Protocol of the Session on June 10, 2010

Damit sind die in der Vorschlagsliste aufgeführten Persönlichkeiten zu Mitgliedern bzw. Ersatzmitgliedern der 14. Bundesversammlung vom Hohen Hause einstimmig gewählt worden.

Ich rufe Tagesordnungspunkt 3 auf:

Gesetzentwurf der Abgeordneten Georg Schmid, Reinhold Bocklet, Thomas Kreuzer u. a. und Fraktion (CSU), Markus Rinderspacher, Franz Schindler, Harald Güller u. a. und Fraktion (SPD), Hubert Aiwanger, Tanja Schweiger, Florian Streibl und Fraktion (FW), Margarete Bause, Sepp Daxenberger, Ulrike Gote und Fraktion (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN), Thomas Hacker, Dr. Andreas Fischer, Jörg Rohde u. a. und Fraktion (FDP) zur Änderung des Parlamentsinformationsgesetzes (Drs. 16/4718) - Erste Lesung

Ich gehe davon aus, dass auf die Begründung verzichtet wird, sodass wir sofort in die Aussprache eintreten können. Ist das so richtig? - Das ist der Fall. Ich eröffne deshalb die Aussprache und darf zuerst Herrn Kollegen Bocklet das Wort erteilen.

Frau Präsidentin, verehrte Kolleginnen und Kollegen! Das Parlamentsinformationsgesetz gehört zu den grundlegenden Bestimmungen über die Rechte des Bayerischen Landtags gegenüber der Staatsregierung, wenn diese in Bundesund europäischen Angelegenheiten tätig wird. Dieses

Gesetz beruht auf einer interfraktionellen Initiative, die ihrerseits ein Ergebnis der Enquete-Kommission des Landtags aus der vorletzten Legislaturperiode war. Aufgabe der Enquete-Kommission ist es gewesen, Vorschläge zur Reform des Föderalismus und zur Stärkung der Landesparlamente zu erarbeiten.

Mit dem Parlamentsinformationsgesetz hat der Bayerische Landtag im Jahr 2003 bei der Normierung der Rechtsbeziehungen zwischen Landtag und Staatsregierung in Deutschland eine Vorreiterrolle übernommen und Pionierarbeit geleistet, die vor allen Dingen in den Einzelbestimmungen der auf dem Gesetz beruhenden umfangreichen Vereinbarung zwischen Landtag und Staatsregierung zum Ausdruck kommt.

Inzwischen haben der Lissabon-Vertrag und das zu diesem Vertrag ergangene Urteil des Bundesverfassungsgerichts dem Landtag in EU-Angelegenheiten zusätzliche Beteiligungsmöglichkeiten eröffnet. Dabei geht es vor allem um das sogenannte Subsidiaritätsfrühwarnsystem des Lissabon-Vertrags, in das die Landesparlamente einbezogen werden können. Darüber hinaus geht es dank dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts um die Wahrnehmung der Integrationsverantwortung durch den Landtag besonders in den Aufgabenfeldern, die in seine ausschließliche Gesetzgebungskompetenz fallen.

Der Landtag hat das Subsidiaritätsfrühwarnsystem bereits im Vorgriff auf das Inkrafttreten des LissabonVertrags in Zusammenarbeit mit der Staatsregierung aufgegriffen und dazu in seinem Ausschuss für Bundes- und Europaangelegenheiten unter Leitung von Frau Kollegin Prof. Männle eine funktionierende Praxis entwickelt. Dies war freilich nur möglich, weil sich die Staatsregierung dem Landtag gegenüber sehr kooperativ gezeigt hat und der Fachausschuss selbst die Chance einer seriösen Vorabbefassung mit wichtigen EU-Materien konsequent und verantwortungsbewusst ergriffen hat. Wichtig ist dies vor allem deshalb, weil die Frist für Stellungnahmen des Landtags im Rahmen des Subsidiaritätsfrühwarnsystems mit acht Wochen nach Vorliegen aller Übersetzungen sehr kurz bemessen ist. Dieses pragmatisch entwickelte Verfahren soll nun mit der Novellierung des Parlamentinformationsgesetzes rechtlich verankert werden.

Eine weitere wichtige Verbesserung der Stellung des Landtags in europäischen Angelegenheiten hat das Bundesverfassungsgericht in seinem Urteil zum Lissabon-Vertrag gebracht. Zwar sprechen die Urteilsgründe an keiner Stelle von den deutschen Ländern. Das Bundesverfassungsgericht nennt aber als Kernbereiche der nationalen Identität, die besonders geschützt sind, unter anderem die schulische Bildung, die Kultur und das Rundfunkwesen, damit also Politik

felder, die in die ausschließliche Gesetzgebungskompetenz der Länder fallen. Nachdem der Landtag davon in besonderer Weise betroffen ist, muss seine Haltung im Rahmen der Integrationsverantwortung von der Staatsregierung auch besonders berücksichtigt werden, wenn auf Bundesebene Entscheidungen auf diesen Kompetenzfeldern anstehen.

Aus diesen Gründen, die sowohl die sachliche Betroffenheit als auch die parlamentarische Teilhabe des Landtags berühren, muss das geltende Parlamentsinformationsgesetz zwingend der neuen Rechtslage angepasst werden. Deshalb liegt es im ureigensten Interesse des Landtags, dass das Parlamentsinformationsgesetz in Fragen der Angelegenheiten der Europäischen Union neu gefasst und die darauf beruhende Vereinbarung zwischen Landtag und Staatsregierung entsprechend geändert wird.

Bei dieser Gelegenheit soll auch die Bezeichnung des Gesetzes überdacht und dem tatsächlichen Inhalt angepasst werden. Das Parlamentsinformationsgesetz regelt nämlich nicht nur die Informationspflicht der Staatsregierung gegenüber dem Landtag, sondern auch das Recht des Parlaments auf Stellungnahme und Berücksichtigung seiner Stellungnahmen durch die Staatsregierung. Dieser Tatbestand der Beteiligung gehört im Interesse der Wahrheit und Klarheit auch in die Bezeichnung des Gesetzes. Deshalb soll das Parlamentsinformationsgesetz in Zukunft "Gesetz über die Beteiligung des Landtags durch die Staatsregierung" - kurz Parlamentsbeteiligungsgesetz - heißen. Damit wird nicht nur der Anspruch des Landtags gegenüber der Staatsregierung unterstrichen. In diesem Titel kommt auch der Anspruch des Landtags an sich selbst, diese Beteiligungschance kompetent zu nutzen, zum Ausdruck.

(Beifall bei der CSU und Abgeordneten der FDP)

Nächste Wortmeldung: Herr Kollege Schindler.

Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! Das ist ein Thema, das das Parlament betrifft, und zu dem es in der Sache kaum einen Streit gibt. Deshalb will ich gleich vorausschicken, dass ich den Ausführungen des Herrn Kollegen Bocklet in vollem Umfang zustimme. Auf der einen Seite geht es darum, die Rechte des Landtags gegenüber der Staatsregierung einzufordern. Auf der anderen Seite geht es darum, die Staatsregierung zu verpflichten, zu tun, was sie tun muss, nämlich den Landtag rechtzeitig und umfassend zu informieren und ihn in die Entscheidungsbildung einzubeziehen. Das gilt im Übrigen auch im Hinblick auf die kommunale Daseinsvorsorge. Es gibt eine Berücksichti

gungspflicht der Staatsregierung gegenüber den Stellungnahmen, die der Landtag abgeben wird. Ich glaube, wir können alle miteinander stolz darauf sein, dass wir in diesen Fragen auch für die anderen Länder Maßstäbe gesetzt haben. Wir sollten gemeinsam versuchen, immer an der Spitze zu bleiben, wenn es darum geht, unsere ureigensten Rechte als Parlament gegenüber der Staatsregierung zu fixieren. Wir stimmen dem interfraktionellen Gesetzentwurf und dem Antrag zur Änderung der Vereinbarung selbstverständlich zu.

Bei dieser Gelegenheit will ich aber noch ein anderes Thema ansprechen, das mir seit einigen Jahren ein Anliegen ist. Nicht überall ist bekannt, dass es in Artikel 80 Absatz 4 des Grundgesetzes eine Vorschrift gibt, wonach bestimmte Materien entweder durch Gesetz oder durch Verordnung geregelt werden können. Vor einigen Jahren haben wir durch eine Änderung der Vereinbarung zum Parlamentsinformationsgesetz - PIG - festgelegt, dass die Staatsregierung den Landtag immer dann zu informieren hat, wenn durch Bundesgesetz eine Verordnungsermächtigung an die Länder ergeht. In solchen Fällen kann der Landtag nämlich entscheiden, eine bestimmte Materie durch Gesetz zu regeln und nicht durch Verordnung der Staatsregierung. Die Staatsregierung teilt uns solche Fälle auch regelmäßig mit, die Themen sind weit gestreut. Die Mitteilungen erfolgen sogar relativ häufig, sodass sie gelegentlich sogar untergehen.

Das Problem, das in dieser Praxis entstanden ist, besteht aus meiner Sicht darin, dass die Staatsregierung bei der Mitteilung an den Landtag nicht ausführt, wie sie die Materie zu regeln gedenkt, ob als Verordnung oder ob sie selbst einen Gesetzentwurf machen will. Es ist aber keine Frist vorgesehen, innerhalb derer sich der Landtag äußern könnte, ob er von seiner Kompetenz, nämlich ein Gesetz anstelle einer Verordnung zu beschließen, Gebrauch machen will oder nicht. Ich habe die Fraktionen deshalb schon vor einigen Monaten angeschrieben und angeregt, bei der bevorstehenden Änderung des PIG und der Vereinbarung auch diese Materie im geschilderten Sinne zu regeln. Ich möchte hiermit die CSU- und FDP-Fraktion förmlich bitten, sich diesen Vorschlag noch einmal zu überlegen. Ich glaube, es wäre ein weiterer Schritt, wie wir, der Landtag, unsere Kompetenzen der Sache angemessen ausüben können. Ich bitte Sie deshalb, sich die Sache noch einmal zu überlegen. Wenn Sie der Meinung sind, man sollte es nicht so machen, wie ich es vorgeschlagen habe, dann kündige ich bereits jetzt an, dass die SPD-Fraktion einen Antrag hierzu einreichen wird, über den dann auch abgestimmt werden muss.

Nun wieder zurück zur eigentlichen Sache: Wir stimmen dem Gesetzentwurf und der Änderung der Vereinbarung selbstverständlich zu.

(Beifall bei der SPD)

Jetzt kommt Herr Kollege Streibl. Bitte.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, werte Kolleginnen und Kollegen! Mit Herz und Seele Parlament, so könnte man dieses Gesetz überschreiben. Man könnte auch die Frage stellen: Warum müssen wir über ein Gesetz reden, wenn doch alle hier im Hause der gleichen Meinung sind? - Wir müssen aber genau deshalb darüber reden. Es kommt auch selten genug in diesem Hause vor, dass wir eine Sache einhellig unterstützen. Es ist wichtig, gerade diese Sache zu unterstützen, denn sie betrifft unser Selbstverständnis, das Selbstverständnis der parlamentarischen Demokratie. Es ist wichtig, dass wir geschlossen einer Auffassung sind, wenn es um die Grundlagen einer freiheitlichen, föderalen demokratischen Grundordnung geht.

Mein Damen und Herren, nach unserer Verfassung ist Bayern ein Volksstaat. Träger der Staatsgewalt ist nach Artikel 2 der Bayerischen Verfassung das Volk. Vertreter dieses Volkes, des Staatsvolks, des Souveräns, sind die Abgeordneten. Damit die Abgeordneten aber an der Gestaltung der Gesellschaft aktiv teilnehmen können, damit sie diese aktiv gestalten können, sind Informationen absolut notwendig, auf denen man als Abgeordneter aufbauen kann, um tätig zu werden. Es ist deshalb gut, dass wir dieses Gesetz haben. Es gab eine Zeit vor dem PIG, das war vor dem Jahr 2003, als es nur eine Geschäftsordnung gab und zwei Schriftwechsel zwischen dem Landtagspräsidenten und dem Ministerpräsidenten. Das war die Grundlage des Handelns. Es ist deshalb gut, dass wir das PIG haben und dass wir es weiterentwickeln zu einem Parlamentsbeteiligungsgesetz.

Einen Wermutstropfen muss man aber trotzdem in die Sache gießen. Wir werden deshalb einen Ergänzungsantrag einreichen. Bei Gesetzesvorhaben, wenn eine Verbandsanhörung stattfindet, sollte die Stellungnahme der Verbände auch an das Parlament weitergeleitet werden, damit auch das Parlament hiervon Kenntnis erlangt und diese Stellungnahmen in die Arbeit des Parlaments einfließen. Es gehört auch eine gewisse Waffengleichheit zwischen Parlament und Staatsregierung dazu.

Meine Damen und Herren, ein lebendiger Föderalismus, wie ihn die Väter der Bayerischen Verfassung gesehen haben, lebt nicht nur von einer starken Exekutive, sondern er lebt vor allem von einem starken

und selbstbewussten Landesparlament. Leider hat sich in den letzten Jahrzehnten die Richtung etwas verschoben, sodass es eine starke Staatsregierung gibt, die quasi souveräne Eigenschaften hat, während der Landtag in ihrem Windschatten segelt. Hier muss wieder eine Verschiebung in Richtung Landtag stattfinden, damit die Legislative eine Stärkung erfährt. Auch auf Bundesebene gibt es immer mehr Ministerkonferenzen, die zwar keine Gesetzgebungskompetenz haben, aber schon vielen Entscheidungen vorgreifen. So wandert vieles von der Legislativbefugnis der Parlamente ab. Es ist deshalb wichtig, dass die Legislative gestärkt wird. Es ist aber auch wichtig, dass die Kontrollaufgaben des Parlaments wieder gestärkt werden. Kontrolle lebt von der Information und von den Informationsgrundlagen. Wir können zwar im Parlamentsinformationsgesetz ein Gesetz sehen, das in erster Linie die Oppositionsrechte begünstigt, aber letzten Endes wird das gesamte Parlament gestärkt. Deshalb ist dieses Gesetz zu unterstützen.

Durch dieses Gesetz wird die Landesregierung aufgefordert, in Angelegenheiten des Bundesrates und in Angelegenheiten der Europäischen Union den Landtag rechtzeitig zu informieren und die Stellungnahme des Landtags zu berücksichtigen. Das ist im Sinne eines Subsidiaritätsfrühwarnsystems, wie es so schön heißt, ein fast epochaler Fortschritt. Über den Begriff der Subsidiarität sollte man sich allerdings einmal gesondert unterhalten. Es ist zu hinterfragen, ob unsere Strukturen der Subsidiarität noch so bestehen, wie sie ursprünglich angelegt waren. Man müsste auch im Hinblick auf die Subsidiarität eine Änderung vornehmen und die kommunale Ebene stärken. Dies ist nämlich die Ebene, auf der gelebt und gehandelt wird, die eigentliche Ebene.

Meine Damen und Herren, wir werden das Gesetz unterstützen, wir tragen es mit. Deshalb sage ich: Gutes Gelingen im Sinne einer Stärkung des Selbstbewusstseins des Landtags und damit einer Stärkung des Landtags schlechthin.

(Beifall bei den Freien Wählern, der SPD und der FDP)

Nächste Wortmeldung: Frau Kollegin Gote.

Frau Präsidentin, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Es ist sehr schön zu sehen, dass sich ein Ergebnis der ersten EnqueteKommission, die dieser Landtag gemeinsam auf den Weg gebracht, als so erfolgreich erweist. Es ist ein gutes Zeichen, dass dieses Ergebnis, nämlich das Parlamentsinformationsgesetz, demnächst Parlamentsbeteiligungsgesetz, fortwährend weiterentwi

ckelt und angepasst wird, denn das ist eine gute Bestätigung für die Arbeit, die wir hier leisten, und stellt eine Stärkung in Bezug auf die Arbeit, die wir hier noch leisten wollen, dar.

Die drei Vorredner haben im Großen und Ganzen schon alles Wesentliche zur Sache gesagt. Ich möchte das auch gar nicht wiederholen. Wir stehen selbstverständlich hinter dieser Weiterentwicklung des Gesetzes. Ich möchte ausdrücklich sagen, dass wir auch die Vorschläge, die von den beiden letzten Rednern, Herrn Schindler und Herrn Streibl, kamen, mittragen werden. Wir halten die Anregungen für weitere sinnvolle Ergänzungen und werden gemeinsam sehen, wie wir dies auf den Weg bringen werden.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Nächste Wortmeldung: Herr Kollege Rohde.

Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir reden gemeinsam über die Mitwirkung Deutschlands an der europäischen Gesetzgebung. Lange Zeit hatte man das Gefühl, dass uns die Entwicklungen in Brüssel überraschen und dass wir in Deutschland nur mit der Umsetzung von Richtlinien beschäftigt sind, die uns zudem auch oft gängeln. Wenn überhaupt hatte die Bundesregierung bei den Brüsseler Vorgaben mitgewirkt; die Parlamente im Bund oder gar in den Ländern hatten praktisch keine Einflussmöglichkeiten. In den vergangenen Jahren wurden bereits etliche verschiedene Maßnahmen ergriffen, um den Einfluss Deutschlands in Brüssel zu stärken. Kern bleibt die ständige Vertretung der Bundesregierung in Brüssel, die derzeit mit 190 Mitarbeitern versucht, Einfluss auf die Gesetzgebung zu nehmen und dabei im Wesentlichen die Bundesregierung vertritt.

Es wurden verschiedene Ländervertretungen, einschließlich die von Bayern eingerichtet, die schneller am Ball sein und den Kontakt halten sollen. Sowohl Herr Kollege Bocklet als auch Frau Kollegin Gote haben darauf hingewiesen, dass im Jahr 2003 stärkere Rechte des Landtags mit auf den Weg gebracht wurden. 2005 hat zunächst der Bundestag ein extra Büro für die Fraktionen eröffnet, um Informationen aus Brüssel schneller nach Berlin transportieren zu können. Wir haben in Berlin das Grünbuch zum Arbeitsrecht als einer der ersten Ausschüsse des Bundestages mit einem eigenen Kommentar nach Brüssel geschickt. Auf diese Weise können auch die hinteren parlamentarischen Reihen Einfluss auf die Entscheidungen nehmen und Stellungnahmen zu den Brüsseler Vorhaben abgeben.

Aktuell ist auch das Präsidium des Landtags unterwegs; das geht schon ein bisschen auf die Vorredner ein. Wir werden vonseiten des Landtags in Brüssel eine Kontaktperson etablieren, die für uns vor Ort sitzt und Kontakte pflegt sowie Reporte Richtung München schickt. Es soll nicht mehr so laufen wie bisher. Bisher läuft es so: Wenn in Brüssel etwas passiert, geht ein Schreiben an den Bundesrat, der Bundesrat schreibt an die Staatsregierung und die Staatsregierung an den Europaausschuss im Landtag. Das ist ein langer Weg. Herr Kollege Schindler, die Fristen sind eigentlich klar. Der Bundesrat hat bestimmte Fristen zur Abgabe einer Stellungnahme. Wenn von dieser Frist schon etliche Wochen verstrichen sind, haben wir nur noch wenig Zeit, um überhaupt eine Stellungnahme abgeben zu können. Dann kommt es zu der von Ihnen beschriebenen Situation, dass das eine oder andere, möglicherweise sogar sehr vieles, untergeht. Deshalb ist die neue Kontaktstelle wichtig, um das Zeitfenster, das uns für die Beratung im Landtag zur Verfügung stehen wird, zu vergrößern, sodass wir größere Chancen haben, unsere Wünsche zu artikulieren.

Mit dem heute vorliegenden Gesetzentwurf kommen wir dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 30. Juni nach und stärken die Rechte des Parlaments in Bayern, was sich im Namen des Gesetzes zeigen soll, nämlich Parlamentsbeteiligungsgesetz. Kollege Bocklet hat schon darauf hingewiesen: Es ist viel besser, sich zu beteiligen, als nur zu beraten.

Zudem ist am 01.12.2009 der Vertrag von Lissabon in Kraft getreten. Wir schreiben uns gemeinsam im Maximilianeum auf die Fahnen, durch frühzeitige Einflussnahme die bayerischen Interessen gemeinsam zu wahren. Ich freue mich, dass alle fünf Fraktionen im Landtag bei diesem Thema am gleichen Strang und in die gleiche Richtung ziehen und bin gespannt auf die Beratung mit ihnen.

(Beifall bei der FDP)

Für die Staatsregierung hat Frau Staatsministerin Müller um das Wort gebeten.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Der Bayerische Landtag besitzt im Ländervergleich bereits jetzt sehr weitgehende Beteiligungsrechte in europäischen Angelegenheiten. Mit dem künftigen Parlamentsbeteiligungsgesetz bauen wir das hohe Niveau dieser Beteiligungsrechte weiter aus und verbessern damit auch die Mitwirkungsmöglichkeiten des Landtags auf der europäischen Ebene. Das ist auch unser Bestreben. Sowohl als ehemalige

Abgeordnete des Europäischen Parlaments wie in meiner Funktion als Europaministerin halte ich davon sehr viel. Das führt auch zu mehr Demokratie, zu mehr Transparenz und mehr Öffnung nach außen.

Mit der Begleitgesetzgebung zum Lissabon-Vertrag wurden die Mitsprachemöglichkeiten von Bundestag und Bundesrat in EU-Angelegenheiten deutlich aufgewertet. Ich kann sagen: Wir haben bei den Begleitgesetzen auf Bundesebene mitgearbeitet und waren intensiv mit dabei. Viele der im Bundesrat behandelten EU-Angelegenheiten weisen auch einen klaren landespolitischen Bezug auf. Das gilt insbesondere für die Angelegenheiten, die in die Gesetzgebungskompetenz der Länder fallen oder die kommunale Daseinsvorsorge betreffen. Ich begrüße, dass die Beteiligungsrechte unseres Landtags bei Rechtsakten der Europäischen Union weiter gestärkt werden und dass das Parlamentsinformationsgesetz weiter fortgeschrieben wird.

Der Freistaat Bayern ist bei diesem Thema ohnehin seit Jahren - das ist von allen Vorrednern auch gesagt worden - Vorreiter unter den Ländern. In keinem anderen Land in Deutschland gibt es ein derartiges Parlamentsinformationsgesetz bzw. ein Parlamentsbeteiligungsgesetz. Mit dem Parlamentsinformationsgesetz und der ergänzenden Vereinbarung haben der Landtag und die Staatsregierung bereits im Jahr 2003 sehr weitgehende Unterrichtungs- und Beteiligungsrechte für den Landtag geschaffen. Außerdem hat die Staatsregierung schon seit Anfang 2009 - Herr Kollege Bocklet hat darauf hingewiesen - dem Subsidiaritätsfrühwarnsystem des Lissabon-Vertrages vorgegriffen. Die Staatsregierung legt dem Landtag bereits jetzt eine Subsidiaritätseinschätzung zu allen beim Bundesrat eingehenden EU-Gesetzesvorhaben vor und berücksichtigt mögliche Bedenken vonseiten des Parlaments. Ich möchte darauf hinweisen, dass wir seit Anfang 2009 über 60 Gesetzesvorhaben bewertet und mit dem Landtag diskutiert haben. In sieben Fällen gab es Verstöße gegen die Subsidiarität.

Das neue Parlamentsbeteiligungsgesetz macht bereits in seinem Namen deutlich, dass das Parlament nicht nur informiert wird, sondern auch zur Stellungnahme aufgerufen ist. Der zentrale Punkt des Gesetzentwurfs betrifft die besondere Berücksichtigung von Stellungnahmen des Landtags bei EU-Angelegenheiten, die Kernkompetenzen der Länder bei der schulischen Bildung, der Kultur oder dem Rundfunk betreffen. Diese besondere Berücksichtigung wird jetzt auch im Gesetz verankert und in Anlehnung an die Begleitgesetzgebung des Bundes geregelt. Darüber hinaus konkretisiert der Gesetzentwurf die Beteiligung des Landtages in EU-Angelegenheiten. Zum einen wird auf die vom Bundesverfassungsgericht ange

mahnte Integrationsverantwortung des Bundestages und des Bundesrates Bezug genommen. Zum anderen wird ausdrücklich auf das Subsidiaritätsfrühwarnsystem des Vertrages von Lissabon verwiesen.

Die bestehende Vereinbarung zwischen Landtag und Staatsregierung zur Parlamentsinformation werden wir deshalb weiter verbessern, fortschreiben und auf den aktuellen Stand der Rechtsentwicklung bringen. Wir begrüßen dieses Gesetzgebungsvorhaben ausdrücklich. Die Beteiligungsrechte unseres Landtages bei Rechtsakten der Europäischen Union werden damit ausgebaut und in ihrer Vorreiterrolle weiter bestätigt.

Ich möchte kurz auf das eingehen, was Herr Kollege Schindler gesagt hat: Wenn fraktionsübergreifend der Wunsch auf Änderung bzw. Konkretisierung bezüglich Artikel 80 Absatz 4 des Grundgesetzes besteht, dann bin ich dafür offen. Ich bedanke mich für die Aufmerksamkeit und glaube, dass wir ein Stück in der Demokratie vorangekommen sind, was europäische Gesetzgebung anbelangt.