrealistisch ist.
Wer Asyl sucht, der muss auch schutzbedürftig
sein. Für diejenigen, die sich aus anderen Gründen ein besseres Leben in Deutschland erhoffen, gibt es bereits legale Wege, besonders innerhalb Europas.
Jemand hat vor einiger Zeit im „Hamburger Abend
blatt“ geschrieben, dass weder Traumtänzer noch Scharfmacher die Asyl- und Einwanderungsdebat ten gewinnen werden. Ich füge hinzu: auch nicht gewinnen dürfen!
Er hat auch gesagt, wir brauchen Realisten mit
Herz, und das wünsche ich mir auch für Bremen: mehr Realisten, aber mit Herz. Herz ist oft schon da, Realismus fehlt oder umgekehrt.
Ich möchte nun aber auch noch auf einige Ant
worten des Senats eingehen, wobei wieder einmal der Datenschutz viele Antworten verhindert und damit auch eine qualifizierte Einschätzung der Si tuation in Bremen. Wir erfahren nicht, ob und wie viele geduldete Menschen eine Ausbildung oder ein Studium absolvieren. Man weiß auch nicht, wie viele Kinder und Jugendliche mit einer Duldung welche Kindertageseinrichtungen oder Schulen besuchen, und wie viele geduldete Personen in den letzten Jahren die Bremer Deutschlernangebote besucht haben, bleibt genauso offen wie die Frage nach erteilten Wohnberechtigungsscheinen. Wenigstens die Frage hätte man vielleicht beantworten können.
Auffällig ist aber vor allen Dingen die Antwort auf
Frage 3 nach der Dauer der Bearbeitung von Asylwi derspruchsverfahren, die vom Bremer Verwaltungs gericht durchgeführt werden. Im Jahr 2013 betrug die durchschnittliche Verfahrensdauer in Bremen im Eilverfahren 2,2 Monate, im Bundesdurchschnitt dagegen nur 0,8 Monate. In den Hauptsacheverfah ren liegt Bremen bei 19,1 Monaten, während der Bundesdurchschnitt 9,2 Monate beträgt. Die Ver fahrensdauer der Berufungsverfahren in Asylsachen betrug beim bremischen Oberverwaltungsgericht 14 Monate, während der Bundesdurchschnitt bei gerade einmal 5,6 Monaten lag.
Bei all diesen Verfahren braucht Bremen zwei-
bis dreimal so lange wie der Bundesdurchschnitt, obwohl der Senat in seiner Antwort durchaus zu
bedenken gibt – ich zitiere –: „Die Ungewissheit über eine Anerkennung während des Asylverfahrens ist nicht nur für die Antragsteller belastend, auch für die Gesellschaft insgesamt wirken sich lange Bearbeitungszeiten negativ aus.“ Es ist schon be eindruckend, wie gelassen der Bremer Senat diese Situation erträgt, und lediglich darauf verweist, dass es in den Jahren zuvor noch viel schlechter aussah.
Zum Schluss möchte ich natürlich auch noch da
rauf hinweisen, dass in der Diskussion der zuneh menden Asylbewerberzahlen auch der Blick auf die Herkunftsländer und Europa nicht fehlen darf. Auf europäischer Ebene muss weiter an einer soli darischen Verteilung der Flüchtlinge und an einem gemeinsamen Asylsystem mit annähernd ähnlichen Integrationsmaßnahmen in den Ländern gearbeitet werden. Bislang zeigen aber immer noch 10 der 28 EU-Staaten kaum Bereitschaft, überhaupt Flüchtlinge aufnehmen zu wollen, während wir in Deutschland ohnehin zu den Ländern der EU gehören, die die meisten Flüchtlinge aufnehmen.
Darüber hinaus muss auch grundsätzlich die Ver
besserung der Verhältnisse in den Ländern, aus de nen die Menschen zu uns kommen, im Mittelpunkt stehen. Für die Betroffenen ist nichts wichtiger als eine Perspektive in ihrem Heimatland. Deutschland engagiert sich bereits seit Langem stark für diese Anliegen, und wir werden sicher auch weiterhin in unserem Land vielen Flüchtlingen eine Lebens perspektive geben. Für die Aufnahme dürfen aber nicht nur rationale Kriterien wie die Einwohnerzahl oder die Finanzlage herangezogen werden, auch die emotionale Situation muss bei der Aufnahme von Flüchtlingen berücksichtigt werden,
sonst tut man niemandem einen Gefallen, sich selbst nicht und schon gar nicht den Flüchtlingen.
Ich vertraue indes darauf, dass sich viele Bremerin
nen und Bremer mit schutzbedürftigen Flüchtlingen solidarisch zeigen und dass die Hilfsbereitschaft in unseren Stadtteilen und in unserer Stadt insgesamt nicht abebbt. Von hier aus ein herzliches Danke an alle diejenigen, die sich, auf welche Weise auch im mer, dafür engagieren, die Akzeptanz für Flüchtlinge zu stärken. Ich hoffe, dass mit dieser Überschrift deutlich geworden ist,
dass wir wollen, dass die Akzeptanz gestärkt wird und erhalten bleibt. Allerdings glaube ich, dass es in weiten Teilen der Bevölkerung so aussieht, dass, wenn alle Flüchtlinge hierbehalten werden, selbst diejenigen, die nicht schutzbedürftig sind, nicht zurückgeführt werden, dann die Akzeptanz sinken könnte.
Bitte?
Das mag fatal sein, aber ich finde, dass man in dieser Hinsicht realistisch genug sein und sich die Bevöl kerung und die Stimmung in der Bevölkerung auch anschauen muss,
(Zurufe von der LINKEN: Ah! und nichts anderes tun wir auch. (Beifall bei der CDU)
Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Wir haben es eben schon gehört, behinderte Menschen haben seit der Anerkennung der UN-Behindertenrechtskonvention in Deutschland das gleiche Recht auf barrierefreie Teilhabe am gesellschaftlichen Leben wie Menschen ohne Behinderung. Jedem, der jetzt zuhört und denkt, dass ihn dieses Thema nicht betrifft, möchte ich zu bedenken geben, dass eine Behinderung durch einen Unfall oder eine Erkrankung von einen auf den anderen Tag für jeden von uns Wirklichkeit werden könnte. Spätestens aber mit den Alter stellen sich oft genug ungewollte Veränderungen ein, durch die man sich plötzlich fehl am Platz oder eben sogar ausgegrenzt fühlt.
Der heute diskutierte Aktionsplan wurde von einem Arbeitskreis erarbeitet, dem auch Vertreter der verschiedenen Ressorts – das haben wir schon gehört – der Bereiche Bau, Gesundheit, Bildung und Soziales angehörten. Jemand aus dieser Gruppe sagte mir, dass die gemeinsamen Sitzungen, und ich wiederhole es einmal mit meinen Worten, wie eine Lebensschule waren, die das eigene Denken in dem zwei Jahre andauernden Prozess ganz stark verändert hat. Das ist etwas ganz Großartiges!
Wenn über Barrierefreiheit und Inklusion geredet wird, da passiert auch immer etwas in den Köpfen
der Beteiligten, das hat Herr Dr. Steinbrück eben auch schon gesagt. Wenn die Vertreter der verschiedenen Ressorts in Zukunft mit einer positiveren Einstellung zur Inklusion als früher weiterarbeiten, dann hat das auch Auswirkungen auf die Kolleginnen und Kollegen, und genau so sollte es auch sein. In unserer Gesellschaft ist es doch leider zunehmend so, dass es viele Gewinnertypen gibt, die meinen, sie bräuchten keine Rücksicht auf Schwächere zu nehmen, deshalb müssen wir auch schon besonders bei den Kindern anfangen, diesem Denken andere Werte entgegenzusetzen. Nicht nur Barrierefreiheit, sondern Wertschätzung, Rücksichtnahme, Nächstenliebe und so weiter sind Eigenschaften, die unsere Gesellschaft mehr denn je braucht.
Besonders Menschen mit einer Beeinträchtigung, sei es im Bereich des Sehens, Hörens oder Lernens oder eine körperliche Beeinträchtigung, sollen ihr Recht auf Teilhabe auch bekommen. Über den fertigen Aktionsplan freue ich mich ganz besonders, denn Anfang 2012 wurde seine Erarbeitung aufgrund eines Antrages der CDU-Fraktion einstimmig von der Bürgerschaft beschlossen. Dass der Bremer Landesbehindertenbeauftragte, Herr Dr. Steinbrück, den Vorsitz in der dafür einzurichtenden Arbeitsgruppe übernehmen sollte, war darin eine unserer Forderungen. Allerdings hätte sich auch Herr Frehe, unser Sozialstaatsrat, gewünscht, diesen Vorsitz zu übernehmen, doch die CDU-Fraktion konnte sich dann erfolgreich durchsetzen.
Das war so, wir hatten noch ein Gespräch unter vier Augen. Jedenfalls kann ich nachvollziehen, dass es so war! Die Erstellung des Aktionsplans wurde bereits schon ein Jahr vorher, nämlich im Jahr 2011, im Koalitionsvertrag von der SPD und den Grünen angekündigt, aber letztlich war es so, dass die Bremer Koalition das Thema schon in der vorigen 18. Legislaturperiode verschleppt hatte. In den meisten anderen Bundesländern waren die Pläne nämlich schon fertig, bevor Bremen überhaupt damit angefangen hatte.
Dann kam es zu dem Konstrukt des sogenannten Temporären Arbeitskreises, TEEK, unter Leitung des Landesbehindertenbeauftragten, Herrn Dr. Steinbrück. Darüber angesiedelt war dann die Staatsrätelenkungsgruppe unter der Führung von Herrn Staatsrat Frehe. Neben den verschiedenen Behindertenverbänden konnte auch jede Bürgerschaftsfraktion
einen Abgeordneten zu den Sitzungen schicken. Die CDU, die Grünen und die SPD haben davon auch sehr guten Gebrauch gemacht, aber ein Vertreter die Linksfraktion wurde dort leider kein einziges Mal gesehen.
Ein Mal?
Mir wurde versichert, er wäre kein Mal dagewesen, aber dann eben einmal! Ich bin jetzt aber natürlich trotzdem gespannt, was die Linksfraktion heute zum Landesaktionsplan sagen wird, nachdem sie ihre Möglichkeiten des Einflusses auf den Inhalt überhaupt nicht wahrgenommen hat!
Mein ganz besonderer Dank gilt all denen, die sich in ihrer Freizeit ehrenamtlich in die vielen Sitzungen eingebracht haben. Die fast 25 Treffen mit allen Beteiligten haben in diesem Aktionsplan ihren Niederschlag gefunden. Es war deutlich zu spüren, wie wichtig gerade den von einer Behinderung betroffenen Beteiligten diese Möglichkeit trotz der damit verbundenen hohen Arbeitsbelastung war, denn neben den vielen Sitzungsstunden gab es auch noch sehr umfangreiche schriftliche Vorlagen. Nicht jeder findet alle seine Wünsche und Forderungen im vorliegenden Plan wieder, aber die Gleichstellung und die Teilhabe behinderter Menschen in Bremen wird sich mit der Umsetzung des Aktionsplans in vielen Bereichen verbessern, und das ist schon einmal eine sehr gute Perspektive. – Vielen Dank!
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Nachdem ich in meinem ersten Wortbeitrag eigentlich inhaltlich noch nicht viel gewichtet habe, möchte ich jetzt noch ein paar Punkte aufgreifen, die ich für besonders wichtig oder eben auch für kritisch halte.
Frau Schmidtke, wir sind hier nun einmal im Parlament und so nett, wie die Sitzungen auch waren, sind wir immer noch ein politisches Gremium, das auch verschiedenen Parteien besteht. Ich denke, das muss man auch nicht verheimlichen, und dazu stehe ich auch!
Es steht in dem Plan, dass es demnächst eine verbindliche Quote für barrierefreie Zimmer geben soll. Das finde ich super, doch am liebsten wünsche ich mir natürlich, wenn Hotels grundsätzlich barrierefrei wären. Jeder Gast kann auch barrierefreie Zimmer nutzen, aber umgekehrt funktioniert das nur schlecht. Ich hoffe, dass die versprochene Quote – in Berlin beträgt sie 10 Prozent – bald auch in Bremen eingesetzt wird, denn für Bremen steht sie noch nicht fest.
Ein zweiter Punkt! Ich finde es zwar vollkommen richtig, dass im Aktionsplan steht, die Werkstätten für behinderte Menschen können und sollen sich stärker als bisher um die Vermittlung auf den allgemeinen Arbeitsmarkt bemühen, und auch die Aussage, dass der Übergang von einer Tagesförderstätte zu einer Werkstattstätte zu verbessern ist, teile ich. Jedoch sehe ich die sehr stark betonte Zielsetzung im Plan, dass auch möglichst viele Menschen mit außergewöhnlichen Unterstützungsbedarfen den Weg aus
einer Tagesförderstätte in den Arbeitsbereich einer Werkstatt finden sollen, zumindest kritisch. Die Begründung dafür lautet im Plan, dass Betroffene durch den Wechsel den sozialversicherungsrechtlichen Status der Werkstatt erhalten. Vielen der Betroffenen wird aber gerade diese Begründung herzlich egal sein, sie wissen nichts von einem versicherungsrechtlichen Status und damit zusammenhängenden Finanzfragen. Sie möchten Teilhabe am Leben haben, und diese Teilhabe sollte man immer zuerst aus der Perspektive der Betroffenen definieren. Deshalb gibt es ja auch das sogenannte Wunsch- und Wahlrecht.
Ein mögliches Nur-dazu-Stellen von schwerst mehrfach behinderten Menschen in eine Werkstatt kann jedenfalls für diese schnell zu einem Verlust von sozialer Teilhabe werden, und auch ein erlangter sozialversicherungsrechtlicher Status könnte diesen Teilhabeverlust nicht ausgleichen.
Ein dritter Punkt im Aktionsplan, der mich nachdenklich stimmt, ist die Verselbstständigung von schwerst mehrfach behinderten Menschen in ambulant betreute Wohnformen. Ich halte es nicht für richtig, immer so zu tun, dass alle Betroffenen sich nichts sehnlicher wünschen würden, als allein oder – wie dann gern gesagt wird – selbstbestimmt wohnen zu können. Auch hier muss äußerst sensibel vorgegangen werden.
Ich wünsche jedem Entscheider die Ruhe und Gelassenheit, so grundlegende Fragen stetes mit gutem Einfühlungsvermögen mit und für die Betroffenen klären zu können und niemals lediglich aufgrund finanziellen Drucks entscheiden zu müssen.
Ich sage aber auch, dass ich es grundsätzlich in Ordnung finde, Wohnformen zu ambulantisieren und zu verselbstständigen. Da ist sicher auch noch einiges möglich, aber Menschen, die sich nicht zur Wehr setzen können, dürfen letztlich nicht vereinsamen oder anderen Schaden nehmen.
Ich möchte auch die angekündigte Quote für rollstuhlgerechte Wohnungen hier noch einmal aufgreifen! Wir brauchen diese Wohnungen dringend, das bezweifelt auch niemand, denke ich. Wir arbeiten auch daran, dass Menschen mit einer Behinderung und auch älter werdende Menschen möglichst lange selbstständig in einer eigenen Wohnung leben können. Mit Blick auf die demografische Entwicklung kann auch niemand leugnen, dass jedes Jahr, das ohne den Bau einer angemessenen Anzahl von rollstuhlgerechten Wohnungen vergeht, ein verlorenes Jahr ist. Deshalb sollte der Senat mit der Quotenfestlegung nicht mehr lange warten, und er sollte sie auch nicht zu niedrig ansetzen, zum Beispiel würden wir es Niedersachsen mit jeder achten Wohnung nachmachen.
Der vorliegende Aktionsplan soll in Zukunft alle vier Jahre überprüft und ergänzt werden, der in Bremerhaven zeitgleich erarbeitete regionale Plan soll dagegen alle zwei Jahre auf den Prüfstand gestellt werden. Eine zweijährige Überprüfung in Bremen und
dann vielleicht eine umfassende Evaluation nach vier Jahren würden aber perspektivisch sicher auch dem Teilhabebeirat helfen, der die Umsetzung des Aktionsplans in den nächsten Jahren begleiten soll. Ich finde es übrigens zu kurz gedacht, dass dem Teilhabebeirat nur die üblichen Verbandsvertreter angehören sollen. An einem solchen Gremium, das die Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention in Bremen sozusagen überwacht und begleitet, sollten auch Vertreter der Parteien teilnehmen können, schließlich ist der Aktionsplan auch auf Wunsch der in der Bürgerschaft vertretenen Parteien erarbeitet worden.