Protocol of the Session on July 12, 2011

Wenn Sie nun eine eidesstattliche Erklärung vorsehen, dann wird es noch schlimmer. Dann geht es ins Strafrecht über; denn wenn jemand hinterher sagt: "Der hat eine falsche eidesstattliche Erklärung abge

geben!", dann können Sie den Staatsanwalt einschalten. Der Staatsanwalt kann der Sache dann auch noch nachgehen und den Angeschuldigten gegebenenfalls einsperren. An der Tatsache, dass seine Wahl ungültig war, weil jemand eine falsche eidesstattliche Erklärung abgegeben hat, ändern Sie mit dem von Ihnen vorgeschlagenen Verfahren nichts, Herr Kollege Hanisch.

(Zuruf des Abgeordneten Joachim Hanisch (FREIE WÄHLER))

Das lässt mich zu dem Schluss kommen: Entweder belässt man es bei der jetzigen Regelung oder man vereinfacht sie wesentlich.

Drittens schlagen wir die Anhebung der Höchstaltersgrenze für die Wählbarkeit von berufsmäßigen kommunalen Wahlbeamtinnen und Wahlbeamten auf das 67. Lebensjahr ab den allgemeinen Gemeinde- und Landkreiswahlen im Jahr 2020 vor. Mit diesem Vorschlag wollen wir verhindern, dass der Eindruck entsteht, nur weil in naher Zukunft der eine oder andere zur Wahl stehe, erfolge eine Neuregelung. Ich bin der Überzeugung, dass die von uns vorgeschlagene maßvolle Anhebung der Höchstaltersgrenze richtig ist.

Im Hinblick auf die Diskussion in der Öffentlichkeit will ich festhalten: Gemeint ist das Alter, das jemand am Tag des Beginns der Amtszeit haben darf. Nach der Wahl ist der Betreffende noch sechs Jahre lang im Amt. Wenn ein künftiger Bewerber zum Zeitpunkt der Wahl knapp 67 Jahre alt ist, darf er bis knapp 73 Jahren im Amt sein. Das sollte man durchaus im Blick haben. Unser Ziel ist es nicht, jemanden mit 65 Jahren zwangsweise in den Ruhestand zu schicken.

Viertens. Die Ablehnung der Wahl oder der Rücktritt soll künftig auch kommunalen Mandatsträgern ohne Angabe eines wichtigen Grundes möglich sein. Es ist wichtig, dass wir diese Erleichterung schaffen.

Lieber Herr Hanisch, Sie gehen den umgekehrten Weg und wollen Ablehnung der Wahl und Rücktritt auch für die berufsmäßigen kommunalen Wahlbeamtinnen und Wahlbeamten erschweren. Ich halte das für übertriebene Bürokratie. Im Hinblick auf andere politische Ämter gibt es eine solche Vorschrift übrigens auch nicht. Jedes Mitglied dieses Landtags kann mit einfacher Erklärung gegenüber der Landtagspräsidentin sein Mandat niederlegen. Für Mitglieder der Staatsregierung gilt eine entsprechende Regelung, ähnlich wie für viele andere politische Ämter. Es erscheint mir nicht zwingend notwendig, dass ausgerechnet das einfache Mitglied eines Gemeinderates Ablehnung oder Rücktritt begründen soll. Gegebenenfalls müsste sich dann noch der Gemeinderat mit der Frage auseinandersetzen, ob die Gründe stichhaltig

sind, das heißt, ob es angemessen ist, dass der Betreffende sein Mandat niederlegt. Wir schlagen vor, darauf zu verzichten.

Meine Damen und Herren, einen Vorschlag in den zur Beratung anstehenden Gesetzentwürfen der FREIEN WÄHLER und der SPD halte ich für besonders verfehlt: die Absenkung des Mindestalters für das aktive Wahlrecht für Gemeinde- und Landkreiswahlen von 18 auf 16 Jahre; die SPD will die Absenkung sogar auf die Bezirkswahlen ausdehnen.

Ich meine, die gegenwärtige Regelung hat ihre Richtigkeit. Nach unserer Rechtsordnung in Deutschland tritt mit Vollendung des 18. Lebensjahres die Volljährigkeit ein. Ab 18 ist jeder für seine Handlungen voll verantwortlich. Ab diesem Zeitpunkt ist er uneingeschränkt geschäftsfähig und kann wirksam Verträge abschließen. Auch erlangt er das Recht, einen Bürgermeister zu wählen oder an einem Bürgerentscheid teilzunehmen.

Stichwort Bürgerentscheid: Es wäre doch merkwürdig, wenn ein 17-Jähriger, der noch keinen Vertrag wirksam abschließen kann, per Bürgerentscheid darüber abstimmen könnte, ob seine Gemeinde einen Vertrag abschließen darf. Die hinter diesem Vorschlag stehende Logik erschließt sich dem Normalbürger nicht unbedingt. Deshalb sollten wir bei der bewährten Regelung bleiben: Das Wahlalter in unserem Land ist an den Beginn der Volljährigkeit geknüpft.

Meine Damen und Herren, über die Details der von der Staatsregierung geplanten und der von der Opposition geforderten Änderungen werden wir im Herbst intensiv in den Ausschüssen beraten. Es ist wichtig, dass wir hier bis Jahresende Klarheit schaffen, damit jeder baldmöglichst die Rahmenbedingungen für die nächsten großen Kommunalwahlen im Jahr 2014 kennt.

(Beifall bei der CSU und der FDP)

Danke schön, Herr Staatsminister. - Zur Begründung der beiden Gesetzentwürfe der SPD-Fraktion hat jetzt Kollegin Schmitt-Bussinger das Wort. Bitte schön, Frau Kollegin.

Sehr geehrter Herr Präsident! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Nicht erst seit den letzten Kommunalwahlen im Jahr 2008 besteht Korrekturbedarf im Hinblick auf die Vorschriften für diese Wahlen. Die SPD-Fraktion sieht Handlungsbedarf vor allem in folgenden Bereichen: mehr Partizipation von Bürgerinnen und Bürgern, mehr direkte Demokratie, mehr Transparenz. Deswegen sind die Schwerpunkte unseres Gesetzentwurfs die Stär

kung der direkten Demokratie, das heißt verbesserte Möglichkeiten der Bürgerbeteiligung vor Ort, mehr Transparenz und mehr Informationsrechte für die Bürgerinnen und Bürger.

(Beifall bei der SPD)

Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Erfolgreiches kommunales Handeln zeichnet sich heute dadurch aus, dass zwischen den verschiedenen Interessen und Bevölkerungsgruppen vermittelt und gesellschaftliche Kräfte zusammengeführt werden, um Zukunftsfragen gemeinsam vor Ort lösen zu können. Eine partnerschaftliche Zusammenarbeit der Kommunalverwaltung mit den Bürgerinnen und Bürgern setzt auf frühe Bürgermitwirkung. Wir schlagen deswegen vor:

Erstens. Zur Erörterung bestimmter lokaler Themen sind sachkundige Personen hinzuzuziehen. Diese können zwar schon heute an Beratungen teilnehmen; wir wollen aber die Mitwirkungsmöglichkeiten erweitern. So sollen die sachkundigen Personen das Recht erhalten, in Kommunalparlamenten Anträge zu stellen.

Zweitens. Kommissionen und Beiräte sollen auch mit Personen besetzt werden können, die nicht Mitglieder des Gemeinderats sind. Das ist zwar schon möglich, soll aber gesetzlich verankert werden. Diese Kommissionen sollen auch ein gesetzlich verankertes Antragsrecht erhalten.

Sie werden sicherlich einwenden, das sei doch alles nichts Neues. Damit haben Sie Recht. Aber wir wollen diese Möglichkeiten institutionalisieren und eine gesetzliche Grundlage für das schaffen, was fortschrittliche Gemeinden schon heute tun.

Neben den Regelungen zur Stärkung der direkten Bürgerbeteiligung und Bürgermitwirkung wollen wir die bereits vorhandenen Instrumente der Plebiszite auf kommunaler Ebene - Bürgerbegehren und Bürgerentscheide - verbessern. Wie sieht die derzeitige Rechtslage aus? - Das Zustimmungsquorum ist je nach Größe der Kommune unterschiedlich, was besonders bei Kommunen zwischen 10.000 und 50.000 Einwohnern zu Problemen führt. Für Kommunen dieser Größenklasse ist ein Quorum von 20 % erforderlich. Deswegen scheitern relativ viele Bürgerentscheide.

Thüringen hat aus diesen negativen Erfahrungen gelernt: Dort wurde das Zustimmungsquorum bei einer Einwohnerzahl ab 10.000 auf 15 % und bei einer Einwohnerzahl ab 50.000 auf 10 % gesenkt. Wir streben hier auch eine entsprechende Änderung an: Das Zustimmungsquorum soll in Gemeinden bis 100.000 Ein

wohner einheitlich auf 15 % der Stimmberechtigten festgelegt werden.

Darüber hinaus schlagen wir vor, die Bindungswirkung auf zwei Jahre zu verlängern, damit die Möglichkeit, dass sich Bürgerentscheide auch durchsetzen lassen, erhöht wird. In diesem Zusammenhang fordern wir auch ein Klagerecht.

Mehr Bürgerbeteiligung und mehr Demokratie verlangen ein Mehr an Informationen. Deswegen wollen wir gesetzlich verankern, dass Gemeinderäte, Kreis- und Bezirkstage Informationsfreiheitssatzungen beschließen können, wie es sie dankenswerterweise als Ergebnis kommunaler Initiativen schon in 20 Kommunen gibt. Aber wenn wir das gesetzlich regeln, sieht sich vielleicht die eine oder andere Kommune aufgerufen, insoweit tätig zu werden.

Ich nenne einige weitere Änderungen, die wir in unseren Gesetzentwürfen vorschlagen: Die Altersgrenze von 65 Jahren für berufsmäßige erste Bürgermeister und Landräte soll aufgehoben werden. Dieser Vorschlag ist schon ausgiebig öffentlich diskutiert und von den FREIEN WÄHLERN mittlerweile dankenswerterweise übernommen worden. Wir wollen eine komplette Aufhebung der Altersgrenze. Die Wählerinnen und Wähler sollen selbst entscheiden dürfen, wen sie wählen wollen. Das kann auch ein Kandidat sein, der bereits 65 Jahre alt ist. Leider ist die Staatsregierung zumindest bisher sehr zurückhaltend. Sie schlägt eine Anhebung auf 67 Jahre vor, aber erst ab dem Jahr 2020. Das halten wir für ein Armutszeugnis. Sachliche Argumente hierfür gibt es meines Erachtens nicht. Auch der Städtetag und der Landkreistag wollen eine vollkommene Freigabe. Es stellt sich die Frage: Haben Sie vielleicht Angst, dass Herr Oberbürgermeister Ude oder Herr Schaidinger noch einmal kandidieren? Geben Sie sich bei der Frage der vollkommenen Freigabe einen Ruck! Letztlich entscheiden die Wählerinnen und Wähler, ob sie einen 70-jährigen Bewerber oder eine 25-jährige Bewerberin wählen wollen.

(Beifall bei der SPD)

Wir wollen - auch das will ich ausdrücklich sagen das Wahlalter für die Kommunalwahlen auf 16 Jahre senken. Wir sind der Meinung, dass die Zeit in Bayern dafür reif ist. Jugendliche sollen auf jeden Fall in Gemeinden und Landkreisen mitbestimmen, wer in den nächsten sechs Jahren die Verantwortung trägt. Bremen hat - das haben Sie, Herr Innenminister, bei Ihren Ausführungen nicht erwähnt - bei der letzten Wahl gute Erfahrungen gemacht. Die Wahlbeteiligung war dort erfreulich hoch. Das sollte uns Ansporn sein, auch bei uns entsprechend zu handeln.

(Beifall bei der SPD)

Nicht ganz unbedeutend sind weitere Vorschläge, die wir machen. Deswegen will ich sie im Einzelnen kurz nennen. Wir wollen, dass eine sich für das Amt des ersten Bürgermeisters oder des Landrats bewerbende Person durch Mitgliederentscheid einer Partei oder Wählergruppe bestimmt werden kann. Deswegen soll die jetzige Regelung ergänzt werden. Wir wollen darüber hinaus das kommunale Ehrenamt dadurch schützen, dass a) Bewerbern kein Nachteil durch die Bewerbung entstehen soll und b) endlich Bildungs- und Fortbildungsurlaub für ehrenamtlich Tätige in einem Kommunalparlament gewährt wird. Das gibt es in Hessen schon seit vielen Jahren, bei uns in Bayern immer noch nicht.

Ich will die zwei verbleibenden Minuten meiner Redezeit dafür nutzen, etwas zu den vorgelegten Gesetzentwürfen der FREIEN WÄHLER und der Staatsregierung zu sagen. Herr Innenminister, eines wird in Ihrem Gesetzentwurf deutlich: Sie wollen zwar Probleme lösen, die es Ihrer Meinung nach gibt, aber die SPD-Fraktion hat den Eindruck, dass Sie die Probleme nur noch vergrößern. Sie schwächen, Sie entwerten das kommunale Mandat. Sie geben es mit Ihren Regelungen der Beliebigkeit preis. Nach Ihrem Gesetzentwurf soll zum Ersten eine in das kommunale Ehrenamt gewählte Person ohne Angabe eines wichtigen Grundes zurücktreten dürfen. Zum Zweiten soll als Voraussetzung für die Wählbarkeit nicht mehr gelten, dass der Schwerpunkt der Lebensbeziehungen im Wahlkreis liegt. In Zukunft soll es genügen, dass ein Bewerber im Wahlkreis eine Wohnung hat, die nicht der Hauptwohnsitz zu sein braucht, oder dass er sich im Wahlkreis gewöhnlich aufhält. Herr Minister, was heißt denn das?

(Jörg Rohde (FDP): Zum Beispiel wenn er dort arbeitet!)

Mit dieser Neuregelung, so meine ich, öffnen Sie dem Kandidatentourismus Tür und Tor,

(Beifall bei der SPD)

und Sie entwerten das kommunale Ehrenamt. Das wollen wir nicht. Wir wollen nicht, dass eine mehr oder weniger bekannte Person, der man Wahlchancen einräumt, in der Gemeinde XY aufgestellt und gewählt werden kann. Wir halten an der Aufrechterhaltung des Kriteriums "Schwerpunkt der Lebensbeziehungen in der Gemeinde bzw. in dem Wahlkreis" fest. Ich glaube, das ist der richtige Weg.

Wir geben die Hoffnung nicht auf, dass Sie, verehrter Herr Minister, und Sie, verehrte Kolleginnen und Kollegen von der CSU und der FDP, den sinnvollen Re

gelungen, die wir eingebracht haben, zustimmen. Wir sind auf die Beratungen gespannt. Wir hoffen auf Ihre Einsicht bei den Ausschussberatungen und darauf, dass Sie sich einem fortschrittlichen, bürgerorientierten Gemeinde- und Landkreiswahlgesetz anschließen.

(Beifall bei der SPD)

Danke schön, Frau Kollegin Schmitt-Bussinger.

Ich eröffne die gemeinsame Aussprache. Als erster Redner hat der Kollege Christian Meißner das Wort. Bitte schön, Herr Kollege.

Herr Präsident, Kolleginnen und Kollegen! Das Schöne für mich ist, dass der Herr Minister vorhin alles richtig gemacht hat. Deswegen kann ich mir manches bei meiner Begründung sparen.

(Markus Rinderspacher (SPD): Hatten Sie Befürchtungen?)

- Er macht immer alles richtig. Das ist doch das Schöne an ihm.

(Beifall bei der CSU)

Er hat deutlich gemacht, dass der Gesetzentwurf der Staatsregierung eine Auftragsarbeit war. Er geht auf einen hier im Landtag gefassten Beschluss zurück, in dem die Eckpunkte, die wir in der Koalition gemeinsam erarbeitet haben, festgehalten worden sind. Mich freut jedes Mal, wenn das Thema zur Sprache kommt, die Ernsthaftigkeit der Debatte. Wir haben häufig hier im Plenum Debatten über die Altersgrenze geführt. Es gibt eine Serie von Dringlichkeitsanträgen dazu. Es wird sehr engagiert und ernsthaft darüber debattiert, weil wir alle uns bewusst sind, dass wir dann, wenn wir über das Wahlrecht reden, sozusagen am offenen Herzen der Demokratie operieren. Da geht es um persönliche Schicksale und um Karriereüberlegungen, aber auch darum, wie wir unser Gemeinwesen organisieren.

Der Gesetzentwurf, der heute vorliegt, sieht eine ganze Reihe von Regelungen vor, die schon angesprochen worden sind. Uns ging es in vielen Punkten darum, die Gesetzeslage der Lebenswirklichkeit anzupassen. So geht es bei der Frage über die Verkürzung des Mindestaufenthalts im Wahlkreis für das passive Wahlrecht darum, zu berücksichtigen, dass unsere Gesellschaft zunehmend mobiler wird. Auch bei der Aufstellung der Kandidaten wollen wir Regelungen einführen, die die Kandidatenkür erleichtern.

Ähnliches gilt für die Briefwahl. Auch da erfolgt eine Anpassung an die Lebenswirklichkeit.

Besonders umstritten ist die Regelung, die den Schwerpunkt der Lebensbeziehungen betrifft. Sie ist heute schon mehrfach angesprochen worden. Der melderechtliche Wohnsitz, dessen Nachweis wir nach wie vor verlangen, ist schon wichtig. Herr Kollege Hanisch, es wird also nicht alles freigegeben. Wenn ich Ihren Gesetzentwurf richtig gelesen habe, dann verlangen Sie eine Versicherung an Eides statt, dass der Kandidat seinen Lebensmittelpunkt in dem betreffenden Wahlkreis hat. Dieser Auffassung kann man sein, aber das kann dazu führen, dass Nachforschungen bis hin zu Bespitzelungen stattfinden, ob das tatsächlich der Fall ist. Ob aber eine Versicherung an Eides statt mit all der damit einhergehenden Bürokratie und dem Aufwand der richtige Weg ist, bezweifeln wir. Deswegen können wir in diesem Punkt Ihren Vorschlägen nicht folgen.

Die Absenkung des passiven Wahlrechts auf 18 Jahre ist ein Punkt, dem wir uns nach reiflicher Überlegung nähern.