Liebe Kolleginnen und Kollegen, es ist gut, dass wir, der Freistaat Bayern, uns dafür eingesetzt haben, dass diese symbolische Entschädigung gewährt wird. Die Staatsregierung, insbesondere das Sozialministerium, und die CSU-Fraktion haben auch insoweit immer eine klare Linie vertreten. Gleiches gilt für die Unionskollegen im Deutschen Bundestag. Wir haben
15 Jahre lang dafür gekämpft, dass dieses Wiedergutmachungsanliegen zur Umsetzung kommt. Ich freue mich wirklich, dass die Große Koalition diesen Schritt gegangen ist und mit der Mittelbereitstellung ab 2016 endlich ein Stück symbolische Gerechtigkeit geschaffen hat.
Wer den noch lebenden Betroffenen diese symbolische Wiedergutmachung zugutekommen lassen will, der muss den Antrag der FREIEN WÄHLER einfach ablehnen; denn von einer zeitnahen Umsetzung ist dieser Antrag weit entfernt.
Ganz kurz, Herr Dr. Reichhart. Es ist so, dass sich über den Beschluss, insgesamt 50 Millionen Euro zur Verfügung zu stellen, alle gefreut haben, auch der Bund der Vertriebenen. Wir haben die Berechnung aber konkretisiert, das heißt auf die Zahl der noch lebenden Betroffenen bezogen. Sie sprachen von 2.500 Euro. Wenn noch viele Betroffene leben, wird es für den einzelnen Betroffenen viel weniger Geld sein.
Der Bund der Vertriebenen hat auch mir geschrieben. Es kann durchaus sein, dass der Bundestag den Betrag noch aufstocken wird. Dies ist in einem kurzen Zeitraum möglich. Deswegen meinen wir, dass unsere Forderung keine zusätzliche Bürokratie verursacht und in kurzer Zeit umzusetzen ist – im Sinne der Opfer. Deswegen haben wir den Antrag gestellt. Die Forderung, zügig zu handeln, widerspricht nicht der Forderung nach Aufstockung der Mittel.
Herr Kollege Dr. Fahn, wir sind uns doch darüber einig, dass es schnell gehen muss. Jeder Tag zählt. Jeder Tag, den wir verstreichen lassen, ist ein verlorener Tag. Mit der Zustimmung zu Ihrem Antrag würden wir den ganzen Prozess stoppen. Jeder, der schon damals dagegen war, dass wir auf diesem Gebiet etwas machen, würde doch sagen: Hey, Freunde, werdet euch erst einmal einig! Regelt erst einmal, wie viel Geld Ihr überhaupt bezahlen wollt!
Es soll endlich einfach weitergehen. Jeder Tag, den wir gewinnen, das heißt, den wir früher auszahlen können, ist ein guter Tag für die Vertriebenen. Deswegen: Machen Sie das Erreichte nicht madig! Machen Sie es nicht schlecht! Sie sollten sich vielmehr freuen, dass wir – gemeinsam! – etwas erreicht haben. Das ist das Entscheidende. Ein Herumgestreite darüber, was man noch machen könnte, bringt uns nicht weiter. Es ist ein guter Tag, eine gute Entscheidung – für Deutschland, für die Vertriebenen. Deswegen sind wir stolz auf das, was wir erreicht haben.
Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Es war ein wichtiger Tag für die Betroffenen, aber sicherlich auch für ganz Deutschland, als der Deutsche Bundestag am 27. November vergangenen Jahres die finanziellen und die rechtlichen Grundlagen für eine wichtige humanitäre Geste an die zivilen deutschen Zwangsarbeiter geschaffen hat.
Die deutschen Zwangsarbeiter haben ein besonderes Schicksal erlitten. Viele von ihnen sind – ähnlich wie die Vertriebenen insgesamt – nicht in individuelle, sondern in Kollektivhaftung genommen worden für vieles, was das damalige Deutsche Reich auch unseren osteuropäischen Nachbarn angetan hatte.
Der Bundestagsbeschluss ist eine wichtige Geste an die Betroffenen. Ich freue mich, dass wir ihn gemeinsam auf den Weg gebracht haben. Für die Jahre 2016, 2017 und 2018 stehen insgesamt 50 Millionen Euro zur Verfügung. Die SPD hat dazu durchaus ihren Beitrag geleistet, ähnlich wie schon beim bundesweiten Gedenktag für die Opfer von Flucht und Vertreibung, den wir nach intensiver Diskussion gemeinsam auf den Weg gebracht haben. Schwarz-Gelb hatte das nicht hinbekommen. Ähnlich verhält es sich mit dieser humanitären Geste an die zivilen deutschen Zwangsarbeiter. Dies war nur in der Großen Koalition aus CDU, CSU und SPD möglich.
Wir haben auch aus Bayern heraus unseren Beitrag geleistet. Am 8. April vergangenen Jahres führten wir intensive Gespräche mit dem neuen Präsidenten des Bundes der Vertriebenen. Ich habe gemeinsam mit den Kolleginnen Petra Ernstberger und Rita Hagl-Kehl aus dem Deutschen Bundestag und dem Vizepräsidenten des BdV Albrecht Schläger signalisiert, dass wir über Schlagworte endlich hinauskommen und stattdessen politisch vorankommen müssen. Im Er
Herr Kollege Dr. Reichhart, ich darf an dieser Stelle aber daran erinnern, dass es Finanzminister Dr. Schäuble, CDU, und der damalige Innenminister Dr. Friedrich, CSU, waren, die in ihrer jeweiligen ministeriellen Verantwortung entsprechende Vorstöße lange Zeit abgelehnt hatten. Auch das muss an dieser Stelle deutlich gesagt werden.
Wir freuen wir uns, dass diese humanitäre Geste für zivile deutsche Zwangsarbeiter trotz aller Hindernisse, die zu überwinden waren, beschlossen werden konnte. Es ist schon zitiert worden – ich brauche es nicht zu wiederholen –, wie klar, eindeutig und uneingeschränkt sowohl die frühere Präsidentin als auch der neue Präsident des Bundes der Vertriebenen die Einigung des Deutschen Bundestages begrüßt haben.
Die wesentlich größere Herausforderung besteht darin, dass wir endlich Rahmenbedingungen und Richtlinien für die konkrete Umsetzung des Beschlusses schaffen. Es muss zügig und unbürokratisch gehen. Die Betroffenen dürfen nicht überfordert werden, was den Nachweis mittels Dokumenten anbetrifft. Wir müssen das hohe Lebensalter berücksichtigen.
Wir lehnen den Antrag der FREIEN WÄHLER klar und eindeutig ab. Wer aus der Sicht der Betroffenen denkt, kann nicht anders entscheiden. Wir haben nach langer, schwieriger Debatte im breiten Konsens endlich eine Lösung gefunden, der auch die Vertriebenenverbände deutlich zustimmen. Jetzt geht es darum, diese Lösung umzusetzen. Der BdV hat insoweit schon bisher eine konstruktive Rolle gespielt. Er hat sich klar positioniert, was die Umsetzung des vom Bundestag Beschlossenen angeht.
Ich muss auch klar feststellen, dass der Antrag der FREIEN WÄHLER widersprüchlich ist: Entweder setzen wir den Beschluss zügig um, oder wir erheben finanzielle Nachforderungen. Der entsprechende Antrag könnte erst im Rahmen der nächsten Haushaltsberatungen eingebracht werden. Mit der Auszahlung kann jedenfalls nicht begonnen werden, wenn man sich noch um die Höhe streitet; das ist auch logisch. Klar ist, wir würden fast ein Jahr verlieren. Das kann nicht im Interesse der hochbetagten Betroffenen liegen. Auch den FREIEN WÄHLERN muss klar sein, dass der Antrag insoweit einen Widerspruch enthält. Widersprüchliche Anträge sollten wir im Interesse der Sache nicht weiterverfolgen.
Ich finde es unter historischen Gesichtspunkten auch nicht richtig, im Sinne einer Aufrechnung das Schicksal der deutschen Zwangsarbeiter mit anderen Schicksalen ins Verhältnis zu setzen. Leider ist das in der Antragsbegründung ein Stück weit der Fall. Die unterschiedlichen Schicksale sollten nicht in einen Zusammenhang mit der Höhe der Zahlungen gebracht werden. Das wäre ein gefährlicher Weg. Ich glaube, die Zwangsarbeiter anderer Nationen haben furchtbar gelitten. Wir müssen aber auch das Leid der deutschen Zwangsarbeiter sehen. Eine Aufrechnung, Gleichsetzung oder Taxierung der Schicksale wäre das völlig falsche Signal.
Klar ist auch, dass es nur um eine symbolische Anerkennung des Leids der Betroffenen gehen kann. Angesichts dessen darf ich fragen, was der richtige Betrag ist. Ob Sie 1.000, 1.500 oder 2.500 Euro für drei oder vier Jahre Zwangsarbeit unter menschenunwürdigen Bedingungen auszahlen – es kann nur um ein symbolisches Anerkennen gehen. Es geht nicht um eine materielle Wiedergutmachung, sondern es geht um eine Wiedergutmachung in den Seelen der Betroffenen. Dafür ist die Entschädigung ein wichtiges Signal.
Insgesamt bin ich stolz auf die SPD, weil wir es unter der rot-grünen Regierung mit Bundeskanzler Schröder geschafft haben, Zwangsarbeiter, die unter den Deutschen leiden mussten, zu entschädigen. Jetzt bin ich genauso stolz, dass wir die deutschen Zwangsarbeiter entschädigen. Selbstverständlich kann man bei diesem Thema auch populistisch unterwegs sein. Das sei den FREIEN WÄHLERN zugestanden. Dem Thema und den Betroffenen wird das leider nicht gerecht. Wer Interesse an einer schnellen Umsetzung hat, muss den Antrag der FREIEN WÄHLER im Interesse des BdV und der deutschen Zwangsarbeiter ablehnen. – Ich danke Ihnen für die Aufmerksamkeit.
Danke schön, Herr Kollege Halbleib. – Die nächste Wortmeldung kommt von Frau Kollegin Kamm. Bitte schön.
Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Wir sind für eine möglichst schnelle Umsetzung einer Entschädigungsregelung für die deutschen Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeiter. Die Betroffenen erlitten ein schlimmes Schicksal. Sie erlitten unendliches Leid, als sie zur Zwangsarbeit verpflichtet, in Lager verschleppt, in die Weiten Russlands deportiert und über Massentransporte über Jahre hinweg von ihrer Heimat getrennt wurden.
Im Übrigen waren deutsche Zwangsarbeiter vor allem Frauen, alte Menschen und Jugendliche, die ohne persönliche Schuld unter unmenschlichen Bedingungen zur Zwangsarbeit verpflichtet wurden. Kälte, Hunger, Krankheit und Entkräftung hat viele das Leben gekostet. Viele der heute Überlebenden litten zeitlebens unter dem, was sie damals erlitten haben. Daher bedauern wir, dass viele Betroffene eine jetzt beschlossene Anerkennung ihrer Leiden und eine symbolische Wiedergutmachung nicht mehr erleben können. Wenn man für die noch Lebenden eine Wiedergutmachung erreichen will, muss dies möglichst schnell geschehen; denn das Unrecht liegt 70 Jahre zurück. Die Betroffenen sind alt.
Der BdV begrüßt daher die auf Bundesebene zum Ende letzten Jahres getroffene Entschädigungsvereinbarung. Wir bedanken uns ausdrücklich bei den Landsmannschaften, die die Namen der Betroffenen gesammelt und jahrelang für eine Anerkennungslösung gekämpft haben. Wir wollen, dass diese jetzt möglichst schnell umgesetzt wird. Liebe Kolleginnen und Kollegen von den FREIEN WÄHLERN, Ihr Antrag bewirkt leider das Gegenteil. Daher müssen wir ihn ablehnen.
Danke schön, Frau Kollegin Kamm. – Für die Staatsregierung hat sich Staatssekretär Hintersberger zu Wort gemeldet. Bitte schön.
Sehr geehrte Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen, meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich darf mich nahtlos an die Aussagen der Kollegen Dr. Reichhart und Halbleib und der Kollegin Kamm, die vorher gesprochen haben, anschließen. In aller Kürze möchte ich drei Aspekte nennen. Erstens war und ist uns die symbolische Entschädigung der deutschen Zwangsarbeiter wichtig. Sie gehört zu den Kernthemen unserer Vertriebenenpolitik. Sie macht deutlich, dass es sich bei der Zwangsarbeit um große Unmenschlichkeit und Unrecht gehandelt hat. Die vielfältigen Bemühungen seitens des Ministerpräsidenten und der Ministerin – zuletzt auf der zentralen Veranstaltung "Tag der Heimat" in Berlin im letzten Jahr –, der verschiedenen Verbände und der Parteien – das möchte ich unterstreichen – führten zu einem großen Erfolg. Im November 2015 hat die Bundesregierung den Beschluss zu einer symbolischen Entschädigung der deutschen Zwangsarbeiter in Höhe von 50 Millionen Euro gefasst. Gott sei Dank, es war auch höchste Zeit.
Meine Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen der FREIEN WÄHLER, deshalb ist es zweitens vollkommen kontraproduktiv, diese symbolische Entschädigungsleistung, für die man jahrelang gemeinsam gekämpft hat, hinauszuzögern. Mit Ihrem Antrag ist niemandem und schon gar nicht den deutschen Zwangsarbeitern geholfen. Von daher ist dieser Antrag kontraproduktiv.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, seitens des Bundesinnenministeriums müssen nun drittens schnell die notwendigen Kriterien für die Umsetzung der Entschädigungsleistungen für alle noch lebenden deutschen Zwangsarbeiter geschaffen werden. Uns ist es wichtig, dass diese Kriterien in engster Zusammenarbeit mit den Betroffenen bzw. mit dem Bund der Vertriebenen erstellt werden, sodass alle noch lebenden Betroffenen nach dieser intensiven Abstimmung in den Genuss der symbolischen Entschädigung kommen. Herr Kollege Dr. Fahn, Sie haben die Haltung der Vertriebenenverbände erwähnt. Vorgestern, am Montag, hat sich der Beirat für Vertriebenen- und Spätaussiedlerfragen der Bayerischen Staatsregierung einstimmig für diese Linie ausgesprochen und eine schnelle Umsetzung gefordert. Die Entschädigungszahlung soll den lebenden Betroffenen noch zugutekommen. Aus diesem Grund bitte ich darum, den für die Betroffenen kontraproduktiven Antrag abzulehnen.
Danke schön, Herr Staatssekretär. Bitte bleiben Sie noch am Rednerpult. Herr Kollege Dr. Fahn hat sich zu einer Zwischenbemerkung gemeldet.
Sie haben mehrmals gesagt, das sei kontraproduktiv. Das stimmt überhaupt nicht. Sie haben selbst zugegeben, dass im Moment bestimmte Kriterien entwickelt werden. Derzeit ist man nicht dabei, die Entschädigungsleistung konkret umzusetzen. Zunächst werden Vorverhandlungen geführt. Deshalb können wir die Forderung durchaus einbringen.
Insgesamt haben wir gesagt, dass das eine gute Sache ist. Es geht nicht darum, dass der Bund der Vertriebenen das nicht unterstützt. Selbstverständlich unterstützt der Bund der Vertriebenen Entschädigungsleistungen in Höhe von 50 Millionen Euro. Wir finden das ebenfalls toll. Es geht aber um unseren Antrag. Der BdV ist der Auffassung, dass unser Antrag, der eine weitere Aufstockung fordert, sehr hilfreich ist. Das müssen Sie zur Kenntnis nehmen.
Lieber Herr Kollege Dr. Fahn, seien Sie doch nicht so stur. Ihre Einlassungen sind bereits beantwortet worden. Sie kennen die gesamten parlamentarischen Verfahren. Selbstverständlich würde Ihr Antrag zu weiteren Verzögerungen führen. Deshalb fassen Sie sich ein Herz. Sie haben es versucht. Ihr Antrag ist jedoch nicht tauglich. Sie wollen den Menschen helfen. Ziehen Sie Ihren Antrag am besten zurück. Damit tun Sie den Menschen den größten Gefallen. Wir lehnen den Antrag ab.
Herr Staatssekretär, bitte bleiben Sie noch am Rednerpult. Herr Kollege Zellmeier hat sich zu einer weiteren Zwischenbemerkung gemeldet.
Herr Staatssekretär, ich kann Ihre Worte nur bestätigen und darauf hinweisen, dass der BdV-Präsident Bernd Fabritius, der mit Unterstützung Bayerns maßgeblich am Zustandekommen der Entschädigungsleistung beteiligt war, erklärt hat, dieser Kompromiss sei in Berlin möglich gewesen. Alles andere führt zu nichts mehr außer zu weiteren Debatten. Leider Gottes gab es viele Gegner der Entschädigungsleistungen. Es hat lange gedauert. Ich möchte darauf verweisen, dass Bernd Fabritius mit der jetzigen Lösung zufrieden ist. Er lehnt weitere Nachverhandlungen ab, weil dabei nichts herauskommt. Das sollten wir an dieser Stelle wirklich kundtun.
Herr Kollege Zellmeier, ich kann das nur unterstreichen und betonen, dass das, was Herr Fabritius auf Bundesebene deutlich gemacht hat, am letzten Montag vom Beirat für Vertriebenen- und Spätaussiedlerfragen der Bayerischen Staatsregierung einstimmig bestätigt worden ist. Angesichts der Gemengelange und der Verhandlungen der letzten Jahre gibt es keinen vernünftigen Grund für eine weitere Verzögerung. Ich bitte die Kollegen der FREIEN WÄHLER deshalb nochmals: Ziehen Sie den Antrag zurück. Damit würden Sie den Menschen den größten Gefallen tun. Andernfalls werden wir diesen Antrag ablehnen, damit die Menschen schnell diese symbolische Entschädigung bekommen.
Danke schön, Herr Staatssekretär. – Weitere Wortmeldungen liegen mir nicht vor. Die Aussprache ist geschlossen. Wir kommen zur Abstimmung.