Dann wüssten wir, wo es langgeht. Aber Sie haben sich vornehm zurückgehalten. Der Herr Unterländer sagt, zu gegebener Zeit diskutieren wir darüber. Aber wir sind uns doch einig, dass wir alle das wollen. Daher könnten Sie heute konkret sagen, dass Sie das wollen und gemeinsam mit allen vier Fraktionen umsetzen wollen. Das möchte ich ganz klar sagen.
Diese Personen mit einem Sehvermögen von 2 bis 5 % können weder kochen noch putzen. Sie sehen nur Umrisse. Sie haben viele Ausgaben. Man hat es ausgerechnet. Die zusätzlichen Kosten betragen 200 Euro pro Monat. Außerdem müssen sie Taxi fahren. Das ist ein Nachteil, den wir insgesamt ausgleichen müssen. Deshalb unterstützen wir den Antrag der SPD, der Menschen mit einer Sehkraft von 2 bis 5 % eine anteilige Unterstützung von 30 % zukommen lassen will. Das wären im Monat 166,80 Euro. Das ist ein ganz wichtiger Punkt.
Ich habe es schon gemerkt, als wir das diskutiert haben, und frage daher Herrn Unterländer und die CSU: Haben Sie wirklich immer wieder gesagt, wir warten auf das Bundesteilhabegesetz? Das war immer der Punkt. Jetzt warten wir und merken, dass mit dem Bundesteilhabegesetz nicht die Lösung kommt, die wir erwartet haben. Das ist schade. Wir werden nochmal darüber diskutieren. Gerade deshalb, weil der Bund diese Leistung wahrscheinlich nicht erbringen wird, sind wir als Landtag aufgefordert, konkrete Maßnahmen zu ergreifen und entsprechende Gelder in den Haushalt einzustellen. Das soll heute auf jeden Fall ganz klar und konkret gesagt werden, meine Damen und Herren.
(Beifall bei den FREIEN WÄHLERN und Abge- ordneten der GRÜNEN – Joachim Unterländer (CSU): Ich höre!)
Herr Unterländer, Sie wissen es doch: Berlin, Hessen, Mecklenburg-Vorpommern, Nordrhein-Westfalen, Sachsen und Sachsen-Anhalt haben diese Leistung eingeführt. Warum können wir es dann in Bayern nicht machen? Das wäre wichtig. Bayern will doch immer vorne sein, Frau Ministerin. Wir sollten auch bei diesem Punkt vorne sein. Sie haben eingangs gesagt, was Bayern beim Blindengeld schon alles geleistet hat. Das bestreite ich nicht, Frau Ministerin. Das ist ganz klar. Das unterstützen wir. Aber wir müssen weiterkommen. Wir müssen die Defizite, die sich ergeben haben, ausgleichen. Diese vielen Bundesländer haben das gemacht. Frau Ministerin, geben Sie doch
ein konkretes Signal und sagen Sie, das ist ein gemeinsames Anliegen! Wir hoffen, dass das noch in diesem Jahr parteiübergreifend gemacht wird und für die hochgradig Sehbehinderten keine Vision bleibt, sondern gelebte Realität wird. Es gibt viele Lösungsvorschläge. Wir hoffen, dass sie umgesetzt werden.
Frau Ministerin, wir von den FREIEN WÄHLERN werden nicht locker lassen und einen Gesetzentwurf und Anträge dazu einbringen. Wir wollten abwarten, wie Sie sich dazu äußern. Sie haben leider nichts gesagt. Vielleicht machen Sie das noch. Es wäre im Interesse aller behinderten Menschen wichtig. Diese Menschen wären Ihnen dankbar, wenn Sie noch heute ein Signal dazu geben würden.
Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Damen und Herren! Beim Lesen des von Ihnen vorgelegten Gesetzentwurfs könnte man denken, es gehe um eine Formalie, nämlich die notwendige Anpassung des Blindengeldgesetzes an die neuen Pflegestufen im Rahmen des neuen Pflegebedürftigkeitsbegriffs, der ab dem 01.01.2017 gelten wird. Alles toll, fröhliche Zustimmung aus dem Parlament? – Nein. Das haben wir auch von den Vorrednern gehört. Es fehlt nämlich ein ganz wichtiger Teil. Herr Unterländer, ich habe mich sehr gefreut, dass Sie heute eine so deutliche positive Stellungnahme abgegeben haben. Sie kommt für mich etwas überraschend. Ich hätte mir nämlich gewünscht, dass das in einem Änderungsantrag zu diesem Gesetz eingebracht wird. Ich habe die Befürchtung, dass hier wieder viel heiße Luft produziert wird und nichts passiert.
Sie, Frau Ministerin, haben gesagt, dass Bayern früh damit angefangen hat, ein Blindengeld zu zahlen. Das stimmt. Aber dann ist die Staatsregierung auf halber Strecke stehen geblieben, und die anderen Bundesländer haben uns überholt. Die CSU-Fraktion hatte – ich erinnere daran – schon in der 16. Legislaturperiode die Einführung eines abgestuften Blindengeldes für hochgradig sehbehinderte Menschen versprochen. Damals wurde in einem ersten Schritt das Taubblindengeld erhöht. Der versprochene zweite Schritt für die rund 5.000 hochgradig Sehbehinderten ist, wie meine Vorredner zu Recht gesagt haben, bis heute ausgeblieben.
Frau Ministerin und Herr Unterländer, wenn wir Sie in den vergangenen Jahren an Ihr Versprechen erinner
ten, fanden Sie immer neue Begründungen dafür, dass dieses Versprechen im Augenblick angeblich nicht erfüllt werden könne: Das eine Mal brauchten wir Geld für Flüchtlinge, ein anderes Mal gingen Sie davon aus, im Bundesteilhabegesetz werde eine Regelung getroffen. Im Bundesteilhabegesetz finden wir davon jedoch nichts. Das ist einer der Gründe, weshalb mich die Stellungnahme der Bayerischen Staatsregierung zum damaligen Entwurf des Bundesteilhabegesetzes interessiert. Ich möchte gern wissen, ob sich die Staatsregierung vor dessen Verabschiedung dafür eingesetzt hat, dass auch für schwerstsehbehinderte Menschen ein Ausgleich geschaffen wird. Ich vermute, nein.
Fakt ist doch: Auch in der 17. Legislaturperiode ist noch nichts getan worden, um das in der 16. Legislaturperiode gegebene Versprechen zu erfüllen. Daran ändert auch Ihre wolkige Ankündigung nichts, Herr Unterländer. Deswegen erinnern wir Sie daran und legen einen entsprechenden Änderungsantrag – meine Kollegin Doris Rauscher hat ihn schon angekündigt – zu dem Gesetzentwurf vor. Wir wollen in der Beratung auch darüber reden, wann die schwerst Sehbehinderten das Geld bekommen, das ihnen schon so oft versprochen wurde.
Wenn ich mir vor Augen halte, was Ihr kreativer Finanzminister alles an finanziellen Zuwendungen landauf, landab verspricht, dann können die maximal 9 Millionen Euro, die das Blindengeld für schwerstsehbehinderte Menschen jährlich ausmacht, wohl nicht das Problem sein.
Wir haben die Erste Lesung. Damit ist noch genug Zeit, darüber nachzudenken und aufeinander zuzugehen. Vielleicht nutzen Sie von der CSU die Zeit bis zur Zweiten Lesung und gehen im Internet auf den "Sehschärfensimulator", um ein Gefühl dafür zu bekommen, wie ein Mensch sieht, der eine Fehlsichtigkeit von 3, 4 oder 5 Dioptrien hat. Erkrankungen der Augen, die das Gesichtsfeld zusätzlich beeinträchtigen, sind dabei noch gar nicht berücksichtigt. Der Test reicht aber aus, um zu erkennen, wie wichtig Hilfsmittel sind, zum Beispiel teure Kontaktlinsen, Brillen und Lupen, aber auch starkes Licht. Die Hilfsmittel müssen die betroffenen schwerstsehbehinderten Menschen im Wesentlichen selbst bezahlen, und zwar nicht einmalig, sondern für den Rest ihres Lebens. Hinzu kommt, dass sie weitere Hilfen benötigen, an
Für all das ist ein regelmäßiger finanzieller Zuschuss wichtig. Leider haben CSU und Staatsregierung wieder einmal die Möglichkeit, dies jetzt zu regeln, nicht genutzt. Genau deshalb schlagen wir vor, dass der Gesetzentwurf im Laufe der weiteren Beratungen entsprechend angepasst wird – im Interesse der sehbehinderten Menschen.
Danke schön, Frau Celina. – Die Aussprache ist geschlossen. Ich schlage vor, den Gesetzentwurf der Staatsregierung zur Änderung des Bayerischen Blindengeldgesetzes, Drucksache 17/11941, dem Ausschuss für Arbeit und Soziales, Jugend, Familie und Integration als federführendem Ausschuss zu überweisen. Besteht damit Einverständnis? – Das ist der Fall. Dann ist es so beschlossen.
Gesetzentwurf der Abgeordneten Joachim Unterländer, Judith Gerlach, Dr. Gerhard Hopp u. a. (CSU) zur Änderung des Gesetzes zur Freistellung von Arbeitnehmern für Zwecke der Jugendarbeit (Drs. 17/11942) - Erste Lesung
Gesetzentwurf der Abgeordneten Markus Rinderspacher, Dr. Linus Förster, Doris Rauscher u. a. und Fraktion (SPD) zur Änderung des Gesetzes zur Freistellung von Arbeitnehmern für Zwecke der Jugendarbeit (Drs. 17/12011) - Erste Lesung
Gesetzentwurf der Abgeordneten Margarete Bause, Ludwig Hartmann, Claudia Stamm u. a. und Fraktion (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) zur Änderung des Gesetzes zur Freistellung von Arbeitnehmern für Zwecke der Jugendarbeit (Drs. 17/12078) - Erste Lesung
Bei den Entwürfen werden Begründung und Aussprache miteinander verbunden. Damit haben wir eine Redezeit von 13 Minuten für die CSU-Fraktion, 11 Minuten für die SPD-Fraktion und 10 Minuten für die
Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN. Ich eröffne also zugleich die Aussprache. Die Gesamtredezeit der Fraktionen beträgt nach der Geschäftsordnung 24 Minuten. Damit verbleiben nach Begründung und Aussprache für die Fraktion der FREIEN WÄHLER 5 Minuten und für die Staatsregierung 8 Minuten. – Ich erteile zunächst Herrn Kollegen Dr. Hopp das Wort. Bitte schön.
Hohes Haus, verehrte Frau Präsidentin, Herr Ministerpräsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Was ist es, was unser Leben in Bayern ausmacht? Ist es Freiheit? Ist es Wohlstand? Ist es die Kultur?
Oder ist es der Zusammenhalt? – Wie stark der Zusammenhalt in Bayern ist, haben wir in den vergangenen Wochen bei den Hochwasserereignissen in Niederbayern wieder eindrucksvoll erleben dürfen. Tausende Menschen haben gespendet, Hilfsleistungen organisiert und, ohne lange zu fragen, den Nachbarn geholfen. Einige sind sogar als ehrenamtliche Helferinnen und Helfer in Gebiete wie Simbach gereist und haben sich dort engagiert. Danke schön und allerhöchsten Respekt an alle Helfer und Unterstützer, die ihre Freizeit für andere geopfert haben!
Erlauben Sie mir, ein zweites Beispiel – es ist eines aus meiner Nachbarschaft – zu erzählen. Bei meinem Nachbarn hat es vor einigen Wochen gebrannt. Er stand von einer Minute auf die andere ohne irgendein Hab und Gut da. Innerhalb von Stunden haben sich die Vereine, die Nachbarn, die Jugendlichen über WhatsApp oder andere neue Medien ausgetauscht und haben nahezu einen gesamten neuen Hausstand organisiert. Sie haben geholfen und damit ein Zeichen dafür gesetzt, dass Zusammenhalt nicht nur ein Wort ist, sondern auch, insbesondere in der Nachbarschaft, tatsächlich gelebt wird.
Die Tatsache, dass sich fast 4 Millionen Menschen regelmäßig engagieren, spricht eine deutliche Sprache. Sie engagieren sich in den Freiwilligen Feuerwehren, beim THW, beim Roten Kreuz, in Sport- und Trachtenvereinen, Kapellenvereinen und Gartenbauvereinen,
aber auch in politischen Organisationen. Jeder, der Verantwortung übernimmt, trägt auf seine – oft entscheidende – Art und Weise dazu bei, dass unser Bayern so lebenswert bleibt. Die Aufnahme des Ehrenamtes in die Bayerische Verfassung im Jahr 2013 war daher ein richtiger und überfälliger Schritt – nicht nur um die Bedeutung des Ehrenamtes zu unterstreichen, sondern auch um die Förderung zu ermöglichen.
Wir alle wissen, dass das Ehrenamt besondere Pflege benötigt. Ehrenamt kann man weder bezahlen noch aufwiegen; man kann es auch nicht verordnen bzw. vorschreiben. Es entsteht aus eigenem Antrieb und ist Ausdruck der Übernahme von Verantwortung für das Gemeinwohl und die Gesellschaft.
Die Politik im Bayerischen Landtag hat die Aufgabe, das Ehrenamt vor Ort durch das Setzen der richtigen Rahmenbedingungen zu unterstützen und zu stärken. Das ist auch deshalb notwendig, weil wir wissen, dass sich neben den schon oft angesprochenen knapp 4 Millionen Menschen, die sich in Bayern engagieren, fast genauso viele weitere vorstellen können, sich einzubringen. Ein weiterer Grund für die vorgeschlagene Gesetzesanpassung ist, dass sich die Lebens- und die Arbeitswelten im Vergleich zu früher radikal verändert haben. Jeder hier kennt aus seiner Heimat sicherlich die Probleme, die Vereine damit haben, Führungspersönlichkeiten zu finden, die die entsprechenden Positionen – Vorsitzender, Kommandant der Feuerwehr, Schatzmeister – besetzen können. Hier gilt es, die Vereine mit einer Anerkennungskultur, wie wir sie mit der Bayerischen Ehrenamtskarte pflegen, zu unterstützen. Notwendig sind aber auch weitere Strukturen der Beratung und der Abbau bürokratischer Hürden. Es gilt, Beruf und Ehrenamt zusammenzubringen.
Vor wenigen Wochen haben wir hier im Plenum – es ging um die Sicherheit bei der Retterfreistellung – bereits eine gute Regelung auf den Weg gebracht. Es ist an der Zeit, eine weitere Regelung, die sich an die Jugend, an die jungen Generationen richtet, anzupassen, das heißt zu modernisieren; denn gerade in der Jugendarbeit werden in ganz Bayern die Grundlagen dafür gelegt, dass junge Menschen sich engagieren und einbringen. Wir wissen: Wer als junger Mensch von der Begeisterung und dem Zusammenhalt in der Landjugend oder im Sportverein erfasst wird, den lässt diese Faszination häufig – zum Glück! – nicht mehr los, und er übernimmt später auch Verantwortung für andere.
Der Jugendarbeit kommt aus diesen, aber auch aus anderen Gründen steigende Bedeutung zu. Es ist eben nicht selbstverständlich, dass junge Menschen
sich engagieren und dass andere Menschen sich für junge Menschen engagieren können, weil sich – ich erwähnte es schon – die Lebens- und Arbeitswelt der jüngeren Generation verändert hat. Das hat bereits die Enquete-Kommission "Jungsein in Bayern" vor einigen Jahren festgestellt. Das im Jahr 2013 fortgeschriebene Kinder- und Jugendprogramm der Bayerischen Staatsregierung hat diese Erkenntnis unterstrichen. Auch meine Fraktion hat schon vor über zwei Jahren den Handlungsbedarf erkannt, das bestehende Freistellungsgesetz zu überarbeiten.
Es ist von 1980, also sogar noch ein Jahr älter als ich. – Aus all dem folgt, dass es dringend notwendig ist, das Freistellungsgesetz zu modernisieren und an das 21. Jahrhundert anzupassen.
Die FREIEN WÄHLER haben vor zwei Jahren einen Entwurf vorgelegt. Wir haben vor einigen Wochen unseren Vorschlag eingebracht. Auch die SPD und die GRÜNEN haben eigene Entwürfe erarbeitet. Damit können wir hier über vier Entwürfe eines neuen Freistellungsgesetzes debattieren. Allein das ist ein gutes Zeichen für die Jugendarbeit.