Protocol of the Session on August 26, 2009

(Beifall bei der SPD, beim Bündnis 90/Die Grünen und bei der LINKEN)

Als nächster Redner erhält das Wort der Abgeordnete Erlanson.

Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren! Ich will einmal so herum anfangen: Ich glaube, meine Vorredner haben alle zu Recht gesagt, dass diese Anfrage und die Antworten, die der Senat gegeben hat, an manchen Stellen einfach ein bisschen dünn sind, weil bei ihnen tatsächlich die Handlungsoption fehlt. Das ist etwas, was ich daran vermisse, wo ich sage, es werden zwar Probleme aufgezeigt, aber es wird auf der anderen Seite nicht gesagt, wie man mit diesen Problemen eigentlich umgehen will. Den Hinweis, der von vielen gegeben worden ist, dass man diese Antworten zusammen mit der Erhebung des Rat & Tat Zentrums zusammen lesen sollte, finde ich sehr zweckdienlich, denn wenn man das macht, wird man in der Tat feststellen, dass es in der Gesellschaft noch sehr große Probleme gibt, die freie sexuelle Orientierung anzuerkennen. Das ist ein Problem, daran muss noch weiter gearbeitet werden. ––––––– *) Vom Redner nicht überprüft.

Wir als LINKE vertreten zumindest in dem Punkt Änderung des Grundgesetzes eigentlich die gleiche Meinung, wie Herr Tschöpe sie eben vorgetragen hat. Ich denke, wir müssen bestimmte Grundrechte auch als Grundrechte bezeichnen und dementsprechend im Grundgesetz aufnehmen, damit man ein Diskriminierungsverbot auch rechtlich durchsetzen kann. Was nützt es jemandem, wenn man das rechtlich nicht durchsetzen kann? Es ist ein wichtiger Schritt, den die Kolleginnen und Kollegen dort mit dem Dringlichkeitsantrag gegangen sind. Ich finde das in allen Punkten gut, aber natürlich müssen wir mehr und mehr danach handeln, und ich glaube, dass gesagt wurde, dass auch Parlamentarier im normalen Umgang mit anderer sexueller Orientierung auch ein Beispiel sein sollten, das ist das Wenigste, was man tun kann.

(Beifall bei der LINKEN)

Es gibt aber sicherlich auch noch viele institutionelle Schritte, die noch gegangen werden müssen, die leider vom Senat nicht erwähnt werden. Wir werden aber trotzdem diesen ersten und richtigen Schritten zustimmen. – Danke!

(Beifall bei der LINKEN, bei der SPD und beim Bündnis 90/Die Grünen)

Als nächster Redner erhält das Wort der Abgeordnete Dr. Möllenstädt.

Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Für die FDP-Fraktion darf ich mich zunächst für die Vorlage des Berichts bedanken. Den Bericht haben wir im Oktober 2008 vom Senat abgefordert, und er umfasst eine ganze Reihe wichtiger Punkte, angefangen beim Diversity-Management, beim Umgang in der Schule mit der Sexualerziehung, bei der Bekämpfung von Homophobie werden neue inhaltliche Akzente aufgezeigt und – das ist bereits angesprochen worden – auch die Ergebnisse der Fragebogenaktion des Rat & Tat Zentrums mit einbezogen. Auch das ist ausdrücklich zu begrüßen, weil ich glaube, dass da sehr wichtige neue Erkenntnisse gewonnen werden könnten.

(Beifall bei der FDP)

Weiterhin widmet sich der Bericht der Zusammenarbeit zwischen dem Bund und den Bundesländern auf diesem Gebiet der Lebenssituation von homosexuellen Migranten – auch das ist sicherlich ein wichtiges Thema, das weitere Beachtung verdient –, aber auch dem Thema Gewalterfahrungen. Insofern ist da ein ausgewogener Bericht entstanden. Ich hätte mir an der einen oder anderen Stelle gewünscht, dass er noch etwas mehr in die Tiefe geht. Das, denke ich, geht allen beteiligten Kollegen so, die auf diesem Themengebiet arbeiten, aber was hier nicht ist, das

kann ja in Zukunft noch werden. Ich bin guter Hoffnung, dass wir das ein oder andere Thema noch vertieft diskutieren können.

(Beifall bei der FDP)

Bevor ich auf den Antrag, den die SPD-Fraktion und die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen eingebracht haben, eingehe, erlauben Sie mir eine kurze Bemerkung zu dem, was der Kollege Möhle hier eingefordert hat! Ich persönlich, und das ist auch die Meinung der FDP-Fraktion, bin der Auffassung, dass es einem jedem selbst frei überlassen ist, über seine sexuelle Identität in der Öffentlichkeit zu informieren, sich zu outen oder auch nicht; das ist etwas, das in den privaten Bereich gehört, und deshalb sind wir der Auffassung, dass es auch keiner öffentlichen Aufforderung dazu bedarf, sondern das ist etwas, das zutiefst privat ist, und das soll auch so bleiben.

(Beifall bei der FDP)

Zu dem Antrag der Koalition, zur Ergänzung des Grundgesetzes! Lieber Kollege Tschöpe, ich nehme Ihnen persönlich ab, dass Ihnen dieses Thema sehr wichtig ist. So geht es mir persönlich auch, und es würde uns vielleicht insgesamt etwas leichter fallen, wenn dieser Antrag hier nicht unmittelbar vor einer Bundestagswahl vorliegen würde, weil man so doch ein wenig den Eindruck gewinnt, dass gerade die SPD doch ein wenig von den wenigen Erfolgen ablenken will, die sie in den letzten vier Jahren in der Bundespolitik erreicht hat, denn dort sind ja die Sozialdemokraten auf diesem Themenfeld alles andere als erfolgreich gewesen.

(Beifall bei der FDP)

Immer noch steht die Gleichstellung im Beamtenrecht aus, bei der Erbschaftssteuerreform kann man auch alles andere als zufrieden sein, und beim Adoptionsrecht ist es so, dass Ihre Ministerin seit Monaten eine Studie unter Verschluss hält, die dort wirklich bahnbrechende Erkenntnisse versprochen hat. Insofern, glaube ich, muss man hier in aller Ehrlichkeit diskutieren.

Ich sage Ihnen, die Position der FDP ist die: Wir würden uns konkrete Fortschritte wünschen. Das, was Sie hier vorschlagen, erscheint uns zu kurz gesprungen. Wenn man über eine Grundgesetzreform nachdenkt, muss man das nach unserer Auffassung im Paket tun; man muss auch überlegen, wie man dies mehrheitsfähig im Sinne einer Zweidrittelmehrheit hinbekommen kann, die können wir im Augenblick nicht erkennen, jedenfalls nicht auf diesem Weg. Ich sage Ihnen auch, wir werden uns zu dem Antrag enthalten, weil wir das von der Zielrichtung durchaus teilen, aber glauben, dass es Ihnen hier im Moment

mehr um Aktionismus geht als darum, wirklich ernsthafte Fortschritte zu erreichen.

(Beifall bei der FDP)

Die hätten Sie in der jetzigen Koalition in Berlin ohne Probleme erreichen können. Lassen Sie mich noch auf zwei Dinge eingehen! Zum einen hat dieses Thema ja noch eine andere Komponente, da bin ich auch dem Redner der LINKEN sehr dankbar. Wenn es Ihnen wirklich ernst ist mit dem, was Sie vorgetragen haben, Herr Erlanson, dann müssten Sie sich zuforderst zunächst einmal für die Inkraftsetzung des Lissabonvertrags einsetzen, der nämlich den Antidiskriminierungskatalog der Grundrechtecharta mit beinhalten würde und somit dann auch unmittelbar geltendes Recht in Deutschland umsetzen würde.

(Beifall bei der FDP und beim Bündnis 90/ Die Grünen)

Das müssen Sie sehen, bei aller kritischen Haltung, die die Fraktion der LINKEN zu diesem Thema in den letzten Monaten hat deutlich werden lassen. Das gehört dann nämlich auch dazu! Lassen Sie mich noch auf einen Punkt eingehen, lieber Herr Tschöpe! Sie haben das, was Sie vorhaben, ja hier ausführlich begründet. Ich will Ihnen am Schluss ein Zitat von einer ihrer Parteifreundinnen mit auf den Weg geben. Die Bundesjustizministerin Frau Zypries hat sich in einem Interview vor einigen Wochen gegenüber der Zeitschrift „Siegessäule“ geäußert. Dort hat sie folgenden Satz, den ich mit Erlaubnis des Präsidiums zitieren darf, geäußert: „Das Grundgesetz diskriminiert keine Minderheiten. Der allgemeine Gleichheitssatz gilt für alle, auch für Lesben und Schwule, und setzt den Staat hier unter Rechtfertigungsdruck. Wann immer er vergleichbare Dinge unterschiedlich regeln will, muss er dafür einen guten Grund haben.“ Frau Zypries hat recht, es gibt keine Diskriminierung auf Basis des Grundgesetzes, das steht nicht darin, und deshalb gibt es auch keine Notwendigkeit, jetzt hier eine Veränderung vorzunehmen. Ich glaube, hier geht es in der Tat mehr um Symbolik als wirklich um konkrete Fortschritte. Wir schlagen Ihnen vor, arbeiten sie mit uns weiter an den konkreten Fortschritten, dann können wir in den nächsten Jahren auch wirklich erfolgreich sein! Ich denke, das ist die Ebene, auf der wir hier in Zukunft diskutieren sollten. – Herzlichen Dank!

(Beifall bei der FDP)

Als nächster Redner hat das Wort der Abgeordnete Möhle.

Herr Präsident, sehr verehrten Damen und Herren! Herr Dr. ––––––– *) Vom Redner nicht überprüft.

Möllenstädt, ich habe eben nicht davon geredet, dass ich finde, dass jemand, der hier im Haus homosexuell ist, sich sozusagen zwangsouten müsste, bei Weitem nicht!

(Beifall bei der LINKEN)

Ich habe mir nur gewünscht, dass diejenigen, die eine solche Orientierung haben, die Kraft hätten, gerade als Abgeordnete, damit umzugehen, weil das eine deutliche Signalwirkung in die Gesellschaft hätte.

(Beifall bei der SPD und bei der LINKEN)

Sie sagen, dass sei eine zutiefst private Entscheidung, das ist wohl wahr, das ist aber auch gleichzeitig Kern des Problems, weil es auf der einen Seite eine zutiefst private Entscheidung ist, auf der anderen Seite ist Diskriminierung aber ein gesellschaftliches Phänomen, und genau diese Bandbreite zu überbrücken, ist auch Aufgabe des Landtags, auch mit Gesetzesanträgen!

Der SPD jetzt vorzuwerfen, dass sie mit diesem Antrag von irgendetwas ablenken wollte, mit Verlaub, das verkennt die Wirkung vollends. Den Antrag der SPD zur Änderung des Grundgesetzes als Wahlkampfspektakel abzutun, ich weiß nicht, da habe ich schon andere Geschichten erlebt, die man als solches bezeichnen kann. Ich unterstelle der SPD jedenfalls an dieser Stelle große Ernsthaftigkeit, mit uns gemeinsam, in dem Bemühen, diese Gesellschaft von Diskriminierungsabsichten zu befreien. Da ist in der Tat eine Grundgesetzänderung nicht das Allheilmittel, aber ein deutliches Signal auch des Staates, nämlich in die Richtung, was wir wollen, das wird da definiert. Der Weg dahin wird ein langer bleiben.

Frau Dr. Mohr-Lüllmann, der Bericht hat mit Sicherheit nicht alle Facetten, alle Probleme erfassen können. Sie sagen, es würde nur Sinn machen, das gemeinsam mit dem Umfrageergebnis des Rat & Tat Zentrums zu betrachten. Ich habe die Erfahrung mit dem zuständigen Menschen aus dem Ressort gemacht, dass sie sehr wohl die Rat & Tat Geschichte nicht nur haben einfließen lassen, sondern sogar gefördert und unterstützt haben. Ich würde mir wünschen, dass die Förderung für das Rat & Tat Zentrum großzügiger ausfallen würde. Das sind dann allerdings Fragen, die wir in der Haushaltsaufstellungsdebatte diskutierten müssen, und dann wird man ja sehen, wer dem dann an welcher Stelle zustimmt oder nicht.

Ich sage noch einmal, ich glaube, dass dieses Haus an der Stelle – und es ist ein ausgesprochen sensibles Thema, weil Herr Kollege Dr. Möllenstädt tatsächlich recht hat, es ist der Widerspruch zwischen zutiefst privater Orientierung und gesellschaftlicher Ächtung – die Aufgabe hat, da herauszukommen, und in dem Sinne sind wir durchaus ein Stück weitergekommen.

Ich würde mir übrigens wünschen, dass Sie den Antrag zur Grundgesetzänderung mitmachen würden,

weil ich den Eindruck habe, dass es tatsächlich weiterhilft. Deswegen würde ich dafür werben, alles zu tun, was deutlich das Signal aussendet, wir wollen in diesen Fragen überhaupt keine Diskriminierung mehr zulassen! – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen und bei der SPD)

Das Wort erhält Frau Senatorin Rosenkötter.

Sehr geehrter Herr Präsident, liebe Abgeordnete! Bremen ist ein weltoffenes und liberales Bundesland, doch diese Weltoffenheit und Liberalität ist nichts Selbstverständliches; jeden Tag aufs Neue müssen wir etwas dafür tun, müssen wir sie verteidigen und müssen sie erkämpfen. Das möchte ich für und von Bremen aus für die Lebenssituation von Lesben und Schwulen auch tun.

(Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/ Die Grünen)

Die Ergebnisse der von mir und meiner Behörde unterstützten Umfrage des Rat & Tat Zentrums sagen gerade, dass es weiter gilt, gemeinsam daran zu arbeiten, diese Lebenssituation zu verbessern, und ich bin dem Rat & Tat Zentrum sehr dankbar, dass es hier nicht nur die Fragebogenaktion durchgeführt hat, sondern dieses Thema auch sehr sensibel angepackt und uns hier auch eine Auswertung geliefert hat, die ich als eine Bereicherung der Diskussion insgesamt empfinde und als eine Bereicherung auch zu dem Bericht, den wir aus unserer Behörde dazugegeben haben.

Wir wissen, dass sich hier in den letzten Jahren eine ganze Menge bewegt hat und auch viel bewegt hat, um die Lebenssituation von Lesben und Schwulen zu verbessern. Sicherlich ist ein Meilenstein dieser Politik das Jahr 2001 gewesen, als die Homo-Ehe gegen den Widerstand von Kirchen und Union im Bundestag durchgesetzt wurde. Bremen ist das erste Bundesland, das im Beamtenrecht die Eingetragene Lebenspartnerschaft der Ehe gleichgestellt hat. Bremen ist für eine Gleichstellung der Eingetragenen Lebenspartnerschaften mit der Ehe im Bereich des Einkommenssteuerrechts im Bundesrat aktiv geworden, um nur einmal einige Dinge zu benennen, die initiativ von Bremen, von diesem Parlament hier, insbesondere von den Regierungsfraktionen, ausgegangen sind. Der Schutz der sexuellen Identität steht seit 2001 im Diskriminierungsverbot der Bremer Landesverfassung – eine Regelung, die im Grundgesetz so nicht zu finden ist –, und ich und der Bremer Senat hoffen sehr und setzen darauf, dass die Initiative zur Änderung des Grundgesetzartikels 3 erfolgreich sein wird. Ich bin da grundsätzlich ganz anderer Meinung, das Grundgesetz hat eine Wirkung, hat

eine Verbindlichkeit. Wer das infrage stellt, stellt hier die Grundfesten unseres Zusammenlebens infrage.

(Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/ Die Grünen)

Meine Damen und Herren, gestatten Sie mir an dieser Stelle einen ganz kurzen Rückblick in die Geschichte der Bundesrepublik! Dass das Grundgesetz viele Jahre lang insbesondere schwule Männer nicht geschützt hat, darauf hat der Abgeordnete Tschöpe schon hingewiesen, auch, dass bis 1969 der vom NSRegime verschärfte Strafgesetzparagraf 175 weiter gegolten hat und die strafrechtliche Verfolgung homosexueller Männer an dieser Stelle fortgesetzt wurde. Homosexuelle Überlebende des NS-Staates galten in der Bundesrepublik als vorbestraft, und es kam durchaus vor, dass auch aufgefordert wurde, Reststrafen im Zuchthaus abzusitzen. Sie sehen daran, dass allgemeine Formulierungen, wie wir sie im Grundgesetzartikel 3 finden, nicht immer ausreichend klar sind, und deswegen trete ich auch für eine Verbesserung dieses Artikels ein.

Wir stellen fest, dass es durchaus Erfolge gibt – und das sagt auch der Bericht aus meinem Haus –, die hier die Lebenssituation verbessert haben. Fakt ist aber auch, dass das bisher Erreichte nicht ausreicht, dass wir uns darauf nicht ausruhen dürfen, sondern dass wir gemeinsam weiter daran arbeiten müssen, insbesondere auch da, wo wir davon wissen. Jeglicher Diskriminierung gegen Menschen mit einer anderen sexuellen Orientierung ist wirklich energisch entgegenzutreten!

(Beifall bei der SPD, beim Bündnis 90/Die Grünen und bei der LINKEN)

Da ist immer, wenn es hier auch erste Ansätze gibt, überhaupt keine Nachsicht an dieser Stelle zu üben. Deswegen ist es auch wichtig, dass wir die Umfrageergebnisse, die jetzt aus der Fragenbogenaktion des Rat & Tat Zentrums vorliegen, sehr genau anschauen und daraus auch die entsprechenden Konsequenzen weiter voranbringen. Ich denke, dass dieses Thema zum Beispiel verpflichtend in die Unterrichtspläne der Schulen gehört, dass es in die Ausbildung von Erzieherinnen und Erziehern, von Lehrkräften, aber auch von Altenpflegern und von Polizeibeamten gehört.

(Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/ Die Grünen)

Ja, ich will das ruhig so sagen, der Mut, den die Gesamtschule Ost gehabt hat, hier dieses Thema mit Schülerinnen und Schüler in der Schule aufzugreifen, hat uns ein Stück weit gezeigt, welche Thematik, welche Aufgabe für uns darin steckt, und wir sollten und dürfen diese Chance gar nicht vertun, dass