Protocol of the Session on January 24, 2007

Zugegebenermaßen sollten wir unseren industriepolitischen Einfluss nicht überschätzen, und es ist auch nicht zu leugnen, dass es Risiken gibt, aber eine eigene Beteiligung bringt uns auf gleiche Augenhöhe mit Bayern, Baden-Württemberg, mit Hamburg und Niedersachsen. Sie macht uns zum mitspracheberechtigten Partner auf der politischen Bühne im Bund und sichert uns gleiche Informationen. Nicht zuletzt hat dieses Engagement auch einen hohen Symbolgehalt für Airbus Bremen. So sieht auch die Führung von Airbus Bremen unser Engagement als sehr positiv an, denn sie verhandelt lieber mit Bremen als mit anderen Bundesländern.

Meine Damen und Herren, die Beteiligung Bremens an EADS ist ein industriepolitisches Bekenntnis zum Standort. Auch wenn gerade die CDU dafür ist, aktive Industriebeteiligungen vorsichtig einzusetzen, in diesem Fall müssen wir im Sinne Bremens mit anderen Standorten gleichziehen. Ich habe Ihnen eingangs geschildert, mit welchem Engagement und welchem arbeitsmarktpolitischen Erfolg Wirtschaftspolitik die Luftfahrt fördert. Auch dieses Beispiel hat dazu beigetragen, dass Bremen wieder einen deutlichen Zuwachs an Erwerbstätigen hat. 1,2 Prozent betrug dieser Zuwachs im vergangenen Jahr, und er

war damit um 0,5 Prozent höher als der Bundesdurchschnitt. Die Industrie hat nach wie vor einen großen Anteil an den Arbeitsplätzen in Bremen, deswegen begrüßen wir das Engagement des Senats. Es ist ein positives Signal für Bremen, aber auch für die 10 000 Arbeitsplätze in der Luftfahrt in der Region. – Vielen Dank!

(Beifall bei der CDU und bei der SPD)

Als Nächster erhält das Wort der Abgeordnete Dr. Sieling.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich will mich gleich zu Beginn ausdrücklich hinter diese Entscheidung des Senats stellen und auch für meine Fraktion erklären, dass wir es von Beginn an für richtig gehalten haben, dass wir uns als Land Bremen in dieser Form engagieren. Diese Entscheidung ist richtig, auch dass wir dies als Land allein tun und nicht in irgendeiner Weise im Verbund mit anderen Ländern.

(Beifall bei der SPD)

Wir haben hier die Möglichkeit, unsere Rolle als selbstständiges Bundesland für so etwas zu nutzen und im Übrigen zu zeigen, dass Bremen selbst für die bremischen Arbeitsplätze, die bremische Wirtschaftskraft aktiv werden kann, aber auch eine Wirkung dabei hat in die niedersächsischen Nachbarbereiche, denn ein großer Teil der Arbeitnehmer kommt auch von dort. Die oberzentrale Funktion unseres Bundeslandes wird dadurch unterstrichen. Es ist unabdingbar, dies zur Sicherung des Luft- und Raumfahrtstandorts in Bremen zu tun. Das sind moderne Industriestrukturen, die müssen und wollen wir mit aller Kraft halten, genau wie wir um jeden Arbeitsplatz kämpfen.

(Beifall bei der SPD)

Ich will auch sagen, dass dies aktive Industriepolitik ist, man braucht in der Industriepolitik einen aktiven, handlungsbereiten Staat. Ich bin der Auffassung und muss sagen, Frau Winther sagte gerade, im Zusammenhang mit der Industriepolitik wäre die CDU-Fraktion für eine vorsichtige Industriepolitik, da gibt es Aufmerksamkeit zu wahren. Aber vorsichtig und zurückhaltend darf man da nicht sein, man muss entschieden sein und die Sache entschieden anfassen in der Industriepolitik. Ich fand die Entscheidung des gesamten Senats richtig, und ich finde auch richtig, dass der Präsident des Senats, Bürgermeister Jens Böhrnsen, diese Sache zur Chefsache macht und in die Hand nimmt und dafür sorgt, dass die Arbeitsplätze gehalten werden.

(Beifall bei der SPD – Zurufe von der CDU: Na, na!)

Aber natürlich ist das so! Es ist ein richtiges Vorgehen, auch sich darum zu bemühen, den Chef des Konzerns selbst nach Bremen einzuladen. Das hat der gesamte Senat gemacht und trägt der gesamte Senat, wovon ich ausgehe, das ist aber richtig, weil wir es in dieser Krise bei Airbus im Wesentlichen mit Managementfehlern zu tun haben. Ich denke, man muss darüber reden, welche Gefährdung hier entsteht.

Wir bewegen uns im Bereich des Luftfahrzeugbaus ja nicht in einem Wettbewerbsmarkt. Wir bewegen uns in einem Markt, in dem es weltweit noch zwei Anbieter gibt, meine Damen und Herren, zwei Anbieter! Das ist eine klassische Monopolsituation, in der dort agiert wird. Darum ist es auch vertretbar und richtig, wenn staatliches Engagement in dem Zusammenhang angesprochen wird. Ich will auch sagen, wenn jetzt Hand angelegt wird an die einzelnen Standorte, ich sage dies extra nicht nur auf den Standort Bremen bezogen, mit dem Konzept Power 8, mit dem ja verbunden ist, dass gerade die Arbeitsteilung zwischen den Standorten, die Vernetzung der Produktion dieses Konzerns aufgelöst wird, dann ist das aus meiner Sicht der nächste Managementfehler, der vorbereitet wird.

Dagegen müssen wir antreten, weil wir als Bremen hohe Kompetenzen dort entwickelt haben, weil dieser Konzern und dieser Standort dort hohe Kompetenzen entwickelt haben im Bereich der Flügelproduktion. Ich will dies ausdrücklich ansprechen, denn das ist der Kernbereich, der bei allen Entwicklungen gehalten werden muss. Dort ist hohes technologisches Potenzial versammelt. Es ist eine Reihe von Wissenschafts- und Forschungseinrichtungen in unserem Land auch darauf ausgerichtet worden. Nicht zuletzt haben wir dort eine qualifizierte Belegschaft mit gut ausgebildeten Leuten. Wer das vernichtet, der vernichtet wirklich öffentlich entwickeltes Eigentum und wertvolle Dinge. Deshalb darf daran nicht die Hand angelegt werden. Dieser Standort muss gesichert werden im Rahmen dieser Verbundproduktion.

(Beifall bei der SPD)

Politik, dafür werbe ich jedenfalls, aktive Industriepolitik, wir als Sozialdemokraten halten das für den richtigen Weg, muss an so einer Stelle in den Markt eingreifen. Aber, ich will das hier auch zitieren, wir sind ja umgeben von ordnungspolitischen Bedenkenträgern. Ich darf mit Genehmigung des Präsidenten zitieren aus einem Kommentar des „Handelsblattes“ vom 18. Januar dieses Jahres. Dort heißt es: „Die Absicht der Bundesländer ist eindeutig. Sie wollen ihre Interessen in der anstehenden Airbus-Sanierung geltend mache.“ Gut so, sage ich dazu. Dann geht es aber weiter im Kommentar: „Dadurch wird die Arbeit für die EADS-Manager nicht leichter, denn das Grundübel der EADS verschärft sich. Die industriellen Anteilseigner wollen Geld verdienen, die politischen Aktionäre Arbeitsplätze sichern und Einfluss üben.“

Meine Damen und Herren, ich weiß nicht, was daran schlecht sein soll, Arbeitsplätze zu sichern und Einfluss zu üben.

(Beifall bei der SPD und bei der CDU)

Hier zeigt sich, dass man sich ordnungspolitisch nicht verrennen soll und dass es gut ist, will ich ausdrücklich sagen, dass wir als Große Koalition, ich gehe davon aus, dass dies auch für Bündnis 90/Die Grünen gilt, für Bremen eindeutig dastehen und uns diesem ökonomischen Lehrbuchwissen einfachsten Niveaus nicht anpassen wollen.

Zum Schluss will ich sagen, wir dürfen uns natürlich keine Illusionen machen. Einen solchen industriepolitischen Ansatzbedarf wird man nicht durchsetzen mit 0,15 Prozent Bremer Anteil, sondern es wird erforderlich sein, die Koordination mit den anderen Bundesländern und vor allem mit der Bundesregierung hinzubekommen. Es ist und muss ein nationales Interesse an dieser Stelle sein, an dem alle anfassen müssen. Hier hilft sozusagen der Föderalismus wenig. Hier hilft es, wenn wir zu einer nationalen Gemeinschaftsaktion kommen und alle Kräfte gebündelt werden.

Man muss sich selbst fragen, was man denn als Standort selbst machen kann, denn wir sind nicht in der finanziellen Lage, dieses Werk zu sichern, darum kann es auch mit diesem Einstieg nicht gehen. Es geht darum, die Kräfte zu bündeln. Mich erinnert diese Auseinandersetzung an zwei Dinge, die wir in den letzten fünf bis zehn Jahren in unserem Bundesland hatten: zum einen schon bei Airbus an die Auseinandersetzung um das Dolores-Programm 1997/98, da gab es einen vergleichbaren Ansatz, zum anderen an das breite Bemühen darum, die Stahlwerke Bremen, damals noch Klöckner, vor fast vierzehn Jahren zu retten. Auch das war aktive Industriepolitik, auch da ist man eingestiegen. An diese Art von Aktivitäten muss man anknüpfen.

(Beifall bei der SPD)

Da gibt es eine gute Tradition,

(Glocke)

die ich hier zum Schluss gern ansprechen möchte, weil meine Vorrednerin das nicht getan hat. Das ist die gute Tradition, dass wir in diesem Großunternehmen starke Arbeitnehmervertretungen haben, die sich mit Blick auf den Standort und die Arbeitsplätze dieser Entwicklungen annehmen und mit ihrer Kenntnis der Details daran gehen. Ich sage Ihnen, meine Damen und Herren, wir können froh sein, dass wir in Deutschland eine so entwickelte Mitbestimmung haben und ein solches Betriebsverfassungsgesetz, dass das möglich ist. Ich bin stolz darauf, das wir Arbeitnehmer

vertretungen haben, die im Sinne unseres Standortes Bremen solche Industrien sichern und sich jeweils gemeinsam mit den jeweiligen Standorten dafür einsetzen.

Ich glaube, dass das ein Eckpunkt sein wird auch in der auf uns wohl zukommenden Auseinandersetzung um die Sicherung dieser vielen tausend Arbeitsplätze in diesem Werk. Ich denke, dass wir vor dem Hintergrund heute hierzu nicht die letzte Debatte geführt haben werden und vor diesem Hintergrund auch nicht das letzte Mal vielleicht hier in einer Aktuellen Stunde gestanden haben. Es ist jedenfalls richtig, dass der Senat weiter aktiv sein wird. Ich finde es auch richtig und bitte um Unterstützung. Meine Fraktion wird dafür sorgen, dass am 2. Februar, wenn die Arbeitnehmer bei Airbus zu Aktionen kommen, auch seitens der Politik dafür Unterstützung geboten wird. – Herzlichen Dank, meine Damen und Herren!

(Beifall bei der SPD)

Meine Damen und Herren, als nächster Redner hat das Wort der Abgeordnete Möhle.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich kann, werde und will das an dieser Stelle sehr kurz machen. Die Grünen halten die Entscheidung industriepolitisch auch für richtig. Gleichwohl glaube ich, dass man sich vor überhöhten Erwartungen schützen muss. Herr Sieling, Sie haben ja zum Schluss wenigstens noch die Kurve bekommen und gesagt, dass es doch nicht ganz so viel ist, womit Bremen sich beteiligt. Aus den Stimmenanteilen kann man so direkt und unmittelbar keine Einflussmöglichkeiten zur Standortsicherung ableiten.

Das kann man politisch tun, das tun wir auch. Ich finde es ja deswegen auch vernünftig, das zu tun. Im Gegensatz zu vielen anderen Beispielen ist es dieses Mal ja immerhin auch eine werthaltige Beteiligung, bei der man davon ausgehen kann, dass das Risiko minimiert ist und dass, wenn Dividenden gezahlt werden, von der Dividende die Zinsbelastungen und die Geschäftsbesorgungskosten für die BIG abgedeckt sind. Insgesamt will ich an dieser Stelle keine industriepolitische Rede halten. Ich habe ein großes Interesse an der nächsten Aktuellen Stunde. Ich habe hier meine Position kundgetan. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen)

Als nächster Redner hat das Wort Herr Senator Kastendiek.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich darf mich im Na––––––– *) Vom Redner nicht überprüft.

men des Senats für die Unterstützung hier im Haus für das Engagement des Senats an dieser Stelle recht herzlich bedanken! Es ist zu Recht gesagt worden, das Engagement Bremens, Einstieg bei EADS/Airbus, ist ein industriepolitischer Ansatz. Deswegen bin ich auch froh, dass in dieser Frage der Senat der Vorstellung und Zielrichtung meines Hauses gefolgt ist, sich direkt an EADS über den mittelbaren Anteil von Daimler-Chrysler zu beteiligen.

Es ist richtig, es ist eine symbolische Aussage, die wir hier vornehmen. Das ganze Geschäft ist natürlich – das muss man ehrlicherweise an dieser Stelle sagen – nicht ohne Risiko, und es gibt keine Garantien, meine Damen und Herren! Wenn wir hier Bremen als erfolgreichen und leistungsfähigen Luft- und Raumfahrtstandort in der Größe erhalten wollen, dann müssen wir um die Arbeitsplätze am Standort Bremen kämpfen. Dann müssen wir um die Kompetenz kämpfen, die sich in den vergangenen Jahren auch mit der Unterstützung öffentlicher Mittel in Forschung und Entwicklung aufgetan hat. Das ist ein Ziel, für das es sich lohnt zu kämpfen, meine Damen und Herren!

(Beifall bei der CDU)

Ich hatte heute Morgen ein Gespräch mit der Geschäftsleitung von Airbus Deutschland, deswegen bitte ich im Nachhinein darum, mich für das Fehlen in der Fragestunde zu entschuldigen! Die Diskussion können wir dann ja an anderer Stelle noch einmal nachholen. Ich glaube, solche Kontakte sind ganz wichtig. Wir müssen nicht nur auf nationaler Ebene Einfluss nehmen, wir müssen nicht nur auf politischer Ebene Einfluss nehmen, das ist eine ganz wichtige Ebene. EADS war von Anfang an ein industriepolitisches Projekt. Deswegen auch die Adresse an die Ordnungspolitik!

Meine Damen und Herren, wir können hier an dieser Stelle nicht mit ungleichen Waffen kämpfen. Wenn die Franzosen industriepolitisch agieren, ihre Interessen durchzusetzen, dann müssen wir auf gleicher Augenhöhe die Antwort geben und sagen, jawohl, auch wir müssen hier industriepolitisch agieren.

(Beifall bei der SPD und bei der CDU)

Deswegen müssen wir an dieser Stelle alles unternehmen. Auch wenn es mit Risiken verbunden ist und wenn es für dieses Handeln keine Garantien gibt, müssen wir uns an dieser Stelle einsetzen.

Wir befinden uns im Gleichklang mit den anderen Bundesländern. Das ist wichtig, meine Damen und Herren, dass wir alle gemeinsam dieses Engagement vornehmen. Da, glaube ich, tut es Bremen ganz gut, dass man sich in dem Sinne ein wenig positiv absetzt, dass man die wirtschaftliche und finanzielle Leistungsfähigkeit Bremens an dieser Stelle berücksichtigt. Wir sind mit am Tisch, wir sitzen nicht irgendwo am Kat

zentisch, und wir wollen hier gemeinsam die Position Deutschlands, der deutschen Standorte, der Politik, der Unternehmensführung und natürlich der Gewerkschaften und Arbeitnehmervertreter gegenüber dem französischen Ansatz vertreten.

Wir müssen aufpassen, meine Damen und Herren! Die Franzosen sind an der Stelle ziemlich knallhart, sie sind auch sehr stringent, dazu gibt es verschiedene Beispiele. Auch im Bereich des Schiffbaus und des Werftenbaus gibt es ähnliche Ansätze, auf die wir uns auch industriepolitisch eingelassen haben. Bei der Übernahme von Atlas Elektronik haben wir versucht, Einfluss zu nehmen, was uns an der Stelle auch gelungen ist. Das Gleiche müssen wir bei Airbus machen. Ich finde, die Luft- und Raumfahrt gehört zu Bremen, fast so, wie der Roland zu Bremen gehört. Von der Geschichte her nicht ganz so lang, aber dennoch gehört die Luft- und Raumfahrt genauso wie der Roland zu Bremen.

(Beifall bei der SPD und der CDU)

Deswegen müssen wir alles unternehmen, keinen Ansatz unversucht lassen, hier unseren Einfluss zu nehmen. Wir wollen das in einem sehr konstruktiven Ansatz gemeinsam mit den Kräften, die es hier gibt, voranbringen. In dem Sinne herzlichen Dank für die Unterstützung, und ich hoffe, dass am Ende das gemeinsame Engagement aller Beteiligten dann auch zu dem entsprechenden Erfolg führt! – Herzlichen Dank!

(Beifall bei der SPD und bei der CDU)

Wir kommen jetzt auf Antrag der Abgeordneten Dr. Güldner, Frau Linnert und Fraktion Bündnis 90/Die Grünen zum zweiten Thema der Aktuellen Stunde:

Verantwortung der Bundes- und Landesregierung für die Haftdauer von Murat Kurnaz.

Als nächster Redner hat das Wort der Abgeordnete Dr. Güldner.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ich glaube, es wäre mir schwer gefallen, die beiden Themen miteinander zu verbinden. Deswegen spreche ich jetzt zu der zweiten Aktuellen Stunde zum Fall Murat Kurnaz.