Protocol of the Session on February 20, 2008

Ein Gesetzentwurf für die Zusammenführung der genannten Gerichte wurde von Bremen, wie schon gesagt, bereits in der 16. Legislaturperiode in den Bundesrat eingebracht. Dort verabschiedet ging es in den Bundestag, der bis heute keine Entscheidung getroffen hat. Deshalb haben die Länder Baden-Württemberg, Bremen, Niedersachsen, Hessen, Sachsen und Sachsen-Anhalt den Antrag erneut in den Bundesrat eingebracht, dort fand bis heute aber keine abschließende Beratung statt. Der Senat muss, und wir gehen davon aus, er wird dies auch tun, den eingebrachten Gesetzesentwurf beobachten, und zwar auf das Genaueste. Es ist von äußerster Wichtigkeit, dass eine zügige Bearbeitung der Verfahren weiterhin gewährleistet werden kann. Die CDU begrüßt aus diesem Grund die Antwort des Senats und wird, meine Damen und Herren, diese Maßnahmen nach allen Kräften unterstützen. – Vielen Dank!

(Beifall bei der CDU)

Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Möllenstädt.

Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen, liebe Kollegen! Es ist auch Ziel der FDP, dass kurze Verfahren bei den Gerichten gewährleistet werden. Das gilt selbstverständlich auch für Verfahren im Zusammenhang mit dem Arbeitslosengeld II.

(Beifall bei der FDP)

Die hier angesprochene Gruppe von Fällen aus dem Rechtskreis des SGB II und des SGB XII betreffen unter anderem die Kosten der Unterkunft, Nebenkosten, Wohnungskosten und die Anrechnung von Einkommen und Vermögen. Gerade die Zahl dieser Verfahren ist in den vergangenen Jahren leider immer weiter gestiegen. Die Zeitschrift „Das Parlament“ hat in der vergangenen Woche noch einmal konstatiert, dass die Prozesslawine, die dort über die Gerichte hereingebrochen ist, auch in Zukunft wohl nicht so schnell abebben wird. Das ist sehr bedauerlich. Man muss hier allerdings auch deutlich sagen: Der Grund für diese hohe Zahl von Klagen ist die Bundesgesetzgebung. Dabei muss man wirklich sehr deutlich sagen, es ist gerade auch die Verantwortung der damaligen rot-grünen Bundesregierung gewesen, die diese Zustände herbeigeführt hat.

(Beifall bei der FDP)

Man hat also von Anfang an gewusst, dass die Gerichte stärker belastet werden. An dieser Stelle muss man auch sagen, es ist schon ein Stück weit fragwür

dig, dass sich jetzt ausgerechnet eine rot-grüne Koalition hier in Bremen rühmt, dass die Verfahren, die ihre eigene Gesetzgebung oder die ihrer Parteifreunde in Berlin ausgelöst hat, überwiegend in vertretbarer Zeit und im Schnitt der übrigen Bundesländer durchlaufen werden können.

(Beifall bei der FDP)

Die Ausnahmeregelung im Sozialgerichtsgesetz erlaubt es den Ländern bis Ende 2008, das ist hier schon angesprochen worden, die Verfahren nach dem SGB II und dem SGB XII auf die Verwaltungsgerichtsbarkeit zu übertragen. Insofern, Herr Kollege Nestler, ist keine Zusammenlegung erfolgt – nicht temporär, sondern es gibt durchaus noch beide Instanzen –, in diesem Fall sind bisher die Verwaltungsgerichte zuständig. Dies hat sich auch aus unserer Sicht in den vergangenen Jahren bewährt und zu einer Entlastung der Sozialgerichte geführt.

Lassen Sie mich an dieser Stelle sagen: Für die kontinuierliche Bearbeitung der Arbeitslosengeld-II-Verfahren beim Verwaltungsgericht und beim Oberverwaltungsgericht gilt der Dank ausdrücklich den dort beschäftigten Richterinnen und Richtern sowie den übrigen Mitarbeitern in den Geschäftsstellen dieser Gerichte! Diese haben wirklich gute Arbeit geleistet, und dafür gilt ihnen ausdrücklich auch unser Dank. Ich habe diesen Dank bereits in einem Gespräch mit den Präsidenten beider Gerichte, das am 14. November des vergangenen Jahres stattgefunden hat, zum Ausdruck gebracht. Ich hoffe auch, dass hier im Hause auf breite Zustimmung stößt, dass die Verlängerung dieser Ausnahmeregelung sicherlich wünschenswert wäre.

Ich denke auch, dass es sinnvoll wäre, zu einer Zusammenführung der Verwaltungs- und Sozialgerichtsbarkeit zu kommen, so wie der Kollege Nestler es ja auch gefordert hat. Das muss man an der Stelle allerdings auch deutlich sagen, dieses Zusammenführungsgesetz, das hier angesprochen worden ist, stößt ja auf einigen Widerstand bei der Bundesregierung und dort insbesondere beim sozialdemokratisch geführten Arbeitsressort. Es war nicht zuletzt Herr Müntefering, der sich ganz massiv gegen dieses Zusammenführungsgesetz ausgesprochen hat, da man dort ein Stück weit befürchtete, den Einfluss auf die Sozialgerichtsbarkeit zu verlieren. Das muss man an der Stelle schon kritisieren. Dort hätten Sozialdemokraten im Bund die Möglichkeit gehabt, sehr schnell zu einer Entlastung beizutragen.

Ich hoffe, dass die Debatte, die wir heute dazu führen, vielleicht auch einen Beitrag leisten kann, dass die Sozialdemokraten hier im Hause ihren Parteifreunden in Berlin noch einmal deutlich machen, dass die Bearbeitung dieser Verfahren uns hier vor erhebliche Probleme stellt und es sinnvoller wäre, dieses Zusammenführungsgesetz, das hier bereits angespro

chen worden ist, das die Liberalen auch unterstützt haben, zügig zu verabschieden und auf das Gleis zu setzen,

(Beifall bei der FDP)

denn das würde zu einer wirklichen Verbesserung der Situation an den Gerichten führen. – Herzlichen Dank!

(Beifall bei der FDP)

Das Wort hat die Abgeordnete Frau Nitz.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte hier die Gelegenheit nutzen, um noch einmal die grundsätzliche Haltung der Linken zu verdeutlichen! Hartz IV ist Armut per Gesetz, und Hartz IV gehört immer noch abgeschafft.

(Beifall bei der Linken)

Genau durch dieses schlechte Gesetz und durch seine Ergänzung – zuerst das Änderungsgesetz, später dann das Fortentwicklungsgesetz – hat sich die Situation bei Hunderttausenden von Menschen, wenn nicht sogar bei Millionen arbeitsloser Menschen dramatisch verschlechtert. Umfangreiche Leistungskürzungen, drastische Sanktionen bei sogenannten Pflichtverletzungen – bei Jugendlichen unter 25 Jahren sogar bis zu 100 Prozent der Regelleistung, – darüber hinaus die Stigmatisierung der Jugendlichen und der jungen Menschen unter 25 Jahren verursachen bei gleichzeitig permanent steigenden Lebenshaltungskosten keine Begeisterungsstürme. Davon sind Sie hoffentlich auch nicht ausgegangen.

Die Situation an den Gerichten ist politisch gewollt und von einer großen Mehrheit der im Bundestag vertretenen Parteien beschlossen worden. Die thematischen Schwerpunkte der Verfahren aus den Bereichen des SGB II und des SGB XII können wir in der Antwort zu Frage 2 lesen. Kosten der Unterkunft werden genannt, Mietkosten allgemein, die dabei an erster Stelle liegen, Anrechnungen von Einkommen und Vermögen sowie Klagen zu jeglicher Art von Leistungskürzungen.

Auch auf Bundesebene sind die Klagen seit Einführung von Hartz IV drastisch gestiegen. Das Bundessozialgericht meldete Ende Januar 2008, dass mittlerweile rund ein Drittel aller sozialrechtlichen Streitigkeiten aus genau diesem Bereich kommen. Es ist gut, wenn Menschen nicht alles über sich ergehen lassen, es ist gut, wenn sie ihre Rechte wahrnehmen, und es ist gut, wenn sie deshalb den Klageweg beschreiten. Auch die Einschränkung des Rechtsschutzes, dass zur Prüfung des erstinstanzlichen Urteils in einem zweiten Verfahren von den Betroffe

nen höhere Hürden zur sogenannten Entlastung der Verwaltung überwunden werden müssen, lehnt die Linke ab.

Die Klageverfahren nehmen zu, der Abgeordnete Frehe hat es gerade angesprochen. Sie nehmen genauso zu, wie die Unzufriedenheit bei den Menschen aufgrund dieser unhaltbaren Gesetzeslage steigt. So gab es bis Ende 2005 1100 Verfahren, 2006 1500 Verfahren und für 2007 wurden mehr als 1900 Verfahren erwartet. Die Rückstände unbearbeiteter Arbeitslosengeld-II-Verfahren in den Gerichten wachsen auch, und damit steigt natürlich auch die durchschnittliche Laufzeit. Jegliche Anstrengungen der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in der Verwaltungsgerichtsbarkeit und zukünftig in der Sozialgerichtsbarkeit werden bei gleichbleibender oder steigender Belastung ad absurdum geführt und sind unserer Ansicht nach zukünftig ohne eine personelle Aufstockung nicht mehr haltbar.

(Beifall bei der Linken)

Eine personelle Aufstockung, der nicht nur die statistischen Zahlen der laufenden sowie der prognostizierten Verfahren zugrunde gelegt werden, sondern in die auch die Rückstände und die Arbeitsbelastung mit einbezogen werden, wäre der richtige Weg. So schlagen es die Linken vor! Zudem soll die personalrechtliche Vertretung – wie bei allen Einstellungsverfahren – auch zur Thematik der Be- und Überlastung der Mitarbeiter einbezogen werden. Die Mitarbeiter sollen befragt werden, und Entscheidungsprozesse sollen gemeinsam gegangen werden.

Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen, haben auch Abgeordnete Ihrer Partei auf Bundesebene, und genau diese haben dieses Gesetz und die Änderungen dazu mit großer Mehrheit beschlossen. Die Auswirkungen spüren wir hier auf Landesebene, die spüren wir auf Kommunalebene, und die spüren vor allem die Menschen, die davon betroffen sind. Gleichzeitig sind aber auch Verwaltung und Gerichte mit der Auslegung, Umsetzung und Beschwerden beschäftigt. Sprechen Sie doch einmal mit Ihren Kolleginnen und Kollegen in Berlin und bestärken Sie sie, dass solche Gesetze zukünftig nicht mehr verabschiedet werden!

(Beifall bei der Linken)

Das Wort hat der Abgeordnete Frehe.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Ich hatte eigentlich nicht vor, mich hier noch einmal zu melden. Aber es ist dann von dem Kollegen Möllenstädt und von dem Kollegen Nestler hier ein Zungenschlag hineingekommen, den ich so nicht stehen lassen kann.

Der Bundestag hat sich mit sehr guten Überlegungen dafür ausgesprochen, diese Verfahren nach dem Sozialgesetzbuch II und auch die Sozialhilfeverfahren an die Sozialgerichte zu geben. Spezialzuständigkeiten machen sehr wohl Sinn, eine Zusammenlegung der Gerichte nicht unbedingt. Wir haben zum Beispiel bei der Arbeitsgerichtsbarkeit eine eigenständige Gerichtsbarkeit, die sehr effektiv arbeitet, die auch in ihren praktischen Verfahren anders funktioniert als die übrige Zivilgerichtsbarkeit.

Ebenso handelt es sich bei der Verwaltungsgerichtsbarkeit und bei der Sozialgerichtsbarkeit – es sind beides Zweige der Verwaltungsgerichtsbarkeit –, um eine Spezialzuständigkeit, die auch die besonderen Verfahren, wo es um Personen geht, die selbst einkommensschwach sind, die selbst Sozialleistungen beanspruchen wollen, in einer besonderen Art und Weise durchführt. Deswegen haben wir ein eigenes Sozialgerichtsgesetz und abweichende Regelungen zur Verwaltungsgerichtsordnung, die sehr gut begründet sind. Wir haben die Kostenfreiheit, und wir haben ein Verfahren, an dem Ehrenamtliche aus den Sozialversicherungsbereichen beteiligt sind. Dieses Verfahren ist es wert, auch aufrechterhalten zu werden.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen)

Eine Zusammenlegung kommt daher überhaupt nicht in Frage, vor allen Dingen nicht mit dem Argument, dann könnte man leichter das Personal verschieben. Ich muss Sie darauf aufmerksam machen, dass sich – zumindest bis jetzt – die verschiedenen Richter auch sehr wohl für eine bestimmte Gerichtsbarkeit entscheiden. Wenn ich mich selbst als Beispiel nehmen kann: Ich hätte nicht unbedingt Bauprozesse oder Asylverfahren führen wollen, aber sehr wohl sozialgerichtliche Verfahren, die das Verhältnis von dem Sozialleistungsempfänger zu einer Behörde regeln sollen. Die Personalsituation kann nicht dazu führen, dass wir hier gleich für eine Option der Zusammenführung plädieren. – Danke schön!

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen und bei der SPD)

Das Wort hat Staatsrat Mäurer.

Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! Sie haben diese Debatte für uns heute sehr hilfreich geführt. Ich werde die Gelegenheit nutzen, um den Dank des Hauses auch an die Gerichtsbarkeit weiterzugeben. Die Gerichte in Verwaltungssachen werden natürlich noch bis zum Ende des Jahres die Prozesse führen. Der Wechsel wird dann zum 1. Januar 2009 erfolgen. Ich glaube, die Leistung ist vorzeigbar. Die Entscheidung war richtig, und ich glaube, Herr Kollege Frehe, gerade die Praxis der Verwaltungsgerichte hat gezeigt, dass

auch Verwaltungsrichter sozialrechtliche Kompetenzen besitzen. Insofern ist unser Antrag, die Gerichtsbarkeiten zusammenzulegen, durchaus begründet.

Ich muss leider einräumen, dass wir dafür im Bundestag keinerlei Mehrheit haben. Deswegen haben wir in Bremen die Konsequenzen daraus gezogen: Wir führen unsere Gerichte praktisch zusammen. Wir werden bis Oktober dieses Jahres den letzten Bauabschnitt vollenden! Dann werden Sie ein Justizzentrum haben, wo Verwaltungs-, Sozialgerichtsbarkeit, ordentliche Gerichtsbarkeit und Arbeitsgerichtsbarkeit wunderbar zusammenarbeiten, aber sie werden weiterhin rechtlich selbstständig bleiben. Soviel zur Vergangenheit!

Vielleicht noch ein Blick in die Zukunft: Meine Erwartungen richten sich natürlich dann an die verantwortliche Sozialgerichtsbarkeit. Wir sind darauf vorbereitet. Wir werden die Sozialgerichtsbarkeit mit zwei weiteren Richterinnen und Richtern verstärken, ebenso das Folgepersonal, und auch beim Landessozialgericht wird ein weiterer Richter zum Einsatz kommen. Damit hat diese Gerichtsbarkeit das Personal, das sie benötigt, um diese Verfahrensanzahl zu bearbeiten. Ich sage „diese“, ich schließe nicht aus, dass die weitere Entwicklung noch dramatisch nach oben geht, denn die Steigerungsraten sind bedrohlich. Von 1000 auf 2000 Verfahren innerhalb von drei Jahren, das ist keine gute Entwicklung, und wenn man sich die bundesweite Zahlenlandschaft anschaut, so liegen wir durchaus im normalen Rahmen.

Ein Wort an diejenigen, die diese Entscheidungen zu treffen haben, die dann Gegenstand der Anfechtung vor Gericht sind! Ich muss leider feststellen, dass die Erfolgsquote der Gerichte außergewöhnlich hoch ist.

(Abg. D r. K u h n [Bündnis 90/Die Grünen]: Der Gerichte?)

In einem Bereich von 35 bis 40 Prozent werden diese Verfahren korrigiert. Das kann eigentlich nicht die Aufgabe unserer Gerichte sein. Gerichte korrigieren, aber wenn ich mir zum Beispiel den Bereich Bauverwaltung anschaue, dort ist es völlig normal, dass ungefähr in 5 Prozent aller Verfahren die Bauverwaltung eine Niederlage erlebt. Daran kann man sich gewöhnen, das ist auch in unserem System so angelegt, aber eine Fehlerquote von 35 bis 40 Prozent sprengt den normalen Rahmen.

Ich glaube, dass hier jedenfalls die Entscheidungsträger – das heißt in erster Linie die BAgIS – in der Pflicht sind, ihre Arbeit zu verbessern. Ich will diese Kollegen nicht einfach kritisieren, denn als Verwaltung weiß man, was es bedeutet, wenn Gesetze so unausgegoren, so überhastet umgesetzt werden sollen. Es fehlt die Erfahrung. Es fehlt das Personal. Es gibt keine gewachsene Rechtsprechung. All dies trägt dazu bei, dass viele Entscheidungen fehlerhaft sind. Insofern hat letztlich die Verwaltungsgerichtsbarkeit

hier in etwa die Aufgabe eines Reparaturbetriebs übernommen. Das ist aber nicht Ihre eigentliche Aufgabe und Funktion. Deswegen habe ich die herzliche Bitte, dass man auch in diesem Bereich genauer hinschaut, dass man mehr Qualität in die Entscheidungspraxis hineinbringt und damit möglicherweise auch dazu beiträgt, dass die Zahl der Verfahren insgesamt wieder rückläufig wird.

Ich hoffe, dass das hier eine Bugwelle ist, die wir schon häufiger kennengelernt haben bei neuen Gesetzen, dass wir dann aber in den normalen Bereich zurückkehren. Dafür werden wir Personal bereitstellen, und ich hoffe, dass wir nicht gezwungen sind, in einem Jahr hier mit weiteren Forderungen anzutreten. Das kann nicht Sinn dieser Übung sein. Ich denke, für heute ist das Notwendigste gesagt, und wir werden uns bemühen, den Erwartungen, die wir erfüllen können, mit Hilfe der Sozialgerichtsbarkeit Genüge zu tun. – Schönen Dank!

(Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/ Die Grünen)

Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Möllenstädt.