Protocol of the Session on April 22, 2010

Als nächster Redner hat das Wort Herr Senator Günthner.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Die Regierungsfraktionen sowie die Fraktionen der FDP und der LINKEN wollen in einem Artikel 21 Absatz 2 der Bremischen Landesverfassung die eingetragene Lebenspartnerschaft verfassungsrechtlich mit der Ehe gleichstellen. Ich unterstütze diese Forderung ausdrücklich. Die Verfassungsänderung schließt für das bremische Landesrecht eine Entwicklung ab. Wir respektieren und

schützen künftig verbindliche Partnerschaften, ohne nach der sexuellen Orientierung zu fragen.

(Beifall bei der SPD, beim Bündnis 90/Die Grünen, bei der LINKEN und bei der FDP)

Gestatten Sie mir aber trotzdem noch einen kurzen Blick zurück! Schwule und Lesben haben in der Bundesrepublik Jahrzehnte für eine rechtliche Anerkennung ihrer Partnerschaften gekämpft. Als die rot-grüne Bundesregierung im Jahr 2001 die eingetragene Lebenspartnerschaft einführte, schallten ihr von Unionspolitikern schrille Töne entgegen. Das Gesetz sei, so etwa Rupert Scholz, ein Diskriminierungsgesetz zulasten von Ehe und Familie. Es widerspreche, so Norbert Geis im Bundestag, seinem religiösen Verständnis, Rechtsverständnis und Kulturverständnis. Die Versuche mehrerer Landesregierungen, die auf dieser Haltung aufbauten, das Gesetz vor dem Bundesverfassungsgericht zu Fall zu bringen, scheiterten 2002. Erst danach flauten die politischen Diskussionen ab.

Inzwischen hat sich wohl weitgehend auch bei konservativen Politikerinnen und Politikern eine größere Gelassenheit durchgesetzt. Wir erleben einen offeneren Umgang mit Homosexualität in der Gesellschaft, nicht nur, aber auch bei Spitzenpolitikern. Blickt man auf die Debatten aus den Jahren 2000 und 2001 zurück, erscheint mancher Debattenbeitrag heute merkwürdig, hysterisch und skurril. Nach Verabschiedung des Lebenspartnerschaftsgesetzes begann in Bremen die Umsetzung auf Landesebene. Bereits 2001 stellte der bremische Gesetzgeber klar, dass Lebenspartnerschaften wie Ehen vor dem Standesamt geschlossen werden.

In den folgenden Jahren glich der Landesgesetzgeber die Rechtsstellung von Ehegatten und eingetragenen Lebenspartnern immer weiter an. Selbst in entlegenen Vorschriften wie der Bremischen Archivbenutzungsordnung oder der Verordnung über die Errichtung, die Zusammensetzung und das Verfahren des Sanktionsausschusses an der Bremer Wertpapierbörse wurden Ehe und eingetragene Lebenspartnerschaft gleichgestellt. Dieses rechtspolitische Klein-Klein, so will ich es einmal nennen, war notwendig, um eingetragenen Lebenspartnern in der Rechtspraxis gleiche Rechte wie Eheleuten einzuräumen. Die nun vorgeschlagene Verfassungsänderung schließt diese Entwicklung insgesamt ab. Sie hat drei wichtige Funktionen.

Erstens: Es ist nicht auszuschließen – und darum geht es nach meiner Auffassung hier auch –, dass in der Praxis des bremischen Landesrechts das einfache Recht eine Gleichbehandlung von eingetragenen Lebenspartnern und Eheleuten nicht hergibt. In solchen Fällen fordert die Verfassung künftig eine Gleichbehandlung. Zweitens: Die Verfassungsänderung schreibt das bisher Erreichte fest. Ein Rückschritt ist nur noch möglich, wenn der Verfassungsgeber –

also dieses Haus – dies selbst beschließt. Drittens: Die Vorschrift ist ein klares politisches Signal, dass wir der gegenseitigen Fürsorge, Unterstützung und Verantwortung eingetragener Lebenspartner den gleichen Respekt entgegenbringen wie der Fürsorge von Eheleuten füreinander.

(Beifall bei der SPD, beim Bündnis 90/ Die Grünen und bei der LINKEN)

Der Schutz von Ehe und Familie im Grundgesetz steht der Regelung nicht entgegen. Dies hat das Bundesverfassungsgericht schon in seiner Entscheidung zum Lebenspartnerschaftsgesetz 2002 deutlich gemacht. Es lasse sich „kein in Artikel 6 Absatz 1 Grundgesetz enthaltenes Gebot herleiten, andere Lebensformen zu benachteiligen“, denn „das Ausmaß des rechtlichen Schutzes und der Förderung der Ehe wird in keiner Hinsicht verringert, wenn die Rechtsordnung auch andere Lebensformen anerkennt, die mit der Ehe nicht in Konkurrenz treten können“. Das bedeutet also, wir tragen der Tatsache Rechnung, dass der Verfassungsgeber 1947 bestimmten Lebensformen, die sich in den vergangenen Jahrzehnten herausgebildet haben, vielleicht nicht unbedingt Rechung tragen konnte. Dazu gehören unverheiratete Paare mit Kindern, alleinerziehende Mütter und Väter, Patchworkfamilien jeder Art.

Die Verfassung weist damit in ihrem zweiten Hauptteil, Ordnung des sozialen Lebens, über den Tag hinaus. Dazu gehören dann natürlich auch eingetragene Lebenspartnerschaften, die dann ebenso Bestandteil dieser Ordnung sind, sie verdienen daher einen ebenso besonderen verfassungsrechtlichen Schutz wie die Ehe. Insofern ist es heute ein guter Tag, und ich glaube auch, ein guter Prozess, der hier zum Abschluss gebracht wird. Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit und freue mich, dass Sie dem Gesetz hier heute die entsprechende Mehrheit geben werden! – Vielen Dank!

(Beifall bei der SPD, beim Bündnis 90/Die Grünen, bei der LINKEN und bei der FDP)

Als nächste Rednerin hat das Wort die Abgeordnete Frau Winther.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Lieber Herr Günthner, das Bundesverfassungsgericht hat nicht eine Gleichstellung vorgeschrieben, sondern eine Gleichbehandlung.

(Beifall bei der CDU)

Ich bitte Sie, das zur Kenntnis zu nehmen, weil wir uns sehr wohl auf dem Boden der Verfassung und

der Entscheidung des Verfassungsgerichts mit unserer Auffassung befinden. – Vielen Dank!

(Beifall bei der CDU)

Als nächster Redner hat das Wort der Abgeordnete Tschöpe.

Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren! Frau Winther, ernsthaft bestreitet in diesem Haus niemand, dass sich die CDU auf dem Boden der Verfassung befindet.

(Zurufe von der CDU)

Ich habe deutlich gemacht, worum es uns geht: Es geht hier nicht um eine rechtliche Frage. Der rechtliche Gestaltungsspielraum dieses Parlaments und des Bundestages ist weit. Das Bundesverfassungsgericht hat festgestellt, es gibt kein rechtliches Abstandsgebot, der Gesetzgeber ist frei zu definieren, wie er mit Lebenspartnerschaften umgehen will.

(Beifall bei der SPD, beim Bündnis 90/ Die Grünen und bei der FDP)

Um das noch einmal deutlich zu machen: Das ist der Unterschied zwischen der konservativen CDU in Bremen an diesem Punkt und dem Rest des Hauses. Der Rest des Hauses will die eingetragene Lebenspartnerschaft mit dem Institut der Ehe gleichstellen, Sie wollen das nicht!

(Zurufe von der CDU)

Das ist die politische Auseinandersetzung, keinerlei rechtliche! Sie sagen, es ist etwas anderes, wenn Mann und Frau verheiratet sind, deshalb sollen sie unter anderem steuerrechtlich privilegiert sein.

(Zuruf von der CDU: Das hat mit Steuer- recht nichts zu tun!)

Wir sagen: Alle Menschen, egal, welche sexuelle Orientierung sie haben, die füreinander einstehen, sollen gleich behandelt werden. Deshalb ist der Rest dieses Hauses für die Verfassungsänderung.

(Beifall bei der SPD, beim Bündnis 90/ Die Grünen und bei der FDP)

Meine Damen und Herren, weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.

Die Beratung ist geschlossen.

Wir kommen zur Abstimmung.

Ich lasse als Erstes über das Gesetz zur Änderung der Landesverfassung der Freien Hansestadt Bremen, Drucksache 17/1182, in erster Lesung abstimmen.

Wer das Gesetz zur Änderung der Landesverfassung der Freien Hansestadt Bremen, eingetragene Lebenspartnerschaften mit Ehen gleichstellen, Drucksache 17/1182, in erster Lesung beschließen möchte, den bitte ich um das Handzeichen!

(Dafür SPD, Bündnis 90/Die Grünen, DIE LINKE, FDP und Abg. M ö h l e [parteilos])

Ich bitte um die Gegenprobe!

(Dagegen CDU, Abg. T i m k e [BIW] und Abg. T i t t m a n n [parteilos])

Stimmenthaltungen?

Ich stelle fest, die Bürgerschaft (Landtag) beschließt das Gesetz in erster Lesung.

(Beifall bei der SPD, beim Bündnis 90/Die Grünen, bei der LINKEN und bei der FDP)

Ich lasse nun über das Gesetz zur Änderung der Landesverfassung der Freien Hansestadt Bremen, Anerkennung der Schutzbedürftigkeit eingetragener Lebenspartnerschaften, Drucksache 17/1270 – das ist der CDU-Antrag –, in erster Lesung abstimmen.

Wer das Gesetz zur Änderung der Landesverfassung der Freien Hansestadt Bremen – Anerkennung der Schutzbedürftigkeit eingetragener Lebenspartnerschaften, Drucksache 17/1270, in erster Lesung beschließen möchte, den bitte ich um das Handzeichen!

(Dafür CDU, Abg. T i m k e [BIW] und Abg. T i t t m a n n [parteilos])

Ich bitte um die Gegenprobe!

(Dagegen SPD, Bündnis 90/Die Grünen, DIE LINKE, FDP und Abg. M ö h l e [parteilos])

Stimmenthaltungen?

Ich stelle fest, die Bürgerschaft (Landtag) lehnt das Gesetz in erster Lesung ab. Damit unterbleibt gemäß Paragraf 35 Satz 2 der Geschäftsordnung jede weitere Lesung.

Meine Damen und Herren, gemäß Artikel 125 der Landesverfassung hat die Bürgerschaft (Landtag) Anträge auf Verfassungsänderung nach der ersten Lesung an einen nicht ständigen Ausschuss zu überweisen.

Interfraktionell ist vereinbart worden, dass dieser Ausschuss aus 11 Mitgliedern und 11 stellvertretenden Mitgliedern bestehen soll.

Wir kommen zur Abstimmung über die Einsetzung des Ausschusses sowie der Wahl der Mitglieder und stellvertretenden Mitglieder.