Protocol of the Session on October 20, 2015

Deswegen sage ich Ihnen: Wir müssen alle diese Maßnahmen parallel ergreifen mit der Zielsetzung, dass das Problem am Ende wieder an der Außengrenze gelöst wird. Wir wollen Grenz- und Transitzonen nach Österreich schließlich nicht auf Dauer einrichten. Daran kann niemand interessiert sein. Bis das Problem gelöst ist, müssen wir aber auch an unseren Grenzen entsprechend handeln. Ich bitte Sie, daran mitzuwirken; denn ich sage Ihnen und den GRÜNEN eines ganz klar: Ich habe von Ihnen überhaupt keine Vorschläge gehört. Nur zu sagen, die Verfahren im Inland, bei 10.000 Zugängen am Tag, müssten schneller abgewickelt werden, reicht nicht aus. Zu behaupten, wir könnten dies bei einem Zustrom von 10.000 Menschen am Tag durch eine entsprechende Rückführung schaffen, die ich im Prinzip sehr begrüße, ist unrealistisch. Gehen wir einmal davon aus, dass 60 % dieser Zugänge keine Berechtigung haben. Sie müssten dann an einem Tag 6.000 Flüchtlinge zurückführen, nur um den gleichen Stand zu halten. Das ist doch alles vollkommen unrealistisch.

Deswegen sage ich Ihnen, dass Sie an der Lösung mitwirken müssen. Die Einzigen, die hier meines Erachtens in der Realität sind, sind die FREIEN WÄHLER. Die SPD und die GRÜNEN müssen bei der Beschränkung der Zugangszahlen mitwirken, damit wir die anderen Probleme lösen können. Sie sagen: Transitzonen sind nicht gut. Sie sagen: Wir brauchen auf europäischer Ebene bei den Bürgerkriegsflüchtlingen keine Rechtsänderung. Herr Rinderspacher und Frau Bause, ich akzeptiere dies. Ich akzeptiere dies aber nur, wenn Sie Gegenvorschläge machen, die besser sind.

(Beifall bei der CSU)

Ich werde es unter keinen Umständen akzeptieren, dass wir heute hier auseinandergehen und uns alle freundlich sagen: Wir werden darüber reden. Und in einem halben Jahr reden wir immer noch. Dies wäre dieser Problematik nicht angemessen. In diesem Fall würde das eintreten, was wir alle nicht wollen: Die Menschen werden Angst bekommen. Die Menschen werden der Auffassung sein, dass die Politik, die etablierten Parteien, diese Problematik nicht lösen können. Dann werden sich die Menschen aus reiner Ver

zweiflung überlegen, wie sie diese Entwicklung, die sie nicht wollen, stoppen können.

Hier liegt unsere Verantwortung. Wir dürfen nicht schön daherreden. Wir dürfen nicht sagen: Wir besprechen alles. Wir dürfen nicht alles ablehnen. Es bringt nichts, selber keinen Vorschlag zu machen. Jetzt gilt es, dazu beizutragen, dass wir endlich handeln können. Handeln kann nur bedeuten, eine deutliche Zugangsbegrenzung in unserem Land zu erreichen. Sonst können wir diese ganzen Probleme nicht lösen.

(Beifall bei der CSU)

Vielen Dank. – Jetzt hat Herr Kollege Pfaffmann noch einmal ums Wort gebeten.

(Zuruf von der CSU: Für eine Zwischenbemer- kung?)

- Nein, er hat ums Wort gebeten. Bitte schön, Herr Kollege.

Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Eigentlich war ich guter Dinge, dass wir in der so schwierigen Frage der Flüchtlingspolitik eine gemeinsame Linie finden könnten. Lieber Herr Kreuzer, Sie haben das leider wieder teilweise zunichte gemacht, weil Sie das von der Fraktionsvorsitzenden Margarete Bause kritisierte Doppelspiel fortgeführt haben.

(Beifall bei der SPD – Thomas Kreuzer (CSU): Herr Pfaffmann, es ist immer die gleiche Platte, die Sie auflegen!)

Herr Ministerpräsident, wenn Sie es ernsthaft wünschen, dass wir zu einer gemeinsamen Lösung finden – wir sind dazu bereit -, dann müssen solche Wortmeldungen und Vorwürfe unterbleiben.

Ich möchte noch zwei bis drei Punkte zur Sache sagen. Sie reden immer von einer Begrenzung der Flüchtlingszahlen. Ja, darüber kann man reden. Die Frage lautet nicht, Flüchtlingszahlen begrenzen, ja oder nein, sondern sie lautet, wie wir Flüchtlingszahlen begrenzen können. Das ist doch die Frage.

(Jürgen W. Heike (CSU): Richtig!)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, wenn es gelingt, diese Frage unter rechtsstaatlichen und humanitären Gesichtspunkten zu beantworten, sind wir dabei. Das möchte ich hier einmal feststellen. Lassen Sie uns darüber reden. Sie haben das ja vorgeschlagen.

Ein zweiter Punkt. Herr Ministerpräsident, Sie haben über Dublin gesprochen. Auch Herr Kreuzer hat über das Dublin-Verfahren gesprochen. Jetzt geht es nicht mehr um die Frage, ob wir wieder zum Dublin-Verfahren zurückkehren sollten. Es geht vielmehr um die Frage, ob Dublin gescheitert ist oder nicht. Ich glaube, das Dublin-Verfahren ist gescheitert. Wir brauchen ein neues System, das die europäische Solidarität und die einseitige Belastung der europäischen Länder mit Außengrenzen berücksichtigt. Darüber müssen wir reden.

Wir können nicht einfach sagen, das Dublin-Verfahren und die Hotspots funktionierten. Es ist ein Unterschied, ob die Hauptlast der europäischen Solidarität auf einer griechischen Insel anlandet, oder ob wir gemeinsam versuchen, ein neues Verteilsystem in die Debatte zu bringen. Auch das gehört zur Wahrheit.

(Beifall bei der SPD)

Wir machen es uns zu einfach, wenn wir sagen: Zurück zu Dublin! Sie wissen doch ganz genau, dass das Dublin-Verfahren in sich eine ungerechte und unsolidarische Angelegenheit ist. Das hat sich erwiesen. Ich möchte auch nicht, dass Deutschland die Lasten alleine tragen muss. Das haben wir schon deutlich gemacht. Aber die Rückkehr zum Dublin-Verfahren ist nicht die Lösung. Die Lösung ist ein neues europäisches Asylsystem. Darüber müssen wir nachdenken.

(Beifall bei der SPD und den GRÜNEN)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, vieles, worüber gesprochen wurde, hat einen Hintergrund, nämlich die Frage der Organisation. Sobald die politische Frage gelöst ist, wird die Frage der Organisation ganz entscheidend werden. Diese Frage der Organisation kommt mir in der Debatte zu kurz.

Herr Ministerpräsident, ich möchte es einfach sagen dürfen: Ich glaube, dass wir in unserem Lande bislang zu wenige Migrations- und Integrationsmaßnahmen realisiert haben. Auch darauf ist der von der Bevölkerung artikulierte Unmut zum Teil zurückzuführen. Das möchte ich hier sagen dürfen. Wenn ich das nicht sagen darf, weil das sonst überall zu Unmut führt, ist eine konsensuale Debatte nicht möglich. Liebe Kolleginnen und Kollegen, genau diese fordere ich aber ein.

Noch einmal der Versuch: Wir greifen das, was der Ministerpräsident gesagt hat, auf. Wir wollen auch in unserem wunderschönen Bayern einen überparteilichen Konsens in der Frage erreichen, wie wir mit der Flüchtlingspolitik umgehen. Wenn es bei dieser Konsensdiskussion nicht zu Unmutsäußerungen kommt, wenn jemand eine andere Meinung vertritt, dann sind

wir dabei. In diesem Falle glaube ich, dass wir auch zu einer konstruktiven Lösung in Bayern beitragen können.

(Beifall bei der SPD)

Vielen Dank. – Ich darf noch einmal das Wort dem Herrn Ministerpräsidenten erteilen. Bitte schön, Herr Ministerpräsident.

Zur Klarstellung möchte ich einiges festhalten und zusammenfassen: Ich denke, das Problem besteht nicht darin, über Humanität, Solidarität und Integration zu einem Konsens zu kommen. Bei diesen Themen haben wir eine hohe Übereinstimmung. Ich kenne hier im Hause niemanden, der diese Grundausrüstung Bayerns infrage stellen würde.

Ich habe schon in meinem ersten Beitrag gesagt, dass es mir jetzt darauf ankommt, dass wir zum Gelingen der Solidarität und der Integration wirksame und rechtsstaatlich einwandfreie Maßnahmen zur Zuwanderungsbegrenzung brauchen. Nichts anderes hat Thomas Kreuzer in seiner Rede verdeutlicht. Das ist unsere Überzeugung. So hat er es dargestellt. Bevor er das gesagt hat, habe ich ihn ausdrücklich gebeten, das deutlich darzustellen; nicht, dass jemand glaubt, wir kommen zusammen, um sozusagen Unbestrittenes zu einem Konsens zu führen. Wir müssen schon über die Knackpunkte reden. Das ist der Sinn dieses Angebots. Wir brauchen nicht darüber zu diskutieren, ob jemand mehr oder weniger christlich oder human ist. Das ist die Grundausstattung dieses Parlaments, wie ich es seit acht Jahren erlebe.

Ich sage Ihnen auch: Dieses Angebot entsteht nicht aus einer Handlungsunfähigkeit der Regierung. Wir können jederzeit selbst handeln; wir sind dabei sehr geschlossen. Ich mache das Angebot aufgrund des Bewusstseins der Verantwortung für das ganze Land, weil ich jeden Tag mehr Sorgen bekomme, wohin diese Polarisierung, diese Radikalisierung und auch die gesellschaftliche Spaltung führen kann. Wir könnten einen Punkt erreichen, an dem die Lage für die demokratischen Kräfte nicht mehr ohne Weiteres steuerbar ist. Aufgrund dieser Verantwortung habe ich dieses Angebot gemacht, nicht, weil wir 101 Köpfe hier auf der rechten Seite nicht in der Lage wären, dieses Problem selbstständig zu lösen. Deshalb mache ich dieses Angebot.

Ich habe jetzt von allen Fraktionen gehört, dass die Bereitschaft besteht, über die Zuwanderungsbegrenzung zu reden. Ich habe heute sieben Punkte hier auf den Tisch gelegt. Es ist jedem unbenommen, zu den sieben Punkten noch Punkte hinzuzufügen. Das gilt sowohl für meine Fraktion als auch für alle anderen

Fraktionen. Dann würden wir über neun, zehn oder elf Punkte reden; das soll nicht entscheidend sein. Ich werde dazu für die nächste Woche einladen. Der Termin soll bewusst vor dem 1. November liegen. Falls Denkpausen oder Vertiefungen notwendig sind, steht dafür Zeit zur Verfügung. Wir müssen im November hier Klarheit schaffen.

Dazu lade ich die Fraktionsvorsitzenden ein; wir machen keine UNO-Vollversammlung. Dieses erste Gespräch dient der Sondierung. Möglich wird die Sondierung, indem man die Punkte aufruft und einen Korridor der Möglichkeiten schafft. Ich habe zu früheren Zeiten in Großen Koalitionen, mit der Opposition, unter Helmut Kohl, dann in der Opposition zur Zeit der Kanzlerschaft von Gerhard Schröder mit der Regierung und mit der FDP unheimlich viele Reformen gemacht. Wenn ich mir überhaupt erlauben darf, von dieser Erfahrung zu sprechen: Man kommt dabei nur weiter, indem man die Themen aufruft und benennt, was auf keinen Fall und was möglicherweise unter welchen Bedingungen geht. Genauso exakt, zielstrebig und effizient müssen wir in diesem Gespräch vorgehen. Dafür reichen die Fraktionsvorsitzenden. Sie wissen, wie ihre Fraktionen denken. Man kann dann in manchen Punkten noch eine Rückkoppelung herbeiführen. Dann gibt es eine zweite Veranstaltung – wenn es sie denn gibt – und dann müssen wir uns darüber im Klaren sein, ob wir springen oder nicht.

(Beifall bei der CSU und Abgeordneten der FREI- EN WÄHLER)

Gelegentlich herrscht das Berliner Prinzip; das kann ich wirklich beurteilen. Nach diesem Prinzip würden wir uns im Januar wieder treffen. Diese Verzögerung können wir uns nicht erlauben; dafür ist die Situation zu dringend.

(Beifall bei der CSU und Abgeordneten der FREI- EN WÄHLER – Zuruf von der CSU: Sehr gut!)

Das ist eine saubere Geschäftsgrundlage. Es ist offen ausgesprochen, worum es geht und wo es Grenzen gibt. Diese Grenzen sollen aber nicht bedeuten, dass ich relativiere. Uns ist ernsthaft daran gelegen, dass wir uns im Interesse der gesamten Gesellschaft Bayerns verständigen. Wie gesagt, ich lade Sie dazu für die nächste Woche ein. Wenn ein Ministerpräsident seinen Terminkalender so umstülpen kann, dass er an einem Termin auf jeden Fall teilnimmt – wir müssen dafür wohl mindestens einen halben Tag einkalkulieren –, dann sollte es auch in jeder Fraktion möglich sein, dass wir nicht eine endlose Terminsuche betreiben, sondern dass Sie sich zum Entgegenkommen bereit erklären. Vielleicht können wir zwei, drei Alternativen ins Auge fassen. Unsere Büros werden das

abklären. Ich lade jedenfalls in dieser Woche für die nächste Woche ein und bitte dann um eine ernsthafte Sondierung. Wir werden in der ersten Sitzung noch nicht abschließende Beschlüsse fassen.

Das wollte ich verdeutlichen, damit wir uns völlig im Klaren darüber sind, worüber wir reden. Natürlich reden wir auch über Menschlichkeit; aber wir müssen auch über eine in absehbarer Zeit stattfindende, wirksame, rechtsstaatlich einwandfreie Zuwanderungsbegrenzung ernsthaft reden und ausloten, ob das bayerische Parlament sich über eine konsensuale Lösung verständigen kann. Ich glaube, jetzt ist die Geschäftsgrundlage klar. Sie muss jetzt auch nicht mehr bis 22.00 Uhr diskutiert werden.

(Lebhafter Beifall bei der CSU – Beifall bei Abge- ordneten der FREIEN WÄHLER)

Herr Ministerpräsident, vielen Dank. – Damit ist die Aussprache geschlossen. Wir kommen zur Abstimmung. Dazu werden die Anträge wieder getrennt.

Ich lasse zunächst über den Dringlichkeitsantrag der SPD-Fraktion auf Drucksache 17/8417 abstimmen. Wer diesem Antrag seine Zustimmung geben will, den bitte ich um das Handzeichen. – SPD und Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN. Danke. Gegenstimmen bitte ich anzuzeigen. – CSU und die Fraktion der FREIEN WÄHLER. Danke. Stimmenthaltungen? – Keine. Damit ist dieser Dringlichkeitsantrag abgelehnt.

Ich lasse jetzt über den Dringlichkeitsantrag der Fraktion der FREIEN WÄHLER auf Drucksache 17/8439 abstimmen. Wer diesem Antrag seine Zustimmung geben möchte, den bitte ich um das Handzeichen. – Das sind die CSU-Fraktion, die SPD-Fraktion und die Fraktion der FREIEN WÄHLER. Danke schön. Gegenstimmen bitte ich anzuzeigen. – Stimmenthaltungen? – Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN. Damit ist dieser Dringlichkeitsantrag angenommen.

Ich lasse über den Dringlichkeitsantrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN auf Drucksache 17/8440 abstimmen. Wer diesem Antrag seine Zustimmung geben möchte, den bitte ich um das Handzeichen. – Das sind die SPD-Fraktion und die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN. Gegenstimmen bitte ich anzuzeigen. – CSU und die Fraktion der FREIEN WÄHLER. Danke schön. Stimmenthaltungen? – Keine. Damit ist dieser Dringlichkeitsantrag abgelehnt.

Ich rufe die letzten Dringlichkeitsanträge auf, die in dieser Plenarsitzung behandelt werden:

Dringlichkeitsantrag der Abgeordneten Hubert Aiwanger, Florian Streibl, Thorsten Glauber u. a. und Fraktion (FREIE WÄHLER) Wohnungsbau in Bayern kraftvoll ankurbeln (Drs. 17/8418)

und

Dringlichkeitsantrag der Abgeordneten Markus Rinderspacher, Andreas Lotte, Angelika Weikert u. a. und Fraktion (SPD) Bezahlbaren Wohnraum für alle schaffen und erhalten (Drs. 17/8441)

Ich eröffne die gemeinsame Aussprache. Der Kollege Glauber hat das Wort. Bitte schön, Herr Kollege.

Frau Präsidentin, wertes Präsidium, Kolleginnen und Kollegen! Die letzten eineinhalb Stunden haben gezeigt, welche Herausforderungen in der Debatte auf uns zukommen. Die Debatte zeigt auch, dass die Aufgabe, die wir in den nächsten Jahren bewältigen müssen, mindestens seit der Wiedervereinigung, wenn nicht sogar seit der Nachkriegszeit die größte Aufgabe unseres Landes ist. Der Ministerpräsident hat in der letzten Woche in seiner Regierungserklärung und auch heute wieder ganz klar dem Parlament das Angebot gemacht, dass alle demokratisch gewählten Fraktionen dieses Problem gemeinsam angehen.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich komme zu einem der entscheidenden Themen.