Protocol of the Session on November 11, 2010

Herr Staatssekretär, Sie behaupten, die Sozialdemokraten hätten Probleme mit Kommas. Sie sprechen von einem Rückgang von 8 % der Steuereinnahmen in Bayern im Jahr 2009. Dabei waren es 8,8 %. Das sind immerhin 1,2 Milliarden Euro für die bayerischen Kommunen.

(Staatssekretär Franz Josef Pschierer: Frau Kol- legin, auf Bundesebene waren es 12 %! - Zurufe von den GRÜNEN)

Das waren ganz klare Fragen in der Aktuellen Stunde zum Thema kommunale Finanzsituation in Bayern. Sie aber haben über die Steuergesetzgebungen vonseiten des Bundes gesprochen, die letztendlich zulasten der bayerischen Kommunen gehen. Ich frage Sie,

wie Sie zu der Bundesratsinitiative auf Bundesebene "Einführung des Konnexitätsprinzips" stehen? Zudem hätte ich gerne nochmals eine Verdeutlichung Ihrer Position zur Gewerbesteuer. Sie sagen, Sie wollen die Gewerbesteuer erhalten. Die Gewerbesteuer hat ertragsabhängige und ertragsunabhängige Komponenten. Eine Aushöhlung der Gewerbesteuer wäre eine Abschaffung der ertragsunabhängigen Komponente. Ich frage Sie noch einmal: Wollen Sie die Gewerbesteuer in vollem Umfang erhalten?

Herr Staatssekretär, jetzt haben Sie das Wort, bitte schön.

Frau Kollegin, ich fange mit der ersten Anmerkung an. Nochmals: Im letzten Jahr lag der Rückgang der Steuereinnahmen bei den bayerischen Kommunen im Schnitt bei 8,8 %; auf Bundesebene lag er bei knapp 12 %. Ich darf jetzt die Behauptung aufstellen, dass in Bayern der Rückgang wesentlich geringer war, und zwar zugunsten der bayerischen Kommunen und deren Haushalte.

Zum zweiten Thema: Konnexitätsprinzip. Ich habe Ihnen vorher gesagt, ich werde das Begehren nicht unterstützen - die Staatsregierung hat in der Arbeitsgruppe Rechtsetzung thematisiert, dass es dort weitere Beteiligungsrechte gibt -, weil ich sie in das Grundgesetz schreiben, also dafür das Grundgesetz ändern müsste. Ich will aber das Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland nicht mit Geschäftsordnungsvorschriften befrachten. Wir sehen uns als Staatsregierung - und ich glaube, das gilt auch für die anderen Länderregierungen in Deutschland - immer auch als Anwalt unserer Kommunen.

Frau Kollegin, nochmals zur letzten Frage - wie oft soll ich es wiederholen? -: Ja zur Gewerbesteuer! Was den Ausgleich bei den ertragsunabhängigen Bestandteilen angeht, werden Sie in unseren Verlautbarungen immer auch den Ausdruck "aufkommensneutral" finden. Das heißt, wenn wir bei der Gewerbesteuer die ertragsunabhängigen Komponenten reduzieren oder gänzlich herausnehmen - ich habe Ihnen vorhin gesagt, diese machen am Gesamtaufkommen gerade einmal 10 % aus -, dann muss es für die Kommunen einen Ausgleich geben. Das ist doch völlig klar. Ich sage Ihnen aber auch, dass das Prüfmodell - da sind wir uns einig - für die deutschen Kommunen unter anderem Mindereinnahmen von rund 6 Milliarden Euro bedeuten würde. Allein deshalb lehnen wir dieses Modell ab.

Als Nächster hat der Herr Kollege Zellmeier das Wort. Bitte schön, Herr Kollege.

Herr Staatssekretär, Sie haben vorher den Abbau von Standards angesprochen. Das ist meines Erachtens ein wichtiges Thema. Ich kenne in meinem Stimmkreis Bürgermeister, die ohne Staatszuschuss bauen, weil die Standards so hoch sind, dass sie den Zuschuss auffressen. Gibt es schon ganz konkrete Vorstellungen und Beispiele, wo man Standards abbauen könnte?

Zur Beantwortung hat Herr Staatssekretär Pschierer das Wort.

Herr Kollege Zellmeier, man muss bei den Standards zwei Bereiche unterscheiden. Auch bei den Baustandards - Sie haben es eben angedeutet - gibt es Nachholbedarf, wobei hier auf Länderebene durchaus in eigener Gesetzgebungs- und Verordnungskompetenz die Möglichkeit besteht, das Ganze zurückzubauen und zu regeln; denn da ist manches überzogen.

Was die Sozialstandards angeht, bitte ich um Verständnis. Wir werden diese 100 Vorschläge, die von uns übermittelt worden sind, mit den Bundesressorts sehr kritisch diskutieren. Ich sage Ihnen aber auch: Wir dürfen aus dieser Gemeindefinanzkommission nicht so herauskommen, wie wir hineingegangen sind. Wenn am Ende der Beratungen dieser Gemeindefinanzkommission nicht auch der sinnvolle und sozial verantwortbare Abbau von Standards steht, dann war es eine Fehlkonstruktion. Deshalb ein ganz klares Bekenntnis: Wir wollen zugunsten unserer Bürgermeister von diesen Standards herunter.

(Beifall bei Abgeordneten der CSU)

Jetzt hat Frau Kollegin Kamm nochmals das Wort, bitte schön.

Herr Staatssekretär, Sie haben vorher gesagt, Sie seien bezüglich des Zuschlagsrechts zur Einkommensteuer skeptisch. Da war mir das Wort "skeptisch" zu schwach. Ist es nach Auffassung der Staatsregierung wirklich sinnvoll, von einer Vielzahl finanzschwacher Kommunen zu verlangen, gerade die Einkommensteuer ihrer Bürgerinnen und Bürger zu erhöhen? Ist es gerecht, wenn die Bürger von Starnberg weniger Einkommensteuer zahlen als die Bürger von Hof? Ist das Ihre Vorstellung von gleichen Lebensverhältnissen in Bayern?

Ich habe vorhin das Beispiel Wunsiedel/ Starnberg benutzt. Aber das Beispiel Hof/Starnberg ist durchaus vergleichbar.

Frau Kollegin, das Wort "skeptisch" hat sich in diesem Fall nicht auf die Gewerbesteuer bezogen. Wir müssen unterscheiden: Die Gewerbesteuer ist die eine Diskussion. Es gibt aber bei den Kommunen noch eine weitere Einnahmesäule, und zwar den Einkommensteueranteil, nämlich die 15 % an der Einkommensteuer. Da, sagt Schäuble, wolle er eine Bandbreite und ein Zuschlags- oder Hebesatzrecht. Ich persönlich sage Ihnen: Ich bin da sehr skeptisch, weil ich den Bürgermeister letztlich nicht für die Höhe der Lohn- und Einkommensteuer seiner Mitbürgerinnen und Mitbürger verantwortlich machen will.

(Zuruf der Abgeordneten Christine Kamm (GRÜ- NE))

Frau Kamm, Sie haben sich nochmals gemeldet, bitte schön.

Ich will nochmals auf den Sozialhilfeausgleich der Bezirke zu sprechen kommen. Sie haben gesagt, dass dieser Ausgleich 583 Millionen Euro beträgt. Davon sind allerdings nur 240 Millionen Euro reine Finanzmittel des Freistaats Bayern. Der Rest sind Mittel aus den kommunalen Steuerverbünden. Gestern haben uns die Bezirkstagspräsidenten vorgerechnet, dass sie im kommenden Jahr einen zusätzlichen Finanzbedarf von über 300 Millionen Euro haben aufgrund der gestiegenen Kosten der Inklusion und natürlich auch aufgrund der Tatsache, dass in dem Topf der Gemeinden, aus dem die Bezirksumlage gezahlt werden muss, wesentlich weniger drin ist. Wie gehen Sie damit um? Wollen Sie es tatsächlich zulassen, dass in den einzelnen Bezirken in Bayern die Bezirksumlage im kommenden Jahr um mehrere Punkte erhöht werden muss?

Herr Staatssekretär, Sie haben das Wort.

Frau Kollegin Kamm, die Umlagesätze differieren in der Tat im Freistaat Bayern. Wir haben in den letzten Jahren Differenzen bis zu fünf, sechs Punkten gehabt. Ich darf aber auch darauf verweisen, dass der Sozialhilfeausgleich nach Artikel 15 FAG lange Zeit bei 300 Millionen Euro lag. In der Amtszeit von Erwin Huber ist dieser Finanzausgleich um einen Schlag auf 580 Millionen Euro erhöht worden. Ich bitte jetzt um Verständnis, ich werde Ihnen vor dem Spitzengespräch über die Höhe des FAG-Ausgleichs nach Artikel 15 für die sieben bayerischen Bezirke, das in den nächsten Wochen stattfindet, von diesem Pult aus keine Zahl nennen.

Herr Kirschner, Sie haben das Wort, bitte schön.

Ich habe dieser Debatte zugehört und festgestellt, es geht eigentlich nur um die Einnahmen und nicht um den Grundsatz der Gewerbesteuer. Hier sollten wir ansetzen. Soweit ich weiß, ist die Staatsregierung in der Frage, wie sie mit der Gewerbesteuer umgeht, noch nicht schlüssig. Aber als Angehöriger eines freien Berufs sage ich Ihnen Folgendes: Erstens. Ursprünglicher Sinn der Gewerbesteuer war, dass sie in den Kommunen gleiche Verhältnisse schaffen soll. Mittlerweile gibt es aber massive Verwerfungen von Kommune zu Kommune; denn während die eine Kommune, etwa Dingolfing und Burghausen, im Geld schwimmt, hat die fünf Kilometer weiter angesiedelte Kommune größte Finanzsorgen, weil sie eben keine entsprechenden Gewerbebetriebe hat. Die Gewerbesteuer ist also nicht gesetzeskonform.

Zweitens. Die Gewerbesteuer ist in dieser wirtschaftlich schwierigen Zeit eine Substanzsteuer. Wir bekommen jetzt die Jahresabschlüsse für 2008 weg, und die Jahresabschlüsse für 2009 kommen. Stimmen Sie mir zu, dass Betriebe, die massive Verluste erwirtschaften, trotzdem Gewerbesteuer zahlen müssen?

Drittens. Sie kennen § 3 der Abgabenordnung, in dem steht, Grundsatz der Besteuerung sei die Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit. Ist das, was derzeit mit der Gewerbesteuer passiert, sachgerecht? Entspricht das dem, was man von der Staatsregierung erwarten kann?

(Beifall bei der FDP)

Herr Staatssekretär, Sie haben das Wort.

Herr Kollege Kirschner, beim ersten Teil Ihrer Frage mögen zwischen uns Auffassungsunterschiede bestehen. Die müssen wir vielleicht ausräumen. Ich sage Ihnen aber noch einmal: Grundsätzlich ist an der Gewerbesteuer festzuhalten.

Was Punkt 2 angeht, gebe ich Ihnen recht. Bezüglich der substanzbesteuernden Elemente möchte ich sagen, wir haben während der Finanz- und Wirtschaftskrise gemerkt, dass gerade die Unternehmen, die, obwohl sie nichts dafür konnten, wegen der Entwicklungen am Markt durch den Einbruch bei den Exportmärkten in wirtschaftliche Schieflage geraten sind, trotzdem mit Blick auf Zinsen, Pachten, Mieten und Leasingraten Steuern bezahlen mussten. Deshalb müssen die substanzbesteuernden Elemente heraus

genommen werden. Darum sage ich Ihnen von dieser Stelle aus auch - das gilt auch für andere Steuerarten -, in dieser Bundesrepublik Deutschland gibt es immer wieder Fraktionen, die das Thema Vermögensteuer diskutieren. Das ist genauso substanzbesteuernd. Das heißt ganz klar: substanzbesteuernde Elemente heraus, aber Erhalt der Gewerbesteuer.

Zu Wort haben sich nochmals Frau Kollegin Kamm und anschließend Herr Kollege Halbleib gemeldet.

Wenn diese Zwischenbemerkung gestattet ist: Wir könnten uns auch in einem Privatissimum austauschen.

Herr Staatssekretär, Sie haben jetzt das Wort noch nicht. Bitte schön, Frau Kollegin Kamm.

Herr Staatssekretär, ich habe hier das Recht, Fragen zu stellen, und das mache ich auch. Sie haben mich bei dem Thema "Konnexitätsprinzip auf Bundesebene" leider enttäuscht. Sie haben gesagt, Sie seien in Berlin für Bayerns Kommunen eine starke Lobby. Ich frage Sie: Wie steht es mit einem Bundesleistungsgesetz? Kann es wirklich angehen, dass die zunehmenden sozialen Kosten bei der Eingliederungshilfe ausschließlich auf der kommunalen Ebene hin- und hergeschoben werden? Was tun Sie hier?

Herr Staatssekretär, Sie haben das Wort.

Frau Kollegin Kamm, wir werden auch über dieses Thema diskutieren, aber erst, wenn die Ergebnisse der AG 2 - das ist die AG Standards im Rahmen der Gemeindefinanzkommission - vorliegen. Frau Kollegin Kamm, ich habe Ihnen gesagt, dass wir der Anwalt der bayerischen Kommunen sein wollen. Wir sind es auch. Die Frage des Konnexitätsprinzips ist durchaus kritisch zu sehen. Für uns als Staatsregierung stellt das Konnexitätsprinzip eine Verpflichtung gegenüber den bayerischen Kommunen dar. Wir sollten aber nicht im Verhältnis zwischen dem Bund und den 16 Bundesländern unnötige Geschäftsordnungsdebatten führen. Wir erwarten vom Bund, dass er, wenn er künftig Leistungsgesetze erlässt, die Kommunen besser ausstattet, als dies in der Vergangenheit der Fall war. Ich nenne nur die Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung. Dies kann der Bund ganz einfach tun, wenn er bei der Umsatzsteuer drauflegt.

Als letztem Fragesteller erteile ich noch einmal Herrn Kollegen Halbleib das Wort.

Herr Staatssekretär, zunächst stelle ich einmal fest, dass dies ein frustrierender Vormittag für die bayerischen Kommunen ist. Wir müssen zur Kenntnis nehmen, dass die Staatsregierung die dramatische Situation und die Zahlen nicht ernst nimmt und auch keine Aussage zur finanziellen Ausstattung in der Zukunft gemacht hat.

(Beifall bei der SPD)

Zum Abschluss möchte ich einige konkrete Fragen stellen: Habe ich Sie richtig verstanden, dass die glorreiche Verteidigung der Gewerbesteuer Ihrerseits in der Ankündigung der Durchlöcherung der Gewerbesteuer besteht? Sind Sie wenigstens im Gegenzug dazu bereit, an anderer Stelle für eine Stärkung und Verbreiterung der Gewerbesteuer zu sorgen? Sind denn vor dem Hintergrund der kommunalen und der allgemeinen Finanzsituation des Freistaats und der Bundesländer die Versprechen weiterer Steuersenkungen bei der Lohn- und Einkommensteuer, die Vertreter Ihrer Partei regelmäßig abgeben, nicht absolut unseriös?

Herr Staatssekretär, Sie haben das Wort zur Beantwortung.

Herr Kollege Halbleib, ich fange von hinten an: Das Thema Steuersenkungen sollte für jeden verantwortungsbewussten Politiker immer ein Thema sein. Die Frage lautet nicht "ob", sondern "wann". Uns ist klar, dass das Jahr 2011 wenig Spielraum bieten wird. Uns ist aber auch klar, dass wir in der laufenden Legislaturperiode mit dem Bund reden müssen, um zumindest einen kleinen Einstieg bei der Steuersenkung zu erreichen. Das Erste, was wir erreichen können - das ist mit Herrn Dr. Schäuble verabredet -, ist eine Steuervereinfachung, die übrigens auch Geld kosten wird. Herr Dr. Schäuble hat als Bundesfinanzminister signalisiert, dass er bereit ist, hierfür eine halbe Milliarde Euro in die Hand zu nehmen. Dieses Angebot sollten wir annehmen.

Zur Steuersenkung: Den großen Wurf bei diesem Thema werden wir uns kurzfristig sicherlich nicht leisten können. Herr Kollege Halbleib, vielleicht gibt es den einen oder anderen Facharbeiter, der noch die SPD wählt. Viele werden es sicherlich nicht mehr sein. Der Facharbeiter leidet nämlich darunter, dass die Steuer über die kalte Progression ganz massiv zugreift, wenn er eine kleine Lohnerhöhung bekommt.

Lassen Sie uns versuchen, hier eine Abhilfe zu schaffen.

Wann kapieren Sie endlich, dass wir die Gewerbesteuer nicht durchlöchern wollen? Die kleinen Einzelhandelsläden in der Landeshauptstadt München werden zurzeit massiv durch substanzbesteuernde Elemente belastet. Sie müssen auf ihre Mieten, Pachten und Leasingraten Steuern bezahlen.

(Volkmar Halbleib (SPD): Lesen Sie einmal diesen Artikel!)

- Herr Kollege Halbleib, ich weiß nicht, wie hoch Ihre Frustrationstoleranz ist. Das müssen Sie mit sich oder irgendeinem Mediziner ausmachen.

Meine Damen und Herren, ich stelle fest: Für die bayerischen Kommunen besteht kein Anlass zur Sorge, dass wir nicht in der Lage wären, einen ordentlichen kommunalen Finanzausgleich für den Doppelhaushalt 2011/1012 hinzubekommen.

Herr Staatssekretär, bleiben Sie bitte da. Frau Kollegin Kamm hat noch 31 Sekunden, die sie ausnutzen will.