Protocol of the Session on April 10, 2008

Was hat Rot-Grün bislang geleistet? Erste Schritte wurden mit dem Landesprogramm „Bremen produktiv und integrativ“ gemacht, mit dem nicht nur niedrig schwellige Tätigkeiten, sondern auch längerfristig angelegte, insbesondere sozialversicherungspflichtige Beschäftigungsangebote gefördert werden. Aber auf halber Strecke, liebe Kolleginnen und Kollegen, ist die Koalition hier stehengeblieben, denn tatsächlich gibt es bei gutwilliger Betrachtung in Bremen nur 700 sozialversicherungspflichtige Beschäftigte mehr. Was ist nicht passiert? Die Abschaffung oder auch überhaupt nur ein Ansatz einer Planung zur Abschaffung sämtlicher Ein-Euro-Jobs. Ganz im Gegenteil wird mit entsprechenden Jobs munter weiter geplant, und zwar nicht nur in „Bremen produktiv und integrativ“.

(Beifall bei der Linken)

Die Fraktion Die Linke plädiert nachdrücklich für eine finanzielle Ausweitung und für eine neue Qualität öffentlich geförderter Beschäftigung. Mit ihr sollen wichtige gesellschaftliche Aufgaben erfüllt werden, welche die Privatwirtschaft mangels Gewinnaussichten nicht wahrnimmt. Zugleich kann der Langzeitarbeitslosigkeit entgegengewirkt werden. Die Förderung erhalten vor allem Menschen, für die auf längere Sicht eine öffentlich geförderte Beschäftigung die einzige Chance bedeutet, die Arbeitslosigkeit zu beenden und die Hilfebedürftigkeit zu überwinden. Das betrifft insbesondere ältere Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer und Menschen mit mehrfachen Vermittlungshemmnissen.

In unserem Konzept beruht die Förderung auf dem Prinzip der Freiwilligkeit, die Entlohnung erfolgt nach Tarif und entspricht mindestens einem gesetzlichen Mindestlohn.

(Beifall bei der Linken)

Die Linke will bis zum Ende der Legislaturperiode 2011 in Bremen mindestens 2500 weitere öffentlich finanzierte Arbeitsplätze in gesellschaftlich notwendigen, nicht privatwirtschaftlich organisierten Bereichen schaffen. Konkret wird in einem ersten Schritt ein Rückgriff auf den sogenannten Paragrafen 16 a SGB II erfolgen, wonach die Agentur für Arbeit einen Arbeitsplatz mit 75 Prozent bis zu einer Höhe von 1050 Euro bezuschusst. Die restlichen 25 Prozent müssen aus Landesmitteln kofinanziert werden, nachdem die ISF-Mittel für Beschäftigung weitgehend im beschäftigungspolitischen Aktionsprogramm gebündelt sind.

Zum Fazit: Durch die effektive und sinnvolle Nutzung, in erster Linie erst einmal durch den Paragrafen 16 a, kann Bremen mit relativ begrenzten Mitteln weitere öffentlich geförderte Arbeit schaffen und damit den Ausstieg aus den Ein-Euro-Jobs forcieren. Die Linke fordert mit ihrem Antrag, dass Bremen den Rückgang der Europäischen Sozialfondsmittel aus eigenen Haushaltsmitteln kompensiert und einen öffentlichen Beschäftigungssektor schafft, der auf Angebote mit langfristiger Perspektive baut.

(Beifall bei der Linken)

Das kostet natürlich erst einmal Geld, das ist richtig. Perspektivisch führt unser Vorschlag aber zu Einsparungen. Sich einem derartigen Konzept zu verschließen, erachten wir für den völlig falschen Weg und für ein falsches Signal an die Bremerinnen und Bremer. Wie gesagt, bei der Arbeitsmarktpolitik werden so viele Integrationsjobs wie möglich durch befristete sozialversicherungspflichtige Beschäftigungsverhältnisse ersetzt, so viele wie möglich, dies hört eben nicht bei 700 auf. – Vielen Dank!

(Beifall bei der Linken)

Das Wort erhält Frau Senatorin Rosenkötter.

Sehr geehrter Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ein Teil der Opposition fordert einen sozialen Haushalt anstelle eines Sozialhaushaltes. Wahrscheinlich wissen nur Sie, was mit dieser wortspielerischen Spitzfindigkeit gemeint sein soll. Ich kann Ihnen aber auf jeden Fall sagen, was ich unter einem sozialen Haushalt oder eben einem Sozialhaushalt verstehe.

Darunter verstehe ich, dass wir dafür sorgen, dass alle Kinder in unserer Stadt bessere Startchancen haben, als es in der Vergangenheit der Fall war.

(Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/ Die Grünen)

Viele von Ihnen werden sich ganz sicherlich noch an das quälende Verfahren der vergangenen Haushaltsaufstellungen erinnern, weil die CDU den Sozialhaushalt ausschließlich als Sparhaushalt behandelt hat.

(Abg. Frau A h r e n s [CDU]: Das stimmt doch gar nicht!)

Ja, im letzten Wahlkampf hat die CDU kurzfristig die Sozialpolitik entdeckt und heute zeigt sich wieder, dass nicht wirklich etwas dahintersteht.

Wir handeln: Beispiel Kinderbetreuung. Alle Kinder können zukünftig mindestens fünf Stunden, anstatt bisher vier Stunden, betreut werden. Die Kitas sind in den Ferien für alle Kinder offen. Wir stellen mehr Personal ein, um die Qualität der Betreuung weiter zu steigern. Das kommt auch der Bildung zugute, angefangen bei der Sprachförderung bis hin zu naturwissenschaftlichen Experimenten. Wir richten mehr Plätze für die Kleinsten ein, und das Mittagessen ist zukünftig für die Mindestbeitragszahler kostenlos.

(Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/ Die Grünen)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, liebe Abgeordnete, das nenne ich soziale Schwerpunktsetzung. Eine Schwerpunktsetzung, die wir für den sozialen Zusammenhalt unserer Stadt brauchen. Eine Schwerpunktsetzung, die nicht nur Geld verteilt, sondern die Entwicklungschancen von Kindern, und zwar von allen Kindern in unserer Stadt, verbessert. Wir wollen eine gesunde Entwicklung unserer Kinder!

(Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/ Die Grünen)

Die CDU behauptet, dass wir die Einsparpotenziale im Sozialhaushalt nicht nutzen und zu viele Trans

ferleistungen auszahlen. Nur zur Erinnerung, es geht hier um gesetzlich verpflichtete Leistungen. Es ist gar nicht der Sozialhaushalt insgesamt, der mit steigenden Kosten zu kämpfen hat. Hier sind wir richtigerweise lediglich zur Kostenwahrheit zurückgekehrt. Es sind die Kosten zur Sicherung des Kindeswohls, die weiterhin steigen. Ich glaube, das wissen Sie alle, darüber haben wir hier mehrfach gesprochen. Die Fallzahlen sind größer, und hier wollen und müssen wir reagieren.

(Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/ Die Grünen)

Sie wollen doch wohl nicht allen Ernstes verlangen, dass wir hier eine Politik verfolgen, die die Augen vor den dringendsten Problemen von gefährdeten Kindern verschließt?

(Abg. Frau A h r e n s [CDU]: Deswegen fordern wir ja auch das Telefon! – Abg. D r. G ü l d n e r [Bündnis 90/Die Grü- nen]: Schiedsrichter Telefon!)

Wunderbar, das haben wir ausdiskutiert. Lassen Sie mich auf einen ganz wesentlichen Punkt eingehen: Die von Ihnen erwähnten Kosten für die Unterkunft von Menschen, die Hartz IV beziehen, sind im Übrigen im Zeitraum von 2006 auf 2007 gesunken. Wir hoffen, dass sich dieser Trend fortsetzen wird und sehen hier zwei Entwicklungstendenzen. Eine positive Tendenz: Der Aufschwung der Arbeitsmärkte kommt nun endlich auch bei den Langzeitarbeitslosen an. Wir können aber auch durchgängig ein Problem feststellen. Die Löhne, die gezahlt werden, reichen oft nicht aus, um das Leben damit zu bestreiten. Rund 20 Prozent der Empfänger von Arbeitslosengeld II beziehen nämlich diese Leistung, obwohl sie arbeiten. Arm trotz Arbeit! Genau das ist der Grund, warum wir für den Mindestlohn streiten.

Liebe Kolleginnen und Kollegen von der CDU, wenn Sie Kosten im Sozialhaushalt sparen wollen, dann setzen Sie sich doch in Ihrer Partei für den Mindestlohn ein, und zwar für einen ausreichenden!

(Beifall bei der SPD, beim Bündnis 90/ Die Grünen und bei der Linken)

Sehr geehrte Abgeordnete, die Bekämpfung von Arbeitslosigkeit ist ein weiterer entscheidender Hebel zur Bekämpfung von Armut. Deswegen sind wir hier auch schon ganz besonders aktiv geworden. Vor einigen Wochen haben wir im Rathaus die Vereinbarung für Ausbildung und Arbeit unterzeichnet. Alle Partner sind dabei die Verpflichtung eingegangen, sich für ausreichend viele Ausbildungsplätze einzusetzen. Wir haben eine Fachkräfteinitiative auf den Weg gebracht und flankieren unsere Sozialpolitik mit Arbeitsmarktmitteln, und zwar in der Form, dass wir

den Menschen, auch jenen, die schon lange aus dem Erwerbsleben heraus sind, wieder die Möglichkeit geben, einzusteigen und am gesellschaftlichen Leben teilzuhaben.

Der vorgelegte Haushalt ist ein Haushalt, der die sozialen Verhältnisse nicht einfach akzeptiert und alimentiert, sondern diese aktiv gestaltet in der Kinderbetreuung, beim Schutz unserer Kinder, bei der Ausbildung von jungen Menschen und bei der Unterstützung der Stadtteile. Wir brauchen diesen sozialen Zusammenhalt in Bremen und für Bremen! – Herzlichen Dank!

(Beifall bei der SPD, beim Bündnis 90/ Die Grünen und bei der Linken)

Meine Damen und Herren, für diesen Bereich liegen uns keine weiteren Wortmeldungen vor.

Ich rufe jetzt den Bereich Inneres und Sport, Justiz und Verfassung auf und erteile zuerst unserem Kollegen Herrn Tschöpe das Wort.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Für die Polizei wurde auf Basis des tatsächlichen Personalbestands und der erkennbaren Ab- und Zugänge eine neue Zielzahl in diesem Haushalt gebildet. Die Beschäftigungszielzahl für den Polizeivollzugsdienst beträgt demnach 2320 Vollzeitäquivalente ab dem Jahre 2008. Das heißt, die der Polizeireform zugrunde liegende Zahl von 2600 Polizeibediensteten wird dauerhaft abgesichert. Um die durch zu geringe Einstellungen in den vergangenen Jahren verursachte „Röwekamp-Delle“ aufzufangen, werden jährlich 78 Polizeianwärter eingestellt.

(Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/ Die Grünen)

Unabhängig von dieser Zielzahlbildung haben wir die Möglichkeit geschaffen, dass Polizeibeamte auf freiwilliger Basis auch nach dem sechzigsten Lebensjahr weiterarbeiten können. Hierdurch sichern wir uns zum einen wertvolle Erfahrung und können zum anderen die „Röwekamp-Delle“ noch schneller ausfüllen.

(Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/ Die Grünen)

Die Koalition hat die für die Einführung des Digitalfunks notwendigen Mittel bereitgestellt. Damit wird sichergestellt, dass wir zeitgleich mit Niedersachsen diese notwendige Verbesserung der Gefahrenabwehrstruktur einführen können.

(Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/ Die Grünen)

Eine Angelegenheit, auf die wir besonders stolz sind, ist die Tatsache, dass mit der Leitung der Berufsfeuerwehr und dem dortigen Personalrat der jahrelange Streit über die Umsetzung eines EuGH-Urteils zur Arbeitszeit zur Zufriedenheit aller Beteiligten beigelegt werden konnte.

(Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/ Die Grünen)

Offen geblieben, das soll man auch nicht verschweigen, ist die langjährige Baustelle Stadtamt. Hier ist mit allen Fraktionen – wer das gesehen hat, ich bin zwischendurch hier immer noch einmal hin- und hergependelt – in der Innendeputation vereinbart worden, dass wir eine gemeinsame Große Anfrage stellen werden, um die dort bestehenden Probleme aufzuzeigen und transparent darstellen zu lassen. Gegebenenfalls aufzuzeigende Umsteuerungsmaßnahmen müssen dann im Rahmen des Haushaltsvollzugs durchgeführt werden, sofern wir denn bald eine verlässliche Datenlage haben.

Auf der Basis des jetzt zu beschließenden Haushalts ist die seit Jahren überfällige Restrukturierung und Neuausrichtung des Landesamtes für Verfassungsschutz in Angriff genommen worden, sodass das Landesamt wieder eine ernst zu nehmende Rolle in der „Sicherheitsarchitektur“ spielen kann und nicht mehr ein Potemkinsches Dorf darstellen muss.

(Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/ Die Grünen)

Abschließend kann ich nur anmerken, dass es – trotz der bedrückend engen Kassenlage – der neuen Koalition gelungen ist, den Bereich Inneres, anders als in den Vorjahren, sachadäquat auszustatten und die Defizite der vergangenen Jahre aufzuarbeiten. – Ich danke für die Aufmerksamkeit!

(Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/ Die Grünen)

Nächste Rednerin ist die Kollegin Frau Winther.

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Haushalte der Innen- und Justizressorts sind nicht geeignet, die großen Probleme im Bereich der inneren Sicherheit in Bremen und Bremerhaven zu lösen. Sehr geehrter Herr Tschöpe, Bremen steht an oberster Stelle bei der Kriminalität, und dieser Haushalt tut viel zu wenig, um diesem Zustand entgegenzuwirken.

Ich behandele jetzt übrigens beide Bereiche, Inneres und Justiz. Ich wollte es nicht noch einmal trennen. Sowohl im Innenressort als auch im Justizressort ist die Personalnot inakzeptabel groß und wird weiter zunehmen. Es war auch nicht ganz richtig, was Sie eben dargestellt haben: Statt der 120 Neueinstellungen pro Jahr sehen Sie 78 vor, das ist richtig, damit wird die Zahl der Beamten nicht auf dem heutigen Stand gehalten. Was das bedeutet, muss jedem klar sein! Die Belastung der Polizei wird größer werden, und die Sicherheit der Bürger wird darunter leiden.