Protocol of the Session on April 22, 2010

Gesetz zur Änderung der Landesverfassung der Freien Hansestadt Bremen

Anerkennung der Schutzbedürftigkeit eingetragener Lebenspartnerschaften

Antrag der Fraktion der CDU vom 20. April 2010 (Drucksache 17/1270) 1. Lesung

Dazu als Vertreter des Senats Herr Senator Günthner.

Die gemeinsame Beratung ist eröffnet.

Als erster Redner hat das Wort der Abgeordnete Tschöpe.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Der vorliegende Antrag von SPD, Grünen, DIE LINKE und FDP nimmt das Anliegen, das wir hier in der Bürgerschaft bereits diskutiert haben, erneut auf, die eingetragene Lebenspartnerschaft mit dem Institut der Ehe gleichzustellen.

(Beifall bei der SPD, beim Bündnis 90/ Die Grünen und bei der LINKEN)

Dieser Antrag hat schon einmal eine breite Mehrheit hier im Parlament gehabt. Formal hat er wegen weniger Krankheitsfälle die erforderliche Zweidrittelmehrheit vor den Sommerferien nicht erreicht.

Eine verfassungsrechtliche Gleichstellung von heterosexueller Ehe und homosexueller eingetragener Lebenspartnerschaft ist bereits drei Mal hier diskutiert worden. SPD, Grüne, DIE LINKE und FDP haben sich stets dafür eingesetzt, die CDU war stets dagegen. Das Bundesverfassungsgericht hat am

17. Juli 2002 ausdrücklich festgestellt: „Der besondere Schutz der Ehe in Artikel 6 Absatz 1 Grundgesetz hindert den Gesetzgeber nicht, für die gleichgeschlechtliche Lebenspartnerschaft Rechte und Pflichten vorzusehen, die denen der Ehe gleich- oder nahekommen.“ Ich stelle noch einmal fest, das Abstimmungsverhalten zum vorliegenden Antrag ist deshalb keine rechtliche Frage, sondern ausschließlich eine Frage der Haltung.

Eingetragene Lebenspartnerinnen und -partner tragen die gleichen Verpflichtungen wie Eheleute, sie haben aber nicht die gleichen Rechte. Zur Vermeidung andauernder staatlicher Diskriminierung von Homosexuellen ist jedoch die volle rechtliche Gleichstellung der Lebenspartnerschaft mit der Ehe dringend geboten. Der eigentlich spannende Seitenaspekt dieser Diskussion hätte die Positionierung der CDU sein können. Hätte die Möglichkeit bestanden, dass sie ihren Hamburger Parteifreundinnen und -freunden folgt? Viviane Spethmann, Roland Heintze, Egbert von Frankenberg, Bettina Machaczek, Karen Koop und die Fraktion der CDU in der Hamburger Bürgerschaft haben am 2. September 2009 einen Antrag in die Hamburger Bürgerschaft eingebracht, der unter anderem Folgendes ausführt, ich zitiere: „Die rechtliche Gleichstellung von Schwulen und Lesben ist nicht allein durch die Änderung des Grundgesetzes zu erreichen. Deswegen wird Hamburg weiter auf eine volle rechtliche Gleichstellung im Lebenspartnerschaftsgesetz hinwirken und entsprechend im Bundesrat abstimmen.“

(Beifall bei der SPD, beim Bündnis 90/ Die Grünen und bei der LINKEN)

Liebe CDU, es hätte an Ihnen gelegen, endlich zu entscheiden, was Sie eigentlich sein wollen: moderne Großstadtpartei oder konservativer Schlachtverband? Die Entscheidung haben Sie getroffen: konservativer Schlachtverband! Ich wünsche Ihnen viel Spaß bei den nächsten Wahlauseinandersetzungen in Bremen!

(Beifall bei der SPD, beim Bündnis 90/ Die Grünen und bei der LINKEN)

Leider haben Sie es damit erneut verpasst, die Chance zum gesellschaftlichen Anschluss zu nutzen. Sie bekennen ausweislich ihres Antrags in der Begründung: „Die eingetragene Lebenspartnerschaft soll der Ehe nicht gleichgestellt werden.“ Ich bekenne genauso deutlich: Das ist das, was der Rest dieses Hauses will.

(Beifall bei der SPD, beim Bündnis 90/ Die Grünen und bei der LINKEN)

Als abschließende Bemerkung, warum wir das wollen: Ich glaube, der Rest dieses Hauses ist sich einig in der Bewertung, sexuelle Orientierung darf kein

Kriterium mehr sein, um Menschen mit unterschiedlichen Rechten auszustatten. – Ich danke Ihnen!

(Beifall bei der SPD, beim Bündnis 90/ Die Grünen und bei der LINKEN)

Als nächster Redner hat das Wort der Abgeordnete Fecker.

Sehr geehrter Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Es gibt sachlich und rechtlich keinen Grund, dass Menschen in diesem Land deswegen benachteiligt werden, nur weil sie nicht dem hierzulande gängigen Modell der Ehe nacheifern, sondern sich gleichgeschlechtlich verbinden. Wenn wir alle ehrlich sind, dann ist Deutschland auch in den Fragen der Beziehungsformen bunter geworden. Ein-ElternFamilien, Singles, Verwandte, Patchworkfamilien oder einfach auch nur Paare, die sich gegen die Ehe entschieden haben – sie alle prägen das bunte Bild unseres Landes, und in Bezug auf die gleichgeschlechtlichen Partnerschaften gilt dasselbe. Mittlerweile hat sich die Gesellschaft daran gewöhnt, Frauen Hand in Hand durch die Sögestraße gehen und Männer verliebt an der Schlachte sitzen zu sehen. Schwule und Lesben sind Bestandteil dieser Gesellschaft und die Gleichstellung ihrer Partnerschaftsform daher aus grüner Sicht eine Selbstverständlichkeit.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen, bei der SPD und bei der LINKEN)

Homosexualität ist keine Randerscheinung. Es ist eine von der gewohnten Form abweichende Lebensweise, die leider noch immer viel zu häufig auf althergebrachte Vorurteile und Klischees stößt. Dies führt dazu, dass Menschen, die sich dazu bekennen, oft die Erfahrung machen, dass ihre Umwelt damit nicht klarkommt, dass sie am Arbeitsplatz, in der Schule, am Ausbildungsplatz oder wo auch immer diskriminiert werden. Wir Grünen setzen uns dafür ein, dass gleichgeschlechtliche Lebensweisen auf allen gesellschaftlichen Ebenen als gleichberechtigt akzeptiert werden.

Rechtlich ist die Lage ebenso deutlich. Mein Kollege Tschöpe hat darauf verwiesen, der besondere Schutz der Ehe, immerhin mit Verfassungsrang ausgestattet, wird nicht dadurch geschmälert – und das wird als Argument ja immer gern gebracht –, dass nun eine weitere Partnerschaftsform hinzugenommen wird. Das ist auch eine klare Ansage des Bundesverfassungsgerichts gewesen.

Zusammenfassend kann ich mich daher nur wiederholen: Es ist sachlich geboten und rechtlich zulässig, die eingetragene Lebenspartnerschaft in den Verfassungsrang zu heben. Dies will die überwiegende Mehrheit des Parlaments heute auch tun. Vier von

fünf Fraktionen stehen hinter dieser Verfassungsänderung.

Ich erkenne aber auch an, dass sich die CDU, die ja nun mit einem eigenen Vorschlag die Debatte hier noch bereichern wird, in all den Jahren ebenfalls stark gewandelt hat. Die Schutzbedürftigkeit von gleichgeschlechtlichen Lebenspartnerschaften in der Verfassung anzuerkennen und gleichzeitig auch anzuerkennen, dass es Familienmodelle außerhalb der Ehe gibt, ist für die CDU, wenn man das über die Jahre betrachtet, eine sehr weitgehende Veränderung. Ihr Vorschlag zeigt aber auch, dass wir hier in der Tat sehr unterschiedliche Ansichten haben. Für uns Grüne und auch für den Rest des Hauses reicht es nicht aus, nur die Schutzbedürftigkeit anzuerkennen, sondern es muss eine Gleichbehandlung von Lebenspartnerschaften und Ehen geben. Lassen Sie uns gemeinsam diesen wichtigen Schritt heraus aus der Diskriminierung gehen! – Herzlichen Dank!

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen und bei der SPD)

Als nächster Redner hat das Wort der Abgeordnete Erlanson.

Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren! Ich denke, es sind schon viele der guten Argumente ausgetauscht worden, und wir kennen auch die Schwierigkeiten der CDU. Ich glaube allerdings, hier ist die gesellschaftliche Entwicklung in der Zwischenzeit einfach weitergegangen. Deshalb möchte ich an dieser heutigen Stelle nur drei Sätze zu der Diskussion hinzufügen. Der erste Satz ist: Es ist Zeit. Der zweite Satz ist: Die vollständige rechtliche Gleichstellung von Ehe und eingetragenen Lebenspartnerschaften ist überfällig. Der dritte Satz ist: Es ist hohe Zeit! – Danke!

(Beifall bei der LINKEN, bei der SPD und beim Bündnis 90/Die Grünen)

Als nächster Redner hat das Wort der Abgeordnete Dr. Möllenstädt.

Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Auch die FDP hat das Vorhaben, die eingetragene Lebenspartnerschaft mit Ehen in unserer Landesverfassung gleichzustellen, mit unterstützt; nicht erst bei diesem Anlauf, sondern bereits zuvor. Wir haben auch im Zuge dieser Legislaturperiode viele Einzelvorhaben bereits mit unterstützt, in denen es darum geht, den eingetragenen Lebenspartnerschaften die gleichen Rechte, aber in vielen Fällen auch die gleichen Pflichten aufzuerlegen, die Eheleuten auferlegt sind. Wir glauben in der Tat, dass es richtig und auch an der Zeit ist, jetzt auch ––––––– *) Vom Redner nicht überprüft.

in Bezug auf die Landesverfassung die Lebenspartnerschaften in gleicher Weise wie die Ehen zu behandeln, sie gleichzustellen und auch unter den Schutz unserer Landesverfassung zu stellen. Das ist ein wichtiges Anliegen und vervollständigt auch das Ziel in dieser Legislaturperiode, tatsächlich zu einer Angleichung von Rechten und Pflichten in Ehen und Lebenspartnerschaften zu kommen.

(Beifall bei der FDP)

Wir Liberalen begrüßen dieses Vorhaben ausdrücklich, auch weil wir glauben, dass sich die gesellschaftliche Realität erfreulicherweise in den letzten Jahren positiv entwickelt hat. Wir sehen, dass es heute zum Glück möglich ist, dass Menschen auch in Lebenspartnerschaften wirklich Verantwortung füreinander übernehmen und auch die Anerkennung der Gesellschaft dafür erfahren, die ihnen gebührt.

Dementsprechend ist es nur folgerichtig, auch die Lebenspartnerschaften als auf Dauer angelegte Gemeinschaften, in denen Menschen füreinander Verantwortung übernehmen, unter den Schutz der Bremischen Landesverfassung zu stellen. Wir begrüßen den gemeinsamen Antrag ausdrücklich, unterstützen das Vorhaben sehr gern, weil es ein Stück mehr Rechtsgleichheit auch mit den Eheleuten herstellt, und ich glaube, dass es in vielerlei Hinsicht auch ein wichtiges Symbol gegenüber denjenigen ist, die sich entschieden haben, den Schritt in eine Lebenspartnerschaft zu gehen.

Ich finde, die Bremische Bürgerschaft tut gut daran, heute mit breiter Mehrheit diesem Antrag der vier Fraktionen zuzustimmen. Es ist auch ein positives Zeichen, auch, dass uns Gleichstellungspolitik in dieser Hinsicht ganz besonders wichtig ist und dass hier auch eine große Gemeinsamkeit der vier Fraktionen vorhanden ist, dies voranzubringen. Ich glaube, das ist ein ganz wichtiger Antrag, dem wir gern unsere Stimmen geben. – Vielen herzlichen Dank!

(Beifall bei der FDP, bei der SPD und beim Bündnis 90/Die Grünen)

Als nächste Rednerin hat das Wort die Abgeordnete Frau Winther.

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Die CDU hat immer wieder deutlich gemacht, dass für uns die Ehe einen ganz besonderen Wert hat, der auf unserem christlichen Glauben basiert, und daran werden wir auch festhalten. Das ist genau der Unterschied zu allen anderen Fraktionen hier in der Bürgerschaft.

(Beifall bei der CDU)

Gerade auf der Basis des Urteils des Bundesverfassungsgerichts geht es uns um eine Gleichbehand

lung der Ehe mit der eingetragenen Lebenspartnerschaft und nicht um eine Gleichstellung. Ich freue mich ja sehr über die Äußerungen der Grünen, die uns hier ja schon als modernisiert anerkannt haben, und weil das so ist, haben wir einen Antrag vorgelegt, mit dem wir gern eingetragene Lebenspartnerschaften auch in der Verfassung schützen wollen. Wir respektieren die Entscheidung von Menschen, in anderer Form der Partnerschaft zu leben, andere Lebensentwürfe zu haben, und natürlich wollen wir diese anderen Formen auch in der Verfassung schützen und vor Diskriminierung bewahren. Dennoch möchte ich aber hier feststellen, dass das, was Rot-Grün heute zur Debatte stellt und die FDP und DIE LINKE mittragen, die vollständige Aufgabe einer klaren Unterscheidung zwischen herkömmlicher Ehe und gleichgeschlechtlichen Partnerschaften darstellt.

(Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/ Die Grünen)

Das ist genau der Punkt, den wir nicht mittragen können!

Es besteht aber auch in der Sache keine Notwendigkeit. Dies ist ein Bild nach außen, denn all das, was gemacht werden muss, um eine Gleichbehandlung zu gewährleisten, ist bereits geschehen oder ist auf einem guten Weg. Ich darf daran erinnern, dass in Berlin gerade die Gesetzgebung überarbeitet wird, beispielsweise im Einkommensteuerrecht, im Beamtenrecht, zum Beispiel bei der Besoldung, beim BAföG, bei der Unfallversicherung und in vielen anderen Bereichen. Das ist eben genau die Umsetzung der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zur Gleichbehandlung. Auch Bremen, das ist uns hier ja auch bei der letzten Debatte vorgelegt worden, hat vieles, im Grunde alles getan, um diesem Urteil zu genügen.

Es bleibt also allein die Frage, wie man zur Ehe mit all ihren Rechten und Pflichten steht, und die CDU hat sich klar entschieden: Wir halten die Ehe für ein ganz besonderes Element unserer Gemeinschaft und sehen sie vor der Partnerschaft gleichgeschlechtlicher Menschen! – Danke schön!

(Beifall bei der CDU)

Als nächster Redner hat das Wort Herr Senator Günthner.