Protocol of the Session on October 12, 2011

(Markus Rinderspacher (SPD): Sie stimmen zu!)

Es steht auch im Koalitionsvertrag. Mir persönlich ist es ein wichtiges Anliegen.

(Beifall des Abgeordneten Tobias Thalhammer (FDP))

Als Nächster hat sich Herr Professor Dr. Piazolo zu einer Zwischenbemerkung gemeldet. Bitte schön.

Frau Zacharias, auch bei den Mehreinnahmen müssen wir auf einen ausgeglichenen Haushalt achten. Ich sehe auch die zukünftigen Generationen.

Frau Kollegin, Sie bekommen gleich noch einmal zwei Minuten. Aber erst darf Herr Professor Piazolo seine Zwischenbemerkung machen. Bitte schön.

Meine erste Bemerkung: Sie haben das Bundesverfassungsgericht angesprochen. Das Bundesverfassungsgericht hat natürlich nicht darüber entschieden, ob Studienbeiträge sozial gerecht sind. Das steht ihm gar nicht zu. Das Bundesverfassungsgericht maßt sich das nicht an. Das Bundesverfassungsgericht hat entschieden, dass sie verfassungsgemäß sind. Das Bundesverfassungsgericht prüft die Verfassungsmäßigkeit. Das ist ein großer Unterschied.

Das Zweite: Sie fragten, wie das mit dem kostenfreien Kindergartenjahr gehen soll. Das steht im FDP-Wahlprogramm. Ich weiß nicht, ob man sich nach zwei Jahren in der Regierung schon von seinen Grundsätzen verabschiedet hat. Ich glaube, was die Studiengebühren angeht, steht etwas anderes in Ihrem Wahlprogramm als das, was jetzt in der Regierung gemacht wird. Man muss Kompromisse schließen. Aber man muss sich doch nicht gänzlich von seinem Wahlprogramm verabschieden.

Die dritte Bemerkung ist: Sie wollen im November, wenn ich das richtig weiß, gerade im Bildungssektor noch einiges beschließen, wie Sie die Milliarde Euro ausgeben. Verbauen Sie sich doch nicht schon jetzt jede Chance, im November Großtaten über die Bevölkerung auszuschütten, indem Sie sie schon im Voraus ablehnen.

Frau Kollegin Bulfon, zur Erwiderung bitte.

Herr Piazolo. Ich möchte keine Großtaten über die Bevölkerung ausschütten, sondern ich will dafür sorgen, dass wir ein ausgewogenes Bildungssystem bekommen.

(Prof. Dr. Michael Piazolo (FREIE WÄHLER): Schade!)

Das ist mir ein persönliches Anliegen. Das dürfen Sie mir glauben.

Auch ich war darüber erstaunt, zu lesen - ich glaube, das heute gelesen zu haben -, dass vom Bundesverfassungsgericht bis zu 500 Euro als sozial gerecht empfunden werden. Diese Wertung fand ich erstaunlich.

(Widerspruch bei der SPD)

- Ich habe das heute so gelesen. Ich müsste das noch einmal nachschauen.

(Harald Güller (SPD): Das ist eine gute Idee, nachzuschauen!)

Dann kommt insofern meine Wertung hinein. Dann ist es verfassungskonform und damit auch sozial gerecht. Ich habe in meinen Erläuterungen in diesem Zusammenhang ausgeführt, was ich als sozial gerecht empfinde. Man kann das nachlesen. Ich habe gesagt, es ist nicht zulässig, dass eine Einkommenselite so stark von der Allgemeinheit profitiert, wie das die Akademiker tun. In diesem Zusammenhang ist meine Äußerung zu verstehen.

Herr Piazolo, Sie hatten noch eine Frage gestellt. Gut.

(Beifall des Abgeordneten Tobias Thalhammer (FDP))

Vielen Dank. Für die CSU-Fraktion darf ich nun dem Kollegen Dr. Goppel das Wort geben. Ihrer Fraktion stehen noch circa 20 Minuten Redezeit zu. Die müssen Sie aber nicht ausschöpfen.

Unerwartet, Herr Präsident, verehrte Kolleginnen und Kollegen, sind wir nicht mehr in der Diskussion um Studiengebühren, sondern jetzt geht es um die Frage, wie Sie in der Opposition, von den FREIEN WÄHLERN bis zu den GRÜNEN, und wie wir in der politischen Landschaft Bildung als Bestandteil des gesamten Werdeganges eines Menschen ansehen. Dabei stellt sich heraus, dass wir diesen aufteilen können. Wir sagen: Wenn wir jemanden heute etwas zugestehen und er etwas machen soll, dann hängt sein Werdegang vom ersten bis zum letzten Tag von seiner Begabung ab. Diese Begabung muss gefördert werden. Wenn sie unterschiedlich ist, wird sie unterschiedlich gefördert. Sie sagen im Gegensatz dazu: Alle sitzen von Anfang an "in einem Topf". Dann müssen die Lehrer eben auf Stärken und Schwächen Rücksicht nehmen. Dann muss man die Lehrer allerdings anders ausbilden. Aber gut, okay. Sie gehen von solcher Grundlage aus. Das haben wir von Kollegin Isabell gerade gehört.

(Isabell Zacharias (SPD): Zacharias!)

- Ich weiß es, danke schön. Ich bekomme immer wieder mit, dass Sie alle per Du sind. Ich tu’ mich da etwas schwerer, weil ich vom alten Schlag bin.

Zurück: Erstens will ich ausdrücklich festhalten, dass Sie ganz bewusst festgestellt haben, dass Bildungsgerechtigkeit durchgängig sein muss. Sie haben damit zu erkennen gegeben, dass es Ihnen nicht um die Diskussion geht, ob jemand ein Stück weit benachteiligt wird, sondern dass Sie für alle gleiches Recht wollen. Das wollen wir auch. Das gleiche Recht für alle bedeutet, dass deswegen, weil die Lehrlinge ihre Ausbildung selbst zahlen müssen, dies im Studienbereich

auch so sein soll. Ansonsten müssten Sie die Gebühren für die Meisterprüfung abschaffen. Wir haben stattdessen den Meistern, die zur gleichen Zeit wie die Schüler das Abitur den Meisterbrief abschließen, den Zugang zu den Hochschulen erlaubt. Nach dem Meisterbrief haben wir keine Gebührenfreiheit gegeben. Ein Meister hat aber schon 10.000 Euro gezahlt. Ihrer These nach soll er dann anschließend - das haben Sie vorhin ausdrücklich gesagt - mit seinen Steuern sieben Jahre lang die Studierenden mit Studiengebühren stützen, weil er früher berufstätig ist und obwohl er für seinen eigenen Werdegang bezahlt hat. Ich würde gerne wissen, wie Sie dem Meister, dem Polizisten, dem Handwerker und allen anderen erklären wollen, dass sie den Studierenden die anfallenden Kosten zahlen müssen, egal aus welcher Schicht sie kommen.

(Beifall bei der CSU)

Da also heute "ungerecht" vorgegangen wird, sind wir der Meinung, dass die Ungerechtigkeit wenigstens zu einem späteren Zeitpunkt eintritt, an dem alle ihre Grundbildung haben. Daran anschließend wird keiner um eine Differenzierung herumkommen.

Ein weiteres Argument beziehe ich aus einer Statistik. Da Sie, Frau Gote, und andere gerne Statistiken lesen und ihre Argumente daraus ziehen, halte ich das für wichtig: In dieser Statistik steht geschrieben, dass in den Ländern mit Gebührenfreiheit 20 bis 25 % eines Jahrgangs am Ende ohne Abschluss sind. Sie kommen ohne Abschluss von der Schule und sind ohne Perspektive. In den Ländern, in denen nach unterschiedlicher Begabung gefördert wird, ist die Zahl derjenigen, die ohne Abschluss aus der Schule kommen, halbiert und geht bis auf ein Drittel dieser 25 % zurück. Bayern ist dabei an der Spitze. Auch das steht in dieser Statistik. Außerdem steht in der Statistik, dass an den bayerischen Universitäten und Fachhochschulen 42 %, also fast die Hälfte der jungen Leute, nicht auf dem Bildungsweg gekommen sind, den Sie zwangsverordnen wollen, also nicht über das Abitur. Sie kommen mit Mittlerer Reife und anderen Abschlüssen. Sie sind wertvolle Ergänzung und wichtige Glieder an den Hochschulen.

(Beifall bei der CSU)

Wir beseitigen die Benachteiligung derjenigen, über die Sie reden, systematisch durch einen anderen Bildungsweg. Wir beseitigen die Nachteile, bevor Sie anfangen, von Benachteiligungsabbau zu reden. Wir machen das mit der unterschiedlichen Beschulung. Das beginnt mit einer anderen Vorstellung von einer Lehrkraft, nicht bei der Bezahlung. Hier schließe ich mich weitgehend der Meinung derjenigen an, die

sagen, dass tüchtige Lehrer, egal, von welcher Schulart, eine vergleichbare Besoldung bekommen sollen. Darüber kann man mit mir diskutieren. Eine Lehrkraft am Gymnasium gibt eine Stunde lang vor, was der Einzelne zu lernen hat. Viel Wiederholung findet nicht statt, weil es zu viel Stoff ist - das haben wir gehört -, und die Schüler kommen entweder mit oder ohne Abitur aus der Schule. Ein Drittel der Gymnasiasten geht an die Realschule oder die Hauptschule zurück. Erste Aufgabe des Schulsystems ist es inzwischen fast, sich um die Wechsler zu kümmern, damit sie nicht verkümmern, sondern im System bleiben. Diese Aufgabe muss besser gelöst werden als bisher. Sie haben uns gesagt, was wir Ihrer Meinung nach alles dazu tun sollen. Vieles davon findet meine Zustimmung, wie die Mehrbeschäftigung von Lehrkräften und die Bildung von kleineren Klassen. In der heutigen Zeit ist das notwendig, weil die Familiengeschichten anders sind. Solange man aus einer Familie mit fünf Kindern kommt, wie das bei mir war, hat man eine andere Vorgabe.

(Zuruf von der SPD)

Ich rede mit Ihnen über Ihr Thema, das da lautet, man solle dort, wo es nicht zwingend nötig ist, Gebührenfreiheit einführen, während wir zur Erledigung der Pflichtaufgaben dringend Gemeinsamkeit bräuchten. Das ist ein ganz wichtiger Grundsatz.

(Beifall bei der CSU)

Ich lehne es nicht ab, dass wir auch in Bayern nichts bezahlen. Wir haben die Gebühr nicht eingeführt, weil es damals nicht anders gegangen wäre, sondern wir haben ausdrücklich gesagt, dass wir veranlasst sind, die Studienplätze besser auszustatten. Wenn viele Medizin studieren wollen, kostet das die Universität so viel Geld, dass die anderen Fakultäten darunter leiden. Weil das so ist, muss die Universität die zusätzliche Möglichkeit haben, die Studien- und Lehrbedingungen zu verbessern. Die Gebühr wurde nicht eingeführt, um die Grundausrüstung zu finanzieren. Über diese Ausgangslage wird heute gar nicht mehr geredet. Der Ministerpräsident und seine Minister diskutieren sehr wohl darüber. Es wurde die Sozialkomponente eingeführt für Familien mit mehreren Kindern, für die die Gebühren anders berechnet und abbezahlt werden. Dieser Ausfall addiert sich auf 30 % Freistellungen. Wir sind auf viele Ihrer Argumente eingegangen.

Ich sage Ihnen ausdrücklich: Solange Sie nicht in der Lage sind, mit uns zusammen die Pflichtbereiche der Schule zu vernünftigen Konditionen so zu organisieren, dass sie Bildungsgerechtigkeit herstellen, ver

wahre ich mich gegen die Abschaffung der Studienbeiträge.

(Zurufe der Abgeordneten Markus Rinderspacher (SPD), Isabell Zacharias (SPD) und Ulrike Gote (GRÜNE))

- Nein, nein, nein. Wenn wir etwas in Angriff nehmen können, müssen wir dort ansetzen, wo im Augenblick die notwendigen Lösungen anstehen und nicht in den Bereichen, wo es nicht einen annähernd gleichen Wirkungsgrad gibt.

Lassen Sie mich ein Weiteres sagen. Sie reden von der Abwanderung der Studierenden. Das stimmt nicht. Es wandern die ausgebildeten Akademiker ab, die abgeworben werden. Die Akademiker gehen, wenn sie in München nicht bleiben dürfen. Das ist unser Problem. Das ist die große Schwierigkeit. Sie gehen inzwischen als Lehrkräfte in andere Länder und sind überall eher tätig als auf dem flachen Land. Es geht nicht darum, dass wir nicht genügend Ausbildungsplätze hätten. Sie wandern nach dem Studium mit guten Examina ab, weil sie bei uns keine Stelle als Akademiker bekommen, während wir gleichzeitig im Bereich der Mittleren Reife, der Handwerker und anderer Berufe keinen Nachwuchs haben. Wenn etwas aufgebaut werden muss, dann ist das der Praxisbereich, das Berufsspektrum in den Ausbildungsgängen.

Das heißt auf Deutsch - ich will das zusammenfassend sagen -, in den letzten fünf Jahren haben sich die Koordinaten verschoben. Die Diskussion verläuft ganz anders als zum Zeitpunkt der Einführung der Studienbeiträge. Schon früher war das so. Wir sollten uns an den Konditionswechsel erinnern. Sie gäben Geld aus, das wir vor fünf Jahren nicht hatten. Jetzt haben wir das Geld, um damalige Schulden zurückzuzahlen. Sie werfen uns in jeder Sitzung vor, was wir alles zu finanzieren hätten aufgrund der Politik der CSU, wie zur Landesbank und Ähnliches. Gleichzeitig geben Sie das Geld, das wir zum Ausgleich notwendig haben, wieder in eine Kasse, von der wir nicht wissen, ob sie wegen der demografischen Entwicklung in den nächsten Jahren überhaupt noch gefüllt sein wird. Die Demografie wird uns die Kassen nicht füllen. Wir müssen deshalb schon heute zusätzliche Studenten holen und dürfen nicht nur die eigenen ausbilden. Dabei wollen wir die Tüchtigen haben. Dafür braucht man bestmöglich ausgestattete Hochschulen. Darauf müssen sich die Professoren einstellen, und die Hochschulen, die mit Freiheit ausgestattet werden, müssen dafür sorgen, dass sie bei bester Ausstattung und ohne Stanford-Gebühren die tüchtigen Leute auch aus der Nachbarschaft herbeiholen, damit sie später in Bayern Berufe ergreifen und dazu beitragen, dass die Verdienste aller so hoch bleiben,

dass man künftig auf Gebühren verzichten kann. Im Moment ist das noch nicht gerechtfertigt. Das können wir vielleicht in drei, vier oder fünf Jahren angehen. Die Koordinaten werden sich wieder verschieben. Jetzt greifen Sie möglichen Lösungen voraus, weil andere Aufgaben noch wichtiger sind.

(Beifall bei der CSU - Zuruf aus den Reihen der SPD: Amen!)

Weitere Wortmeldungen liegen mir nicht vor. Staatsminister Heubisch weist darauf hin, dass die Redezeit für die Regierung schon überzogen ist und man sich beim übernächsten Tagesordnungspunkt zu dem gleichen Thema wieder unterhalten kann.

Die Aussprache ist geschlossen. Wir kommen zur Abstimmung. Wer dem Dringlichkeitsantrag auf der Drucksache 16/9768 seine Zustimmung geben will, den bitte ich um das Handzeichen. - Das sind die Fraktionen der SPD, der FREIEN WÄHLER, der GRÜNEN und Frau Abgeordnete Dr. Gabriele Pauli (fraktionslos). Gegenstimmen? - Das sind die Fraktionen der CSU und der FDP.

(Isabell Zacharias (SPD): Aufseiten der CSU gab es auch Zustimmung! - Weitere Zurufe von der SPD und den GRÜNEN)

Ich hatte mich auf die Opposition konzentriert. Ich bitte, noch einmal die Zustimmung anzuzeigen. - Ich sehe zwei Stimmen von der CSU-Fraktion. Ich bitte jetzt die Gegenstimmen anzuzeigen. - Das waren die Mehrheit der CSU-Fraktion und die FDP-Fraktion. Stimmenthaltungen? - Keine. Der Antrag ist damit abgelehnt.

Die Dringlichkeitsanträge auf den Drucksachen 16/9770 bis 16/9774 werden in die zuständigen federführenden Ausschüsse überwiesen.

Ich rufe Tagesordnungspunkt 6 auf:

Antrag der Abgeordneten Dr. Gabriele Pauli (fraktionslos) Experte für Haushaltsfragen (Drs. 16/8347)