Protocol of the Session on May 28, 2009

zumal – auch das ist ja jedem hier im Hause auch bekannt – auch die Bremer Wirtschaft natürlich sehr stark eine exportorientierte Wirtschaft ist. Man kann nicht auf der einen Seite sagen, wir sind exportorientiert, wir wollen die Weltmärkte „erobern“, aber auf der anderen Seite in Bremen komplett abschotten. Das darf man auf lange Sicht gesehen auf keinen Fall machen.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen)

Deswegen warne ich davor, weil man zu der Auffassung gelangen könnte, dass Europa an dieser Stelle für Bremen nachteilig sei. Ich weise das ausdrücklich zurück! Ich glaube, die Entsende- und Dienstleistungsfreiheitsgesetzgebung der Europäischen Union – das sind ja die beiden, die dafür relevant sind – sind im Wesen richtig. Da mag man an der einen oder anderen Stelle damit hadern, aber wir wären gut beraten, wenn wir unsere Ökonomie so aufstellen, dass sie den Wettbewerb als solchen annimmt und dann auch gute Chancen auf dem Markt im europäischen Umland, aber auch im deutschen Umland hat. Ansonsten überweisen wir jetzt diesen Antrag der LINKEN und diskutieren munter weiter. Ich habe das Gefühl, wir sind kurz vor der Fertigstellung dieses Gesetzes. Dann kommt eben die nächste Lesung, dann wird es zum Gesetz, und dann sind alle glücklich und zufrieden. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen und bei der SPD)

Das Wort hat der Abgeordnete Strohmann.

Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren! DIE LINKE hat

uns heute einen Antrag vorgelegt zur Novellierung des Vergabegesetzes. Auf den ersten Blick sind darin auch interessante Aspekte: Klima, Umweltschutz, mittelständische Unternehmen, Verhinderung von Korruption. Auf den zweiten Blick wird dann aber doch deutlich, dass sie es immer noch nicht verstanden haben.

(Beifall bei der CDU)

In einem Wettbewerb sind Regeln und ein Rahmen wichtig, somit ist das Vergabegesetz unstrittig. Das war auch immer so und soll auch so bleiben, aber das, was Sie wollen, ist kontraproduktiv. Gerade in der gegenwärtigen Situation der Wirtschaftskrise halten wir es für sehr problematisch, derartige Vorgaben aufzunehmen, wie DIE LINKE dies wünscht. Sollten die von der LINKEN gewünschten Eckpunkte aufgenommen werden, würde dies bei Vergaben die Anwendung eines stark erweiterten Kataloges erfordern, der für Bremen eine enorme bürokratische Zusatzbelastung darstellen würde. Genau dies ist aber gegenwärtig zu vermeiden,

(Beifall bei der CDU)

da es in den kommenden Monaten, gegebenenfalls auch in den nächsten zwei bis drei Jahren, vor allem darauf ankommen wird, Aufträge schnell und flexibel zu erteilen unter der Berücksichtigung der normalen Bestimmungen und Vermeidung von Wettbewerbsverzerrung, das ist klar! Nur so lassen sich auch in Bremen arbeitsmarktpolitische Erfolge durch öffentliche Vergaben generieren.

Sie konnten es auch einmal wieder nicht lassen, ideologische Seitenhiebe auf die sogenannte politische Macht der Konzerne auszuteilen. Haben Sie eigentlich einmal die Arbeiter und Angestellten bei einem Großkonzern hier in Bremen, beispielsweise bei Daimler, danach gefragt, was sie davon halten?

(Abg. Frau T r o e d e l [DIE LINKE]: Ja, das haben wir gemacht! Ganz persönlich!)

Denn es geht auch letztlich um ihre Arbeitsplätze! Gut gefunden haben sie das bestimmt nicht, weil es auch um ihre Arbeitsplätze bei Daimler geht.

(Beifall bei der CDU)

Zwar werden in dem Antrag der LINKEN ausdrücklich mittelständische Unternehmen genannt, aber die konkreten Einzelpunkte dienen eher dazu, sie gegenüber Großunternehmen bei Vergaben zu benachteiligen. Abgesehen davon, dass mittelständischen Unternehmen oftmals die personelle Ausstattung fehlt, um zu überprüfen, ob sie tatsächlich allen in öffentlichen Ausschreibungen enthaltenen Vorgaben entsprechen können, führt selbstverständlich eine maßgebliche Erweiterung derartiger Kataloge dazu, dass

sie gegenüber größeren Mitbewerbern benachteiligt werden. Das kann, glaube ich, nicht unser Interesse sein.

(Beifall bei der CDU)

Auch dies dürfte eher Arbeitsplatzverluste bei Mittelständlern als eine Belebung des Arbeitsmarktes zur Folge haben. Außerdem haben wir zum Konjunkturpaket ein bremisches Gesetz zur Erleichterung von Investitionen beschlossen. Dies ist zeitlich befristet. Perspektivisch muss man dann sehen, wie sich das mit der Vergabe weiterentwickelt und natürlich bewährte Sachen jeweils immer neu auf den Prüfstand stellen, da sind wir völlig offen. Die CDU-Bürgerschaftsfraktion steht natürlich Novellierungen grundsätzlich positiv gegenüber, das ist keine Frage, man muss alles Alte auch einmal auf den Prüfstand stellen und natürlich auch gerade ein solches Vergabegesetz jeweils den aktuellen Entwicklungen immer anpassen.

Es macht doch aber, ehrlich gesagt, im Moment keinen Sinn, ein Vergabegesetz, so wie Sie es wollen, zu verabschieden, das zu 100 Prozent, kann man eigentlich sagen, vom Europäischen Gerichtshof dann wieder einkassiert wird. Ich glaube, dies ist kontraproduktiv und macht keinen Sinn. Darauf haben wir schon in den vorherigen Debatten hingewiesen, Herr Möhle hat das eben auch noch einmal ausgesprochen. Ich glaube, da kann man nur sagen, er hat in diesem Fall recht.

Sie können uns zwar jetzt vorwerfen, dass man mutlos ist oder vorauseilenden Gehorsam zeigt, so steht es ja auch in Ihrem Antrag, aber irgendwie müssen wir uns auch an Rechte halten, und das Europäische Recht ist nun einmal dafür da.

(Beifall bei der CDU)

Dann möchte ich einmal – Herr Möhle hat das eben auch schon einmal ansatzweise so ein bisschen gesagt – eigentlich nur noch einmal grundsätzlich auf die Themen Europa, europäisches Recht, Dienstleistungsrichtlinie hinweisen. Wir können natürlich sagen, das ist alles ganz furchtbar und ganz schrecklich. Das ist Europa und alles ganz schlimm, aber der Gedanke von Europa beinhaltet im Grunde genommen den freien Handel von Waren und Dienstleistungen. Ehrlich gesagt, ist Deutschland genau in diesem freien Handel von Waren und Dienstleistungen einer der Gewinner der letzten Jahre.

(Beifall bei der CDU)

Wir dürfen nämlich eines nicht vergessen: Den Wohlstand, den wir haben, haben wir auch durch unseren Export. Jeder sechste Arbeitsplatz in Deutschland hängt an Europa, auch mit dieser Rechtsprechung und mit diesem Recht. Zwei Drittel unseres Exports als Exportweltmeister gehen nach Europa. Deswegen,

sage ich nur, müssen wir aufpassen, uns nicht immer mehr Zäune um unser Land zu bauen, nicht nur in Bremen, sondern auch in der Bundesrepublik, weil es irgendwann passieren kann, dass wir so hohe Zäune gebaut haben, dass wir selbst nicht mehr hinüberkommen und uns dann irgendwann in einer isolierten Stellung befinden. Deswegen lehnen wir diesen Antrag und auch die Überweisung ab. Weil der Antrag im Grunde genommen nicht europäischem Recht entspricht, ist es nicht notwendig, weiter darüber zu reden. – Vielen Dank!

(Beifall bei der CDU)

Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Möllenstädt.

Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen, liebe Kollegen! Wir haben uns den Antrag der LINKEN genau angeschaut. Es ist schon bemerkenswert, wie weit er eigentlich von dem Thema entfernt ist, was sie uns als Aktuelle Stunde noch vor wenigen Stunden aufgenötigt hat.

(Beifall bei der FDP)

Damals haben Sie vom Ruin Bremens gesprochen. In diesem Antrag ist kein Wort davon, dass es eigentlich darum geht, das Steuergeld der Bremerinnen und Bremer effizient einzusetzen. Das soll ein Vergabegesetz leisten, dass das vernünftig eingesetzt wird. Diesen Blickwinkel verlieren Sie völlig aus der Sicht. Das ist ein großes Defizit in Ihrem Antrag.

Es gibt Punkte, über die man gern reden kann, deshalb – das schicke ich voraus – werden wir der Überweisung auch grundsätzlich zustimmen. Gerade da, wo es um Umweltstandards geht, auch um arbeitsrechtliche Normen, ist das an einigen Punkten durchaus diskussionswürdig, aus meiner Sicht aber kein nennenswerter Mehrwert zu dem, was wir bereits zu voriger Zeit schon einmal diskutiert haben, also was eigentlich schon auf dem Tisch liegt. Insofern wäre das vielleicht verzichtbar gewesen, hier diese Punkte noch einmal wieder ergänzend mit aufzunehmen.

Aber es ging Ihnen ja auch, denke ich, mehr darum, hier noch einmal einen Aufschlag für Ihren Wahlkampf für das wichtige Thema Mindestlohn zu finden, nicht so sehr darum, wirklich ein gutes Gesetz für Bremen auf den Weg zu bringen. Hier reden Sie wieder von einem Mindestlohn von 7,50 Euro. Ich meine, man kann natürlich sagen, es ist schon egal. Ihr Fraktionsvorsitzender im Bundestag ist zwischendurch bei 8 Euro, 8,70 Euro, mittelfristig will er dann 10 Euro. Das ist also im Prinzip völlig beliebig. Insofern macht auch dieser Antrag hier keinen Unterschied mehr.

Es ist aus unserer Sicht wesentlich wichtiger, sich darauf zu konzentrieren, dass wir hier eine schlanke Regelung in dem Vergabegesetz bekommen, das dann

hoffentlich irgendwann auch als Entwurf in der Deputation und entsprechend dann auch hier im Parlament diskutiert wird.

Die Koalition hat richtigerweise verzichtet, jetzt einen eigenen Entwurf einzubringen, wohl weil sie weiß, dass auch die Vorschläge, die der Kollege Dr. Sieling gemacht hat, eben nicht EU-rechtsfest sind und auch nicht rechtsfest zu machen sind.

(Abg. D r. S i e l i n g [SPD]: Da irren Sie!)

Sehen Sie es ein! Es ist so, und es bleibt so! Sie können dies landesrechtlich nicht regeln. Allein der Bund könnte entsprechende Ausnahmen treffen. So weit sind wir noch nicht. Vielleicht haben Sie ab Herbst die Möglichkeit, ich wünsche mir etwas anderes.

(Beifall bei der FDP)

Für uns steht im Vordergrund, dass wir Bürokratie abbauen, wirklich eine schlankere Regelung bekommen als bisher, dass wir es auch wirklich ernst nehmen, mittelständischen Unternehmen den Zugang zu öffentlichen Aufträgen zu erleichtern. Das tut die LINKE nicht. Sie haben so viele Vorschläge gemacht, die gerade den Mittelstand belasten. Darüber wird zu reden sein.

Wir als Liberale fordern, dass es wirklich niedrige Hürden für den Mittelstand hier aus Bremen gibt. Wir glauben übrigens auch – da kann ich mich dem Kollegen Strohmann anschließen –, dass Bremen wie kein anderes Bundesland vom freien Handel in der Welt und in Europa und im Binnenmarkt profitiert, und deshalb sollten wir uns ganz besonders zusammennehmen, wenn es darum geht, hier einen neuen kleinstaatlichen Protektionismus heraufzuziehen. Das kann nicht Sinn und Zweck des Vergaberechts sein.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Ich habe darüber nachgedacht – Kollege Strohmann hat das eben schon angesprochen –, was eigentlich mit dem Begriff Mut gemeint sein soll. Sie sprechen von „mutigen Gesetzen“. Ich glaube, auch bei der Bereitschaft, Mut zur Gesetzgebung aufzubringen, ist es doch nachher notwendig, dass wirklich auch Rechtssicherheit besteht und dass man den Menschen nicht vorgaukelt, etwas regeln zu können, was Sie allen Ernstes hier nicht regeln können.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Wenn Sie heute wissen, dass es so ist, und ich unterstelle, dass auch Sie das wissen, dann wäre es doch redlich, heute hier vorzutreten und zu sagen, das ist nicht seriös, was Sie den Menschen hier versprechen wollen. Das geht hier nicht über das Vergaberecht. Es ist auch nicht Zweck des Vergaberechts, genau diese

Regelung zu treffen, deshalb würde ich anregen, dass Sie doch noch einmal auf den Boden dessen zurückkehren, was eigentlich wirklich im Vergaberecht geregelt werden soll. Den Rest überlassen wir der Bundesebene.

Ich glaube im Übrigen, dass Sie vielen Menschen in Bremen überhaupt keinen Gefallen damit tun, dass Sie hier weiterhin für den Mindestlohn werben. Das ist ein Projekt, das Sie auf den Schultern der Schwächsten austragen.

(Abg. Frau T r o e d e l [DIE LINKE]: Das erzählen Sie einmal den Frauen, die für 5 Euro arbeiten!)

Fragen Sie doch einmal die Menschen in den Werkstätten, die diese Produktivität nicht haben und die Gefahr laufen würden, aus dem Arbeitsmarkt hinausgedrängt zu werden. Das halte ich für ein riesiges Problem, vor das Sie uns stellen.

(Beifall bei der FDP – Zuruf der Abg. Frau T r o e d e l [DIE LINKE])

Da haben Sie nicht zu Ende gedacht, und an dieser Stelle verwahren wir uns dagegen, auch gegen diesen Vorwurf. Es ist, liebe Frau Kollegin, wirklich nicht sinnvoll, dies zu machen. Das ist ein gescheitertes Projekt. Sehen Sie es ein, nehmen Sie es hin! Wir diskutieren es aber gern noch einmal mit Ihnen in den Gremien und auch hier im Haus. – Herzlichen Dank!