Wir werden alle Krankenkassen, alle Leistungserbringer und alle Beteiligten zu einem gemeinsamen Gespräch einladen und auf der Gesprächsebene versuchen, die Fronten einander anzunähern. Noch lieber
wäre es uns, wenn wir eine Regelung fänden und eine Rechtssicherheit für ähnliche Fälle erhielten. Ich glaube, damit wäre allen gedient, sowohl denjenigen, die zu pflegen haben, als auch denjenigen, die gepflegt werden. Das Juristische ist zwar wichtig, aber in meinen Augen ist es für die Menschen vor Ort noch wichtiger, eine zügige Entscheidung zu erhalten, damit die Menschen gepflegt werden können und die Pflege bezahlt werden kann. Das ist für die Menschen in Bayern unwahrscheinlich wichtig. Deswegen setzen wir uns dafür ein.
Frau Staatssekretärin, es ehrt Sie, dass Sie ein Gespräch suchen. Im Hinblick auf die politische Einschätzung stehen wir gar nicht so weit auseinander. Deswegen bin ich so hartnäckig. Ich weiß, wie lange sich Rechtsstreitigkeiten hinziehen können. Die Krankenkassen spielen auf Zeit, damit sie jahrelang nichts zahlen müssen. Das will ich an dieser Stelle deutlich machen. Wir sollten klar sagen, dass wir gegenüber den Krankenkassen härtere Bandagen anlegen.
Jetzt kommt meine Frage. Ich werde es Ihnen vorlesen. Es gibt ein Urteil des Bundessozialgerichts vom 25. November, das Frau Kollegin Stewens schon vorgelesen hat. Nach § 132 a SGB V ist eine Schiedsperson keine Behörde, und ein Schiedsspruch ist kein Verwaltungsakt. Gegen einen Verwaltungsakt könnte mit einer Anfechtungsklage vorgegangen werden. Dieser Klage käme aufschiebende Wirkung zu. - Das war die Rechtsauffassung aus dem Ministerium. Gegen einen Schiedsspruch sei lediglich eine Ersetzungsklage als Sonderform der Leistungsklage zulässig. Eine Leistungsklage habe nach dem Sozialgerichtsgesetz keine aufschiebende Wirkung. Das bedeutet, dass durch den Schiedsspruch zustande gekommene Verträge trotz Klage zunächst umgesetzt werden müssten.
Das ist das, was ich will. Man muss den Krankenkassen ein wenig in den Schuh hineinhelfen. Diese Rechtsauffassung gibt ihnen Rückendeckung. Warum gehen Sie mit dieser Rückendeckung nicht vor und sagen: Liebe Krankenkassen, wir haben in der privaten Pflege diesen Schiedsspruch, der eine höhere Vergütung fordert. Mit dieser Rechtsauffassung könnte der Schiedsspruch umgesetzt werden. Was hindert Sie daran, endlich tätig zu werden und zu sagen: Leute, jetzt hauen wir auf den Tisch und machen das?
fassung. Die Schiedsentscheidung wurde von den Krankenkassen für unbillig erklärt. Weil die Umsetzungswirkung im SGB V nicht klar geregelt ist, ist Klage erhoben worden. Wir sind ebenfalls der Meinung, dass es keine klare Regelung im SGB V gibt. Kollegin Stewens hat vorhin erklärt, dass es im Falle der Hausärzte anders sei. In diesem Falle gibt es eine klare Regelung im SGB V. Deswegen fordern wir eine ähnliche Regelung.
(Theresa Schopper (GRÜNE): Sie haben die Rückendeckung eines Urteils! Sonst sind Sie auch nicht so hasenfüßig!)
Wir hätten gerne eine klare Rechtsposition auch für die zukünftigen Verfahren. Sonst laufen ständig Schiedsverfahren und hinterher wird gesagt: Das ist ja ganz nett, aber jetzt klagen wir dagegen. Dann werden die Schiedssprüche wieder aufgehoben. Deswegen wollen wir eine klare Entscheidung herbeiführen. Deswegen setzt sich Bayern auf Bundesebene für eine klare, gesetzliche Regelung oder ein höchstrichterliches Urteil ein. Die Vertragsparteien hätten jedoch auch von Anfang an diesen Punkt in ihren Vertrag aufnehmen können: Wie gehen wir mit einer Klage um? Die Vertragspartner hätten die Chance gehabt, das in ihrem eigenen Vertrag zu regeln.
Frau Staatssekretärin, ich habe eine Frage: Warum hat der Abschluss mit den freien Wohlfahrtsverbänden, jedoch nicht mit den privaten Trägern geklappt?
Hinsichtlich der privaten Träger haben die Krankenkassen Klage erhoben, da die im Schiedsverfahren ausgehandelten Regelungen unbillig gewesen wären. Deswegen haben die Kassen dagegen geklagt.
Frau Kollegin Huml, das Verfahren ist wie folgt abgelaufen: Es gab eine übermäßige Fallzahlsteigerung im Bereich der häuslichen ambulanten Pflege. Daraufhin haben die Krankenkassen gebeten, ein Transparenzverfahren einzuleiten. Das bedeutet, die Träger sollten offenlegen, warum
Frau Kollegin Schopper, im Schiedsspruchverfahren ging es nicht ausschließlich um die Leistung, sondern auch um das Transparenzverfahren. Die Träger der Wohlfahrtspflege haben sich bereit erklärt, dem Transparenzverfahren, welches die Krankenkassen verlangt haben, zuzustimmen und damit die exorbitante Fallzahlsteigerung, die nicht nur demografisch verursacht sein konnte, aufzuklären. Die freien Träger wollten diesem Transparenzverfahren nicht zustimmen und haben daher ein Schiedsverfahren beantragt. Das ist der Hintergrund. Es ging nicht nur um die finanziellen Leistungen, sondern auch um das Transparenzverfahren. Das wollten die freien Träger nicht akzeptieren. So ist dieses Problem aufgetaucht, liebe Kolleginnen und Kollegen. Das ist der Hintergrund. Als Stichwort sage ich nur: Ist das billig oder unbillig für die Krankenkassen?
Christa Stewens hat eben dargelegt, dass es nicht nur, aber doch auch um die Honorierung geht. Wichtig ist, dass wir eine Regelung finden. Deswegen haben wir das Gesprächsangebot gemacht. Ich halte es auch für richtig, dass alle Fraktionen für diesen Antrag stimmen, denn dieser Antrag ist ein Zeichen dafür, dass wir eine Lösung wollen. Diesem Antrag werden wir uns nicht verschließen. Unsere Rechtsauffassung ist eine andere als die des Bundesgesundheitsministeriums. Wir werden auch versuchen, uns beim Bund einzubringen, damit wir eine Regelung in Buchstaben haben, die wir dann anwenden können.
Mir liegen keine weiteren Wortmeldungen vor. Damit ist die Aussprache geschlossen. Wir kommen zur Abstimmung. Der federführende Ausschuss für Umwelt und Gesundheit empfiehlt Zustimmung mit der Maßgabe, dass der letzte Satz eine neue Fassung erhält. Ich verweise insoweit auf die Drucksache 16/9883. Wer dem Antrag mit der vom federführenden Ausschuss vorgeschlagenen Änderung zustimmen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. - Das sind die CSU, die FDP, die Fraktion der FREIEN WÄHLER, die SPD, die Fraktion des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und Frau Kollegin Dr. Pauli. Gegenstimmen bitte ich anzuzeigen. Stimmenthaltungen? - Keine. Damit ist der Antrag angenommen. Es ist sogar ein einstimmiger Beschluss.
Antrag der Abgeordneten Margarete Bause, Dr. Martin Runge, Ulrike Gote u. a. und Fraktion (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Temelin-Ausbau nicht kampflos hinnehmen - faire Beteiligung bayerischer Bürgerinnen und Bürger ermöglichen (Drs. 16/9167)
Zu diesem Antrag wurde vonseiten der CSU-Fraktion namentliche Abstimmung beantragt. Ich eröffne die Aussprache. Als Redezeit sind im Ältestenrat fünf Minuten pro Fraktion vereinbart worden. Als erstem Redner darf ich Herrn Kollegen Hartmann, der schon bereitsteht, das Wort erteilen.
Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Die Pläne der tschechischen Regierung zum Ausbau der Atomkraft sorgen in Bayern mehr als zu Recht für Ängste und Unmut. Aus dem Rückblick auf die letzten Jahre ist hinreichend bekannt, dass es in Temelin in den Blöcken 1 und 2 zu einer ganzen Serie von Pannen gekommen ist. Jetzt treibt die tschechische Regierung die Ausbaupläne für die Blöcke 3 und 4 voran. In den letzten Wochen - das ist sicherlich bei einigen angekommen - hat die tschechische Regierung ihr Energiekonzept vorgestellt, welches man kurz so zusammenfassen kann: Tschechien soll zum mitteleuropäischen Atomstromzentrum ausgebaut werden.
Mein sehr geehrten Kolleginnen und Kollegen, ich glaube, wir alle in diesem Hohen Haus sind uns darin einig, dass wir bei der Energiewende in Bayern keinen Atomstrom aus Tschechien brauchen. Zumindest waren wir uns darin gestern in der Energiekommission fraktionsübergreifend einig.
Der Atomstromimport der letzten zehn Jahre aus Tschechien ist Gott sei Dank immer weiter zurückgegangen. Das hat vor allem damit zu tun, dass wir in Bayern, aber auch im gesamten Bundesgebiet die erneuerbaren Energien massiv ausgebaut haben und dass diese weiterhin Vorrang genießen. Der Atomstromimport aus Tschechien ist also rückläufig. Wenn wir ihn für die Zukunft so weit wie möglich ausschließen wollen, müssten wir etwas dafür tun, dass die tschechische Regierung nicht mehr massiv auf Atomstrom setzt.
Unser aktuell vorliegender Antrag betrifft das Genehmigungsverfahren für die Blöcke 3 und 4. Dabei geht es um das Verfahren zur Umweltverträglichkeitsprüfung - UVP. Vor und nach den Sommerferien letzten Jahres wurden die Unterlagen ausgelegt. Sie haben es sicher auch den Medien entnommen. Über 3.000 Bürgerinnen und Bürger aus Bayern haben sich
mit dem Thema befasst und Einwände erhoben. Jetzt sollte zumindest für diese Einwender ein Erörterungstermin in Bayern stattfinden und in deutscher Sprache abgehalten werden. Den Bürgerinnen und Bürgern muss es ermöglicht werden, an diesem Verfahren teilzunehmen. Nach jetzt vorliegenden Informationen sollen an einem bis heute noch nicht feststehenden Termin in Budweis die Einwände begründet werden. Dies würde bedeuten, dass die Bürgerinnen und Bürger aus Bayern einen Tag vorher nach Budweis anreisen und dort übernachten müssen, dann einen Tag dort sein werden und am nächsten Tag wieder zurückfahren müssen. So kann es nicht sein. Bei über 3.000 Einwendern kann man zumindest erwarten, dass dieser Termin in Bayern stattfindet.
Dass wir mit unseren Vermutungen nicht ganz so verkehrt liegen, beweisen zumindest die Äußerungen von Umweltminister Söder gegenüber den Medien. Er hat gegenüber den Medien immer wieder geäußert, dass er sich für einen Termin in Bayern einsetzen möchte. Minister Söder ist gerade leider nicht anwesend. So stark war sein Einsatz wohl doch nicht, denn bis jetzt war er auf alle Fälle erfolglos. Wir möchten mit unserem Antrag dem Einsatz des Ministers und den Forderungen seitens der Staatsregierung massiv Nachdruck verleihen.
Ein weiterer Punkt, den wir auch nicht ausklammern sollten: Das UVP-Verfahren wird nach einem UVPGesetz durchgeführt, welches der Europäische Gerichtshof längst für rechtswidrig erklärt hat. Nach dem neuen, EU-konformen UVP-Recht möchte die tschechische Regierung das Verfahren nicht durchführen, sondern beim alten Recht bleiben. Wir sollten aber bei einem solchen Verfahren auf die Einhaltung internationaler Standards drängen. Das muss die Staatsregierung dieser Tage tun.
Zum Abschluss möchte ich ganz kurz einen energiepolitischen Aspekt zur Sprache bringen. Ich bin felsenfest davon überzeugt, dass der Atomstromausbau für die tschechische Regierung eines Tages in einem finanziellen Desaster enden wird.
Wir in diesem Haus sind uns darin einig, dass wir eine Energiewende ohne Atomstrom möchten. Wir alle kennen die Problematik; wir brauchen flexible Kraftwerke, um Schwankungen ausgleichen zu können. Das werden sicher keine tschechischen Atomkraftwerke sein, die nur Grundlaststrom anbieten werden. Wenn Tschechien den Atomstrom massiv auf den europäischen Markt drücken möchte, muss es seine Kernkraftwerke im Lastfolgebetrieb fahren lassen.
Uns ist aber hinreichend bekannt, dass der Lastfolgebetrieb öfter zu Problemen und Störfällen bei Atomkraftwerken geführt hat. Die Politik Tschechiens macht die Kernkraftwerke noch unsicherer, als sie es jetzt schon sind. Auch dagegen sollten wir uns heute aussprechen, und deshalb bitte ich um Zustimmung zu unserem Antrag.
Sehr geehrte Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte keine großen Ausführungen machen, sondern ganz konkret kurz auf den Antrag eingehen. Selbstverständlich ist es richtig, dass der geplante Neubau von zwei Reaktorblöcken am tschechischen Standort Temelin der bayerischen Bevölkerung Sorge bereitet. Für die Bayerische Staatsregierung, vertreten durch das Umweltministerium, steht der Schutz der bayerischen Bevölkerung im Mittelpunkt. Sie geht mit Nachdruck und vehement zur Sache, um die beste Sicherheitstechnik und ein transparentes Genehmigungsverfahren zu ermöglichen, wie das im ersten Spiegelstrich Ihres Antrags gefordert wird.
Im zweiten Spiegelstrich Ihres Antrags fordern Sie eine Einladung der bayerischen Bürgerinnen und Bürger zu einem eigenen deutschsprachigen Erörterungstermin. Dies wird angestrebt. Hier geht es jedoch nicht nur um Bayern, sondern um Tschechien. Die eigene Rechtstaatlichkeit dieses Landes müssen wir einfach zur Kenntnis nehmen. Herr Hartmann, das Beteiligungsverfahren, von dem Sie gesprochen haben, wurde im Sommer 2010 auf Betreiben und mit Unterstützung des Umweltministeriums durchgeführt. Ich erinnere an die Internetseite. Das war auch gut so.
Bei der Diskussion im Umweltausschuss wurde sehr deutlich dargestellt, dass die tschechische Seite dargelegt und versichert hat, bei den geplanten neuen Blöcken auf höchste Sicherheitsstufen zu achten sowie internationale Standards, Übereinkommen und Verpflichtungen einzuhalten. Bislang ist nicht ersichtlich, dass sie diesen Verpflichtungen im laufenden Umweltverträglichkeitsprüfungsverfahren nicht nachkommt. Die Bayerische Staatsregierung steht beim Verfahren mit Tschechien in engem Kontakt. Es gibt bayerisch-tschechische Konsultationen. Dies wurde im Umweltausschuss vom Vertreter des Umweltministeriums nachdrücklich betont.
Zum Erörterungsverfahren in Tschechien ist zu sagen, dass es in der Tat in Bayern wohl kein eigenes Verfahren geben wird. Beim Verfahren in Tschechien - der Termin steht noch nicht fest - wird es allerdings
eine simultane deutsche Übersetzung geben. Im Rahmen der Konvention über grenzüberschreitende Umweltverträglichkeitsprüfungen, in der in Sofia im Jahre 2002 beschlossenen ergänzten Espoo-Konvention, sind die rechtlichen Grundlagen niedergelegt. Liebe Kolleginnen und Kollegen, Sie wissen, dass die Antragsteller keine rechtliche Handhabe haben, einen Erörterungstermin in Bayern abzuhalten. Der Antrag hat in dieser Hinsicht einen stark populistischen und deklaratorischen Charakter; um das einmal gelinde auszudrücken.
Ich halte dies für nicht zielführend. Wir streuen den Menschen Sand in die Augen, ohne irgendwelche rechtlichen Hebel in der Hand zu haben.
Hier handelt es sich um einen Schaufensterantrag, der nicht weiterhilft, politisch nicht zielführend ist und schon gar nicht den Menschen die Sachlage ordentlich darstellt.
Zum dritten Spiegelstrich des Antrags: Die Frage, ob sich die Bayerische Staatsregierung auf dem Klageweg gegen den Bau weiterer Reaktorblöcke wenden kann, kann erst entschieden werden, wenn im UVPVerfahren bzw. in den künftigen Verfahren eine Entscheidung vorliegt, die auch geprüft werden kann. Gegen eine solche Entscheidung kann nur geklagt werden, wenn sie fehlerhaft ist bzw. gegen internationale oder nationale Vorschriften verstößt. Hier handelt es sich um einen populistischen Luftballon, einen Antrag, der nicht ernstgenommen werden kann.