Protocol of the Session on February 20, 2008

Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte es auch kurz machen. Ich bin Herrn Staatsrat Mäurer sehr dankbar, der noch einmal deutlich gemacht hat, dass die Gesetze unausgegoren waren, mit denen gearbeitet werden muss. Wir haben uns soeben in unserer Fraktion die Frage gestellt, warum Bremen diesen Gesetzen im Bundesrat zugestimmt hat, wenn es so war. Wir werden uns gern in Zukunft immer auf Sie berufen, herzlichen Dank!

(Beifall bei der FDP und bei der Linken)

An die Adresse des Kollegen Frehe möchte ich sagen: Sie müssen sich dann schon einmal entscheiden als Koalition! Entweder ist das, was gemacht worden ist, erfolgreich, dann ist doch widerlegt, dass es nicht so geht, das würde aber auch bedeuten, dass eine Zusammenlegung eben durchaus Sinn machen könnte, oder Sie sind der Meinung, dass es nicht erfolgreich verlaufen ist, dann sind Sie offenbar anderer Meinung als der von Ihnen getragene Senat. – Herzlichen Dank!

(Beifall bei der FDP)

Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.

Die Aussprache ist geschlossen.

Die Bürgerschaft (Landtag) nimmt von der Antwort des Senats, Drucksache 17/208, auf die Große An

frage der Fraktionen der SPD und Bündnis 90/Die Grünen Kenntnis.

Meine Damen und Herren, in Anbetracht der Tatsache, dass wir heute Nachmittag mit einem gesetzten Beitrag um 14.30 Uhr beginnen wollen, rufe ich jetzt keinen weiteren Tagesordnungspunkt mehr auf und unterbreche die Landtagssitzung bis 14.30 Uhr zu der Debatte zur Föderalismusreform II.

(Unterbrechung der Sitzung 12.48 Uhr)

Meine Damen und Herren, die unterbrochene Sitzung der Bürgerschaft (Land- tag) ist wieder eröffnet.

Auf der Besuchertribüne begrüße ich recht herzlich ehrenamtliche Helferinnen und Helfer des ArbeiterSamariter-Bundes. – Herzlich willkommen!

(Beifall)

Bevor wir in die Tagesordnung eintreten, möchte ich Ihnen mitteilen, dass inzwischen interfraktionell vereinbart wurde, den Tagesordnungspunkt 33 in Verbindung mit dem Punkt außerhalb der Tagesordnung, Förderung der Seeschifffahrt und des Reedereistandortes Bremen, für diese Sitzung auszusetzen.

Meine Damen und Herren, wir setzen die Tagesordnung fort.

Modernisierung der Bund-Länder-Finanzbeziehungen im Rahmen der Föderalismusreform II

Mitteilung des Senats vom 29. Januar 2008 (Drucksache 17/225)

Wir verbinden hiermit

Modernisierung der Bund-Länder-Finanzen im Rahmen der Föderalismusreform II

Antrag der Fraktion Die Linke vom 14. Februar 2008 (Drucksache 17/241)

s o w i e

Bremens Interessen bei der Föderalismusreform II berücksichtigen

Antrag der Fraktionen der SPD, Bündnis 90/ Die Grünen und der CDU vom 19. Februar 2008 (Drucksache 17/254)

u n d

Bremens Interessen bei der Föderalismusreform II berücksichtigen

Antrag der Fraktion der FDP vom 20. Februar 2008 (Drucksache 17/255)

Dazu als Vertreter des Senats Herrn Bürgermeister Böhrnsen, ihm beigeordnet Herr Staatsrat Schulte.

Die gemeinsame Beratung ist eröffnet.

Ich rufe zuerst auf Herrn Bürgermeister Böhrnsen.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Der Senat hat Ihnen einen umfänglichen Bericht zum Stand der Föderalismusreform vorgelegt. Wir haben das getan zum einen wegen der grundsätzlichen Bedeutung dieses Reformvorhabens für Bremen, zum anderen aber auch deshalb, weil sich in diesen Wochen und Monaten wichtige politische Weichenstellungen im Rahmen dieser Reform abzeichnen.

Der Senat wird auch weiterhin, wie wir das bisher getan haben, die Bürgerschaft kontinuierlich unterrichten, damit wir uns vor allem die spezifisch bremischen Interessen hier in einer breiten und offenen Diskussion vornehmen können. Wir haben diese breite und offene Diskussion übrigens auch mit den gesellschaftlichen Akteuren und den Kräften unseres Landes gesucht. Zu Zeiten der Großen Koalition haben Herr Röwekamp und ich eingeladen, jetzt laden Frau Linnert und ich Kammern, Gewerkschaften, Verleger, Religionsgemeinschaften und viele andere ein, um offen über die Verhandlungen in Berlin zu informieren. Denn für Bremen geht es in diesen Verhandlungen um viel, deswegen ist es gut, wenn wir dies nicht hier hinter verschlossenen Türen bereden. Es bestehen wichtige und, ich sage es bewusst, für die bremische Existenz – jedenfalls was die Finanzen angeht – bedeutsame Verhandlungen an, und da ist es gut, wenn wir in Bremen zusammenstehen. Das ist immer ein gutes Zeichen gewesen, das ist gute Tradition, dass wir in den existenziellen Fragen dieses Bundeslandes zusammengestanden haben.

Ich sehe den Antrag, der hier breit getragen heute vorliegt, auch als Zeichen dafür an. Ich erinnere daran, dass wir in der Großen Koalition die Klage vor dem Bundesverfassungsgericht auf den Weg gebracht haben, dass wir die Kommissionsarbeit zur Föderalismusreform begonnen haben und dass wir jetzt im Senat, der von der rot-grünen Koalition getragen wird, die Klage weiter begründet haben und die Kommissionsarbeit fortsetzen.

Meine Damen und Herren, die Föderalismusreformkommission arbeitet seit gut einem Jahr. Sie ist eingesetzt worden im Dezember 2006 und hat ihre Arbeit im März 2007 aufgenommen. Noch einmal zur Erinnerung: Es geht um zwei große Themenfelder, es geht um die Modernisierung der Bund-LänderFinanzbeziehungen, es geht um die aufgabenadäquate

Finanzausstattung aller staatlichen Ebenen in Deutschland – Bund, Länder und Gemeinden –, und das zweite große Thema ist die Verbesserung der staatlichen Aufgabenerfüllung im Bereich der Verwaltung, also mehr Kooperation, mehr Effizienz und weniger Bürokratie.

Die Reform der Finanzbeziehungen ist für das Land Bremen von allergrößter Bedeutung. Hier geht es – ich habe es schon gesagt – um die finanzielle Existenzgrundlage unseres Stadtstaates, und deswegen will ich meine Ausführungen auch darauf konzentrieren.

Meine Damen und Herren, ich glaube, es gibt niemanden, der bestreiten kann, dass der Reformbedarf gegeben ist. Ich würde sogar sagen, der Reformbedarf ist offenkundig, und an ihm darf keiner vorbeigehen. Wir haben es heute auch noch einmal in einer Tageszeitung nachlesen können: Die Verschuldung aller öffentlichen Haushalte in Deutschland – Bund, Länder, Gemeinden, Sozialkassen – beträgt etwa 1,5 Billionen Euro, das sind 1500 Milliarden Euro. Diese Verschuldung ist entstanden, obwohl wir im Grundgesetz und in jeder Landesverfassung Regelungen zum Maß der zulässigen Kreditaufnahme haben. Es gibt die Binsenweisheit: Die Schulden von heute sind die Steuern von morgen. Sie sind auf alle Fälle eine Last, die auf späteren Generationen liegt, und deswegen ist es schon unter dem Gesichtspunkt der Generationengerechtigkeit ein unausweichliches Gebot, dass wir uns dieser Schuldenfrage stellen.

(Beifall bei der SPD, bei der CDU und beim Bündnis 90/Die Grünen)

Meine Damen und Herren, verschärft wird das Problem dadurch, dass die Schulden in Deutschland und damit eben auch die darauf lastenden Zinsen ungleich verteilt sind. Um das am Beispiel Bremen und Bayern deutlich zu machen: In Bayern müssen für Zinsen pro Einwohner 140 Euro aufgebracht werden, in Bremen sind es 754 Euro pro Einwohner. Zwischen diesen beiden Beträgen liegt ein Mehr beziehungsweise ein Weniger an politischer Gestaltungsmöglichkeit, ein Mehr oder ein Weniger, um wichtige Staatsaufgaben wahrnehmen zu können. Wenn man dann noch sieht, dass es nicht nur in diesem Punkt Ungleichheiten gibt, sondern dass es natürlich auch strukturelle Unterschiede in Deutschland in der wirtschaftlichen Entwicklung, in der Arbeitslosigkeit, in der Demografie – ein großes Problem für die meisten der neuen Länder – und natürlich auch in den sozialen Lasten, die im Haushalt zu tragen sind, gibt, dann weiß man, dass wir eine ungleichgewichtige Entwicklung in Deutschland haben, die sich bei zunehmendem Schuldenstand natürlich verschärfen würde, weil die Spielräume wegen der Zinsbelastung kleiner werden.

Wir in Bremen können uns ja handgreiflich während unserer Haushaltsberatungen anschauen, wie

die Zinsbelastungen steigen. Wir sind trotz größter Sparanstrengungen gezwungen, weitere Kredite aufzunehmen, die Zinslasten werden steigen, und das Geld, das wir für Zinsen ausgeben müssen, steht eben nicht zur Verfügung für Polizeibeamte, Sozialarbeiter, Lehrer und Investitionen. Bremen hat also ein elementares Interesse, dass wir in einer großen gemeinsamen Anstrengung in Deutschland der weiteren Verschuldung der öffentlichen Haushalte wirksam begegnen. Da will ich für Bremen sagen, und ich denke, in Ihrer aller Namen, dabei schauen wir nicht in erster Linie auf andere, sondern Bremen wird das tun, was wir tun können. Wir strengen uns an, mit unseren Möglichkeiten unseren Beitrag zu dieser großen Herausforderung zu leisten, aber wir wissen, das allein reicht nicht aus. Deshalb klagen wir beim Bundesverfassungsgericht auf eine faire Finanzverteilung, und deshalb arbeiten wir intensiv in der Föderalismusreformkommission mit.

Meine Damen und Herren, an der Spitze des Antrags, der heute vorliegt, wird etwas über die Grundlagen des Föderalismus gesagt. Ich finde es wichtig, dass man sich vergewissert, was unser Verständnis von Föderalismus ist. Die Mütter und Väter des Grundgesetzes haben die Länder nicht nach betriebswirtschaftlichen Maßstäben, vor allen Dingen nicht nach gleicher Größe und Ausstattung zugeschnitten. Im Übrigen darf ich einmal sagen: Der Begriff Bundesländer ist falsch; die Länder haben die Bundesrepublik Deutschland gebildet! Wir wissen es, wir haben im letzten Jahr 60 Jahre Wiedergründung der Freien Hansestadt Bremen gefeiert. Zunächst waren die Länder da, dann war der Bund da. Aber das Grundgesetz hat das übernommen, was sich an Ländern gebildet hatte in der Überlegung, wir wollen Vielfalt in der Einheit, wir wollen Unterschiedlichkeit sowohl in der historischen Begründung, weshalb es Länder gibt, als auch in ihrer Funktion im Bundesstaat.

Stadtstaaten – die Freie Hansestadt Bremen als eine von Dreien – sind, so hat es das Bundesverfassungsgericht vor diesem Hintergrund einmal gesagt, Wunschkinder der Verfassung. Zum Föderalismus gehören deswegen Groß und Klein, gehören deshalb Stadtstaat und Fläche. Diese Vielfalt ist etwas, das man immer wieder herausstellen muss. Wer etwas anderes will, der muss sich fragen lassen, ob ein technokratisches Gebilde, an dessen Stelle gesetzt, uns wirklich weiterbringt.

Es gibt einen Sachverständigen in der Föderalismuskommission, der aufgeschrieben hat – ich glaube, es war der einzige von insgesamt über 36 Sachverständigen –, man müsse das Bundesgebiet neu ordnen, und dann hat er gesagt, fünf oder sechs Länder müssten gebildet werden. Dann ist ihm das etwas schwierig vorgekommen, und er hat gesagt, dann werde Deutschland wahrscheinlich unregierbar, wenn wir fünf Ministerpräsidenten hätten, die alle Bundeskanzler sein wollen. Dann, hat er gesagt, müsse der realistische Vorschlag sein, wir machen 30 bis 40 Län

der. So kann man eine Debatte auch ad absurdum führen, aber, meine Damen und Herren, wichtig ist, sich diese Grundlagen des Föderalismus noch einmal deutlich zu machen.

Ich habe vor einiger Zeit gelesen, dass die Bertelsmannstiftung eine Umfrage gemacht hat, wonach die Mehrheit der Bremerinnen und Bremer meint, man könne sich auch in einer Fusion mit Niedersachsen eine Zukunft vorstellen.

(Abg. S t r o h m a n n [CDU]: Bayern!)

Ich würde mir dann ein reiches Land aussuchen, eher Baden-Württemberg! Aber, meine Damen und Herren, das zeigt doch, was die Aufgabe ist! Ich werde Menschen nicht beschimpfen, die dieser Auffassung sind, aber wir müssen ins Gespräch darüber kommen, ob die Annahme, die dahinter steht, eine vernünftige ist, dass das Leben durch Fusion leichter oder besser werden könnte. Die Wahrheit ist: Nein, es wird nicht leichter oder besser. Deswegen gibt es auch keine Angebote, weder aus Niedersachsen noch aus irgendeinem anderen Land, uns zu integrieren, weil es im derzeitigen System unserer Finanzverteilung keine Lösung darstellt. Das müssen wir deutlich machen, dass das Problem, in dem wir auch leben müssen und von dem aus wir verhandeln, eines ist, das im System der deutschen Finanzverteilung begründet ist und nicht in der Situation Bremens. Deswegen gehen wir auch selbstbewusst in diese Verhandlungen hinein und agieren nicht als Bittsteller. Wir wissen, was wir für Deutschland leisten – ich nenne nur Häfen und Logistik –, und das macht uns selbstbewusst und nicht zum Bittsteller.

(Beifall bei der SPD, bei der CDU, beim Bündnis 90/Die Grünen und bei der Linken)

Das Zweite, das man fragen muss: Was für eine Art Föderalismus und Verhältnis zwischen den Ländern und zwischen den Ländern und dem Bund wollen wir? Ist es ein Verhältnis nach dem Recht des Stärkeren, oder ist es ein Verhältnis der Kooperation und des solidarischen Zusammenseins? Da ist meine Antwort klar, und ich freue mich, dass das auch im Antrag noch einmal sehr deutlich gesagt wird: Wir wollen vor allem unter dem Gesichtspunkt Gleichwertigkeit der Lebensverhältnisse in Deutschland eine Verantwortung, die sich nicht nur auf Bayern, Sachsen und Nordrhein-Westfalen beschränkt und begrenzt, sondern wir wollen eine Verantwortung für die Lebensverhältnisse in allen Teilen Deutschlands. Um es überspitzt zu sagen: Ob ein Kind in Ostfriesland, Bremen, Schleswig-Holstein, Nordrhein-Westfalen oder in Bayern geboren wird, alle müssen die gleichen Chancen und Berufs- und Ausbildungswege vor sich haben! Sie können doch nicht daran gekoppelt und konditioniert sein, ob in dem einen oder anderen Land größere oder geringere Mittel zur Verfügung stehen,

um ein Bildungssystem aufzubauen, das Chancengleichheit organisiert! Das muss in ganz Deutschland, überall, an jeder Stelle des Landes vorhanden sein!