Protocol of the Session on October 12, 2011

Alles orientiert sich an Zahlen; es werden Kennziffern genannt. Wir liefern den Bürgern ökonomische Daten, immer wieder reden wir über Zahlen und Zahlen. Es wird sehr viel über einen ausgeglichenen Haushalt gesprochen.

Das war als Kritik gemeint!

Wir müssen der Bevölkerung zeigen, dass wir ihr etwas anderes geben können als Zahlen und Fakten und Kennziffern.

Sie endet mit dem haushaltspolitischen Bekenntnis Zitat -:

Es geht nicht darum, darüber zu debattieren, wer wie viel wann und wo veranschlagt hat.

Genau darum geht es. Das ist der Kern, das Königsrecht des Parlaments, nämlich der Haushaltspolitik zu sagen,

(Beifall bei der SPD und den GRÜNEN)

für welche Aufgaben welche Ausgaben anfallen. Wenn Sie sagen, dass dies nicht die Aufgabe des Landtags ist, dann sollten Sie sich vielleicht mit Ihrem Selbstverständnis befassen und vielleicht auch einmal über Ihr Selbstverständnis als Abgeordnete sprechen. Stattdessen haben Sie dem Landtag empfohlen - Zitat -:

Hinter allem steht jedoch der Gedanke, dass in unserem Staat etwas fehlt. Das ist etwas, was wir alle entbehren. Wir fühlen es nicht mehr in uns. Es ist etwas, das wir in unserem Leben nicht mehr kennen. Zwar suchen wir es, können es aber im Staatshaushalt nicht wiederfinden.

Ein weiteres Zitat: Die Bürger

wollen von uns ein neues Gefühl in diesem Land. Sie wollen von uns ein Gefühl der Zuversicht, ein Gefühl der Hoffnung, ein Gefühl der Erreichbarkeit von Idealen, ein Gefühl, dass Visionen möglich sind.

Es endet damit:

Sie möchten ein Gefühl der Freude, des Glücks und der Zuversicht erleben

und - Zitat - "nicht das Gefühl von Einschränkungen, Benachteiligungen, Zurückstellungen und der Abwesenheit eines liebevollen und letztlich göttlichen Gedankens und des Glaubens".

Wenn Sie so mit dem Thema Haushalt umgehen, indem Sie nämlich die Haushaltsberatungen zu einem psychotherapeutischen Programm mit esoterischen Heilsversprechungen machen wollen, dann verstehe ich überhaupt nicht, wie Sie am gleichen Tag, an dem Sie diese Rede im Parlament gehalten haben, einen solchen Antrag einreichen können, der genau das will, nämlich genau auf die Zahlen zu blicken und Effizienzressourcen deutlich zu machen. Das passt nicht zusammen. Deswegen hat sich dieser Antrag eigentlich von selbst disqualifiziert.

(Beifall bei der SPD und Abgeordneten der CSU)

Ich frage mich auch, wie man die Widersprüche aushalten kann. Es geht um einen Experten für Haushaltsfragen, der sich mit allen Einzelplänen des Staatshaushaltes, nämlich mit 15, auseinandersetzen soll. Was Sie fordern, ist nichts anderes als eine große Behörde neben dem Obersten Rechnungshof und dem Haushaltsausschuss. Das wäre eine aufgeblähte Behörde. Etwas anders ist nämlich überhaupt nicht möglich, wenn man sich mit der Tiefe und der Substanz des Staatshaushaltes befassen will.

Zweitens wollen Sie dann, wenn sich jemand zwei Jahre lang eingearbeitet hat, ein Rotationsprinzip anwenden. Das Know-how, das notwendig ist, um den Haushalt zu beurteilen, ist dann verschwunden und soll wieder neu aufgebaut werden. Drittens sprechen Sie von Unabhängigkeit. Für mich passt überhaupt nicht zusammen, jeweils einen SPD-Beauftragten, einen Beauftragten der FREIEN WÄHLER und einen CSU-Beauftragten für den Haushalt zu haben.

Nein. Im Kern geht es - das ist ein ernstes Anliegen; deswegen spreche ich auch so ernst darüber - um das Verständnis des Parlaments. Das Parlament, die Abgeordneten sind selbst dafür verantwortlich. Es ist ihre ureigenste Aufgabe, dafür zu sorgen, dass der Staatshaushalt ordentlich beraten wird und dass Fehler, die im Vollzug passieren, aufgedeckt werden. Ich glaube, die Bürger hätten dafür kein Verständnis. Die Abgeordneten, die sie wählen und die im Übrigen nicht schlecht verdienen, sollen ihre Aufgaben machen.

Meine Aufforderung zum Schluss: Dem Anspruch dieses Parlaments und auch Ihrem persönlichen Ruf, Frau Dr. Pauli, wäre vielleicht mehr gedient, wenn Sie

Ihre Arbeitskraft in diese Aufgabe als Abgeordnete stecken würden, auch selbst einmal Haushaltsanträge stellen würden, sich auch selbst einmal mit dem Verwaltungsvollzug und dem Haushaltsvollzug befassen würden, anstatt hier schlau daherzureden oder esoterische Sprüche zum Haushalt abzuliefern.

(Beifall bei der SPD und Abgeordneten der CSU)

Für die FREIEN WÄHLER hat nun der Kollege Reichhart das Wort. Bitte schön.

Sehr geehrte Kolleginnen, sehr geehrte Kollegen! Mit dem Antrag auf Drucksache 16/8347 soll der Beschluss herbeigeführt werden, einen Experten für Haushaltsfragen zu installieren. Um es vorwegzunehmen: Die Landtagsfraktion der FREIEN WÄHLER lehnt diesen Antrag wie schon im Haushaltsausschuss ab.

Ich möchte auch nur ein paar Ergänzungen zu meinen Ausführungen, die ich schon im Haushaltsausschuss gemacht habe, bringen. Selbst wenn ich persönlich auch der Überzeugung bin, dass eine Haushaltsaufstellung mit vielen tausend Seiten nicht wirklich in allen Feinheiten durchschaubar ist, vertraue ich dennoch dem Haushaltsausschuss, besonders der Opposition und ebenso allen Kolleginnen und Kollegen im Hause, daran zu arbeiten, dass die größtmögliche Klarheit erreicht wird. Ich bin auch überzeugt, dass die Ministerien untereinander ein hohes Interesse daran haben, dass kein Ministerium mehr Geld ausgibt als das andere oder seine Positionen mit Dingen auffüllt, die vielleicht nicht optimal gesteuert sind.

Ich habe auch ebenso ein hohes Vertrauen in den Obersten Rechnungshof, der als unabhängiges Organ und mit hochkarätigen Beamten besetzt in der Lage ist, Schwachpunkte der bayerischen Haushaltsführung aufzudecken und Missstände transparent zu machen.

Zum Schluss. Es steht Ihnen frei, liebe Frau Kollegin Dr. Pauli, jederzeit externen Rat für Ihre parlamentarische Arbeit einzuholen.

(Beifall bei den FREIEN WÄHLERN und Abge- ordneten der CSU)

Für das BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN darf ich nun Frau Kollegin Claudia Stamm das Wort geben. Bitte schön.

Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Frau Dr. Pauli verfolgt mit Ihrem Antrag ein sehr hehres

Ziel. Das Ziel ist zunächst Transparenz, mehr Transparenz, große Verständlichkeit, bessere Verständlichkeit des Haushaltes für die Bürgerinnen und Bürger herzustellen. Da hilft aber eben ein Experte nicht, sondern zum Beispiel ehrliche Haushaltspolitik statt geschönte PR-Programme, entwickelt von irgendwelchen Werbeagenturen - Stichwort Aufbruch Bayern -, die sich dann rhetorisch und medial überall mit schönem Claim, schönem Logo wiederfinden, wie zum Beispiel beim Aufbruch Bayern, einem Pseudo-Sonderprogramm. Damit werden hauptsächlich nur die Hausaufgaben gemacht.

(Zuruf von der CSU: Nein, das stimmt nicht!)

- Hast du in ein solches Haushaltsbuch schon einmal hineingeblickt?

Haushaltspolitik sollte die Menschen nicht nur mit schönen Worten blenden, sondern Haushaltspolitik sollte so einfach wie möglich, aber vor allem ehrlich, wirklich ehrlich sein. Das ist unser Ziel.

(Beifall bei den GRÜNEN)

So heißt es im Antragstext zum Beispiel:

Das Vorschlagsrecht wechselt zu jedem neuen Doppelhaushalt in der Reihenfolge der Fraktionen. Wiederwahl ist möglich. Die erste Wahl erfolgt zum Haushaltsplan 2011/2012 nach dessen Inkrafttreten.

Wir haben aber fünf Fraktionen; da kommt man rein rechnerisch schon nicht hin, ganz abgesehen davon, wenn man im Landtag Gruppen zulassen würde. Eine Legislatur hat fünf Jahre, wenn die Regierung denn durchhält. Allerdings kann man de facto jetzt schon sagen, dass die Regierung den Doppelhaushalt abgeschafft hat. Der Haushalt wird viel zu spät aufgestellt, und während der Beratung ist schon immer davon die Rede: Das machen wir im Nachtragshaushalt! Ich bitte zu überlegen, was man will. Will man eine langfristige, eine vorausschauende Haushaltspolitik machen? Wenn ja, machen Sie sie auch. Machen Sie sie nicht nach dem Geldbeutel, so wie es momentan läuft, indem einfach nur das Geld gezählt und danach die Haushaltspolitik ausgerechnet wird. Wenn wir einen einjährigen Haushalt aufstellen würden, wie Sie das jetzt schon fast de facto machen, wären wir rein rechnerisch beim Antrag von Frau Dr. Pauli. Das würde ihrem Antrag entgegenkommen, nämlich fünf Fraktionen und ein Haushaltsexperte.

Den Antrag werden wir wie im Ausschuss natürlich ablehnen. Mit dem Antrag soll ein Superman oder eine Superwoman gefunden oder geschaffen werden, jemand, der oder die alles weiß, finanziell aber eben

keiner Partei nahestehen darf. Ich weiß nicht, wie das gehen soll. Er oder sie soll auch noch das Controlling durchführen. Das macht bereits der Bayerische Oberste Rechnungshof. Zu guter Letzt würden wir mit dem Antrag auch unser sogenanntes Königsrecht beschneiden, das gerade schon öfter bemüht worden ist, und das pro forma auch schwarz auf weiß besteht. Ich würde mich aber auch freuen, wenn es die Regierungskoalitionsparteien nicht nur immer bei diesen Diskussionen bemühen würden, sondern sich auch daran halten und das Budgetrecht als ihr Königsrecht wirklich wahrnehmen würden.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Noch einmal zusammenfassend: Dem Antrag liegt ein sehr erstrebenswertes Ziel zugrunde: Transparenz und besseres Haushalten, nämlich Haushalten im eigentlichen Sinne, mit den Mitteln sparsam umgehen. Der Antrag an sich ist aber nicht stimmig. Es gibt noch ganz viele andere Stellen. Auch Exekutive und Legislative sind völlig vermischt. Die Person, die hier gesucht wird, kann es einfach nicht geben. Sie soll es auch auf keinen Fall geben. es ist ein bisschen wie BLSDS, in Anlehnung an eine sehr gehaltvolle Fernsehsendung: Bayerischer Landtag sucht den oder die Superhaushaltsexperten. Wir lehnen den Antrag ab.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Für die FDPFraktion hat nun Herr Kollege Karsten Klein das Wort. Bitte schön.

Sehr geehrter Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte zu allererst ganz kurz festhalten und mich dafür bedanken, dass Kollegin Stamm gerade festgestellt hat, dass wir in der Koalition bei der Haushaltsaufstellung unsere Hausaufgaben machen. Dafür bedanke ich mich sehr herzlich.

Das Zweite ist - auch das möchte ich vorneweg noch bemerken -, dass wir einen Teil der Maßnahmen oder vielleicht sogar den gesamten Haushalt unter ein visionäres Ziel stellen und dem einen Claim geben. Das ist doch kein Marketing-Gag, sondern das ist genau das, was heute von uns gefordert wird, dass wir nämlich den Bürgerinnen und Bürgern sagen, was wir mit ihren Steuergeldern tun, die wir als Treuhänder verwalten. Deshalb kann ich überhaupt nichts Ehrenrühriges dabei finden, wenn wir den Aufbruch Bayern organisieren. Aber ich belasse es bei dieser kleinen Replik.

Ich will nun auf den Antrag eingehen. Es ist das gute Recht eines jeden Mitglieds dieses Hauses, einen Antrag einzureichen, der dann auch diskutiert wird. Wir

haben dies, so denke ich, im Haushaltsausschuss sehr fachkundig und interessiert getan. Das war am 8. Juni 2011. Im Großen und Ganzen verweise ich auf das Protokoll dieser Sitzung. Ich fand es allerdings etwas traurig, dass sich Frau Kollegin Dr. Pauli an dieser Debatte nicht beteiligt hat.

Mir kommt der Antrag so vor, dass man etwas sucht und finden will, was es schon gibt. Es gab einmal einen Herrn Montesquieu, der das Prinzip der Gewaltenteilung aufgestellt hat. Einen Teil davon versuchen Sie jetzt in dem Antrag wiederzugeben. Ich glaube, wir haben mit dem Obersten Rechnungshof, dem Haushaltsausschuss, dem Parlament und der Staatsregierung alle Funktionen, die Sie in dem Antrag fordern, längst abgedeckt. Deshalb kann ich mich nur noch einmal dem anschließen, was wir schon im Ausschuss getan haben, nämlich diesen Antrag wohlbegründet abzulehnen.

(Beifall bei der FDP)

Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Damit ist die Aussprache geschlossen.