Wir werfen der Staatsregierung mit Blick auf die gesundheitspolitischen Fragen vor allem vor, dass sie hier ihre in den Rechten begründeten Pflichten nicht erfüllt hat. Dieser Grundsatz gilt selbstverständlich auch in Sachen Weisungsrecht, zumindest solange es gesetzlich geboten ist.
Insofern haben sich die Generalstaatsanwaltschaft München und das Justizministerium drei eklatante Fehler zuschulden kommen lassen:
Erstens haben sie ihr Weisungsrecht nicht formell ausgeübt, sondern informell durchgesetzt. Obwohl sie konträr zu den Absichten der sachleitenden Staatsanwaltschaft entschieden, haben sie dafür nicht die Ver
antwortung übernommen. Stattdessen tun sie bis heute so, als seien die skandalösen Fehlentscheidungen in freier Verantwortung der zuständigen Staatsanwaltschaft getroffen worden. Das ist nicht so.
Zweitens haben Generalstaatsanwaltschaft und Justizministerium diesen Einfluss nicht aus sachgerechten Gründen ausgeübt.
Drittens haben sie ihr Weisungsrecht nicht wahrgenommen, als es notwendig gewesen wäre, um in ihrem Verantwortungsbereich für Rechtseinheit zu sorgen.
Fangen wir damit an, dass sie die Ermittlungen de facto bis in die Einzelheiten gesteuert, aber dafür keine Verantwortung übernommen haben. Diese informelle Steuerung erfolgte im Wesentlichen dadurch, dass der sachleitende Staatsanwalt permanent zum Rapport antreten und jeden einzelnen Ermittlungsschritt berichten musste. Die Intensität und Häufigkeit der angeforderten und gegebenen Berichte, die Zahl, Art und Heftigkeit der Besprechungen nannten etliche Zeugen ungewöhnlich. Allein dadurch gab es eine enge Führung der Ermittlungen durch die Generalstaatsanwaltschaft mit Rückendeckung und jeweils Rücksprache im Justizministerium.
Außerdem wurde der sachleitende Staatsanwalt immer wieder von der Generalstaatsanwaltschaft damit konfrontiert, dass sie und das Justizministerium seine Rechtsmeinung nicht teilten, dass er also auf dem Holzweg ist. Das hat man ihm im Abstand von nur wenigen Wochen mit den gleichen Worten und den gleichen Argumenten immer wieder gesagt. Da ist kein neues Argument dazugekommen. Das grenzt aus meiner Sicht schwer an Mobbing. Man muss schon sehr standhaft, um nicht zu sagen sehr stur sein, um nicht umzufallen, wenn man von seinen Vorgesetzten und Oberen permanent gesagt bekommt, dass man auf dem Holzweg sei und das Ganze schleunigst umstellen solle.
Dazu kam aber noch eine "Breitseite von Weisungen". So nannte es der sachleitende Staatsanwalt und führte es der Kollege Streibl aus. Am Ende hatte man ihm nicht nur die Entscheidungskompetenz, sondern de facto alle Ermittlungen aus der Hand genommen bis auf die eine, mit der er dann prompt Erfolg hatte.
Die Generalstaatsanwaltschaft hat so die sachleitende Staatsanwaltschaft bis zur Scheinselbstständigkeit entmündigt und damit das Weisungsrecht unterlaufen. Es zeichnet einen Rechtsstaat gerade aus, dass die Verantwortlichen auch formell die Verantwortung übernehmen, dafür geradestehen und transparent machen, dass sie dafür verantwortlich sind; denn sonst müssen Subalterne für Entscheidungen gerade
stehen, die sie nicht frei treffen können, während die eigentlich verantwortlichen übergeordneten Stellen sich der Rechenschaft entziehen. Dass so etwas in Bayern passiert, ist ein Missstand, der schleunigst abgestellt werden muss.
Für die Einflussnahme der Generalstaatsanwaltschaft und des Justizministeriums – das ist der zweite schwerwiegende Kritikpunkt – gab es jedoch keinen Grund, jedenfalls keinen sachlichen Grund; denn die ursprünglich von der sachleitenden Staatsanwaltschaft München I geplante Verfahrensstrategie war kompetent, angemessen, verhältnismäßig und zielführend. Am Anfang wurde das alles noch mit Zustimmung der Generalstaatsanwaltschaft auf den Weg gebracht. Sie sah vor, mehrere betrügerische Ärzte und Schottdorf wegen Beihilfe anzuklagen. Man wollte die übrigen Verfahren sozusagen auf Eis legen, um verjährungsunterbrechende Maßnahmen ergreifen zu können.
Hätte da die Generalstaatsanwaltschaft nicht interveniert, wäre es nicht zu dem heute von allen beklagten "unbefriedigenden Ergebnis" gekommen. Hätten sie den Staatsanwalt einfach seine Arbeit machen lassen! – Hat sie aber nicht. Insofern war dieses Vorgehen sachfremd, weil es keine sachlichen Argumente gab, ihm diese kompetente Arbeit kaputtzumachen. Das war höchst fragwürdig und im Ergebnis für die Generalstaatsanwaltschaft und das Justizministerium auf ganzer Linie blamabel.
Das dritte Fehlverhalten im Zusammenhang mit dem Weisungsrecht besteht darin, dass – wie gesagt – das Weisungsrecht von der Generalstaatsanwaltschaft und dem Justizministerium nicht ausgeübt worden ist, als es nötig gewesen wäre.
Mit der Verengung auf ein Pilotverfahren – das dann keines mehr war; denn es handelte sich um ein einzelnes Verfahren, da nichts folgte – und der erzwungenen Abgabe der anderen Verfahren nach Augsburg wurden zwei Staatsanwaltschaften im gleichen Bezirk in die entgegengesetzte Richtung geschickt. Das haben die sehenden Auges gemacht. Die haben gesehen, dass die Augsburger das Verfahren einstellen, aber es der Münchner vorantreibt. Das geht genau in die entgegengesetzte Richtung. Trotzdem haben sie gesagt: Gib es nach Augsburg ab. Sie haben zugesehen und nichts unternommen. Sie hätten auch danach etwas unternehmen können, etwa wenn man sagt: Okay, die haben es damals noch nicht gewusst. Spätestens als die Staatsanwaltschaft Augsburg bis hinauf in das Justizministerium nach Zustimmung zur
Einstellung gefragt hat, hätten sie sagen können: Verjährungsunterbrechende Maßnahmen sind erforderlich.
Sie haben zugesehen, wie dabei zweierlei Rechte herauskamen: Den einen ließ man verurteilen, und Tausende ließ man ungeschoren davonkommen. Bis heute versäumt es das Justizministerium, auch der amtierende Justizminister, hier Rechtsgleichheit herzustellen. Bis heute hat man aus dem Pilotprojekt keine Konsequenzen gezogen. Als Resultat dieses Justizversagens ist dieses Betrugssystem bis heute nicht abgestellt. Ärztinnen und Ärzte rechnen immer noch systematisch betrügerisch nach dem Modell Schottdorf ab. Sie tun das, weil sie damit in Bayern davonkommen. Wir sehen darin ein schwerwiegendes Versagen der bayerischen Justiz, und zwar bis hin zum amtierenden Justizminister.
Im Zusammenhang mit der fehlenden Ausübung des Weisungsrechts sehen wir insbesondere auch bei der damaligen Justizministerin Merk schwere Versäumnisse. Sie hätte, wenn schon die Generalstaatsanwaltschaft München versagt und die im Justizministerium Zuständigen nicht eingreifen, selber für Rechtseinheit sorgen müssen. Stattdessen hat sie die Übernahme ihrer Ministerverantwortung verweigert. Damals gab es im Justizministerium ein massives Macht- und Kontrollvakuum.
Man muss sich vorstellen, Ministerin Merk ließ ihre Behörde ohne Kontrolle agieren, weil sie informelle Vorgaben machte, mit welcher Art von Vorgängen sie nicht behelligt werden wollte. Angeblich haben solche Vorgänge wie Schottdorf dazugehört: Das durfte gar nicht bis zu ihr vordringen. Dies gilt auch für den Fall Gurlitt: Das durfte gar nicht bis zu ihr vordringen. Das bedeutet, die Zuständigen haben selber entscheiden müssen, wann sie der Kontrolle bedurft haben, wann die Ministerin sie hätte beaufsichtigen sollen. In diesem Fall haben sie einen Vorgang vorlegen müssen. Die Ministerin hat gesagt: Behelligt mich nicht. Wie unglaublich dieser Vorgang ist, lässt sich daran bemessen, dass ihr Nachfolger ihre Anweisungen sofort zurückgenommen und die ausdrückliche Berichtspflicht wieder eingeführt hat. Merks Verantwortungsverweigerung ist ein besonders abstruser Beleg dafür, dass politische Einflussnahme in Bayern in der Regel ohne explizite Weisungen erfolgt. Die untergebenen Beamten machen von sich aus das, wovon sie glauben, dass man es von ihnen erwartet. Die Justizministerin hat sich damals um nichts gekümmert, während es bei der Staatsanwaltschaft drunter und drüber ging. Sie ist deshalb für das Versagen der Generalstaatsanwaltschaft genauso verantwortlich wie diese.
Eine Ministerin, die keine Regierungsverantwortung übernehmen will, ist als Ministerin überflüssig und untragbar.
Kolleginnen und Kollegen, das Fehlverhalten, das uns in diesem Parlament besonders interessieren muss, ist der Missbrauch von Abgeordnetenvorrechten. Der ehemalige Generalstaatsanwalt hat als Zeuge ausdrücklich bestätigt, dass er Abgeordneten gegenüber sehr zuvorkommend war. Grundsätzlich ist das nicht falsch. Niemandem schadet es, Abgeordneten gegenüber zuvorkommend zu sein.
Er war aber auch dann zuvorkommend, wenn die Abgeordneten nicht in politischer, sondern in beruflicher Funktion bei ihm vorsprachen. Schottdorfs Anwalt Gauweiler lieh er jederzeit Gehör. Das war ganz normal. Er vermittelte ihn sogar direkt an die zuständige Staatsanwältin weiter und spielte damit Schottdorfs Türöffner. Damit hatte er überhaupt kein Problem gehabt. Die Zeugenaussage hat bestätigt, dass die Abteilungsleiter bei der Staatsanwaltschaft Gauweiler stets empfangen haben, weil sie sonst Druck vom General bekommen haben. Jetzt weiß vielleicht nicht gleich jeder, warum es sich dabei um Fehlverhalten handelt. Für uns ist es selbstverständlich, dass wir als gewählte Abgeordnete direkten Zugang zur Exekutive haben – wenn sie da ist.
Das ist bewährte Praxis. Es ist jedoch höchst fragwürdig, wenn Abgeordnete eben nicht in ihrer politischen Funktion vorstellig werden, sondern ihr Mandat und die damit zusammenhängenden Privilegien dazu missbrauchen, Geschäfte zu machen.
Das ist Missbrauch. Behörden, die dem nachgeben, öffnen solchem Missbrauch Tür und Tor. Wir erwarten die Klarstellung des Justizministers, dass er so etwas nicht mehr duldet.
Wenn du nicht differenzieren kannst, ist das dein Problem. Welcher Anwalt, der nicht Gauweiler heißt oder Abgeordneter ist, hat einen direkten Zugang zum Minister und zum Generalstaatsanwalt?
Warum darf ich das nicht kritisieren, wenn du das kritisiert hast? Ich will bitte keinen Dialog, ich habe das Rederecht.
Den fragwürdigen Umgang mit Kritikern dieser Vorgänge, die merkwürdigen Disziplinarverfahren und die unverhältnismäßigen Ermittlungsverfahren gegen SOKO-Beamte sowie Journalisten haben die Kolleginnen und Kollegen bereits ausführlich zu Recht kritisiert.
Damit ist gleich die Verantwortung von Innenminister Herrmann berührt, der auch nicht da ist. Auch in seiner Zuständigkeit, nämlich im Bayerischen Landeskriminalamt, kam es zu Fehlverhalten, das er schleunigst abstellen muss. So deckte der Untersuchungsausschuss auf, dass die massiven Probleme in SOKO und LKA von einem miserablen, vormodernen Führungsstil begünstigt wurden. Man hat beispielsweise SOKO-Beamte immer wieder bei sie betreffenden Entscheidungen übergangen und auch später versucht, sie vor vollendete Tatsachen zu stellen, statt das direkte und klärende Gespräch zu suchen und ihnen deutliche Ansagen zu machen. Vorgänge wie diese führten zum verständlichen Ärger, der sich zunächst in internen Beschwerden Luft verschaffte. Erst nachdem die betroffenen Beamten jahrelang immer nur auf taube Ohren gestoßen und mit Disziplinierungsversuchen überzogen worden waren, wandten sie sich an die Öffentlichkeit. Innenminister Herrmann musste wegen der Zerwürfnisse in der SOKO und im Landeskriminalamt sogar beim Ministerpräsidenten antanzen. Er hat einen Extratermin deswegen bekommen. Er hat jedoch keine Konsequenzen gezogen. Deshalb ist das Versagen seiner Untergebenen auch ihm anzurechnen.
Auch das Finanzministerium und die Beihilfestellen haben sich aus unserer Sicht schwere Versäumnisse zuschulden kommen lassen. Die staatlichen Beihilfestellen haben im Untersuchungsausschuss eindrücklich dargelegt, dass sie derzeit, wie sie jetzt aufgestellt sind, Betrug hilflos ausgeliefert sind. Trotzdem hat Finanzminister Söder nichts veranlasst, um diese Missstände abzustellen. Dabei hätte er etwas machen können. Die fehlende Digitalisierung hat der Rechnungshof schon seit Jahren angemahnt. Die Beihilfestellen benötigen mehr Digitalisierung bei der Abrechnungsprüfung, eine geeignete Prüfsoftware und mehr Personal. Das können die gesetzlichen Krankenkassen schon lange. Der einzelne Arzt muss das nicht jedes Mal bürokratisch nachweisen. Er muss einmal sagen, wozu er befugt ist. Dann schreibt man das in die Prüfsoftware rein. Schließlich prüft die Prüfsoftware das automatisch – keiner hat mehr Arbeit. Das ist
simpel. Die Beihilfe muss endlich routinemäßig prüfen können, ob eine Ärztin oder ein Arzt die Rechnung seiner Qualifikation entsprechend überhaupt stellen darf. Finanzminister Söder ist deshalb mitverantwortlich dafür, dass die Steuerzahlerinnen und Steuerzahler um Millionenbeträge betrogen wurden. Es ist höchste Zeit, dass er das endlich abstellt.
Kolleginnen und Kollegen, Ausgang allen Übels war das Versagen der Gesundheitspolitik. Wie das Justizministerium hat es auch das Gesundheitsministerium über zwei Jahrzehnte hinweg versäumt, Systemfehler im Gesundheitswesen zu korrigieren. Die Bayerische Staatsregierung hätte die Möglichkeit und damit nach meinem Verständnis die Pflicht gehabt, die notwendigen gesetzlichen Änderungen vom Bundesgesetzgeber einzufordern. Sie haben ein Mitwirkungsrecht und damit auch eine Mitwirkungspflicht, wenn Sie einen Missstand erkennen. Dass die Laborgebühren und damit die Gewinnmargen endlich abgesenkt werden müssen, sieht inzwischen sogar die CSU ein.
Ich will noch zwei weitere Punkte nennen. Zum einen müssen Arztrechnungen dringend transparenter und besser überprüfbar werden. Für Behandelte wie Kostenträger muss auf Anhieb erkennbar sein, ob eine Arztrechnung den gesetzlichen Vorgaben entspricht oder nicht. Zum anderen können und müssen private Krankenversicherungen und Beihilfestellen die Kontrollaufgaben übernehmen, mit denen die Patientinnen und Patienten eindeutig überfordert sind. In der gesetzlichen Krankenversicherung geschieht dies seit Langem. Es gibt keinen Grund, das nicht auch in der privaten Krankenversicherung zu tun.
Zum Schluss fasse ich die Ergebnisse des Untersuchungsausschusses zusammen. Das ist eine erbärmliche Bilanz für die Staatsregierung. Man kann wirklich froh sein, dass wir im Untersuchungsausschuss auch bayerische Beamtinnen und Beamte getroffen haben, die gute Arbeit geleistet haben. Deshalb gilt unser besonderer Dank zuallererst den Kritikern, die diese Missstände nicht einfach hinnehmen wollten.
Wirklich ordentlich gearbeitet – das will ich ausdrücklich loben – haben der damals sachleitende Staatsanwalt, die Staatsanwaltschaft München I und die "SOKO Labor" – Hut ab vor all diesen Beamtinnen und Beamten, danke für ihre Arbeit.
Vielen Dank, Herr Dr. Dürr. – Als letztem Redner in unserer Debatte erteile ich nun Herrn Kollegen Hofmann das Wort. Bitte schön.
Frau Präsidentin, Hohes Haus! Ich beginne mit dem, was mir am Wichtigsten ist. Ich fasse mich relativ kurz, weil Herr Kollege König bereits den Dank ausgesprochen hat. Ich möchte mich diesem Dank ausdrücklich anschließen. Er hat alle erfasst, die uns maßgeblich unterstützt haben. Herr Kollege Schindler hat bereits gesagt, dass es ein langwieriger Ausschuss war. Er hat fast zwei Jahre gedauert. Der Untersuchungsausschuss führte bis an die Grenzen der Belastbarkeit, insbesondere bei unseren Schriftführern und Protokollanten. Das möchte ich herausstellen, weil wir sie viel zu wenig würdigen. Wir haben sie wirklich bis aufs letzte Mark ausgequetscht. Das muss man so deutlich sagen. Ein herzliches Dankeschön an dieser Stelle, bitte geben Sie es auch weiter.
Heute steht der Schlussbericht des Untersuchungsausschusses auf der Tagesordnung. Wenn ich mir die Pressetribüne ansehe, stelle ich fest: Es ist kein einziger Pressevertreter mehr da. Vor dem Saal standen keine Filmapparate oder Kameras. Das Interesse der Presse ist jetzt relativ gering. In diesem Haus hat jeder eine eigene Meinung. Wenn man die Pressevertreter heutzutage noch als vierte Gewalt des Staats ansieht und als objektives Kriterium, dann muss man an dieser Stelle feststellen, dass sich auch die Pressevertreter bereits ihr Urteil gebildet haben, weil sie nicht mehr da sind. Sie sind nämlich, genau wie wir in unserem Bericht, zu dem Ergebnis gekommen: Es war kein Skandal, es ist kein Skandal, und es wird auch kein Skandal werden, ganz egal, was GRÜNE und FREIE WÄHLER in der heutigen Plenarsitzung gesagt haben.