Wenn wir jetzt langsam den Keil gefunden haben, könnten wir zu der Zwischenbemerkung von Dr. Vetter kommen.
Frau Stewens, ich versuche die Sache ein bisschen zu entspannen. Sie haben in Ihrem Beitrag eigentlich Sympathie für unser System erkennen lassen, zu dem System der sozialen Gesundheitsversicherung der Freien Wähler. Sie bringen als einziges Argument - das war auch schon im Ausschuss so -: Es geht zu weit, es ist vielleicht zu weit gedacht, und wir können in der Politik in Bayern dem nicht folgen. Sie haben jahrelange Erfahrung in der Gesundheitspolitik und sind mit moderaten Änderungen offensichtlich nicht weitergekommen. Ich schätze Sie sehr und habe die Frage an Sie: Glauben Sie, dass man vielleicht irgendwann einmal Abstand von diesen moderaten Änderungen nehmen sollte und versuchen sollte, über den Tellerrand hinauszusehen, um wirkliche Änderungen im Gesundheitssystem zu erreichen? Das ist meine Frage.
Danke schön, Herr Kollege. Ich bin der Überzeugung: Wir müssen langsam umsteuern. Es kommt aber immer auf das Ziel an. Um einen Punkt aufzugreifen: Sie haben die Aufgabe der privaten Krankenversicherung; das gilt auch für die SPD.
- Ja, ich habe sie gelesen. Ich habe sie sogar als eine der ersten gelesen, nachdem Sie Ihre Pressekonferenz gemacht haben, und zwar schlicht und einfach deshalb, weil es mich interessiert hat.
Sie haben im Grunde genommen wie in der landwirtschaftlichen Sozialversicherung einkommenbezogen gestaffelte Pauschalen. Ich setze mich gerne einmal einen Nachmittag mit Ihnen zusammen und bespreche das Ganze. Das ist mein Angebot. Wir wollen eine vernünftige Gesprächsgrundlage finden. Ich halte das für wichtig. Zu Ihrer Frage: Ich bin der Überzeugung, man kann sich gemeinsam ein Ziel setzen, wohin man bei der Krankenversicherung gehen will. Dann muss man sich einzelne Stufen überlegen, mit denen in der Gesellschaft Akzeptanz erreicht werden kann, und wie dies umgesetzt werden kann. Ich muss die Menschen - Patienten, Mediziner, in den Krankenhäusern tätige Mitarbeiter und Vertreter der Krankenkassen - mitnehmen, um insgesamt mehr Akzeptanz zu erreichen.
Sehr geehrter Herr Präsident, liebe Christa Stewens! Einen Keil kann man in Euere Koalition nicht mehr hineintreiben. Ich denke, da passt ein ganzer Baumstamm hinein. Wenn ich mir die Situation in manchen Debatten ansehe, dann glaube ich, wird man mit einem kleinen Keil nicht mehr auskommen. Ich glaube, dass die CSU-Fraktion weiß, dass der Umstieg auf die Kopfpauschale eine Revolution innerhalb des Gesundheitssystems wäre. Ich weiß nicht, ob die CSU da in einer Form der verfrühten Demenz war. Bei der Unterzeichnung des Koalitionsvertrages hat es anscheinend keinerlei Absetzbewegungen davon gegeben. Im Koalitionsvertrag steht, dass man einen Umstieg will. Ich habe den Koalitionsvertrag nicht dabei. Wenn ich ihn mir aber in Erinnerung rufe, will man einerseits mehr Beitragsautonomie und regionale Differenzierungsmöglichkeit und auf der anderen Seite die besagten einkommensunabhängigen Arbeitnehmerbeiträge, die sozial ausgeglichen werden sollen, was letztlich die Kopfpauschale bedeutet. Von daher ist in diesem Koalitionsvertrag etwas niedergelegt, von dem auf der rechten Seite keiner mehr etwas wissen will.
Ich will für unsere Fraktion sagen, dass wir dem Antrag der SPD zustimmen werden. Ich glaube, es ist auch angemessen, dass man in einem Hause wie diesem, in dem man über die Grundsätze der Gesundheitspolitik auf Bundesebene beschließt, durchaus einen solchen Antrag einbringt. Wenn man nur draußen gackert und sagt, man wolle keine Kopfpauschale, aber in diesem Hause keine Eier legt, dann lügt man die Leute an, indem man hier nicht Farbe bekennt, obgleich Sie draußen wie die Kesselflicker streiten. Herr Rösler fährt zum Canossa-Gang nach München und glaubt, dass er den Ministerpräsidenten
überzeugt hat. Er fährt dann heim und merkt, dass dies alles nur Showtime war. Dieser Antrag ist vor diesem Canossa-Gang gestellt worden. Es ist nicht so, dass die SPD diesen aufgrund der pfingstlichen Erleuchtung gestellt hätte, die in den Koalitionen stattgefunden hat. Von daher ist ein solcher Antrag eine Gelegenheit, um deutlich zu machen, wofür man politisch steht.
Ich glaube, inhaltlich ist das meiste gesagt worden. Wir sind gegen diese Kopfpauschale, weil sie ein neues Bürokratiemonster ist; darin sind wir uns inhaltlich einig. Wir sind nicht davon überzeugt, dass das mit der gesetzlichen Krankenversicherung als neues Nebenfinanzamt der richtige Weg ist. Kopfpauschale wäre im Sozialhaushalt ein finanzielles Abenteuer gewesen; darüber brauchen wir nicht weiter reden. Von daher sind auch wir für eine Bürgerversicherung, weil wir etwas weiterentwickeln müssen. Ich glaube, das ist für alle Gesundheitspolitikerinnen und -politiker eine klare Ansage. Dem Antrag der Freien Wähler können wir so, wie er formuliert ist, momentan nicht zustimmen, weil in ihn die juristischen Bedenken nicht eingegangen sind, was den Wegfall der Beitragsbemessungsgrenze anbelangt. Von daher fehlt es noch ein bisschen. Die Freien Wähler bekommen einen Punkt für ihr Selbstbewusstsein, wenn sie so tun, als hätten sie die Bürgerversicherung erfunden, während SPD und GRÜNE in Berlin über Jahre hinweg nur die Däumchen gedreht hätten.
Ich glaube, da ist ein ernsthaftes Bemühen angesagt. In der Gesundheitspolitik müssen wir die gesetzliche Krankenversicherung wetterfest machen, weil uns ansonsten die Probleme die Tür eindrücken. Ich glaube, dass der gemeinsame Plan mit der Bonsai-Kopfpauschale, wie sie erstmals von Herrn Rösler angedacht war, vom Tisch ist. Ich muss auch ehrlich sagen, ich kenne von der CSU außer Nebelschwaden nichts. Das macht mich sehr besorgt. Nur Nebelschwaden zu setzen und selbst keine Idee zu haben, wie man die gesetzliche Krankenversicherung entsprechend umbaut und immer nur der Neinsager zu sein, kann nicht die Lösung des Problems sein. Von daher wäre es an der Zeit, deutlich zu machen, was sie nicht wollten und dem Antrag der SPD zuzustimmen. Ich hielte das politisch für ein korrektes Zeichen. Die Redezeit ist leider zu Ende.
Ich habe die Vertreter der SPD gehört und ich habe Sie gehört; bevor ich meine Zwischenbemerkung mache, wollte ich zunächst die Redner abwarten. Glauben Sie im Ernst, dass wir alle miteinander das Problem des Gesundheitswesens im Hinblick auf die Finanzierung in Ordnung bringen, wenn wir diejenigen, die die Kosten verursachen - Patienten, Ärzte, die Rechnungen schreiben, und Patienten, die die Rechnungen nicht bekommen, sowie die Pharmaindustrie; über Jahre hinweg sind die Kosten trotz Gesundheitsreform gestiegen -, nicht mit hinzuziehen? Wenn wir diejenigen, die die Kosten verursachen, nicht hinzuziehen, werden wir das Problem niemals in den Griff bekommen.
Herr Kirschner, diejenigen, die die Kosten verursachen, tragen im System durch ihre Beiträge mit dazu bei. Das Geld fällt doch nicht vom Himmel, sondern das sind Beiträge.
- Alle. Ich habe von Ihnen noch nichts dazu gehört, dass Sie die Mitversicherung für Kinder zur Disposition stellen. Ich persönlich finde das Aufgehen der gesetzlichen und der privaten Krankenversicherung ineinander und die Tatsache, dass die Private auch solidarische Elemente implantiert, richtig; dazu habe ich von Ihnen aber noch nicht viel gehört. Sie sind es doch, die immer sagen, die Ärzte müssten noch mehr verdienen. Das war Originalton Rösler und ursprünglich auch Originalton Söder. Darauf müssten Sie mir eine Antwort geben.
Wir sagen, dass wir heute Umstellungen in der gesetzlichen Krankenversicherung vornehmen müssen. Wenn wir nämlich nichts tun und gar nichts ändern, weder in der Einnahmen- noch in der Ausgabenpolitik, dann werden wir in nicht allzu ferner Zeit Beitragssätze von 25 Prozentpunkten in der gesetzlichen Krankenversicherung haben.
Das ist für niemanden ein politisch gangbarer Weg. Deshalb ist es notwendig, dass wir etwas tun. Ich halte Ihren Weg zwar für falsch, aber Sie haben zumindest einen, auch wenn es ein Holzweg ist. Zumindest haben Sie einmal einen Vorschlag.
Vielen Dank, Frau Schopper. Als Nächster hat sich Herr Kollege Dr. Bertermann zu Wort gemeldet, bitte schön.
Herr Präsident, meine lieben Kolleginnen und Kollegen! Wir sollten alle einmal ein bisschen abrüsten. Wir haben in der Vergangenheit schon lebendige Diskussionen geführt. Die Harmonie zwischen CDU/CSU und FDP ist noch steigerungsfähig; dazu gibt es klare Worte. Ich möchte auch nicht zur Großwetterlage der Großen Koalition sprechen; das ist Champions League.
Wir müssen uns mit dem beschäftigen, was für den Bayerischen Landtag politisch relevant ist und was politisch umgesetzt werden kann.
Es nützt uns doch nichts, wenn wir eine Viertelstunde lang über unsere Wunschvorstellungen zur Bürgerversicherung und andere Formen der Finanzierung reden, wenn das keine praktische Relevanz hat. Wir kennen noch nicht einmal die Gesundheitsprämie. Wir sprechen über eine Prämie, von der wir noch nicht einmal wissen, wie sie ausgestaltet ist; denn wie sie ausgestaltet werden soll, wird erst am kommenden Wochenende durch einen Kompromiss der Koalitionspartner gemeinsam bestimmt. Wir sprechen im Moment nur über das, was wir aus der Presse und aus Gesprächen mit anderen Parteimitgliedern wissen.
Wir wissen aber nicht, wie sozial diese Prämie ausgestaltet sein kann. Praktisch ist es so: Wenn jemand 1.000 Euro verdient, dann wird dieser Bürger durch die solidarische Gesundheitsprämie oder durch den Gesundheitskombi, wie das auch genannt wird, entlastet. Wer bisher 85 Euro bezahlt hat, zahlt künftig deswegen, weil er in eine niedrigere Beitragsklasse kommt - um ein wenig Sachpolitik zu machen -, wesentlich weniger. Es war nicht unsere Zielvorstellung, über Steuern sozial zu entlasten. Wir wollen jetzt innerhalb der Versicherung entlasten. Das ist keine liberale Position, sondern ein Kompromiss zwischen uns und der CDU/CSU.
- Das ist relevant, das werden Sie am Wochenende sehen. Sie werden sehen, dass dabei eine sozial verträgliche Lösung herauskommt und dass wir die mittleren und die kleinen Einkommen entlasten. Das ist das Ziel des Röslerschen Konzeptes.
Das ist ein Weg hin zu mehr Solidarität, zu mehr Stabilität und zu mehr Gerechtigkeit. Die unteren und die
Dazu gibt es nur eine Alternative. Wir können auf der einen Seite Einsparungen vornehmen; wir müssen doch elf Milliarden sparen. Wie viel können wir sparen? Können wir sieben Milliarden sparen? Wollen wir weiterhin die jetzigen Zusatzbeiträge, die in unseren Augen sozial zutiefst ungerecht sind?