Protocol of the Session on October 12, 2011

Antrag der Abgeordneten Dr. Gabriele Pauli (fraktionslos) Experte für Haushaltsfragen (Drs. 16/8347)

Ich eröffne die Aussprache. Erste Rednerin ist die Kollegin Pauli, der der Ältestenrat eine Redezeit von fünf Minuten zugebilligt hat. Bitte sehr, Frau Kollegin.

Sehr geehrter Herr Präsident, meine lieben Kolleginnen und Kollegen! Ich habe diesen Antrag gestellt, weil das Bild Bayerns im Hinblick auf die Haushaltslage zwar immer sehr schön gezeichnet wird, diese Haushaltslage aber dann, wenn man sie etwas näher betrachtet, alles andere

als das ist. Da wird sehr viel beschönigt. Wir wissen, dass immer Werbung damit gemacht wird, dass es keine Neuverschuldung gebe, dass man also schon über Jahre hinweg ohne Nettoneukreditaufnahme zurechtkomme. Darüber hinaus wird von der Staatsregierung sehr viel damit geworben, dass sie einen Sparkurs einschlage und Ähnliches.

(Markus Rinderspacher (SPD): Alles Augenwischerei!)

Ja, es ist Augenwischerei insofern, als man bei der Betrachtung der Statistik erkennt, dass sich der Schuldenberg seit 1995 verdoppelt hat und sich die Schulden seit dem angeblich rigiden Sparkurs eines Ministerpräsidenten Edmund Stoiber aus dem Jahre 2003 von 20 Milliarden auf 32 Milliarden erhöht haben.

In dieser Zeit ist nichts zu merken von einer Entschuldung. Wir wissen auch, dass die Rücklagen inzwischen fast auf Null geschrumpft sind.

(Zurufe von der CSU)

Deshalb habe ich in meinem Antrag gefordert, den ich heute zur Diskussion und Abstimmung stelle, dass ein externer Experte Auskunft gibt, und zwar nicht nur diesem Gremium, sondern auch der Öffentlichkeit, und zwar begleitend zur Landtagsarbeit und nicht im Nachhinein nach Inkrafttreten eines Doppelhaushalts, wie es der Rechnungshof macht. Der Experte soll die Landtagsarbeit begleiten, indem er die Situation dieses Haushalts darstellt, das heißt die Ausgabenpolitik kritisch würdigt und darauf achtet, dass die Haushaltstitel so eingesetzt werden, wie sie nach außen hin deklariert werden. Zusammenfassend zielt der Antrag darauf ab, Transparenz herzustellen.

Die Stelle dieses Haushaltsexperten sollte extern besetzt und nicht parteiabhängig sein. Ich denke da zum Beispiel an einen Professor mit Lehrstuhl, beispielsweise an einen renommierten Verfassungsrechtler wie Professor von Arnim.

(Lachen bei der SPD - anhaltende Zurufe von der CSU und der FDP)

So ein Mann würde wirklich unabhängig von jeder Parteipolitik und jeder anderen Beeinflussung das Haushaltsgebaren dieses Landtags entsprechend würdigen.

(Zurufe von der CSU)

Ich weiß, Neutralität ist nie ganz herzustellen, aber damit möglichst wenig politischer Einfluss bei der Auswahl eines solchen Experten ausgeübt wird, habe

ich vorgeschlagen, dass das Vorschlagsrecht wechselweise für die Fraktionen verankert werden sollte.

Wohin es führen kann, wenn man eine Haushaltspolitik nicht kontrolliert, sehen wir zurzeit europaweit. Ich denke an Länder, die plötzlich vor einem Verschuldungsdesaster stehen, da entsprechende Kontrolleure fehlen.

Es reicht allerdings nicht, so etwas nur in die Verfassung hineinschreiben zu wollen. Ich stelle den Antrag auch deshalb, damit einer solchen möglichen Verfassungsänderung auch konkrete Taten folgen und konkrete Absichten verfolgt werden. Das wäre ein Vorschlag dazu, die sogenannte Schuldenbremse, die hier laut amtierenden Ministerpräsidenten gezogen werden soll, in die Tat umzusetzen. Deshalb bitte ich Sie, diesem Antrag zuzustimmen.

Man wird vielleicht sagen, das kostet schon wieder Geld. Aber ich denke, dieses Geld ist gut angelegt; denn es kommt tausendfach zurück.

(Zuruf von der CSU)

Vielen Dank, Frau Kollegin.

(Zuruf)

Darf ich diese Frage kurz beantworten. Ich habe den höchstverschuldeten Landkreis Bayerns im Jahre 1990 übernommen und habe ihn im Jahre 2008 in sehr geordnetem und solidem Zustand an einen Nachfolger aus der CSU abgegeben. Herr Dießl kann sehr zufrieden sein damit.

(Zurufe von der CSU)

Wir betrachten das als Zwischenintervention und Antwort. Der Kollege Herold hat jetzt als nächster Redner in der Debatte das Wort für die CSU-Fraktion. Bitte sehr.

Sehr geehrter Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen, meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Frage, ob der Bayerische Landtag den von der Kollegin Dr. Pauli geforderten sogenannten Experten für Haushaltsfragen einrichtet, berührt in besonderem Maße das Selbstorganisationsrecht des Parlaments. Angesichts der Situation im Freistaat Bayern, sage ich sehr deutlich: Dieser Antrag wird im falschen Bundesland gestellt, liebe Kolleginnen und Kollegen.

(Zurufe von den FREIEN WÄHLER: Ei, ei, ei! - Zurufe von der CSU: Bravo! - Beifall bei der CSU)

Gerade die sehr geordnete Haushaltssituation des Freistaates Bayern zeigt doch immer wieder sehr deutlich, dass die politisch Verantwortlichen im Freistaat Bayern in den letzten Jahrzehnten im Gegensatz zu anderen Bundesländern für gute Finanzen gesorgt haben. Bei uns bestimmen weiterhin die Einnahmen die Ausgaben und nicht die Ausgaben die Einnahmen.

(Beifall bei der CSU)

Unabhängig davon kann der Antrag nach unserer Ansicht nicht befürwortet werden,

(Unruhe und Zurufe)

denn gerade auch in diesem wichtigen Bereich des Staatshaushalts sind wir Abgeordnete die Herren und Damen des Verfahrens.

(Beifall bei der CSU)

Letztendlich tragen wir die politische Verantwortung. Deshalb sage ich auch sehr deutlich, dass die im Antrag genannten Aufgaben, vor allem auch die Beratungen und die Beschlussfassung über haushaltswirksame Angelegenheiten, in die Zuständigkeit des Ausschusses für Staatshaushalt und Finanzfragen fallen.

(Zurufe von den GRÜNEN)

Herr Kollege, erlauben Sie eine Zwischenfrage?

Zum Schluss bitte.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, im Haushaltsausschuss stehen in vielen Sitzungen immer wieder auch kompetente Vertreter der Staatsregierung oder auch der Fraktionen für Auskünfte zur Verfügung. Hinzu kommt auch unser Oberster Rechnungshof, der dem Haushaltsausschuss über die Ergebnisse seiner Kontrolltätigkeit berichtet. Mit diesem ORH steht uns politisch Verantwortlichen eine staatliche und, - was ich besonders hervorheben möchte, auch unabhängige Behörde zur Verfügung, die mit hohem Sachverstand ständig die Einsparmöglichkeiten und natürlich auch die notwendige Transparenz überprüft.

Diese traditionelle und auch bewährte Aufgabenverteilung sollte in keinster Weise - ich betone: in keinster Weise - durch den Aufbau von sogenannten Parallelstrukturen infrage gestellt werden.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, Sie wissen alle, dass der Antrag im federführenden Haushaltsausschuss einstimmig abgelehnt wurde. Ich bitte deshalb auch heute um Ablehnung des Antrages.

(Beifall bei der CSU - Zurufe von der CSU: Bravo!)

Vielen Dank, Herr Kollege. Bitte verweilen Sie noch kurz für die Zwischenbemerkung des Kollegen Hallitzky. Bitte sehr, Herr Kollege Hallitzky!

Herr Kollege Herold, was Sie am Schluss an Grundsätzlichem gesagt haben, war gar nicht so blöd. Aber können Sie bitte noch einmal den Satz wiederholen, den ich glaube so verstanden zu haben, dass Sie meinten, dass dieser Antrag in anderen Parlamenten begründet wäre. Damit träten Sie Ihre gesamte grundsätzliche Argumentation selber in die Tonne. Das haben Sie am Anfang so skizziert. Wollten Sie nicht vielleicht diesen Satz zurücknehmen und sagen, dieser Antrag ist in keinem deutschen Landesparlament begründet?

(Beifall bei den GRÜNEN)

Da haben Sie mich möglicherweise missverstanden, Herr Kollege Hallitzky. Dann hätten Sie recht. Aber ich will noch einmal kurz darauf hinweisen, dass wir in Bayern im Unterschied zu anderen Bundesländern gute finanzielle Verhältnisse haben.

(Beifall bei der CSU - Zurufe von der CSU: Bravo!)

Vielen Dank, Herr Kollege. Für die SPD-Fraktion darf ich nun dem Kollegen Volkmar Halbleib das Wort erteilen.

Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Bevor ich mich mit dem Antrag der Kollegin Dr. Pauli befasse, will ich einen kurzen Hinweis geben. Für dieses strotzende Selbstbekenntnis des Kollegen Herold gibt es überhaupt keinen Anlass. Bedenken Sie bitte, dass wir 350 Millionen Euro jährlich wegen politischen Fehlverhaltens bei der Landesbank bereitstellen müssen.

(Beifall bei der SPD - Zurufe von der CSU)

Da ist für Ihre starken Worte hier überhaupt kein Platz, Herr Kollege Herold. Aber vielleicht sollten wir uns kurz mit der Substanz dieses Antrags befassen. Liebe Kollegin Dr. Pauli, es wäre jetzt ein Leichtes, den Antrag ins absolut Lächerliche zu ziehen und zu sagen, dass jeder das Recht hat, sich im Rahmen seiner parlamentarischen Möglichkeiten auf seine Art lächerlich zu machen. Ich kann Ihnen diese Aussage belegen, weil Sie selbst einen Beitrag dazu geleistet haben.

Am gleichen Tag, nämlich am 7. April dieses Jahres, an dem Sie diesen Antrag in den Bayerischen Landtag eingereicht haben, in dem Sie von Ausgabestrukturen, von verschleierten Ausgaben, von Fehlverwendung, zu niedrig angesetzten Ausgabetiteln, von Unterdeckung, von Kreditaufnahme und von Sollzinslasten sprechen, haben Sie im Plenum eine Rede zum Haushalt gehalten - ich darf daraus zitieren -, in der Sie kritisieren:

Alles orientiert sich an Zahlen; es werden Kennziffern genannt. Wir liefern den Bürgern ökonomische Daten, immer wieder reden wir über Zahlen und Zahlen. Es wird sehr viel über einen ausgeglichenen Haushalt gesprochen.