Protocol of the Session on March 27, 2012

Vielen Dank, Frau Kollegin. - Für eine Zwischenbemerkung hat sich Frau Kollegin Ackermann von den GRÜNEN gemeldet. Bitte schön.

Frau Kollegin Dr. Bulfon, ich habe Ihnen sehr aufmerksam zugehört und muss Ihnen sagen: Entweder haben Sie von einem anderen Gesetzentwurf gesprochen oder Sie haben unseren Gesetzentwurf nie gelesen.

(Dr. Annette Bulfon (FDP): Doch, ich habe ihn gelesen!)

In unserem Gesetzentwurf werden die Kommunen deutlich entlastet. Das haben Sie offensichtlich nicht bemerkt. Das, was Sie gefordert haben, steht in unserem Gesetzentwurf. Wir geben den Kommunen mehr Gestaltungsfreiheit, indem wir Ihnen einen Fonds geben, den sie nach den jeweils anfallenden Bedürfnissen bzw. Fördermöglichkeiten der Einrichtungen vergeben können. Das ist genau das Gegenteil dessen, was Sie eben verbreitet haben.

Ich äußere noch einen Verdacht: Sie haben auch die UN-Konvention nicht gelesen, denn sonst wüssten Sie, dass "Assistenz" Teilhabe ist, die in der UN-Konvention festgeschrieben ist

(Beifall bei Abgeordneten der GRÜNEN und der SPD)

und dass diese Teilhabe behinderten Menschen die Möglichkeit geben soll, auf gleicher Augenhöhe mit Nichtbehinderten zu leben. Und wenn Sie das kritisieren, dann haben Sie keine Ahnung davon, was die UN-Konvention eigentlich will.

(Beifall bei den GRÜNEN und der SPD)

Frau Kollegin Bulfon zur Erwiderung, bitte.

Ich möchte Ihnen sagen, dass ein Förderfaktor bzw. Gewichtungsfaktor von 4,5 auf keinen Fall - das stand in der letzten Ausschusssitzung zur Diskussion - eine Stigmatisierung ist.

(Beifall bei der FDP)

Ich weiß, was man unter Inklusion versteht.

Ich bezweifle, dass es eine reine Bildungseinrichtung ist, sondern betone, dass es sich hierbei auch um eine Betreuungseinrichtung handelt, und Betreuung ist nun einmal eine kommunale Pflichtaufgabe. Insofern halte ich es für richtig, dass die Gestaltungsspielräume der Kommunen erhalten bleiben.

(Beifall bei der FDP - Zuruf der Abgeordneten Renate Ackermann (GRÜNE))

Vielen Dank, Frau Kollegin. - Als nächste Rednerin spricht Frau Ministerin Haderthauer für die Staatsregierung. Bitte schön.

Herr Präsident! Kolleginnen und Kollegen! Der Gesetzentwurf der GRÜNEN hat nicht nur keinen Mehrwert, sondern er wäre ein fürchterlicher Rückschritt für die Qualität der Kinderbetreuung in Bayern.

Die Ansprüche von Kindern auf Förderung in Kindertageseinrichtungen und in der Tagespflege sind bereits geregelt, Herr Pfaffmann, und zwar bundesgesetzlich. Zusätzlich gilt in Bayern die Sicherstellungsverpflichtung der Kommunen für alle Altersklassen, auch für Schulkinder. Der Mehrwert einer zusätzlichen landesgesetzlichen Verankerung, die darüber nicht hinausgehen kann, ist nicht erkennbar. Das ist reine Schaufensterpolitik, die Sie mit Ihrem Gesetzentwurf betreiben.

(Beifall bei der CSU und der FDP)

Uns geht es darum, den Wünschen der Eltern nachzukommen. Sie brüsten sich damit, dass Sie die Gastkinderregelung abschaffen. Aber Sie haben versäumt, einen Förderanspruch für diese Kinder zu verankern, weil Sie nur für bedarfsnotwendige Plätze einen Förderanspruch vorsehen. Aber der Gastkinderplatz ist eben genau nicht bedarfsnotwendig. Nach unserer Regelung wird ein allgemeiner Förderanspruch verankert, weil es uns um jedes Kind geht und um das Wunsch- und Wahlrecht von Eltern.

Mir ist das schon klar: Ihnen ist das Staatsverständnis wichtiger, das Sie auch ideologisch trägt,

(Zurufe von den GRÜNEN)

indem Sie die staatliche Erziehung für das Allerwichtigste halten, die Kommunen ihrer Zuständigkeit berauben, sie völlig entrechten und sie letztlich zu Handlangern bei der Kinderbetreuung und -erziehung machen.

(Beifall bei der CSU und der FDP)

Das ist etwas, was mir auch deshalb leid tut, weil es gleichzeitig ein Schlag in das Gesicht der Träger mit ihrem vielfältigen Engagement in unserem Land ist, weil es ein Schlag gegen die Vielfalt der pädagogischen Konzepte ist, von Waldorf bis Montessori, und weil die kollektive Erziehung, die Sie hier verankern wollen, die Staatsgläubigkeit widerspiegelt, die in Ihrem Weltbild mitläuft.

(Beifall bei der CSU und der FDP - Zurufe von den GRÜNEN und der SPD)

Man muss es sich schon auf der Zunge zergehen lassen, dass die FREIEN WÄHLER Ihrem Gesetzentwurf zustimmen würden. Aber gut, okay.

(Beifall bei der CSU und der FDP - Zurufe von den GRÜNEN und der SPD)

Noch ein Wort zur Inklusion. Sie behaupten, das BayKiBiG sei nicht inklusionskompatibel - dabei haben wir durch das BayKiBiG den größten Anstieg von Kindern mit drohender oder bestehender Behinderung in unseren Kinderbetreuungseinrichtungen.

(Zurufe von den GRÜNEN)

Das BayKiBiG unterstützt von Anfang an inklusive Prozesse. Auch der bayerische Bildungs- und Erziehungsplan folgt diesem modernen Verständnis.

Sie wollen die Gewichtungsfaktoren abschaffen, das heißt, Sie können auf die spezifischen Bedürfnisse

der Kinder mit einer drohenden oder bestehenden Behinderung nicht mehr eingehen oder auch derjenigen, für die Sie sich doch sonst immer besonders stark machen, nämlich der Kinder mit Migrationshintergrund. Diese Kinder werden keinen Cent mehr für ihre Sprachförderung bekommen, weil Sie die Gewichtungsfaktoren abschaffen. Das ist - das muss ich Ihnen ehrlich sagen - ein Rückschritt, den wir für Bayerns Kinder nicht wollen.

(Beifall bei der CSU und der FDP)

Frau Staatsministerin, erlauben Sie eine Zwischenfrage?

Nachher. - Die höhere Förderung, die die Gewichtungsfaktoren bringen, sind auch deshalb nicht stigmatisierend, weil das ein finanztechnisches Vehikel ist, damit sich die gesamte Einrichtung stärker um diesen Anteil von Kindern kümmern kann. Das ist richtig verstandene Inklusion und nicht die Streichung entsprechender Förderzulagen oder Beraubung sämtlicher Fördermöglichkeiten.

Sie behaupten, dass jetzt schon zu wenig Zeit sei, um den Bildungs- und Erziehungsplan mit Leben zu erfüllen. Das bestreite ich und empfinde es als Beleidigung für die gute Arbeit unserer Erzieherinnen und Erzieher.

(Beifall bei der CSU und der FDP)

Aber wenn Sie das jetzt schon behaupten, dann muss ich Sie fragen: Wie soll das erst werden bei Ihrem Gesetzentwurf, in dem für Schulkinder und vor allem für Kinder mit Migrationshintergrund ein viel schlechterer Personal-Kind-Schlüssel vorgesehen ist, als das bei uns der Fall ist?

Ein dritter Punkt ist mir wichtig. Wir haben uns heute im Kabinett damit beschäftigt, wie wir das BayKiBiG voranbringen. Wir werden es bis zum neuen Kindergartenjahr umgesetzt haben. Das BayKiBiG ist ein Erfolgsmodell, weil wir dadurch die Qualität in den Einrichtungen flächendeckend erhöht haben und weil wir die Trägerlandschaft vielfältiger haben werden lassen. Die Anzahl privater Träger hat sich durch unser Fördersystem praktisch verdoppelt.

Das Einrichtungssterben, das Sie bei der Einführung des BayKiBiG herbeireden wollten, ist nicht eingetreten, sondern die Einrichtungen sind geradezu aus dem Boden gesprossen. Im Jahr 2005 gab es in Bayern 7.300 Kindertageseinrichtungen, heute haben wir circa 9.000 Kindertageseinrichtungen. Einrichtungssterben sieht anders aus, Kolleginnen und Kollegen!

Wir haben mit den Verbesserungen, die wir heute durchs Kabinett gebracht haben, einen weiteren Weg für die künftige Kinderbetreuung beschritten, der mir sehr wichtig ist. Wir belassen die Verantwortung bei den Kommunen, erhöhen aber die staatliche Förderung deutlich. Wir senken den Anstellungsschlüssel und erhöhen die Refinanzierung für die Personalkosten inklusive des kommunalen Anteils. Nach der Novellierung, also zum neuen Kindergartenjahr, sind wir bei einem staatlichen Finanzierungsanteil, der deutlich über dem Bundesdurchschnitt liegen wird. Er liegt jetzt schon darüber, nämlich bei 44,3 % der Grundkosten.

Gleichzeitig erfolgt - das ist heute schon gesagt worden - der Einstieg in das beitragsfreie dritte Kindergartenjahr, aber auch eine Stärkung der Attraktivität der Tagespflege und eine Stärkung der Teilhabe von Kindern mit bestehender oder drohender Behinderung.

Wir machen klare Verantwortungszuordnungen und legen fest, wie die Förderung des Bezirks aussehen muss, wie sie sich an unsere Förderung anschließt und wie eine bessere Verzahnung des Horts mit der Schule erfolgen kann, damit die Eltern von Schulkindern auch in den Restzeiten, wenn es nur noch um zwei Stunden am Nachmittag oder zum Beispiel um einen Freitagnachmittag geht, Hort dazubuchen können. Das ist bisher in der Weise nicht immer möglich gewesen.

Ein letzter Punkt, der mich wichtig ist: "Kurze Beine kurze Wege!" Mit der Landkindergartenregelung, die wir deutlich erweitern, stärken wir den ländlichen Raum. All dies ist ein Ansetzen an den richtigen Punkten. Es geht um Qualität, die beim Kind ankommt. Das lassen wir uns eine Menge Geld kosten. Das ist aber gut angelegtes Geld. Es trägt dazu bei, dass die Kinderbetreuung in Bayern weiterhin ein Erfolgsmodell bleibt. Ich denke deshalb, dass jeder vernünftig Denkende Ihren Gesetzentwurf ablehnen muss.

(Beifall bei der CSU und der FDP)

Frau Ministerin, vielen herzlichen Dank. - Es gibt noch eine Zwischenbemerkung der Kollegin Ackermann von den GRÜNEN. Bitte schön.

Frau Ministerin, manchmal sind Worte verräterisch. Wenn Sie die Gewichtungsfaktoren als - ich zitiere - "finanztechnisches Vehikel" bezeichnen, dann zeigen Sie damit, dass Sie sie letztlich nur einsetzen wollen, um die Kindergärten zu finanzieren, dass es Ihnen aber nicht um die betroffenen Gruppen geht. Um diese geht es uns aber! Deswegen wollen wir die Gruppengrößen senken und

allen Kindern eine individuelle Betreuung ermöglichen.

(Beifall bei den GRÜNEN und Abgeordneten der SPD)

Das zum einen. Zum anderen, Frau Ministerin: Sie haben am Schluss Ihrer Rede gesagt, dass kein vernünftiger Mensch diesem Gesetzentwurf zustimmen könne. Ich muss Ihnen leider mitteilen, dass wir unseren Gesetzentwurf an mehreren Runden Tischen mit der Caritas, dem Paritätischem Wohlfahrtsverband, den Freien Trägern, der Katholischer Erziehergemeinschaft und dem BLLV besprochen und deren volle Zustimmung bekommen haben. Mehr noch, die Genannten haben aktiv mitgearbeitet und Verbesserungsvorschläge eingebracht, die wir eingearbeitet haben. Wenn nach Ihrer Ansicht kein vernünftiger Mensch diesem Gesetzentwurf zustimmen kann, dann können auch all diese Organisationen keine vernünftigen Menschen sein. - Ist dieser Umkehrschluss richtig?

Bitte schön.