- Aber nicht doch! Wir sind natürlich nicht nur vor, sondern auch hinter den Kulissen aktiv. Wir haben Charme, Herr Kollege Rinderspacher. Damit lassen wir manchmal den einen oder anderen Kollegen auf unsere Seite springen.
Wir werden den Gesetzentwurf in großer Gemeinsamkeit mit der Union voranbringen. Bezüglich der Gemeindeordnung, Landkreisordnung und Bezirksordnung lade ich die Oppositionsfraktionen herzlich ein, alle Vorschläge zu den Punkten, die ihnen einfallen, auf den Tisch zu legen, damit wir das Brauchbare heraussuchen können. Ich hoffe, noch vor Weihnachten können wir beide Gesetzesvorstöße - Gemeinde- und Landkreiswahlgesetz und die kommunalen Ordnungen an sich - voranbringen. Dann haben wir es geschafft. Dann können sich alle Kandidaten mit genügend Vorlauf vor der nächsten Kommunalwahl auf die neuen Verhältnisse einstimmen.
Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir wollen jetzt nicht in eine allgemeine Aussprache eintreten. Aber zu einem Punkt, den die Kollegin Schmitt-Bussinger angesprochen hat, möchte ich etwas erklären, damit sich nichts Falsches festsetzt. In den Ausschüssen kann darüber geredet werden, ob man da noch etwas besser machen kann.
Die Formulierung, dass sich jemand, ohne eine Wohnung zu haben, gewöhnlich im Wahlkreis aufhält, verwenden wir seit einer Weile auch im Landesrecht. Sie umschreibt das Problem der Obdachlosen. Die Formulierung hat keine große praktische Relevanz. Aber man hat im Landeswahlrecht damals bewusst eine Regelung getroffen, die das Ziel hatte, Obdachlose von den Wahlen nicht auszuschließen.
Im Landeswahlrecht haben wir damit bislang keine echten Probleme gehabt. Ich bin aber völlig offen für den Gedanken, hier eine andere Formulierung zu wählen. Daran soll es nicht scheitern. Ich möchte mit meinem Hinweis nur mithelfen, dass über diese Frage nicht in einer völlig anderen Richtung diskutiert wird, die mit dem Vorschlag überhaupt nicht intendiert ist.
Die SPD-Fraktion hat sicherlich nichts dagegen, dass die Gruppe der Obdachlosen hier entsprechend berücksichtigt wird. Darauf wollte ich nur in aller Kollegialität hinweisen. Für Verbesserungsvorschläge bin ich immer dankbar.
Ich schlage vor, den Gesetzentwurf zur Änderung der Verfassung des Freistaates Bayern auf Drucksache 16/9191 dem Ausschuss für Verfassung, Recht, Parlamentsfragen und Verbraucherschutz und die anderen drei Gesetzentwürfe dem Ausschuss für Kommunale Fragen und Innere Sicherheit als federführendem Ausschuss zu überweisen. Besteht damit Einverständnis? - Ich sehe keinen Widerspruch. Dann ist so beschlossen.
Gesetzentwurf der Staatsregierung über den Vollzug der Untersuchungshaft (Bayerisches Untersuchungshaftvollzugsgesetz - BayUVollzG) (Drs. 16/9082) - Erste Lesung
Der Gesetzentwurf wird vonseiten der Staatsregierung begründet. Frau Staatsministerin Dr. Merk, Sie haben das Wort.
Herr Präsident, Kolleginnen und Kollegen! Zuletzt haben wir uns vor einem Jahr über das Thema Untersuchungshaftvollzugsgesetz unterhalten. Da forderte die Opposition die Vorlage eines Gesetzentwurfs. Wir legen diesen heute vor. Wir befinden uns innerhalb der Zeit, die uns zur Verfügung steht.
Wenn ich sage, es war keine leichte Geburt, dann stimmt das. Aber ich denke, wir haben es hier auch mit einer besonderen Situation zu tun. Untersuchungshaft bedeutet zum einen, dass derjenige, der in Haft kommt, als unschuldig gilt. Er hat die Unschuldsvermutung auf seiner Seite.
Auf der anderen Seite berücksichtigen wir natürlich auch, dass Untersuchungshaft in aller Regel überraschend kommt und für den Betroffenen lebensverändernde Wirkung hat, die ihn in einer ganz besonderen Art und Weise trifft. Deswegen ist es legitim und auch erforderlich, dass man sich mit großer Akkuratesse der Regelung dieses Themas widmet.
Ich bedanke mich beim Koalitionspartner, vor allem bei Ihnen, Herr Fischer, für das gute Miteinander. Wir haben über viele Wünsche gesprochen. Es ist einerseits verständlich, dass Wünsche geäußert werden. Viele der Wünsche hätte auch ich gern erfüllt. Auf der anderen Seite sind wir in der Situation, dass die enge Haushaltslage nicht die Erfüllung jedes Wunsches zulässt. Wir haben also kein Wunschkonzert.
Was wir jetzt vorlegen, ist ein Entwurf, der Vollzugspraxis, Gefangenenrechte und den engen Haushalt unter einen Hut bringt. Es ist ein Entwurf, der sich sehen lassen kann, der vor allem sämtliche Anforderungen berücksichtigt. Wir haben damit die Untersuchungshaftvollzugsordnung fortentwickelt. Wo es notwendig war, und dort, wo vergleichbare Tatbestände vorliegen, haben wir sachgerecht auf das Bayerische Strafvollzugsgesetz Bezug genommen. Selbstverständlich ist dadurch in keiner Weise die Unschuldsvermutung eingeschränkt. Im Gegenteil, wir haben dafür gesorgt, dass sie voll und ganz gewährleistet ist.
Besonders wichtig waren mir die Sonderregelungen für junge Untersuchungsgefangene, die auch eine ganz besondere Haftempfindlichkeit haben. Zum einen vergeht bei jungen Leuten die Zeit viel langsamer. Sie müssen sich mit der Situation sehr viel mehr auseinandersetzen und tun sich schwerer als andere, wenn sie aus ihrem sozialen Umfeld herausgehen müssen, wenn sie von ihren Freunden und ihren Familien getrennt werden. Sie tun sich schwer damit, allein zu sein. Kurz gesagt: Sie sind weniger gefestigt und in dem betreffenden Augenblick auch sehr sensibel.
Auf all dies wollen wir eingehen. Deswegen haben wir das Grundprinzip der erzieherischen Ausgestaltung des Gesetzes gewählt. Das heißt, wir unterstützen die jungen Menschen in ihrer Entwicklung auch im Gefängnis so weit wie möglich. Wenn es notwendig ist, leiten wir sie auch an. Dazu gehört, dass die jungen Leute umfangreiche Möglichkeiten haben, sich schu
lisch und beruflich weiterzubilden. Wenn sie eine Schule besuchen, müssen sie in der Untersuchungshaft die Schulausbildung weiterführen können.
Wichtig ist, dass sie auch die Möglichkeit zu sozialen Kontakten haben. Diese Möglichkeit ist deutlich erweitert. Es handelt sich um mindestens vier Stunden im Monat. Dazu gehören nicht Besuche der Erziehungsberechtigten zu Erziehungszwecken, sondern diese Zeit ist, soweit notwendig, zusätzlich zu gewähren. Ich denke zum Beispiel an die Möglichkeit, in einer Wohngruppe zu leben.
Auch bei den erwachsenen Untersuchungsgefangenen haben wir die Mindestbesuchsdauer geändert. Sie beträgt zwei Stunden je Monat. Soziale Hilfen zur Regelung persönlicher Angelegenheiten sind eine Selbstverständlichkeit. Wichtig ist auch, dass wir mit denjenigen, die sich ehrenamtlich in einem Verein oder caritativ extern um Gefangene bzw. später um Entlassene kümmern, ganz besonders eng zusammenarbeiten, weil sie ein unverzichtbarer Bestandteil der Hilfe sind, die Gefangenen zuteil werden muss.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, wichtig war für uns die Vereinfachung der Verfahren. Deswegen haben wir die Kompetenz der Anstaltsleiter erhöht. Unsere Anstaltsleiter verfügen über einen sehr großen Erfahrungsschatz. Sie sollen in Zukunft mehr Verantwortung übernehmen können.
Bestätigt hat uns die breite Zustimmung in der Verbandsanhörung. Die Experten haben das, was wir in unser Untersuchungshaftvollzugsgesetz hineingeschrieben haben, voll und ganz bestätigt. Deshalb lege ich Ihnen, meine sehr geehrten Damen und Herren, diesen Entwurf ans Herz. Es ist ein handhabbarer Gesetzentwurf, der aus der Praxis stammt und für die Praxis geschaffen ist. Ich bitte Sie um Ihre Unterstützung und Ihr Wohlwollen.
Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Frau Staatsministerin, ich erinnere mich daran, dass Sie im März dieses Jahres in der Presse Ihren damaligen Entwurf eines Untersuchungshaftvollzugsgesetzes als Meilenstein für den Justizvollzug apostrophiert haben. Dieser Begriff findet sich heute nicht mehr, und dies, wie ich meine, auch zu Recht.
mäßig befinden sich 2.000 bis 2.500 Personen in den bayerischen Gefängnissen in Untersuchungshaft. Die Fluktuation ist groß, sodass in einem Jahr bis zu 10.000 Personen in U-Haft kommen und wieder entlassen bzw. in eine andere Strafart übergeführt werden.
Zweitens. Die Untersuchungshaft greift massiv in die Grundrechte der Betroffenen ein. Sie führt jedenfalls bei haftunerfahrenen jungen Betroffenen - das ist bereits angesprochen worden - regelmäßig zu schweren psychischen Belastungen. Deshalb verwundert es auch nicht, dass die Zahl der Suizide in der U-Haft insbesondere in den ersten Wochen erschreckend hoch ist.
Drittens. Die Untersuchungshaft wird in Justizvollzugsanstalten vollzogen. Auch die Untersuchungsgefangenen leiden also darunter, dass in den bayerischen Justizvollzugsanstalten mehr als 800 Mitarbeiter fehlen. Das hat speziell bei Untersuchungsgefangenen zur Folge, dass zum Beispiel Besuche nicht im eigentlich gewünschten und erforderlichen Umfang ermöglicht werden können.
Viertens. Der Freistaat Bayern ist bereits seit dem Jahr 2006 für die Regelung dieser Materie zuständig. Wir warten jetzt seit fünf Jahren darauf, dass ein Gesetzentwurf vorgelegt wird. Ich will es Ihnen ersparen, die Geschichte noch einmal zu wiederholen. Ich habe mich deshalb gefreut, als im März verkündet worden ist, dass ein Meilenstein geschaffen worden sei. Das, was uns als Meilenstein angekündigt worden ist, entpuppt sich bei näherem Hinsehen aber als die Fixierung dessen, was bislang in der Untersuchungshaftvollzugsordnung schon geregelt ist. Trotz der gesetzlichen Unschuldsvermutung, die selbstverständlich im Mittelpunkt zu stehen hat, enthält der Gesetzentwurf keine substanziellen Verbesserungen, abgesehen von der Ausweitung der Besuchszeiten bei jungen Gefangenen. Insbesondere soll und darf der Gesetzentwurf keine Kosten verursachen.
Ohne der Beratung in den Ausschüssen vorzugreifen, möchte ich heute kurz auf einige wenige Punkte eingehen. Wir haben das grundsätzliche Problem der Aufsplitterung der Gesetzgebungszuständigkeit zwischen dem Bund und den Ländern, sodass für das materielle Strafrecht und das Strafprozessrecht der Bund und für den Justizvollzug und den Vollzug der U-Haft die Länder zuständig sind. Über das Ob der
Untersuchungshaft entscheidet ein Richter auf der Grundlage der Strafprozessordnung. Er trifft zum Beispiel Anordnungen zu Besuchsregelungen und zur Postzensur. Über das Wie der Haft entscheidet die Justizvollzugsanstalt, und zwar insbesondere über Anordnungen zur Aufrechterhaltung der Sicherheit und Ordnung in der Anstalt.
Wir haben also ein Nebeneinander verschiedener Anordnungsbefugnisse der Gerichte und der Anstalten. Besonders auffällig ist, dass der Anstaltsleiter bei bestimmten Angelegenheiten in der Anstalt neuerdings mehr Befugnisse hat als ein Richter.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, im vorliegenden Entwurf finden sich schöne Formulierungen, die unterstreichen sollen, dass wir es mit Personen zu tun haben, für die die Unschuldsvermutung gilt. Dennoch sind alle Vorschriften, die eine Sonderbehandlung wegen der Unschuldsvermutung vorsehen, jeweils mit einem Vorbehalt versehen. So heißt es zum Beispiel, dass die U-Haft in besonderen Abteilungen der Justizvollzugsanstalten vollzogen werden soll, aber eben nur vorrangig und nicht zwingend.
Weiter heißt es, dass die U-Gefangenen nicht mit Gefangenen anderer Haftarten im selben Raum untergebracht werden dürfen und auch sonst von Gefangenen anderer Haftarten zu trennen sind. Ausnahmen sind aber vorübergehend zulässig, wenn dies aus bestimmten Gründen, insbesondere wegen der Sicherheit und der Ordnung in der Anstalt erforderlich ist.
Weiter heißt es, dass die U-Gefangenen während der Ruhezeit allein in ihren Hafträumen untergebracht werden sollen. Eine vorübergehende gemeinsame Unterbringung ist aber auch ohne Zustimmung zulässig, wenn und solange die räumlichen Verhältnisse der Anstalt dies zwingend erfordern. Dann wird auf Artikel 20 Absatz 3 des Bayerischen Strafvollzugsgesetzes verwiesen. Demjenigen, der dies aufgeschrieben hat, ist aufgefallen, dass danach bis zu acht Gefangene in einem Raum untergebracht werden dürfen. Deswegen beeilt man sich, in die Begründung hineinzuschreiben, dass man das schon wisse, dass dies aber nicht die Idealvorstellung sein solle. Man bemühe sich, dass es weniger Gefangene werden.
Meine Damen und Herren, es ist jetzt leider nicht die Zeit, auf alle Details einzugehen. Die Aufzählung ließe sich beliebig fortsetzen. Ich meine, dass wir bei einer intensiven Beratung in den Ausschüssen feststellen werden, dass dieser Gesetzentwurf dadurch gekennzeichnet ist, dass die Ausnahme nicht die Regel bestätigt, sondern dass die Ausnahme die Regel ist. Es
wird alles so sehr relativiert, dass man sich fragen muss, was eigentlich von ihren hehren Grundsätzen noch übrig bleibt. Wir hätten uns etwas mehr erwartet. Nachdem der Berg fünf Jahre gekreißt hat, ist nun ein Werk auf den Tisch gelegt worden, dessentwegen man, mit Verlaub, die Gesetzgebungszuständigkeit für den Vollzug der U-Haft nicht gebraucht hätte.
Wir fahren fort in der Aussprache zur Ersten Lesung. Herr Dr. Rieger hat sich inzwischen auf den Weg gemacht. Er ist der Nächste. Ihm folgt Herr Kollege Streibl.