Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich will heute die Sachdebatte nicht vorwegnehmen. Wir debattieren hier auf der Grundlage eines Antrags der CDU, der eine Anhörung zu diesem Thema fordert.
Ich will zunächst auch noch einmal, das ist ja bereits gemacht worden, über den Verlauf der Dinge einiges sagen. Es ist richtig, die Vorlage, die wir in der Arbeits- und Gesundheitsdeputation zu diesem Thema bekommen haben, ist mehrfach von der Tagesordnung wieder abgesetzt worden, in geänderter Form eingebracht worden und auch in der letzten Sitzung der Deputation für Gesundheit selbst noch einmal geändert worden. Um das auch klarzustellen, aus dem Grund haben wir uns seinerzeit, nachdem wir eine Reihe von Fragen in der Deputation – ich war der Einzige, der dort Fragen gestellt hat, liebe Frau Hoch, das wissen Sie ja – zu diesem Thema erörtert haben, als Fraktion dann noch einmal mit Experten rückgekoppelt.
In unserer Fraktion sind wir dann zu dem Schluss gekommen, dass wir dem Entwurf nicht zustimmen können. Das ist, glaube ich, ein ganz normales Verfahren. Es war bereits zu dem Zeitpunkt, als wir in ––––––– *) Vom Redner nicht überprüft.
der Gesundheitsdeputation diskutiert haben, deutlich, dass es Vorbehalte einzelner Fraktionskollegen in meiner Fraktion gab, und ich denke, das werden Sie nachvollziehen können, da das ein völlig übliches Verfahren ist.
Ich will eines sehr deutlich sagen: Ich begrüße die Offenheit und auch die Debatte, die über vielfältige Medienbegleitung entstanden sind, denn nur so – und dazu haben wir als Liberale, das kann ich, glaube ich, schon sagen, auch unseren Beitrag geleistet – wird hier die Notwendigkeit gesehen, noch einmal mit der Öffentlichkeit zu diskutieren. Dementsprechend bin ich auch der Auffassung, dass der Antrag so, wie die CDU ihn jetzt formuliert hat, eigentlich der Sache nicht gerecht wird.
Wir brauchen keine Anhörung, die dazu dienen soll – und das ist natürlich auch ein merkwürdiges Oppositionsverständnis, das sei auch angemerkt –, hier den Entwurf einer Regierung zu beklatschen und öffentlich zu bewerben. Das ist nicht die Aufgabe des Parlaments, Frau Kollegin Dr. Mohr-Lüllmann.
Die Aufgabe des Parlamentes ist es, sich damit seriös zu befassen. In der Tat gibt es hier, soweit ich das weiß, keinen Fraktionszwang, das wäre mir völlig neu, sondern jeder Abgeordnete hier ist frei gewählt und seinem Gewissen und ausschließlich dem verpflichtet und sonst gar nichts.
Wir sind gern bereit, mit Ihnen die Diskussion, aber auf neutralen Boden und mit einem neutralen Ausgang zum Beispiel im Rechtsausschuss, zu führen, aber eben nicht unter der Prämisse, das vorher schon feststeht, was nachher dabei herauskommen soll. Sie müssen ja auch einmal überlegen: Welcher Experte würde sich denn dafür hergeben, sich dort hinzusetzen, sich anhören zu lassen, obwohl der Auftrag ganz klar schon der ist, dass am Ende zugestimmt werden soll? Ich glaube, das hat keinen großen Sinn, was Sie uns hier vorschlagen.
Ich will zum Abschluss auch noch einmal zwei Dinge deutlich machen. Ich begrüße sehr, dass auch der Senat und die einzelnen Senatsmitglieder sich offen
sichtlich einer wirklich fundierten Diskussion unterzogen haben. Ich will dem Senator Herrn Dr. Loske, der sich da ja exponiert und öffentlich dazu geäußert hat, für seine Courage auch meinen Dank aussprechen. Ich glaube, es ist sehr richtig, dass der Senat und die einzelnen Senatsmitglieder sich individuell und persönlich auch eine Meinung bilden, nur muss man natürlich sagen: Es wäre richtig gewesen, wenn die ethische Dimension und auch die Bedenken, die weite Teile der Bevölkerung diesem Entwurf meines Erachtens zu Recht entgegenbringen, früher wahrgenommen worden wären, denn schließlich hat auch das Ressort für Umwelt, Bau, Verkehr und Europa zu diesem Entwurf schon einmal Stellung genommen, und am 21. April des vergangenen Jahres hat das Ressort mitgeteilt, dass seinerseits keine Bedenken bestehen.
Deshalb finde ich es gut, dass der Senator das noch einmal zur Chefsache gemacht hat und jetzt offensichtlich zu einer Neubewertung gekommen ist. Man muss einfach auch einmal deutlich sagen, wie das Verfahren wirklich gelaufen ist. Ich habe den Eindruck, dass vielleicht zum Schluss der Senat und insbesondere die Sozialsenatorin nicht gut beraten waren. Nach der Veröffentlichung ihres Vorschlags sucht sie noch immer nach neuen Argumenten, die dafür sprechen.
Ein besonders abwegiges Argument, finde ich, ist, hier auf den Fall Kevin zu rekurrieren. Dies ist etwas, das will ich deutlich sagen, was mit dem Vorschlag, den Sie gemacht haben, gar nichts zu tun hat. Das kann höchstens als allgemeine Kulisse mit eingeführt werden, warum wir uns mit dem Thema Kindeswohl befassen. Nur will ich Ihnen auch offen sagen, meine Fraktion ist und bleibt der Meinung, dass dieser Vorschlag eben keinen geeigneten und vor allen Dingen verhältnismäßigen Beitrag zur Sicherung des Kindeswohls darzustellen vermag. Deshalb bleiben wir als einzelne individuelle Abgeordnete, aber auch als Fraktionsgemeinschaft bei der Ablehnung dieses Entwurfs.
Wir werden hier Gelegenheit haben, wenn sich der Senat dann auf eine Formulierung verständigt und das im ordentlichen Verfahren auch der Bürgerschaft übermittelt hat, in der Sache zu diskutieren. Ich glaube, man sollte zur Kenntnis nehmen, dass es nicht an einer breiten und differenziert geführten Debatte und den Abbildungen in den Medien mangelt. Es hat gerade noch vor wenigen Tagen wieder einmal eine ganze Seite von Beiträgen in einer großen Tageszeitung gegeben. Dementsprechend sehe ich eigentlich keine Notwendigkeit, hier eine öffentliche Informationsveranstaltung zu machen.
Was wir brauchen, ist eine Veranstaltung, die den Abgeordneten dazu dient, sich fundiert ihre Meinung in der Sache zu bilden. Deshalb begrüßen wir den Vorschlag, dies entsprechend unserem üblichen Gesetzgebungsverfahren auch im Rechtsausschuss der Bremischen Bürgerschaft durchzuführen. Ich will
Ihnen sagen, ich bin auch persönlich ganz gern bereit, mich an der Organisation einer solchen Anhörung zu beteiligen. – Vielen Dank!
Sehr geehrter Herr Präsident, meine Damen und Herren! Wir diskutieren derzeit ein sehr sensibles, aber auch ein sehr umstrittenes Thema. Alle Kinder unter sechs Jahren, die aus ungeklärter Ursache sterben, bei denen die Todesursache nicht zweifelsfrei erkennbar oder nicht zweifelsfrei bekannt ist, sollen zukünftig auch gegen den Willen der Eltern obduziert werden.
Herr Brumma, ich finde es nicht unerheblich, wenn der Senat bislang einem Gesetzesentwurf noch nicht zugestimmt hat. Die Deputation hat es mehrheitlich getan. Insofern haben wir einen Gesetzesentwurf in der öffentlichen Debatte, und dem sollten wir auch Rechnung tragen. Das Problem ist doch vielmehr, dass diese Gesetzesvorlage sogar in der Koalition umstritten ist, da diese auch mehrfach in der Deputation für Arbeit und Gesundheit verschoben wurde.
Wir sind der Auffassung, dass vor und nach Beschlussfassung innerhalb der Deputation für Arbeit und Gesundheit es nun Aufgabe der Senatorin gewesen wäre, die Menschen, ja, die gesamte Öffentlichkeit für das Thema vor allem vor dem Hintergrund, den wir auch in der Deputationsvorlage lesen konnten, des verstärkten Augenmaßes auf das Kindeswohl in unserem Land zu sensibilisieren, vielleicht aber auch gerade um für Verbündete zu sorgen und um Verbündete zu werben. Das Interesse, wie gesagt, ist vorhanden. Möglicherweise war es auch einfach zu wenig, wie es in der Deputationsvorlage heißt, dass der Gesetzentwurf einigen Senatoren, dem Magistrat der Stadt Bremerhaven, dem Berufsverband der Kinder- und Jugendärzte, der Evangelischen Kirche, der Katholischen Kirche und dem Kinderschutzbund zugeleitet wurde. Vielleicht reicht es einfach nicht aus, hier auf Antworten zu warten. Vielleicht ist es sinnvoll, einen öffentlichen Diskurs, eine öffentliche Debatte zu organisieren.
Ich möchte an dieser Stelle keine inhaltliche Bewertung des Gesetzes vornehmen. DIE LINKE hat in der Deputation auch erst einmal ihre Zustimmung signalisiert. Vielmehr steht hier eine größtmögliche Transparenz vor Verabschiedung einer Gesetzesänderung zur Debatte. Das Anliegen, eine öffentliche Anhörung zur geplanten Gesetzesänderung durchzuführen, unterstützt die Linksfraktion nachdrücklich. Erst dann können Pro- und Kontra-Positionen, die Gefahr, dass selbst tödliche Kindesmisshandlungen nicht erkannt werden, aber auch ethische Bedenken und die Angst vor einer Vorverurteilung der Elten diskutiert und abgewogen werden.
Vielleicht ergibt sich auch aus dieser Diskussion, geehrte Frau Senatorin, dass ein Richter das letzte Wort haben soll, wenn sich Eltern gegen eine Obduktion aussprechen. Unserer Meinung nach, Herr Dr. Möllenstädt, können darüber hinaus Experten wertvolle Anregungen innerhalb einer Diskussion geben, und zwar bevor ein Gesetz auf den Weg gebracht wird. Insofern stimmen wir dem Antrag der CDU zu. – Vielen Dank!
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Noch ganz kurz von meiner Seite: Es ist doch völlig klar, dass es jetzt zu diesem Zeitpunkt eine öffentliche Diskussion gibt und dass ein Informationsdefizit besteht. Ich meine, das kann sicherlich keiner verneinen. Die Debatte muss aus unserer Sicht jetzt geführt werden, und wenn sie in den Rechtsausschuss sollte, dann haben wir ja gar nichts dagegen. Natürlich kann sie in den Rechtsausschuss, Herr Möllenstädt. Es ist auch in Ordnung, dass Abgeordnete davon überzeugt werden sollen. Aber wer auch überzeugt werden muss, das sind die Menschen draußen. Da brauchen wir eine breite Akzeptanz.
Daher sind Anhörungen nicht gleichzustellen mit Stellungnahmen, die schriftlich eingeholt werden, und das, was wir hören, ist auch noch in kurzen Worten verfasst. Anhörungen dienen auch dazu, Überzeugungsarbeit zu leisten und vielleicht zu einer Versachlichung in einem Themenkomplex wie diesem zu führen. Insofern kann ich nur sagen, die Debatte muss jetzt geführt werden, bevor der Senat entscheidet. Das ist unsere Auffassung dazu. – Vielen Dank!
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Mein Vorschlag zur Änderung des Gesetzes über das Leichenwesen hat, wie es bei diesem Thema sicherlich auch nicht anders zu erwarten war, zu einer kontroversen öffentlichen Debatte über das Für und Wider geführt. Ich will hier ausdrücklich sagen, dass wir diese Debatte heute nicht inhaltlich führen. Dann, glaube ich, müssten wir und würden wir ja auch ganz anders debattieren. Im Moment reden wir jedoch über das Verfahren. ––––––– *) Von der Rednerin nicht überprüft.
Die Argumente, die in Ihrem Antrag hier genannt werden, liebe Mitglieder der CDU-Fraktion, sind dabei schon etwas eigenwillig, so will ich es einmal sagen. Deswegen ist es noch einmal wichtig, hier zusammenzuführen und zu erklären, wie das Verfahren gelaufen ist. Wie bei jedem Gesetzentwurf wurde neben der senatsinternen Abstimmung – Herr Dr. Möllenstädt hat darauf hingewiesen, wann und zu welchen Zeitpunkten diese stattgefunden hat – eine schriftliche Anhörung der mit dem Thema im weiteren Sinne befassten Organisationen durchgeführt. Dazu gehören unter anderem die Kirchen, die Ärzteschaft und der Deutsche Kinderschutzbund. Das sind alles Organisationen, die an allererster Stelle mit uns über Kinderschutz reden. Bei diesen Anhörungen haben alle bis auf das Katholische Büro und den Deutschen Kinderschutzbund diesem Gesetzesvorhaben zugestimmt.
Das Katholische Büro hat hier zwei Punkte ins Feld geführt: Zum einen hat es die emotionale Belastung der Eltern – darüber diskutieren wir, und das nehmen wir ernst, das zeigt auch diese Debatte – und zum anderen die Gesetzgebungskompetenz des Landes thematisiert. Hier hat die rechtliche Prüfung, die auch in einem Gesetzesvorhaben ganz selbstverständlich vorzuschalten ist, ergeben, dass die Problematik, also eine Zuständigkeit der Gesetzgebungskompetenz des Landes, nicht besteht.
Der Kinderschutzbund, ich will das hier noch einmal sagen, hat sich nicht zu Wort gemeldet. Wir haben dann unsererseits, die Fachabteilung hat dann ihrerseits mit dem Büro und der Berliner Zentrale ein Telefonat geführt. Dort ist zwar kritisch auf die emotionale Wirkung auf die Eltern eingegangen worden, aber für den Kinderschutzbund gab es keinen Anlass, uns hier eine schriftliche Stellungnahme vorzulegen.
Die im Verwaltungsverfahren bei einer Gesetzesänderung übliche Anhörung hat also somit korrekt stattgefunden. Das ist ein feststehender Ablauf, der von uns eingehalten worden ist. Insofern ist diese Kritik, Frau Dr. Mohr-Lüllmann, vollständig unbegründet.
Vor der Zuleitung an den Senat habe ich unseren Vorschlag dann der Gesundheitsdeputation vorgelegt. Wir haben in der Deputationssitzung über dieses Gesetzesvorhaben debattiert und diskutiert. Ich habe dort keine Wortmeldung der CDU-Fraktion, ich darf das so sagen, wahrgenommen. Sie haben dem Gesetzesvorschlag zugestimmt, und letztendlich hat es eine Abstimmung gegeben. Ich glaube, aus Gründen der Fairness und der Klarheit muss man hier einfach noch einmal sagen, dass es dort eine Zustimmung bei einer Enthaltung durch Herrn Dr. Möllenstädt gab. Er hat aber eingangs gesagt, dass er die
sen Gesetzesentwurf nicht für richtig hält. Er hat sich aber am Ende der Debatte und der Diskussion der Stimme enthalten. Diese eher unentschiedene Haltung, Herr Dr. Möllenstädt, hat Sie aber anschließend nicht daran gehindert, mir dann das Thema „Eiseskälte“ in einer Presseerklärung vorzuhalten. Das halte ich für eine ganz schwierige Einlassung, sich zunächst zu enthalten, und dann daraufzuschlagen. Ich glaube, das ist eigentlich nicht der politische Stil, den wir pflegen.
Es ist völlig klar, dass je nach ethischer Wertung der Ausgangslage – je nachdem, was vorrangig ist, das Elternrecht auf Selbstbestimmung oder das Kindeswohl – unterschiedliche Positionen zur regelhaften Obduktion eines toten Kleinkindes bei äußerlich nicht erkennbarer Todesursache bezogen werden können. Hier geht es nicht um richtig oder falsch, sondern es geht um eine jeweils individuell auf einer ethischen Grundlage zu treffende Entscheidung. Das ist eine Grundsatzfrage, darauf habe ich von Anfang an hingewiesen. Das heißt aber auch, Herr Dr. Möllenstädt, ich will das gern noch einmal sagen, dass man sich den gegenseitigen Respekt trotz gegensätzlicher Positionen nicht verweigert. Mit dem Vorwurf der Eiseskälte einen politischen Punkt machen zu wollen, halte ich in dieser Frage für vollkommen unangemessen.
Der Senat wird sich voraussichtlich in der kommenden Woche mit meiner Vorlage befassen. Sollte der Senat dann die Vorlage an die Bürgerschaft weiterleiten, wovon ich heute ausgehe, dann wird sich auch und vor allem im Rahmen ihrer Beratungen eine gute Gelegenheit bieten, über das Für und Wider hier intensiv zu debattierten und zu beraten.
Im Übrigen ist festzustellen, dass sowohl die örtliche öffentliche und auch die nationale Debatte außerordentlich fair und sehr differenziert mit diesem Thema umgegangen ist, auf einem sehr guten Niveau stattgefunden hat und weiterhin stattfindet. Lassen Sie uns deshalb weiterhin ernsthaft die Diskussion um dieses Gesetz führen. Ich halte das Gesetz, so wie es jetzt vorgelegt werden wird, für einen weiteren Baustein zur Verbesserung des Kinderschutzes. Das ist unser gemeinsames Ziel. – Herzlichen Dank!