Ich bin auch nicht dafür, dass wir auf die Achtundsechziger warten, die vielleicht immer noch nicht verstanden haben, wohin der Hase läuft, sondern dass wir jetzt handeln und entschieden vorangehen, und es würde dieser Koalition aus meiner Sicht wirklich gut zu Gesicht stehen, wenn sie dem Parlament hier einmal etwas mehr in seiner Gänze zutrauen würde, also auch den Fraktionen der Opposition. Deshalb die Bitte, diesen Gesetzentwurf im Interesse aller Beteiligten zügig vorzulegen.
Frau Senatorin Rosenkötter, ich kann Sie beruhigen, Sie haben von Effekthascherei gesprochen, das andere Bild mit dem fahrenden Zug, das will ich lieber nicht bemühen, das ist ein, finde ich, nicht sehr passendes Beispiel. Aber das, was Sie machen, das bewirkt nun wirklich überhaupt keinen Effekt, nämlich, nichts zu tun und abzuwarten und uns hier zu vertrösten, damit ist kein Staat zu machen. Ich befürchte auch, wenn es so weitergeht, dass Sie Ihr Wort, das Sie im Januar hier gegeben haben, nämlich, dass dieses Gesetz dann auch zum Jahresende in Kraft treten kann, nicht halten werden. Wir haben dazu auch erhebliche Vorschläge und Änderungsvorschläge und uns Gedanken gemacht, und ich halte es für gut, dass diese auch ordentlich im parlamentarischen Verfahren eingebracht werden.
Mit uns wird das hier auch kein „Schweinsgalopp“ werden, das will ich auch sehr deutlich sagen. – Herzlichen Dank!
Wer dem Antrag der Fraktion der FDP mit der Drucksachen-Nummer 17/782 seine Zustimmung geben möchte, den bitte ich um das Handzeichen!
Bevor ich nun den nächsten Tagesordnungspunkt aufrufe, möchte ich auf der Besuchertribüne ganz herzlich eine Gruppe der Arbeiterwohlfahrt aus Obervieland begrüßen. Herzlich willkommen in der Bremischen Bürgerschaft!
Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Die LINKE legt Ihnen heute einen Antrag vor, mit dem die Kriterien für ein bremisches Vergabegesetz überarbeitet und rechtlich geprüft werden sollen. Die Linksfraktion fordert mit ihrem Antrag die Landesregierung auf, die rechtlichen Möglichkeiten zur Ausgestaltung des Bremer Vergabegesetzes mit sozialen und vor allem ökologischen Kriterien zu prüfen.
Die Bürgerschaft verständigte sich bereits in einer zurückliegenden Sitzung darauf, ein überarbeitetes Vergabegesetz für Bremen auf den Weg bringen zu wollen. Angesichts der Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs zum niedersächsischen Vergabe
gesetz, wonach es unter bestimmten Bedingungen unzulässig sei, die Vergabe öffentlicher Aufträge an die tarifliche Entlohnung der Beschäftigung zu binden, hält die Linksfraktion eine rechtliche Prüfung für notwendig, vor allem, in welcher Weise Tariftreue und die Zahlung von Mindestentgelten sowie weitere soziale und ökologische Kriterien rechtskonform gestaltet werden können, wie beispielsweise in unserem Antrag aufgeführt: die Einhaltung der ILO-Kernarbeitsnormen zur Wahrung elementarer Menschenrechts-, Gesundheits-, und Arbeitsschutzbestimmungen, die Einhaltung der Kriterien für fairen Handel, aber auch die Voraussetzungen einer Öko-AuditZertifizierung, die Verhinderung von Korruption und Steuerflucht sowie die Überarbeitung der Sanktionen beziehungsweise Vertragsstrafen in einem Vergabegesetz. Wenn es Rot-Grün mit der baldigen Beschlussfassung eines Vergabegesetzes für Bremen ernst meint, können Sie sich dem Antrag der Linksfraktion nur schwerlich verschließen. Dass ich mit dieser Einschätzung zumindest richtig zu liegen scheine, zeigt mir die von Ihnen dankenswerterweise signalisierte Zustimmung zur Überweisung des Antrags in die entsprechend zuständigen Deputationen. Ich hoffe natürlich, dass es sich dabei nicht nur um Wahltaktik handelt, sondern auch konkret an diesem bremischen Vergabegesetz gearbeitet wird. Ein Vergabegesetz ist zwingend notwendig, um Unternehmen, die öffentliche Aufträge erhalten, an tarifliche Lohnzahlungen beziehungsweise an Mindestentgeltgrenzen zu binden, um Lohndumping wirksam zurückzudrängen. Solche Regelungen in einem Vergabegesetz sind solange nötig, bis auf Bundesebene ein gesetzlich existenzsichernder Mindestlohn eingeführt wird. Wie titelte auch die Gewerkschaftspublikation „ver.di PUBLIK“ zutreffend, ich zitiere mit Erlaubnis der Präsidentin: „Der Staat darf beim Einkauf auf Qualität achten. Wenn die öffentlichen Beschaffer ihre Macht nutzen, können sich die Arbeits- und Lebensbedingungen vieler Menschen verbessern.“ Die Verbesserung von Arbeits- und Lebensbedingungen ist das Ziel aller hier vertretenen Fraktionen. Deswegen bitten wir um Zustimmung und um Überweisung des Antrags in die entsprechenden Deputationen! – Vielen Dank! (Beifall bei der LINKEN)
Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren! Frau Nitz, uns allen hier liegt Wahlkampf natürlich völlig fern. Wir machen hier, denke ich, insgesamt auch Politik, aber natürlich, das will ich vorwegschicken, sind wir damit einverstanden und beantragen, dass Ihr Antrag an die Deputation für Wirtschaft und Häfen überwiesen wird. ––––––– *) Vom Redner nicht überprüft.
Wir machen das auch deshalb – das hat mich etwas erstaunt an Ihrem Antrag –, weil wir ja eigentlich am 13. Dezember 2007 bereits eine erste Lesung eines neuen Tariftreuegesetzes gehabt haben und Sie in Ihrem Papier, das Sie hier vorlegen, immer noch Bezug auf das alte Gesetz nehmen. Insofern wäre es klug gewesen, sich einiges darin noch einmal anzuschauen. Sie werden in dem Gesetzentwurf zum Beispiel die Vergabe nach Losen, also das, was Sie fordern, schon finden. Sie werden dort finden, dass auch soziale Aspekte bei der Vergabe mit berücksichtigt werden sollen. Das war damals, im Dezember 2007, durchaus ein Streitpunkt untereinander. Sie werden dort aber nicht das finden, was Sie in Ihrem Antrag an mehreren Stellen formulieren, nämlich dass Sie von vornherein bestimmte Bieter gleich ausschließen wollen. Das heißt, Sie wollen einen Wettbewerb überhaupt nicht zulassen, und Sie wollen Unternehmen sogar etwas vorschreiben, was wir wirklich nicht rechtsverbindlich machen können. Wir können nicht bei einer bestimmten Auftragsvergabe und einer Höhe oder Größe eines Unternehmens das Unternehmen verpflichten, beispielsweise Maßnahmen zur Gleichstellung der Frau durchzuführen. Das wird rechtlich nicht haltbar sein.
Sie haben eben selbst ausgeführt, es muss rechtskonform sein. Rechtskonform muss auch verlässlich sein, das wollen wir auch garantieren. Wenn Sie sich den Gesetzentwurf von damals noch einmal anschauen, finden Sie, dass bei gleichwertigen Angeboten eben diese sozialen Kriterien den Ausschlag geben sollen. Das ist der Weg, über den das nur gegangen werden kann.
Ich will an dieser Stelle dann auch etwas zur Frage der Tariftreue und des Mindestlohns sagen! Wir Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten streben an, in diesem Gesetz zu Formulierungen zu kommen, dass wir, wenn wir schon nicht allgemein verbindliche Tarifverträge haben, den Mindestlohn an dieser Stelle sicherstellen können. Wir sind sehr darum bemüht, die entsprechenden rechtlichen Formulierungen dazu zu finden. Unser Kern bleibt aber: Wir wollen, dass hier eine Mindestentlohnung bei öffentlichen Vergaben auch tatsächlich stattfindet.
Im Übrigen haben Sie die ILO-Kernarbeitsnorm aufgeführt. Das ist ein Punkt, bei dem wir uns sofort entgegenkommen können, das werden wir auch bei uns mit aufnehmen. Von daher, denke ich, ist der richtige Weg, es im Detail – wobei ich es eben auch schon getan habe und der Versuchung erlegen bin – in der Deputation zu behandeln, um noch in diesem Jahr ein Tariftreuegesetz vorlegen zu können.
Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren! Vielleicht muss man auch für etwas normalere Menschen einmal erklären, worum es eigentlich geht, wenn man über Vergabegesetze redet! Es geht darum, dass die öffentliche Hand, der Staat also, Bauaufträge vergibt oder Ähnliches. Ich würde zu Bauaufträgen als Privatmann sagen: Wenn ich mir ein Haus bauen will, will ich erstens möglichst wenig bezahlen und zweitens eine gute Qualität. Das sind die Kriterien, die mich als Privatmensch zuerst interessieren. Aufgabe des Staates ist es also, weil die Bauaufträge mit Steuermitteln vergeben werden, also mit unser aller Geld, auf gute Qualität zu einem guten Preis zu achten. Das ist das erste Anliegen.
Das Zweite ist aber – und dann kommt man nämlich dazu, dass das Vergabegesetz immer komplizierter wird –, man möchte natürlich auch nicht nur gute Qualität zu einem guten Preis, sondern man möchte selbstverständlich auch bestimmte Rahmenbedingungen an die Vergabe knüpfen. Ich warne wirklich ganz deutlich davor, zu glauben, dass man all das, was man in anderen Politikfeldern vielleicht nicht so erreicht, wie man es sich gewünscht hätte, in die Vergabe hineinzubasteln. Ich wäre froh, wenn die Vergabestrukturen und -gesetze schlicht und einfach auch für den kleinen und mittelständischen Unternehmer überschaubar wären, sodass er sich dafür vernünftig bewerben kann, und nicht nur Großunternehmen, die in der Lage sind, jemanden dafür ein- und abzustellen, der die Vergabe bearbeitet, dann am Ende die Aufträge bekommen. Davor warne ich an dieser Stelle ganz deutlich!
Ich glaube, ehrlich gesagt, ein allgemein verbindlicher Tarifvertrag, der einen Mindestlohn regeln würde, wäre mir lieber. Dann bräuchten wir das an dieser Stelle überhaupt nicht zu thematisieren, weil es keine Frage ist, sonst würden alle den Mindestlohn bekommen. Das ist zurzeit aber nicht so.
Jetzt haben wir versucht, gemeinsam mit der Sozialdemokratie zu schauen, ob wir diese Frage nicht in die Vergabegesetzgebung aufnehmen können. Der Europäische Gerichtshof hat nun allerdings gesagt, so, wie Niedersachsen das in seinem ersten Entwurf gemacht habe, ginge das nicht. Daraufhin haben wir angefangen, sehr gründlich darüber nachzudenken, ––––––– *) Vom Redner nicht überprüft.
Es macht keinen Sinn, liebe Fraktion der LINKEN, wenn Sie schreiben und uns auffordern, ein mutiges Gesetz zu erlassen. Ich habe wirklich schon sehr viel über Gesetzgebung gehört, aber dass man mutige Gesetze erlassen muss, ist mir wirklich eine ganz neue Erkenntnis. Es nützt gar nichts, wenn wir noch so mutig sind und der Europäische Gerichtshof dann sagt: Ja, Mut hin, Mut her, so geht es auf gar keinen Fall. Dann fangen wir nämlich wieder von vorn an. Nein, wir brauchen eine Gesetzgebung, die gerichtsfest ist. Was wir hier als Gesetz beschließen, muss am Ende auch Bestand haben! Wir müssen also möglichst im Vorfeld das Risiko vermeiden, dass wir vor dem Europäischen Gerichtshof mit unserer Gesetzgebung scheitern. Das wollen wir möglichst vermeiden.
Will man aber das Scheitern vor dem Europäischen Gerichtshof vermeiden, muss man sehr gründlich prüfen. Ich weiß nicht, ob Sie alle das auch so sehen. Ich habe das Gefühl, wenn man fünf Juristen zusammenbringt, hat man mindestens fünf verschiedene Meinungen.
Manche behaupten sogar, noch mehr! Tatsache ist aber, dass die Einen sagen, jawohl, man könne das in dem Vergabegesetz unterbringen, und die Anderen sagen, das ginge auf gar keinen Fall. Wir sind nun dabei, sorgfältig zu prüfen, was wir an dieser Stelle tun. Wir haben die erste Lesung und die zweite Lesung durchgeführt, und bekannterweise ist die Zeit zwischen der Ersten und Zweiten Lesung gerade dafür vorgesehen, noch einmal nachzudenken, nachzuarbeiten, nachzubessern. Genau das machen wir sehr gründlich. Wir sind in dem Verfahren meiner Auffassung nach relativ nah daran, zu einem Abschluss zu kommen. Ich freue mich darauf, wenn wir ein paar Punkte, die noch zu klären sind, klären. Im Übrigen stimmen wir deswegen einer Überweisung zu und nehmen auch viele Ihrer Anregungen mit auf. Nur über das Wort „mutig“ würde ich an Ihrer Stelle noch einmal nachdenken!
Ich will trotzdem gern ein paar Dinge auch darüber hinaus sagen! Es gibt Menschen, die glauben, „Bremen zuerst“ sei die einzige richtige wirtschaftspolitische Aussage. Ich bin da sehr vorsichtig. Wenn Bremer Unternehmen glauben, dass die Vergabe so gestrickt sein muss, dass die Aufträge ausschließlich in Bremen bleiben, macht man einen großen Fehler, weil Bremer Firmen auch im niedersächsischen, aber auch im europäischen Umland Aufträge bekommen wollen. Deswegen hat die Europäische Union gerade dafür ein paar gesetzliche Regelungen ge- und erfunden, damit wir einen fairen europäischen Wettbewerb bekommen. Das mag im Einzelfall für das eine oder
andere Bremer Unternehmen ärgerlich sein, auf lange Sicht gesehen aber – davon bin ich fest überzeugt – denke ich, dass der europäische Wirtschaftsraum genau diese Dimension braucht. Ich erinnere an dieser Stelle auch noch einmal an die AFB, die eigentlich damals nichts anderes im Vergabeausschuss gesagt hat, als „Bremen zuerst“ und „Wo sind die Bremer Unternehmen?“. Das ist eine Denkweise, die nicht gesund für unsere Wirtschaft ist, auch wenn es im Einzelnen dem einen oder anderen Unternehmer vielleicht so vorkommt, als wäre es klüger zu sagen „Bremen zuerst“. Ich bitte, das wirklich allgemein in diesem Haus zu sehen, das ist gar nicht gegen eine Fraktion oder irgendetwas Politisches gerichtet, sondern wir machen generell, wenn wir den Bremer Wirtschaftsraum auf die Bremer Landesgrenze in unserem Denken beschränken, wirtschaftspolitisch einen riesengroßen Fehler,
zumal – auch das ist ja jedem hier im Hause auch bekannt – auch die Bremer Wirtschaft natürlich sehr stark eine exportorientierte Wirtschaft ist. Man kann nicht auf der einen Seite sagen, wir sind exportorientiert, wir wollen die Weltmärkte „erobern“, aber auf der anderen Seite in Bremen komplett abschotten. Das darf man auf lange Sicht gesehen auf keinen Fall machen.