Protocol of the Session on October 25, 2011

Wir haben den Antrag hochgezogen, um zu erfahren, warum das Umwelt- und Gesundheitsministerium die Anwendung der Schiedsentscheidung nicht durchsetzt, obwohl das Bundesgesundheitsministerium und andere Landesgesundheitsministerien eine entsprechende Rechtsauffassung vertreten. Wir wollen wissen, ob das Umwelt- und Gesundheitsministerium die Krankenkassen anweist oder ob es anderweitig rechtsaufsichtlich tätig wird, damit die ambulanten Pflegedienste endlich ihre höheren Vergütungen bekommen.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Vielen herzlichen Dank, Frau Kollegin. - Für die CSU-Fraktion hat Christa Stewens das Wort.

Danke schön, Herr Präsident. Liebe Kolleginnen und Kollegen, Frau Kollegin Schopper, inhaltlich sind wir uns einig. Wir alle sind der Ansicht, dass Pflegetätigkeit zu schlecht bezahlt wird. Wir wären sehr froh, wenn der Schiedsspruch tatsächlich umgesetzt würde. Auch ich bin der festen Überzeugung, dass die Pflegekräfte - in diesem Fall geht es um die privaten Träger der ambulanten häuslichen Pflege - das Mehr an Vergütung, das ihnen der Schiedsspruch zubilligt, tatsächlich verdient haben. Wir haben im Ausschuss intensiv darüber beraten und uns auf die Formulierung geeinigt, die Staatsregie

rung solle darauf hinwirken, dass der Schiedsspruch umgesetzt wird.

Jetzt stehen wir, wie es im Leben so ist, vor dem Problem "zwei Juristen, drei Meinungen".

(Heiterkeit)

- Ich will keine Juristen beleidigen.

Gott bewahre, Herr Streibl, das würde ich nie tun. Aber vor diesem Problem steht man im Leben des Öfteren. Es gibt wohl unterschiedliche Rechtsauffassungen zwischen den Juristen des Bundesgesundheitsministeriums und denen unseres bayerischen Umwelt- und Gesundheitsministeriums. Man muss allerdings dazusagen, dass beide Verhandlungsparteien im Rahmenvertrag die sofortige Umsetzung des Schiedsspruchs hätten aufnehmen können. Das aber haben beide Seiten, die Krankenkassen und die Pflegedienste, verabsäumt. Sie hätten es in ihrer Hand gehabt.

Ich komme auf die juristische Auslegung zurück. Die Krankenkassen haben Klage gegen den Schiedsspruch eingereicht. Sie sehen sich nicht verpflichtet, den Schiedsspruch umzusetzen, da nach § 319 BGB die getroffene Bestimmung nicht verbindlich ist, wenn sie offenbar unbillig ist. Das ist wieder eine Auslegungsfrage: Ist sie unbillig, oder ist sie es nicht? Die Krankenkassen behaupten, die getroffene Entscheidung sei für sie unbillig.

Die rechtsaufsichtliche Prüfung durch unser Umweltund Gesundheitsministerium kommt zu dem Ergebnis, dass die Auffassung der Krankenkassen nicht offensichtlich rechtswidrig ist. Ich verweise auch auf Entscheidungen des Landessozialgerichts Berlin und des Bundessozialgerichts, wonach Schiedsentscheidungen kein Verwaltungsakt einer Behörde seien und hier eine Leistung nach § 317 BGB vorliege.

Vor diesem Hintergrund sieht unser Umwelt- und Gesundheitsministerium keine Möglichkeit, einzuschreiten und die Kassen etwa zu zwingen, das Ergebnis des Schiedsverfahrens umzusetzen. Die Schiedsentscheidung ist nach dieser Rechtsauffassung kein Verwaltungsakt einer Behörde. Wir müssen abwarten, wie das Verfahren vor dem Sozialgericht München ausgeht. Ich gehe davon aus, dass die Differenzen zwischen den Rechtsauffassungen der Juristen im Bundesgesundheitsministerium und in unserem bayerischen Umwelt- und Gesundheitsministerium klar zum Ausdruck gekommen sind.

Wenn ich mir die Sache genau anschaue - ich sage vorsorglich, dass ich keine Juristin bin -, erscheint mir durchaus schlüssig, was die Juristen des Gesund

heitsministeriums dargelegt haben. Vor diesem Hintergrund haben wir im Ausschuss beschlossen, die Staatsregierung zu bitten, auf die Anwendung der Schiedsentscheidung hinzuwirken. Ich persönlich halte das für richtig.

(Beifall bei der CSU und der FDP)

Vielen Dank, Frau Kollegin. - Nächste Wortmeldung: Frau Kollegin Steiger.

Frau Präsidentin, Kolleginnen und Kollegen! Was Frau Kollegin Stewens gerade gesagt hat, war lang und ausführlich, hat uns aber nicht unbedingt klüger gemacht.

Der sozialpolitische Ausschuss hat sich dem Beschluss des Ausschusses für Umwelt und Gesundheit einstimmig angeschlossen, dass der Schiedsspruch zur Finanzierung der ambulanten Pflegedienste umzusetzen ist und bis zur gerichtlichen Klärung angewendet wird. Ich glaube, für die Pflegedienste ist die Situation in der Zwischenzeit ausgesprochen schwierig. Wir wissen nicht, wann über die Klage entschieden werden wird; das kann ziemlich lange dauern. Was passiert in der Zwischenzeit mit den Pflegediensten?

Am 23. September hat das Plenum des Bundesrates mehrheitlich eine Initiative beschlossen, die unserer gemeinsamen Auffassung entspricht, dass die Klage keine aufschiebende Wirkung entfaltet. Uns alle interessiert, was die Staatsregierung zu tun gedenkt, um endlich zu einem Ergebnis zu kommen. Denn so kann es nicht weitergehen. Was gedenkt die Staatsregierung zu tun, damit unser Beschluss zur Finanzierung der ambulanten Pflegedienste und zur Akzeptanz des Schiedsspruches endlich umgesetzt wird?

(Beifall bei der SPD)

Vielen Dank, Frau Kollegin. - Nächste Wortmeldung: Herr Professor Dr. Bauer.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich habe den Wortbeitrag von Frau Stewens ebenfalls nicht ganz verstanden. Frau Stewens, Sie sagen einerseits, Sie würden dem Schiedsspruch zustimmen; andererseits sagen Sie, die Rechtsauffassung des Gesundheits- und Umweltministeriums würde eher den Krankenkassen zustimmen. Irgendetwas passt da nicht zusammen. Als Arzt war ich über Jahrzehnte von Schiedssprüchen betroffen. Es kann doch nicht der Sinn eines Schiedsverfahrens sein, dass es nach dem Schiedsspruch nicht weitergeht. Denken Sie doch bloß an die Diskussion von letzter Woche: Staatsminister Söder hat mit Blick

auf die hausarztzentrierte Versorgung auf den Schiedsspruch hingewiesen. Der ist noch gar nicht vorhanden. Wenn er kommt, dann heißt es vielleicht wieder: Wir erkennen den Schiedsspruch nicht an. Dann zieht sich das Verfahren wieder über Jahre hin. Ich verstehe das nicht. Vielleicht ist das die höhere Rechtsprechung. Als praktizierender Arzt bin ich davon betroffen.

Hier geht es um die Pflegedienste. Wir alle wollen in den letzten Lebensjahren und -wochen gepflegt werden, vor allen Dingen in den eigenen vier Wänden. Das sollte unser Ziel sein. Die aktuelle Pflegestatistik besagt ganz klar, dass 1,62 Millionen Menschen zuhause gepflegt werden. 69 % der Pflegebedürftigen werden nach wie vor zuhause gepflegt. 555.000 Pflegebedürftige werden von rund 269.000 Beschäftigten der 12.000 ambulanten Pflegedienste gepflegt. Sie muss man unterstützen. Dort muss man ansetzen und seine Hilfe anbieten. Diese Zahlen zeigen auf, wie viele Menschen von diesem aktuellen Thema betroffen sind.

Wir sind uns in diesem Hause doch in dem Ziel "ambulant vor stationär" einig. Die Leidtragenden dieser Auseinandersetzung sind die Patienten bzw. die zu Pflegenden und die, die im Pflegedienst arbeiten.

Herr Kollege, gestatten Sie eine Zwischenfrage von Frau Kollegin Stewens?

Ich bitte um Entschuldigung. Aber meine Redezeit ist schon ziemlich weit fortgeschritten. Ich bitte Sie, die Frage nachher zu stellen.

Bitte schön.

Wir wollen gute Qualität bieten. Gute Qualität kostet Geld. Deswegen fordern wir eine angemessene Vergütung. Diese angemessene Vergütung ist nach meiner Überzeugung durch den Schiedsspruch dargelegt. Sonst macht dieses Schiedsverfahren doch überhaupt keinen Sinn. Ich verstehe das nicht. Den ambulanten Pflegediensten sollte diese angemessene Vergütung zugute kommen. Darin waren wir uns in den Ausschüssen einig. Ich fordere die Staatsregierung auf, mit der Rechtsaufsicht tätig zu werden.

Frau Stewens, Sie hatten mit der Einsetzung des Staatskommissars in der Zahnärztekammer damals einige Erfahrung, wie so etwas geht. Ich habe deshalb das Hohelied, das Kollege Zimmermann heute auf die Selbstverwaltung gesungen hat, nicht ganz verstanden. Es gibt nämlich sehr wohl Wege, um die Selbstverwaltung auszuhebeln, wenn es pressiert. Man könnte darüber nachdenken, diesen Weg zu beschrei

ten. Er war damals sicherlich nicht falsch. Ich war selbst davon betroffen. Das, was in der damaligen Situation gemacht wurde, war richtig

Ich glaube, es wird zu wenig anerkannt, dass wir die Tätigkeit der Staatsregierung auch einmal loben sollten. Es wird immer so getan, als würden wir nur kritisieren und meckern. Das unterscheidet vielleicht unsere Auffassung von Ihrer.

Ich bitte Sie, darüber nachzudenken, wie Sie selbst einmal gepflegt werden wollen. Ich glaube, unter diesen Rahmenbedingungen liegt die Antwort auf der Hand: Wir möchten eine gute Pflege, wir möchten von qualifizierten und motivierten Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern gepflegt werden. Und wir wollen von sozial engagierten Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern gepflegt werden. Das liegt mir am Herzen. Deswegen werden wir diesem Antrag zustimmen.

(Beifall bei den FREIEN WÄHLERN)

Herr Kollege, Sie können am Redepult bleiben. - Frau Kollegin Stewens bitte zu einer Zwischenbemerkung.

Herr Professor Bauer, im SGB V wurde dies für die Hausarztverträge auf Initiative Bayerns, übrigens auf meine Anregung, gesetzlich geregelt. Dort muss der Schiedsspruch, auch wenn er beklagt wird, sofort umgesetzt werden, sodass dort der schwierige Fall, den wir jetzt bei der häuslichen Pflege für die privaten Träger haben, nicht auftreten kann. Ich sage das zu Ihrer Information. Das wurde damals auf meine Initiative im Bereich der Hausarztverträge in das SGB V eingebracht. Es wäre übrigens eine Lösung, dies ebenso für die Krankenpflege im SGB V zu regeln.

Genau das ist unser Vorschlag. Und deswegen haben wir die Bitte an die Staatsregierung und an das Ministerium, diesen Weg konsequent zu gehen. Dieser Weg war richtig, und Ihr Engagement war vollkommen richtig. Ich kann Sie darin nur bestärken. Ich bitte darum, auch bei diesem Problem diesen Weg zu gehen.

(Beifall bei den FREIEN WÄHLERN)

Jetzt darf ich Herrn Kollegen Dr. Bertermann das Wort erteilen. - Bitte schön.

Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich kann mich kurz fassen, auch auf Wunsch des Vorsitzenden der CSU-Fraktion.

Hier geht es darum, wie ein Schiedsspruch umgesetzt wird. Dazu gibt es zwei Auffassungen. Was macht die Bayerische Staatsregierung? - Die Bayerische Staatsregierung hat einen Antrag zur Änderung des SGB V in den Bundesrat eingebracht. Ich glaube, damit sind wir auf dem richtigen Weg.

Wenn wir den Klageweg gehen, wird eine lange Zeit vergehen. Die Pflegedienste kommen dann langfristig nicht in den Genuss höherer Vergütungssätze. Mit den Trägern der freien Wohlfahrtspflege ist eine Vereinbarung getroffen worden: 10 % über der Grundlohnsumme. Meine Gespräche mit den Krankenkassen haben dazu geführt, dass auch bei den Krankenkassen Gesprächsbereitschaft besteht. Meine Botschaft heute ist ganz simpel: verhandeln und aufeinander zugehen, anstatt die Gerichte zu bemühen. Dann gibt es auch eine bessere Vergütung der ambulanten Pflege.

(Beifall bei der FDP und Abgeordneten der CSU)

Vielen Dank, dass Sie zum Redepult zurückkommen. - Frau Kollegin Schopper für eine Zwischenbemerkung.

Herr Kollege Bertermann, Sie haben gerade das Verfahren beschrieben, das die Bayerische Staatsregierung wählt. Wissen Sie denn, dass über die Änderung im GKV-Versorgungsstrukturgesetz, zu dem Bayern den Antrag eingebracht hat, die Klage nach § 132 a SGB V keine aufschiebende Wirkung hat? Die Bundesregierung lehnt das ab und hält eine gesetzliche Regelung für überflüssig. Was sagen Sie dazu? Das ist Ihr Ministerium.

Das Versorgungsgesetz wird erst am 1. Januar 2012 in Kraft treten. Bis dahin gibt es noch Möglichkeiten zur Veränderung. Wir werden alles daransetzen, dass diese Veränderungen stattfinden.

Habe ich das richtig vernommen, dass für Tagesordnungspunkt 11 von der CSU-Fraktion namentliche Abstimmung beantragt worden ist? - Ich möchte bereits jetzt ankündigen, dass für Tagesordnungspunkt 11 namentliche Abstimmung beantragt worden ist. Frau Staatssekretärin Huml, Sie haben das Wort.

Verehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Der Antrag und die Zustimmung aller Fraktionen zeigen, dass es uns am Herzen liegt, eine angemessene Honorierung für die Pflegedienste zu ermöglichen. Probleme bestehen lediglich im juristischen Bereich. Die Probleme möchte ich noch ein

mal schildern: Die gesetzlichen Krankenkassen und die privaten Leistungserbringerverbände in Bayern haben ein Schiedsverfahren über die Vergütung der Leistungen durchgeführt. Die Krankenkassen halten das Ergebnis für unbillig. Deshalb haben sie Klage vor dem Sozialgericht München erhoben. Bis zur gerichtlichen Entscheidung werden die Krankenkassen die Schiedsentscheidung nicht umsetzen. Wir fordern eine gesetzliche Klarstellung, damit der Schiedsspruch nach Ablauf des Schiedsverfahrens auch umgesetzt wird. Deswegen sind wir auf Bundesebene aktiv geworden. Denn wir sind der Meinung, dass die Gesetzeslage momentan nicht eindeutig ist. Deswegen können wir rechtsaufsichtlich nicht einschreiten und sehen keine Möglichkeit, die Krankenkassen zur sofortigen Umsetzung der Schiedsentscheidung zu verpflichten. Es ist jedoch noch nicht geklärt, welche Wirkung eine Klage auf die sofortige Umsetzung derartiger Schiedsentscheidungen hätte. Im Vorfeld wäre es wünschenswert gewesen, wenn die Vertragsparteien dies vertraglich geregelt hätten. Hätten die Krankenkassen und die privaten Leistungserbringer dies vertraglich festgelegt, befänden wir uns nicht in dieser Lage und hätten die Entscheidung umsetzen können. Gleichzeitig wäre es wünschenswert, wenn das Bundesrecht eine eindeutige Vorgabe enthielte oder eine höchstrichterliche Entscheidung vorläge, die es eben noch nicht gibt. Das wäre ebenfalls eine Möglichkeit. Deswegen ist es so wichtig, dass in diesem vorliegenden Streitfall ein rechtskräftiges Urteil zur Sozialgerichtsbarkeit ergeht oder dauerhafte Rechtssicherheit über die Änderung des Sozialgesetzbuchs V auf Bundesebene geschaffen wird. Deswegen haben wir diesen Änderungsantrag auf bayerischer Ebene gestellt. Deswegen haben wir uns auch im Rahmen der Hausarztverträge im Schiedsverfahren dafür eingesetzt, dass eine Schiedsentscheidung sofort umgesetzt werden kann. Wir werden uns auch weiterhin dafür einsetzen, weil wir das für notwendig halten.

Ziel des Änderungsantrags war es, diese Rechtssicherheit auf Bundesebene zügig durchzusetzen, damit die Entscheidung auch verbindlich gilt. Im Bundesrat sind wir mit der Mehrheit der Länder weitergekommen. Im Moment wird dieser Vorschlag von der Bundesregierung jedoch abgelehnt. Wir werden aber noch einmal nacharbeiten und dem nachgehen, weil wir das für notwendig halten. Mit dem Antrag der GRÜNEN wird gefragt, welche konkreten Schritte umgesetzt würden. Das hat Frau Steiger bereits angesprochen.

Wir werden alle Krankenkassen, alle Leistungserbringer und alle Beteiligten zu einem gemeinsamen Gespräch einladen und auf der Gesprächsebene versuchen, die Fronten einander anzunähern. Noch lieber