Protocol of the Session on October 14, 2010

(Unterbrechung von 13.07 bis 14.00 Uhr)

Meine Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen! Als Sitzungsbeginn nach der Pause haben wir 14.00 Uhr verabredet. Jetzt ist es 14.00 Uhr, wir fangen also an. Herr Kollege Huber, ich kann Ihnen kein großes Auditorium bieten. Aber ich rufe den Tagesordnungspunkt jetzt auf.

Ich rufe Tagesordnungspunkt 3 auf:

Beratung der zum Plenum eingereichten Dringlichkeitsanträge

Dringlichkeitsantrag der Abgeordneten Georg Schmid, Erwin Huber, Renate Dodell u. a. und Fraktion (CSU), Tobias Thalhammer, Dr. Franz Xaver Kirschner, Jörg Rohde u. a. und Fraktion (FDP) Ausbau und Elektrifizierung der Strecke München - Mühldorf - Freilassing (Drs. 16/5910)

Ich eröffne die Aussprache und erteile Herrn Kollegen Erwin Huber das Wort. Auf ihn folgt Herr Kollege Dr. Kirschner, denn es ist ein gemeinsamer Antrag von CSU und FDP. Herr Kollege Huber, Sie haben das Wort. Bitte sehr.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Das Thema hat schon heute früh bei der Regierungserklärung eine Rolle gespielt. Das macht deutlich, wie wichtig es im Interesse des ganzen Landes ist. Der Ausbau der Eisenbahnstrecke München - Mühldorf, soviel kann zusammengefasst gesagt werden, ist ein Trauerspiel, das sich über viele, viele Jahre hinwegzieht. Mit diesem Dringlichkeitsantrag wollen wir neuen Schub, neuen Druck entstehen lassen, um insbesondere für eine bessere Anbindung des Chemiedreiecks zu sorgen. Die Strecke ist in den Jahren 2001 bis 2004 auch als europäische TEN-Strecke (Transeuropäische Netze, Anm.) anerkannt worden. Leider hat das aber nicht dazu geführt, dass auf die Planung und die Finanzierung der Strecke besonderes Gewicht gelegt worden wäre. Ich behaupte, gerade die Verkehrsminister der SPD unter der rot-grünen Bundesregierung haben Bayern systematisch benachteiligt.

(Beifall bei der CSU - Unruhe bei der SPD)

In der Zeit, in der viele glaubten, mit Rot-Grün würde es einen Ausbau des Schienenverkehrs geben, wurde der Bundesausbauplan zurückgefahren. Die Investitionen sind zurückgegangen, das war eine negative Basisentscheidung. Darüber hinaus ist der bayerische Anteil immer stärker gesunken.

(Unruhe bei der CSU)

Die Verkehrsminister Müntefering, Klimmt, Bodewig, Stolpe und Tiefensee haben zu wenig für Bayern getan, sie haben Bayern systematisch benachteiligt.

(Beifall bei der CSU - Lachen bei der SPD)

Erst in den letzten Jahren ist wieder etwas Bewegung in den Ausbau der Strecke gekommen, nämlich mit dem zweigleisigen Ausbau der Strecke Ampfing Mühldorf, der wohl in diesem Jahr abgeschlossen sein wird, und mit den Geldern aus dem Konjunkturprogramm I. An dieser Stelle möchte ich Bundesverkehrsminister Ramsauer Dank und Anerkennung sagen. Die Innbrücke wird jetzt mit den Geldern aus dem Konjunkturprogramm I zweigleisig ausgebaut. Wir wollen, dass dieser zweigleisige Ausbau weitergeht.

Im Übrigen ist es auch ein Projekt, bei dem man den Nutzen des Verkehrsausbaus direkt zurechnen kann. Sonst wird immer abstrakt vom Nutzen der Verkehrsinfrastruktur geredet. Hier aber haben wir das bayerische Chemiedreieck mit etwa 25.000 Beschäftigten in der Chemie- und Petrochemieproduktion. Für die dort hergestellten Güter besteht weder ein lokaler noch ein regionaler Markt, sondern sie können nur global abgesetzt werden. Es handelt sich dabei zum Teil um gefährliche Güter, die auf der Schiene transportiert werden müssen. Die Zukunft des Chemiedreiecks ist deshalb unmittelbar mit dem Verkehrsausbau verbunden. Die Wirtschaft wird dort nicht mehr investieren, wenn der Ausbau der A 94 und dieser ABS-Strecke nicht zeitgerecht erfolgt. Die Firma Wacker hat ganz konkret angekündigt, dass sie überlegt, für den geplanten Ausbau in einem Umfang von etwa 600 Millionen Euro einen Standort in Sachsen oder Bayern ins Auge zu fassen. Bayern wird aber nicht zum Zuge kommen, wenn keine klare Perspektive für den Verkehrsausbau auf der Schiene gegeben wird. Es ist deshalb notwendig, dass die Staatsregierung ihre Bemühungen fortsetzt.

Herr Staatsminister, der Einsatz der Staatsregierung ist unbestritten. Wir müssen aber noch mehr Druck erzeugen. Es ist wichtig, dass aus der Vorplanung der Strecke Mühldorf - Tüßling eine konkrete Planung gemacht wird. Es ist notwendig, dass der Bundesverkehrsminister die Gelder für die Investitionsmittel dafür bereitstellt. Es darf keine weitere Lücke, es darf keinen Riss beim Ausbau dieser Strecke geben. Jetzt ist der vierspurige Ausbau München - Markt Schwaben vorrangig. Daran müssen sich der zweigleisige Ausbau der Strecken von Markt Schwaben nach Dorfen und von Mühldorf nach Tüßling sowie die Elektrifizierung der Strecke nach Burghausen anschließen. Wir erwarten, dass der aus Bayern stammende Bundsverkehrsminister die notwendige Priorität set

zen wird. Das ist im Übrigen auch für den Personenverkehr wichtig, denn die eingleisige Strecke München - Mühldorf ist die meist befahrene Personenstrecke in ganz Bayern. Für den Ausbau sprechen also der Güterverkehr, der Pendlerverkehr, die strukturelle Entwicklung und die verkehrspolitische Bedeutung. Dieser Strecke ist deshalb höchste Priorität einzuräumen. Ich bitte um Zustimmung zu diesem Dringlichkeitsantrag.

(Beifall bei der CSU und der FDP)

Der nächste Redner ist, wie bereits angekündigt, Herr Kollege Dr. Kirschner. Als Mitantragsteller stehen Sie ganz vorne auf der Rednerliste. Herr Dr. Kirschner, bitte.

Wertes Präsidium, liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich kann nur wiederholen, was Herr Huber gesagt hat. Es gibt nicht viel hinzuzufügen. Ich möchte nur noch einmal auf die Dringlichkeit hinweisen. Ich weiß schon, Herr Dr. Runge, was Sie sagen werden: Das haben wir schon xmal gehabt.

(Dr. Martin Runge (GRÜNE): Unbestritten erfolglos!)

- Das stimmt. Aber Sie wissen besser als ich, denn Sie sind schon länger Mitglied dieses Hauses, dass wir immer wieder nacharbeiten müssen, um den notwendigen Druck zu erzeugen. Das gilt insbesondere für Burghausen. Ich kenne die Gegend sehr gut und weiß, wie die Unternehmer dort denken. Mit Sicherheit wird keine Investition von größerer Bedeutung mehr getätigt werden, wenn es nicht gelingt, den Ausbau, wie Herr Huber das dargestellt hat, in den nächsten Jahren zu realisieren. Ich wünsche mir deshalb, dass der Antrag einstimmig verabschiedet wird.

(Beifall bei der FDP und der CSU)

Der nächste Redner wäre eigentlich von der SPD gemeldet, und zwar Herr Kollege Pfaffmann. Ich sehe ihn aber nicht.

(Tobias Thalhammer (FDP): Dann ist der Redebeitrag verfallen!)

Ich gehe deshalb davon aus, dass Herr Kollege Muthmann als Nächster spricht.

Herr Präsident, Kolleginnen und Kollegen! Was die zeitliche Dimension meines Beitrags angeht, so werde ich mich eher am Kollegen Kirschner orientieren.

(Beifall bei der CSU und der FDP - Dr. Franz Xaver Kirschner (FDP): Ich hoffe, auch vom Inhalt her!)

- Nein, nicht vom Inhalt her, aber was das Votum anbelangt. An dieser Stelle will ich darauf Bezug nehmen, was unser Wirtschaftsminister heute Vormittag hinsichtlich der Zukunftsfähigkeit und der Infrastrukturprojekte gesagt hat. Wenn es um die Zukunftsfähigkeit einer ganzen Region geht, dann gehört der Ausbau dieser Strecke sicher dazu. Wir unterstützen deshalb jede erfolgversprechende Initiative, um die Strecke München - Freilassing zu ertüchtigen.

Ich darf aber auch noch einmal die platte Erkenntnis in Erinnerung bringen, dass Gelder für Infrastrukturmaßnahmen immer nur einmal auszugeben sind. Wenn man für das eine Projekt oder gegen ein anderes Projekt ist, dann stehen zwar noch immer Gelder zur Verfügung, doch es ist eine Entscheidung der Priorität. Es ist deshalb nicht selbstverständlich zu sagen: Wer für die zweite Stammstrecke München ist, der ist für die Zukunft Bayerns, und wer dagegen ist, der hat keine vernünftigen Argumente oder Perspektiven. Das Geld, das in München durchaus vernünftig eingesetzt werden kann, ist weniger als das, was die Staatsregierung hier einsetzen will. Wir hätten dann nämlich durchaus Gelder frei, um andere wichtige Dinge zu tun. Wir könnten beispielsweise den Ausbau und die Elektrifizierung der Strecke München - Freilassing schneller vorantreiben. In der Sache sind wir uns einig.

Lieber Kollege Huber, Sie tragen vor - ich zitiere aus dem Dringlichkeitsantrag -: "Die Staatsregierung wird aufgefordert, dem Ausschuss … über den Sachstand zu berichten".

(Erwin Huber (CSU): Das ist nur der letzte Satz!)

Ich dachte, Sie wären schon informiert. Aber wenn Sie da irgendwie ergänzenden Bedarf haben,

(Beifall bei den Freien Wählern)

dann können wir uns das gerne im Wirtschaftsausschuss auch noch einmal vortragen lassen - das, was ohnehin allenthalben bekannt ist. Ein Schuss Populismus ist bei diesem Antrag deutlich erkennbar. Die Stoßrichtung unterstützen wir natürlich gern und stimmen diesem Antrag zu.

(Beifall bei den Freien Wählern)

Danke schön, Herr Muthmann. - Der nächste Redner ist Herr Kollege Dr. Runge. Bitte sehr.

Herr Präsident, Kolleginnen und Kollegen! D’accord sind wir selbstverständlich bei der Einschätzung als Trauerspiel, wobei man zur Verortung der Verantwortlichkeiten jetzt viel ausbreiten könnte und müsste. Herr Kollege Huber, bei Ihrer Schelte des grünen Bundesministers und auch von Rot-Grün sollten Sie vielleicht der Redlichkeit halber sagen, dass seit Rot-Grün, beginnend mit dem ersten Jahr, zum Beispiel jedes Jahr 130 Millionen Euro mehr an Regionalisierungsmitteln nach Bayern geflossen sind.

Zu den Bedarfsplanprojekten, und dazu zählt auch dieses Projekt ABS 38: Die letzte Fortschreibung des Bundesverkehrswegeplanes war im Jahre 2003. Damals waren wesentliche Bauabschnitte als vordringlicher Bedarf zu finden. Es gab im gleichen Jahr die Zehn-Jahres-Rahmenvereinbarung zwischen dem Freistaat und der DB AG. Darin steht dann auch: allererste Priorität, einvernehmlich als prioritär eingestuftes Topprojekt. Allerdings verkündet kurze Zeit darauf der zuständige Minister Wiesheu: Die Finanzierung ist aber nicht gesichert. Dann gab es so Meldungen: Bis 2020 frühestens stellt der Bund höchstens die Gelder zur Finanzierung eines der vorab - bis 2016 - zu realisierenden vier Begegnungsabschnitte bereit.

Das war selbstverständlich ein herber Schlag. Mittlerweile hatten wir dann Konjunkturprogramme, die Diskussion über die Mautmehreinnahmen, aus welchen einzelne der Baustellen wieder hätten zu finanzieren sein sollen, also zum Beispiel das Stück Freilassing bis zur Grenze, während die ganz wesentlichen Begegnungsabschnitte teilweise aus dem Konjunkturpaket finanziert werden sollten.

Allerdings - da hätte die Politik schon auch noch einmal aufhorchen müssen - gab es im Jahr 2008 die Meldung, dass aus diesen 800 Millionen Euro Kosten auf einmal 2,83 Milliarden Euro geworden sind. Diesen Betrag hätte man, meinen wir, sowohl im Bundesverkehrsministerium als auch im zuständigen bayerischen Ministerium viel genauer hinterfragen müssen, weil für 140 Kilometer Strecke teilweise in Doppelspur, dann mit Elektrifizierung so hohe Kosten zustande kamen. Das ist beachtlich.

Die Strecke, die gerade gebaut wird - Herr Zeil, das zeigt sehr wohl, dass große Projekte gehen -, ist die zwischen Olching und Augsburg. Da kostet der Kilometer 13 Millionen Euro für eine Doppelspur. Wir sind dort über viele Kilometer in der ganz dichten Bebauung, in Augsburg-Hochzoll zum Beispiel; wir haben das Haspelmoor "auszuquetschen". Es ist also eine wirklich schwierige Strecke. Von daher muss man

sich schon fragen, woher diese 2,83 Milliarden Euro denn eigentlich kommen sollen.

Herr Huber hat soeben einen der vier Bauabschnitte genannt. Er hat von Ampfing - Mühldorf gesprochen. Das stimmt nicht: Es ist Ampfing - Altmühldorf. Sinnigerweise endet der Bauabschnitt zwei Kilometer vor dem Mühldorfer Bahnhof. Das macht schon einmal keinen großen Sinn.

Bei den anderen Abschnitten, denke ich, müsste aber genauso Dampf gemacht werden. Das ist selbstverständlich Mühldorf - Tüßling, es ist dann auch Obergeislbach - Dorfen und Markt Schwaben - Hörlkofen.

Wir wissen genauso - und der Verkehrsminister hat immer darauf hingewiesen, bei der Vorstellung des Gutachtens zur Flughafenanbindung, bei der Vorstellung des sogenannten Gutachtens "Zweite Röhre" -, dass die ABS 38, ihr Ausbau in diesem Kontext ein Muss ist. Wir wissen genauso, dass auch der Ausbau Berg am Laim - Markt Schwaben immer noch auf sehr tönernen Füßen steht.

Es muss also etwas vorangehen. Wir sind hier wieder d’accord, wie wir d’accord waren beim Schwarzkopftunnel, wie wir d’accord waren bei Regensburg - Hof, Elektrifizierung/Ausbau, bei Nürnberg - Hof, hier die beiden Strecken. Aber, Kolleginnen und Kollegen, was einfach nicht geht - da sind als einzige neben uns mittlerweile reell die Freien Wähler -, ist zu sagen: Wir wollen daneben alles: Wir wollen Nürnberg - Erfurt, wir unterstützen Stuttgart 21, wir unterstützen das "Ypsilon" in Norddeutschland. Jeder Euro kann nur einmal ausgegeben werden. Wenn Sie hier mit einem ellenlangen Wunschzettel kommen, ein Wunschkonzert veranstalten, das niemals endet, dann ist es ganz klar, dass wichtige Projekte auf der Strecke bleiben. Es geht hier um Projekte, die aus Bedarfsplanmitteln des Bundes zu finanzieren sind, teilweise auch aus Bahn-Eigenmitteln. Wenn Sie die hundertmal öfter ausgeben, als Sie da sind, funktioniert das halt einfach nicht.

Zum Antrag der CSU-Fraktion: Wir werden ihn unterstützen, weil er die richtige Diktion hat. Wenn wir jetzt allerdings penibel wären, müssten wir sagen: Um Gottes willen, das können wir nicht unterstützen! Da heißt es ja "… weiterhin mit Nachdruck zu verfolgen". Entweder ist die Aussage falsch, dass Sie es bisher mit Nachdruck verfolgt haben, oder aber die Aussage ist richtig, Sie haben es seit 25 Jahren mit Nachdruck verfolgt, dann haben Sie dies aber nachdrücklich, nachhaltig erfolglos gemacht. Wie gesagt, eine solche Formulierung kann manches Mal auch ein Eigentor sein. Sie bringen es immer wieder in Ihre Anträge, um zu dokumentieren, wie fleißig erfolglos Sie bislang

doch sind. Hoffen wir alle, dass wir in absehbarer Zeit erfolgreicher sind.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Danke schön, Herr Kollege Dr. Runge. - Im Rahmen der Aussprache hat sich Herr Dr. Beyer für die SPD-Fraktion gemeldet, im Anschluss daran Frau Staatssekretärin Hessel.

Herr Präsident, herzlichen Dank. Ich kann es relativ kurz machen. Wir haben den Antrag vorhin eigentlich schon mitbehandelt.