Protocol of the Session on June 9, 2011

(Beifall bei der CSU)

Trotzdem würde es mich sehr interessieren, warum Sie den Prozess des Monitorings und der Feinsteuerung eingeführt haben. Herr Minister, das würde mich brennend interessieren.

(Unruhe bei der SPD)

Bitte, Herr Staatsminister. Sie haben das Wort.

Die Zwischenrufe der Kollegen zeigen genau das politische Risiko, das mit dieser Strategie verbunden war. Man kann nämlich sehr plakativ sagen: Dass an bestimmten Punkten nachgesteuert wird, zeigt, dass das gesamte Projekt G 8 schlecht vorbereitet und holprig war und zulasten der jungen Menschen geht, die damit zu Versuchskaninchen werden.

(Beifall der Abgeordneten Margarete Bause (GRÜNE))

Das war mir völlig klar. Ich kenne Herrn Gehring als vertieft argumentierenden und fein analysierenden Kollegen. Deshalb sind wir bei unseren gegenseitigen Vorwürfen auf einem anderen Feinsteuerungsniveau. Mir war völlig klar, dass mit der Einführung der Monitoring-Strategie für mich und für uns als Regierungskoalition die Gefahr verknüpft ist, dass dieser Prozess mit plakativen Vorwürfen begleitet wird. Aus meiner Sicht musste diese politisch verantwortliche Strategie aber ergriffen werden, um für den ersten Jahrgang auf seinem Weg zum Abitur die nötigen positiven Rahmenbedingungen zu schaffen.

Jetzt bringe ich es noch einmal auf den Punkt: Für diesen Jahrgang ändert sich alles. Mit dem Beginn der Unter- und Mittelstufe wurde die Oberstufe, für die

ich die politische Verantwortung trage, von der Theorie in die Praxis übersetzt. Ich verstehe es nicht als Zeichen politischer Schwäche, wenn ich Fehler identifiziere, Lösungen benenne und anschließend Korrekturen vornehme. Aus meiner Sicht ist das ein Zeichen für politische Verantwortung, ja für politische Klugheit.

(Beifall bei der CSU)

Das war für mich der Anlass, die Monitoring-Strategie einzuführen. Wir hätten das auch anders händeln können. Rückmeldungen über Schwierigkeiten und Probleme hätten wir auch innerhalb der Administration, ohne sie öffentlich zu benennen, behandeln und dann steuernd eingreifen können. Wir haben uns aber ganz bewusst dafür entschieden, Schritte wie die Bereitstellung von 300 zusätzlichen Planstellenäquivalenten, die Schaffung der Möglichkeit der Um- und Abwahl zur Reduzierung der individuellen Stundenplanbelastung sowie den gesamten Katalog, den wir im Januar 2010 vorgestellt haben, öffentlich zu machen. Dieser Katalog beinhaltet Maßnahmen der Feinsteuerung, zum Beispiel die Erhebung der Halbjahreswerte und das Nachsteuern und Implementieren des Grundkursniveaus.

Ich habe diese Punkte selbst öffentlich benannt und die Korrekturen deutlich gemacht. Die erste Generation des G 8 muss einen Weg gehen, der ihr persönlich sehr viel abverlangt. Ich habe das selbst bei der Einführung der Kollegstufe im Gymnasium erlebt. Nur durch diese Offenheit kann die Glaubwürdigkeit in der politischen Wahrnehmung erreicht werden.

(Beifall des Abgeordneten Berthold Rüth (CSU))

Als Nächste hat Frau Kollegin Will das Wort.

(Von der Rednerin nicht autori- siert) Herr Staatsminister, Sie haben bereits sehr ausführlich darüber berichtet, wo Sie Nachjustierungen vornehmen mussten oder wollten. Das war auch gut so. Ich sage Ihnen: Die FDP-Fraktion unterstützt die Bestrebung, bundesweit vergleichbare Standards für das Abitur zu schaffen. Steht Ihre Entscheidung, die Anforderungen der Abiturprüfung nachzujustieren, im Einklang mit den Richtlinien der Kultusministerkonferenz? Ich frage Sie: Sind die neuen Bedingungen für die nächsten Jahrgänge feste Anforderungen oder können sich im Rahmen der Monitoring-Strategie zukünftig noch weitere Änderungen bei den Abituranforderungen ergeben? Ich denke dabei beispielsweise an die Stundentafel für abiturrelevante Fächer.

Herr Staatsminister, Sie haben das Wort.

Die vorgenommenen Feinsteuerungen beruhen in vollem Umfang auf der Basis der KMK-Beschlüsse. Sie stehen auch in vollem Umfang auf der Basis dessen, was man die Implementierung der Mindeststandards der Abiturprüfung nennt. Sie wissen, dass ich vorgeschlagen habe, diese Strategie weiterzuentwickeln. Wir sollten nicht nur gemeinsame Standards entwickeln, sondern gemeinsam normierte Aufgabenpools für die Abiturprüfung erarbeiten. Mein Vorschlag, den die unionsgeführten Länder übernommen haben, lautet, dass diese Strategie in einem Staatsvertrag von allen 16 Ländern niedergelegt werden sollte. Das bedeutet, dass sich das Abitur, wie wir es in Bayern im achtjährigen Gymnasium konfiguriert haben, in vollem Umfang im Rahmen dieser strategischen Gesamtkonzeption befindet.

Die Stundentafeln und die entsprechenden Anlagen der gymnasialen Mittel- und Oberstufe möchte ich mir zusammen mit Ihnen im Evaluationsprozess ansehen. Wenn die Leistungsspreizung, die sich jetzt ergeben hat, ein Thema ist, muss eine Ursachenanalyse stattfinden. Sollte eine Kernfachbindung aufgetreten sein, müssen wir uns ansehen, welche Gründe einerseits zu diesen guten Ergebnissen geführt haben und warum es andererseits vielen jungen Menschen nicht möglich ist, die Mindestanforderungen von dreimal fünf Punkten zu bewältigen. Dies müssen wir uns ansehen. Das muss aber nicht mit einer Änderung der Schulordnung verknüpft sein. Die Frage ist vielmehr, wie wir daraus die richtigen pädagogischen Konsequenzen ziehen können. Ich möchte dem Hohen Haus noch vor der Sommerpause einen Zeit- und Fahrplan für die kritische Analyse und Auswertung des gesamten ersten Durchlaufs des achtjährigen Gymnasiums mit den inhaltlichen Schwerpunkten vorstellen.

Als Letzte hat nun Frau Kollegin Gottstein das Wort.

Sehr geehrter Herr Minister, es ist sicher im Interesse der Schülerinnen und Schüler, dass Sie hier, wie Sie das geschönt gesagt haben, nachgesteuert haben. Sie haben die Monitoring-Strategie vehement verteidigt. Grundsätzlich meinen wir aber nach wie vor, dass dies nichts anderes ist als das Eingeständnis der Tatsache, dass der Wechsel vom G 9 zum G 8 nicht gut, sondern überhaupt nicht vorbereitet war. Sie hatten kein klares Ziel und haben sich den Weg dorthin auch nicht überlegt. Von der gleichen Regierung wurden vor längerer Zeit eine Hauptschulinitiative gestartet und die R 6 eingeführt. Diese Maßnahmen waren vorbereitet. Die Strategie, die Sie ge

rade genannt haben, war nicht nötig. Sie wäre bei gründlicher Vorbereitung überflüssig gewesen.

Wenn Prüfungen nicht bestanden werden, gibt es dafür drei mögliche Gründe. Erster Grund: Die Schüler waren nicht geeignet. Diese Möglichkeit schließe ich aus. Zweite Möglichkeit: Die Prüfungsanforderungen waren zu hoch, zu niedrig oder jedenfalls nicht angemessen. Dritte Möglichkeit: Die Schüler waren auf die Prüfung zu schlecht vorbereitet.

Zur zweiten Möglichkeit möchte ich wissen: Waren die Prüfungsanforderungen zu hoch oder in gewissem Maße zu niedrig? Denn es ist erstaunlich, dass wir auf einmal doppelt so viele Hochbegabte haben. Wer zeichnet für diese Prüfungsaufgaben verantwortlich, und welche Vorbereitungsmaßnahmen für angemessene Prüfungen und Bewertungen sind getroffen worden?

Zur dritten Möglichkeit frage ich Sie: Waren die Schüler korrekt vorbereitet? Ab wann wussten die Lehrer, Schüler und Eltern konkret, was auf sie in dieser Prüfung zukommt?

Ursprünglich sind Sie davon ausgegangen, dass zweimal fünf und einmal vier Punkte nötig sind, um das Ziel zu erreichen. War das eine Luftnummer? Warum wurde der Standard der KMK nicht von vornherein angewendet? Ist die Studierfähigkeit auch aus bayerischer Sicht jetzt noch gegeben? Die Frage, ob diese Standards auch in der Zukunft gelten sollen, haben Sie bereits beantwortet.

Ich möchte noch eine Schlussfrage stellen, die vielleicht nicht ganz so ernst gemeint ist. Sie werfen uns vor, dass wir in unserer eindimensionalen Wahrnehmung die Rolle Ihres schülerzentrierten Monitorings nicht verstünden. Ich sehe darin einen Paradigmenwechsel. Sie gehen nicht mehr davon aus, was die Schüler leisten und welche Standards sie bringen müssen. Sie gehen vielmehr davon aus, was die Schüler leisten können. Ist damit zu rechnen, dass die Voraussetzungen für die Erreichung des Klassenziels in vier Wochen im Rahmen eines schülerzentrierten Monitorings angepasst werden, weil sich herausstellen sollte, dass wir einen besonders heißen Frühsommer hatten, der die Pubertät der Schüler zum Beispiel der achten Klasse im Gymnasium ungünstig beeinflusst hat? Könnte man deshalb in Zukunft das Klassenziel zum Beispiel mit drei Fünfern statt mit zwei Fünfern ebenfalls erreichen?

Herr Staatsminister Dr. Spaenle, Sie haben das Wort.

Ich sehe mich nicht in der Lage, zum jetzigen

Zeitpunkt eine valide Aussage über die Wetterentwicklung Ende Juli zu machen.

(Eva Gottstein (FREIE WÄHLER): Ich habe gesagt, im Frühsommer!)

Wenn wir uns im Frühsommer treffen, können wir uns intensiv mit der Kollegenschaft über die Wetterauswirkungen austauschen. Dann haben wir nicht ein schülerzentriertes, sondern ein kollegenzentriertes Monitoring.

Ich darf noch einmal auf das eingehen, was ich gerade sagte. Der Prozess, den wir jetzt haben, hat zum letzten Mal vor 31 Jahren stattgefunden. Damals hatten wir den Systemwechsel von der klassischen Form, das Gymnasium im Klassenverbund zu führen, zur Kollegstufe. Jetzt haben wir den Systemwechsel von der Kollegstufe zum achtjährigen Gymnasium. Vor 31 Jahren hat zum letzten Mal ein solcher Systemwechsel stattgefunden. Ich habe diesen Systemwechsel als Schüler mitgemacht und erlebt. Ich weiß, was für ein tiefer Einschnitt ein solcher Systemwechsel für eine Schule ist. Unter anderem aufgrund dieser Erfahrungen habe ich mich dazu entschlossen, dass wir diesen Prozess begleiten, um das theoretische Konzept in die Praxis zu überführen. Sofern das Hohe Haus diesen Ansatz nicht ins Gesetz schreiben würde, wäre es für die achte Klasse nur schwer nachvollziehbar, wenn wir diesen Ansatz anwenden würden. Deshalb habe ich diesen Prozess eingeleitet.

Dass dieser Prozess Angriffsflächen der politisch Verantwortlichen bietet, ist mir völlig klar. Ich bin aber fest davon überzeugt, dass die Berücksichtigung der Ergebnisse der empirischen Bildungsforschung in einem solchen Prozess richtig ist. Ich handle nur dann gegenüber dem letzten Jahrgang verantwortlich, wenn ich Veränderungen, die sich bei der Übertragung der Theorie in die Praxis als notwendig erweisen, öffentlich dokumentiere. Parteipolitisch ist das natürlich unklug, weil ich damit Angriffsflächen eröffne.

Dass die Schüler schlecht vorbereitet sind, sehe ich nicht, sonst hätten wir kein Gesamtergebnis, das über dem längjährigen Mittel des Abiturdurchschnitts der letzten Jahre liegt. Ich sage es noch einmal: Wir haben einen Schnitt zwischen 2,2 und 2,3, das langjährige Mittel war 2,41. Das heißt, dass sich in diesem Ergebnis die gesamte Leistungsbreite widerspiegelt, nämlich von denen, die gerade noch bestanden haben, bis hin zu den Spitzenleistungen. Dass die Schüler schlecht vorbereitet oder nicht geeignet sind, schließe ich aus. Dass sie im Unterricht nicht gut begleitet wurden, kann ich bei einer solchen Leistungsentwicklung insgesamt auch nicht sehen. Wir haben das Phänomen, dass junge Menschen die von der

KMK definierten Anforderungen mit dreimal fünf Punkten, einmal davon in einem Kernfach, erreichen. Diese Konfiguration wird durch die Unterlagen, die Ihnen vorliegen, gestützt, nämlich durch die Ergebnisse der vorletzten Halbjahreszeugnisse, der Jahreszeugnisse und der letzten Halbjahreszeugnisse. Diese Daten haben wir erhoben. Sie liegen Ihnen alle vor.

Bei diesen Ergebnissen gingen wir von einer sehr engen Notengebung in den jeweiligen Fächern aus. Deshalb konnte man erwarten, dass vergleichbare Ergebnisse zumindest in den Kernfächern bei der Abiturprüfung zu erwarten sind. Als die Abiturergebnisse am 30. Mai zum ersten Mal vorlagen, habe ich festgestellt, dass sich bei der Abiturprüfung in dieser Konstellation eine Leistungsspreizung ergibt, die aus den Noten der letzten drei Halbjahre nicht ablesbar war. Das war für mich der Grund, dass die jungen Menschen, die dreimal fünf Punkte, davon einmal in einem Kernfach, erreichen, diese fünf Punkte auch über alle fünf Fächer erreichen können. Nach dem, was uns empirisch vorlag, was wir erheben konnten, und was mit den drei Halbjahresergebnissen für alle Schüler des G 8 valide auf dem Tisch lag, war dieses Ergebnis nicht vorhersehbar. Wir befinden uns damit voll im Rahmen der KMK-Beschlüsse. In drei Kernfächern die allgemeine Hochschulreife mit zwei Fünfern zu bestehen, halte ich jedoch nicht für zielführend. Deswegen fordern wir zusätzlich, dass in einem weiteren Kernfach vier Punkte erreicht werden müssen. Dies wird auf eine Durchfallerquote von etwa 2 % hinauslaufen. Die Zahlen werden Ihnen vorgelegt, sobald sie valide vorliegen. Das waren unsere Gesamterwägungen.

Im G 8 sind aufgrund der Eins-eins-Regelung mehr Menschen zum Abitur zugelassen worden als im G 9. Dies drückte sich vor allem darin aus, dass wir im Jahresverlauf die positiven Kennzahlen hatten, die den jungen Menschen den Weg zum Abitur im achtjährigen Zug eröffnet haben. Ich glaube, dass die Steuerung dieses Prozesses mit konkreten Veränderungen der Regelungen und Rechtsvorschriften richtig war. Dass es Änderungsbedarf gibt, unterstreiche ich ausdrücklich. Das ist so. Die Veränderungen sind notwendig, um den jungen Menschen, die diesen Weg zum ersten Mal gingen, gerecht zu werden.

Danke schön, Herr Staatsminister Dr. Spaenle. Ich sehe keine weiteren Fragesteller mehr. Damit ist die Befragung beendet.

Ich rufe Tagesordnungspunkt 2 auf:

Gesetzentwurf der Staatsregierung

zur Änderung des Landeswahlgesetzes (Drs. 16/8800) - Erste Lesung

Der Gesetzentwurf wird vonseiten der Staatsregierung begründet. Ich erteile Herrn Staatsminister Joachim Herrmann zur Begründung des Gesetzentwurfs das Wort. Herr Staatsminister hat es noch geschafft, rechtzeitig hier zu sein. Deshalb haben Sie jetzt auch das Wort.

Herr Präsident! Selbstverständlich stehe ich immer zur Verfügung, wenn mich das Hohe Haus erwartet.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, mit dem vorliegenden Gesetzentwurf setzen wir die Änderungsvorschläge aus dem Stimmkreisbericht um, den die Staatsregierung dem Landtag im Vollzug des Landeswahlgesetzes am 29. März erstattet hat. Das geltende Wahlrecht sieht vor, dass die 180 Landtagsmandate auf die sieben Wahlkreise - das sind die Regierungsbezirke - nach dem Verhältnis ihrer Einwohnerzahl zu verteilen sind. Nach den aktuell verfügbaren Zahlen der deutschen Hauptwohnungsbevölkerung zum Stand vom 30. September letzten Jahres erhalten die Wahlkreise Oberpfalz und Oberfranken entsprechend ihrem Bevölkerungsanteil zukünftig nicht mehr 17, sondern nur noch 16 Landtagsmandate. Dies führt dazu, dass in den beiden Wahlkreisen in Zukunft nicht mehr neun, sondern nur noch acht Stimmkreise gebildet werden können.

In den letzten Monaten wurde auf verschiedenen Seiten intensiv über die Frage diskutiert, ob diese Anpassung zwingend notwendig sei oder ob der Gesetzgeber einen Gestaltungsspielraum habe, um Oberfranken und der Oberpfalz die 17 Mandate zu belassen und von einer Änderung der Stimmkreiszuschnitte abzusehen. Zum Teil wurde sogar unter Berufung auf eilends eingeholte Gutachten geltend gemacht, dass die Mandatsreduzierung verfassungswidrig sei, weil kleinere Parteien in den betreffenden Wahlkreisen mehr als 5 % der Stimmen benötigen würden, um dort ein Mandat zu erringen. Bevor ich zu den eigentlichen Inhalten des Gesetzentwurfes komme, möchte ich zu diesen Diskussionsansätzen vorab einiges klarstellen.

Die Vorbereitung einer Wahl eignet sich nicht für Experimente. Von verfassungsrechtlich nicht mehr beherrschbaren Risiken ist dringend abzuraten. Die Wahl muss auf einer verfassungsrechtlich zweifelsfreien Grundlage durchgeführt werden. Darüber bestand in diesem Hohen Haus in den letzten Jahrzehnten immer großer Konsens. In der Vergangenheit gab

es allenfalls Streit über die Detailabgrenzung von Stimmkreisen, aber nie über die großen Grundlinien. Der Gesetzgeber hat vor jeder anstehenden Wahl den klaren Auftrag, bei den in den sieben Wahlkreisen zu wählenden Mandaten strikt auf die Bevölkerungszahl abzustellen und auf Veränderungen in der Bevölkerungszahl zu reagieren. Das ergibt sich nicht erst aus dem Landeswahlgesetz, sondern unmittelbar und zwingend bereits aus der Bayerischen Verfassung. Danach werden die 180 Abgeordneten als Vertreter des bayerischen Volkes in einem System der Verhältniswahl in den sieben Wahlkreisen gewählt. Dies setzt voraus, dass vorher die in den jeweiligen Wahlkreisen zu wählende Zahl an Abgeordneten bestimmt wird.

Die Verteilung muss entsprechend dem Verhältnis der Einwohnerzahlen erfolgen, um die Grundsätze der Verhältniswahl und der Wahlgleichheit zu wahren sowie dem Gedanken der demokratischen Repräsentation Rechnung zu tragen. Das ist in der Tat eine Besonderheit des bayerischen Wahlsystems seit 1946, spätestens seit 1950. In den allermeisten anderen Bundesländern gibt es das nicht; das ist noch nicht einmal auf Bundesebene so. Vor einer Bundestagswahl steht nicht fest, wie viele Abgeordnete aus Bayern kommen. Es steht fest, wie viele Wahlkreise es in Bayern gibt, aber es ist nicht vorher festgelegt, wie viele Abgeordnete sonst über die Listen aus Bayern einziehen. In der Tat ist das System eine Besonderheit, dass wir in den sieben Regierungsbezirken fixiert haben, dass in den sieben Regierungsbezirken völlig selbstständig gewählt wird und die Stimmen nicht gegenseitig verrechnet werden, sondern dass siebenmal getrennte Wahlen stattfinden.

Ich will an dieser Stelle darauf hinweisen, dass diese Fixierung - das war der Ursprungsgedanke in den Fünfzigerjahren und darf nicht unterschätzt werden auch letztlich dem Schutz der kleineren Regierungsbezirke dient, weil gerade hinsichtlich der Frage, wie viele Abgeordnete aus einem Regierungsbezirk kommen, keine Majorisierung durch andere möglich ist. Man sollte den Wert dieser Regelung nicht unterschätzen. Egal, welche Mehrheiten in anderen Regierungsbezirken zustande kommen: Es steht von vornherein fest, dass auch der kleinste Regierungsbezirk mindestens mit der Zahl von Repräsentanten, die seinem Bevölkerungsanteil entspricht, in diesem Hohen Hause präsent ist.

Das kann man zwar auch alles anders machen, aber die verfassungsrechtliche Grundlage ist nun einmal seit 1946 bzw. 1950 eindeutig so. Auf dieser Basis haben wir die aktuellen Änderungen vorzunehmen, solange das bayerische Volk nicht die Verfassung ändert; darin ist es natürlich immer völlig frei.

Die Veränderung der Einwohnerzahlen hat deshalb eine Anpassungspflicht zur Folge; andernfalls wäre so der Bayerische Verfassungsgerichtshof ganz klar in bisherigen Entscheidungen - das Gebot des gleichen Erfolgswerts jeder Wählerstimme im Verhältniswahlsystem infrage gestellt. Würden weniger Einwohner durch einen proportional höheren Anteil an Abgeordneten vertreten und könnten die Stimmberechtigten in einem Wahlkreis mehr Abgeordnete wählen, als ihnen bei einer bayernweiten Betrachtung und Aufteilung im Verhältnis zustehen würden, wäre die Wahlrechtsgleichheit verletzt.