Protocol of the Session on July 12, 2011

Die Absenkung des passiven Wahlrechts auf 18 Jahre ist ein Punkt, dem wir uns nach reiflicher Überlegung nähern.

Lassen Sie mich eine Bemerkung zu der Regelung machen, dass jemand, der ein kommunales Ehrenamt aufgibt, einen wichtigen Grund angeben muss. Auch hier wollen wir die Regelung der Lebenswirklichkeit anpassen. Fast alle Mitglieder dieses Hohen Hauses sind gleichzeitig Mitglieder in kommunalen Parlamenten. Sie wissen ganz genau: Wenn jemand sein Amt aufgeben will, dann tut er es, und das wird akzeptiert, selbst wenn er einen "wichtigen Grund" konstruiert. Ich gestehe zu, dass man darüber geteilter Meinung sein kann. Wir waren der Auffassung, dass es besser ist, diese Regelung ganz zu streichen.

Lassen Sie mich zur Altersgrenze von 67 Jahren ab dem Jahr 2020 kommen. Man kann natürlich die völlige Aufhebung der Altersgrenze fordern. Wir sind aber der Meinung, dass es zwischen dem Abgeordnetenmandat und etwa dem Amt eines Ministers einen qualitativen Unterschied gibt. Es gibt sehr wohl sachliche Gründe für unsere Auffassung. Wir haben bewusst auf das Jahr 2020 abgehoben, weil wir nicht wollten, dass die persönliche Betroffenheit - wem nützt die Regelung, wem schadet sie? - einen Einfluss auf die gesetzliche Regelung hat. Der Städtetag fordert die Freigabe, der Landkreistag macht einen Kompromissvorschlag und fordert eine Altersgrenze von 66 Jahren im Jahr 2014. Wir werden das, weil wir die kommunalen Spitzenverbände ernst nehmen, mit unserem Koalitionspartner erörtern.

Manche Wortmeldung und manche Pressemitteilung in den letzten Tagen zeigt doch eines: Sobald man

sich diesem Vorschlag nähert, erlebt man, dass jeder für sich durchrechnet, wem das noch nützt und wem nicht, wem es nützen soll und wem nicht. Unsere Überlegung, die Regelung erst im Jahre 2020 in Kraft treten zu lassen, ist also so ungeschickt nicht, mag sie auch etwas ungewöhnlich sein.

Letztendlich freue ich mich - auch mit Blick auf meine Redezeit -, dass ich in den verschiedenen Gesetzentwürfen, die heute vorliegen, doch manche Gemeinsamkeit entdecken kann. Es freut mich, dass wir manche Dinge ähnlich sehen. Deshalb wird es bei allen bekannten Standpunkten - die Kollegin Schmitt-Bussinger hat das eben auch ausgeführt - wohl eine sehr lebhafte, wenn auch sicherlich sachliche Debatte im Ausschuss und im Plenum in der Zweiten Lesung geben. Für dieses konstruktive Miteinander sage ich herzlichen Dank. Gleichzeitig werbe ich heute schon um Unterstützung für unseren Gesetzentwurf.

(Beifall bei der CSU und der FDP)

Danke schön, Kollege Meißner. Als Nächste hat Frau Kollegin Susanna Tausendfreund das Wort.

Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Die kommunale Ebene ist uns allen sehr, sehr wichtig. Dort ist die Demokratie der Bevölkerung am nächsten. Dort wollen sich die Menschen einmischen, und dort nehmen sie ihre Rechte auch am stärksten wahr. Die Bedeutung der kommunalen Ebene zeigt sich in Bayern durchaus auch daran, dass wir ein sehr demokratisches Wahlrecht mit der Möglichkeit des Panaschierens und Kumulierens haben. Damit kann man sich seine Räte vor Ort tatsächlich selbst aussuchen.

Bereits zu Beginn dieser Legislaturperiode haben wir einige eigene Gesetzentwürfe und Vorschläge eingebracht und nicht auf die Staatsregierung gewartet. Aus diesem Grunde haben wir heute auch keine eigenen Gesetzentwürfe vorgelegt. Selbstverständlich werden wir aber im Laufe der anstehenden Debatte eigene Änderungsvorschläge einbringen.

Ich möchte kurz erwähnen, was wir bereits vorangebracht haben. Das ist zum Beispiel die Debatte über das Wahlalter mit 16, die Debatte darüber, dass auch EU-Bürgerinnen und EU-Bürger Bürgermeister und Landräte werden können, wovon sie bisher noch ausgeschlossen sind, und ich erinnere an etliche Transparenzvorschriften, die uns wichtig erscheinen. Auch der Bürgerentscheid soll nach unserer Meinung vereinfacht werden, und es freut uns, dass sich dies nun im Gesetzentwurf der SPD 1 : 1 widerspiegelt.

Und nun ein Wort zu den vorliegenden Gesetzentwürfen:

Im Gesetzentwurf der Staatsregierung finden sich etliche Punkte, die wir unterschreiben und anpacken können. Der Knackpunkt für uns ist allerdings die Altersgrenze von 65 Jahren. Diese muss ganz aufgehoben werden. Wenn wir uns die Positionen von Bürgermeistern und Landräten vor Augen führen, zeigt sich: Der Schwerpunkt liegt nicht auf dem kommunalen Beamten, sondern vielmehr auf dem gewählten Mandatsträger, dem Politiker, der Politikerin. Das ist eher zu vergleichen mit einem Mandat als Bundestagsoder Landtagsabgeordneter bzw. Regierungsmitglied.

(Dr. Andreas Fischer (FDP): Das ist praxisfremd!)

Außerdem ist überhaupt nicht nachzuvollziehen, warum hier zwischen den hauptamtlichen und den ehrenamtlichen Bürgermeistern ein Unterschied gemacht wird. Und es ist nur eine Lex Ude, die hier eingeführt werden soll, wenn die Altersgrenze jetzt nur ein wenig, auf 67 Jahre, angehoben wird und dies erst im Jahre 2020 gelten soll. Dafür habe ich überhaupt kein Verständnis.

Ihnen, meine Damen und Herren der Koalitionsfraktionen, steht nun aus den Reihen Ihrer eigenen Bürgermeister Ärger ins Haus.

(Zurufe von der CSU und der FDP)

Ich glaube, die FDP hat im Augenblick gar keine, wenn ich das richtig sehe.

(Anhaltende Zurufe von der FDP)

- Doch? Aber sicherlich nur sehr wenige.

(Jörg Rohde (FDP): Ja, ja, selbst in Bayern! Weitere Zurufe - Glocke des Präsidenten)

Also wie gesagt, für diese Regelung habe ich kein Verständnis; so, wie das gestrickt ist, ist das reine Taktik. Ich meine wirklich, diese Altersgrenze gehört weg.

Zum Wahlalter mit 16 Jahren haben wir auch schon Vorstöße gemacht. In sechs Bundesländern gilt bereits dieses Wahlalter; dort sind gute Erfahrungen gemacht worden. Es ist wichtig, die jungen Menschen frühzeitig einzubeziehen. Demokratie zu vermitteln, sollten wir als Bildungsauftrag ansehen. Dazu gehört, die Jugend ernst zu nehmen und sie frühzeitig wählen zu lassen. Stellungnahmen einschlägiger Wissenschaftler unterstreichen dies, und der Bayerische Jugendring fordert sogar ein Wahlalter von 14 Jahren. Allerdings braucht man dazu keine Verfassungsände

rung, wie sie von der SPD gefordert wird. Das geht auch auf einfach gesetzlichem Wege. Die Kombination mit der Begrifflichkeit des bayerischen Staatsbürgers ist möglicherweise auch nicht die geschickteste Lösung.

Das passive Wahlalter mit 18 Jahren für Landräte und Landrätinnen und Bürgermeister und Bürgermeisterinnen haben wir ebenfalls schon gefordert. Das ist jetzt im Vorschlag der Staatsregierung enthalten.

Jetzt komme ich zum Schwerpunkt der Lebensbeziehungen als Voraussetzung, gewählt zu werden. Ich denke, dieses Erfordernis gehört komplett gestrichen; denn die Wählerinnen und Wähler wissen genau, wen sie als kommunale Mandatsträger, als Bürgermeister oder Landräte wählen wollen. Im Übrigen sind hauptamtliche Bürgermeister und Landräte sowieso schon von dieser Vorschrift befreit. Sie müssen diesen engen Bezug des Lebensmittelpunkts in der Gemeinde bzw. im Landkreis nicht nachweisen. Und für Gemeinderatsmitglieder und nebenamtliche Bürgermeisterinnen und Bürgermeister halte ich diese Voraussetzung nicht für erforderlich. Das Erfordernis einer gemeldeten Wohnung als Nachweis des Ortsbezugs ist nur eine Krücke. Ich würde vollständig darauf verzichten wollen.

Die eidesstattliche Versicherung zu fordern, wie es die FREIEN WÄHLER tun, macht die Sache nur noch schlimmer; denn dann haben Leute, die vielleicht ein bisschen gemogelt haben und nicht am Ort den Schwerpunkt ihrer Lebensbeziehungen haben bzw. einmal kurzfristig weggezogen sind, die ganze Schnüffelei noch mehr am Hals und kommen in die Gefahr, auf die strafrechtliche Schiene geschoben zu werden, weil sie möglicherweise eine falsche eidesstattliche Versicherung abgegeben haben. Das würde die Schnüffelei nur voranbringen.

Zum Rücktritt aus wichtigem Grund: Bei allen kommunalen Mandatsträgern sollte auf den Nachweis des wichtigen Grundes bei einem Rücktritt verzichtet werden. Das ergibt sich aus der Praxis; denn sonst werden irgendwelche Gründe vorgetragen, die dann geglaubt werden oder aber auch nicht.

Die übrigen Vereinfachungen, die vorgeschlagen werden, sehe ich positiv. Ich finde es gut, dass bei der Briefwahl kein Erfordernis eines Nachweises mehr notwendig ist, warum diese Briefwahl im Einzelfall nötig ist. Das wäre realitätsnah, denn es wird bereits heute keine Prüfung vorgenommen.

Ansonsten sind bei den SPD-Entwürfen noch einige deklaratorische Vorschläge zu finden, die man in den Kommunen sowieso schon praktizieren kann. Ich

nenne nur die Informationsfreiheitssatzungen, die Kommissionen und Ähnliches.

Frau Kollegin, Sie haben bereits mehr als eine Minute überzogen. Ich bitte im Interesse des Hohen Hauses, Ihren Vortrag zu beenden.

Das alles kann jetzt schon gemacht werden, aber man kann meinetwegen dazu auch Regelungen in die Kommunalordnungen aufnehmen.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Danke schön, Frau Kollegin. Als Nächster hat Kollege Jörg Rohde das Wort.

Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir haben schon des Öfteren einzelne dieser Vorschläge diskutiert. Eingangs möchte ich der Staatsregierung danken, dass sie unserem Auftrag nachgekommen ist und einen Gesetzentwurf vorgelegt hat, der die Punkte, die wir bereits im Dezember letzten Jahres beschlossen haben, nun voranbringen soll.

Allerdings, Herr Innenminister, haben Sie manche unserer Aufträge bereits übererfüllt. In Ihrem Entwurf ist einiges mehr enthalten, beispielsweise bei der Gemeindeordnung und der Landkreisordnung sowie der Bezirksordnung, sodass wir im Prinzip eine Zweiteilung haben. Wir haben zum einen das Gemeinde- und Landkreiswahlgesetz, wo wir schon vieles diskutiert haben, und zum anderen haben wir eine weitere Abteilung mit den Ordnungen, bei denen wir noch vieles vereinheitlichen müssen. Dazu sind auch von den Oppositionsfraktionen etliche Diskussionsvorschläge unterwegs, die wir im Laufe der Ausschussberatungen sicherlich noch einarbeiten müssen.

Ich trenne also gedanklich ein bisschen in den Block Wahlgesetzgebung, wo wir uns im Großen und Ganzen einig sind, und in die Ordnungen, die wir sozusagen in einem Rutsch mitdiskutieren können. Zunächst hatte ich mir eigentlich vorgestellt, zwei getrennte Gesetzesvorhaben zu erörtern, aber nun können wir das alles gemeinsam diskutieren, und das ist gut so.

Einzelne Punkte möchte ich herausgreifen. Zunächst begrüße ich, dass es gemeinsame Punkte gibt. Ich wollte das herausstellen, Frau Schmitt-Bussinger. Sie haben formuliert: Die sinnvollen Vorschläge werden wir gemeinsam beschließen. So finden sich im SPDVorschlag einige Punkte wie etwa die Mindestaufenthaltsdauer für das aktive Wahlrecht, die Absenkung für die Wählbarkeit auf 18 Jahre. Das alles verbindet

uns. So etwas eint uns im Hohen Hause. Sicherlich wird am Ende jeder sagen können, den einen oder anderen Vorschlag hätte ich mir anders vorgestellt, aber im Grunde verbindet uns die Gemeinsamkeit. Und wenn wir nun sagen, wir hätten ein paar Wünsche und es gäbe noch andere Wünsche, weiß man doch, dass man nicht alles unter einen Hut bringt. Das Gemeinsame aber werden wir vorantreiben.

Ich stelle mir also vor, dass wir noch einige Änderungsanträge bei den Ordnungen einbringen müssen.

Die einzelnen Punkte zum Wahlalter sind hier schon mehrfach angesprochen worden. Wir haben wirklich einen sachlichen Grund, uns an die berühmte Müntefering-Formel anzulehnen und mit einem zielgerichteten Änderungsvorschlag genau den Punkt zu treffen, an dem diese Notwendigkeit besteht. Vorher besteht keine Notwendigkeit. Hinterher haben wir es geregelt, und es passt. Alle können sich langfristig darauf einrichten.

Insofern sehe ich der Diskussion mit dem Koalitionspartner gelassen entgegen. Die sachlichen Gründe sprechen eben dafür. Am Ende gibt es immer einen politischen Geschmack - der Kollege Meißner hat es angedeutet -: Habe ich den einen oder anderen Kandidaten im Auge, oder lasse ich mich von anderen Beweggründen leiten?

Dann könnte man überlegen, das Wahlalter auf 16 Jahre festzusetzen. Wir wissen nicht, warum SPD und FREIE WÄHLER das aktive und das passive Wahlrecht auseinanderlaufen lassen wollen. In diesem Punkt schließe ich mich ansonsten den Argumenten des Innenministers an.

Die FREIEN WÄHLER haben noch im Mai 2010 eine Ablehnung ausgesprochen. Das muss auf irgendeiner Erkenntnis beruhen. Vielleicht hat im Ausschuss auch ein anderer Kollege abgestimmt. Jedenfalls muss ich dazu sagen, dass wir in Bayern diesbezüglich keinen Änderungsbedarf haben. Lassen wir es doch so, wie es ist!

Unter den verschiedenen Punkten geht es auch um die Frage der Zulassung der Briefwahl und darum, den Beschwerdeausschuss anzurufen.

Die SPD hat jetzt etwas zur Frage des sachkundigen Bürgers eingebracht. Ich persönlich habe dafür eine hohe Sympathie. Ich weiß aber, dass die Frage in meiner Fraktion noch zu diskutieren ist. Dabei werde ich Überzeugungsarbeit leisten müssen. Grundsätzlich kann ich mich dem Gedanken der SPD sehr gut anschließen.

Wie Sie wissen, hat die FDP-Fraktion eine hohe Sympathie für die Informationsfreiheitssatzung. Wir würden uns natürlich auch eine landesweite Regelung wünschen. Aber dafür müssen wir noch etwas Überzeugungsarbeit leisten.

(Beifall bei der FDP)

Wir wissen als FDP schon, dass wir Teil einer Koalitionsregierung sind. Auch Sie kennen die Spielregeln einer Koalitionsregierung: Man bringt genau das vorwärts, was einen verbindet. Was einen trennt, kann man gegenseitig blockieren. Aber dies macht irgendwann keinen Spaß mehr.

Deswegen bringen wir lieber Dinge vorwärts. Als Beispiel nenne ich die Kommunalgesetzgebung.