Protocol of the Session on May 19, 2010

Wie wird sich die Bayerische Staatsregierung im Bundesrat verhalten? Bitte korrigieren Sie mich. Wenn ich mich nicht täusche, steht im Koalitionsvertrag, dass man sich dann, wenn ein Dissens zwischen CSU und FDP besteht, dementsprechend im Bundesrat verhalten und im Gesetzgebungsverfahren nicht zustimmen wird. Ich bitte um Aufklärung, weil dieser Dissens von sehr hohem Interesse für das Plenum des Bayerischen Landtags und auch für den Ministerpräsidenten ist. Deshalb würde mich Ihre Position interessieren. Wie verhält sich der Freistaat Bayern im Bundesrat? Wie wollen Sie diesen offensichtlichen Dissens zwischen CSU und FDP kitten?

(Eberhard Sinner (CSU): Freiheit für Seehofer!)

Lieber Herr Kollege Rinderspacher, ich habe den Beschluss aus Berlin vom 18. Mai 2010 dabei: "Die Bundesregierung wird aufgefordert, sich auf europäischer und globaler Ebene für eine wirksame Finanzmarktsteuer, das heißt Finanztransaktionssteuer oder Finanzaktivitätssteuer einzusetzen." Das ist der Beschluss, den der Koalitionsausschuss in Berlin, bestehend aus CDU/CSU und FDP, getroffen hat. Nichtsdestotrotz kann ich als Fraktionsvorsitzender der bayerischen FDP die Meinung unserer Fraktion vortragen, dass wir die Wirksamkeit dieser Mechanismen als gering einschätzen. Auch Sie kennen das Verhalten in Koalitionsregierungen. Ich glaube, es ist noch gar nicht so lange her, da waren Sie auf Bundesebene beteiligt. Es gibt gemeinsame Aktionen und gemeinsame Entschlüsse. Aber deswegen wird die Position des einzelnen, des diese Beschlüsse tragenden Gremiums oder der Partei nicht plötzlich über Nacht über den Haufen geworfen. Wir glauben nicht, dass die Effekte eintreten werden, die Sie oder andere sich vorstellen. Wenn auf Bundesebene über die internationale Einführung derartiger Instrumente verhandelt wird, werden wir uns nicht widersetzen.

(Beifall bei der FDP)

Ich nehme an, der Herr Ministerpräsident genießt seine Freiheit. Wir

fahren in der Rednerliste mit Herrn Kollegen Prof. Dr. Piazolo von den Freien Wählern fort.

Sehr geehrter Herr Präsident, Herr Ministerpräsident, Herr Staatsminister, meine Damen und Herren! Herr Hacker, es bleibt also wie wir es kennen: Die FDP hat Meinungen, hat aber keine politische Kraft, sie durchzusetzen.

(Thomas Hacker (FDP): Mehr als die Freien Wähler!)

Wofür stehen Sie?

(Georg Schmid (CSU): Das frage ich mich auch bei den Freien Wählern!)

- Ich sage Ihnen das ganz deutlich, Herr Schmid, es nützt nichts, nur Meinungen zu haben.

(Thomas Hacker (FDP): Die Freien Wähler haben sogar viele Meinungen!)

- Wir würden sie auch durchsetzen; geben Sie uns die Gelegenheit dazu.

(Zuruf des Abgeordneten Eberhard Sinner (CSU) - Anhaltende Zurufe von der CSU und der FDP Glocke des Präsidenten)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, was haben wir heute gehört? Das meiste war: Wir müssen. Wir müssen. Wir müssen. Das war in die Zukunft gewandt, als ob man es nicht schon längst hätte tun können.

(Beifall bei den Freien Wählern und der SPD)

Ich zitiere den, den Sie als "Vater des Euro" bezeichnen, nämlich den früheren Bundesfinanzminister Waigel. Er hat in einem Interview in der "Passauer Neuen Presse" gesagt, die, die man kritisieren müsse, seien diejenigen, die politische Verantwortung getragen hätten, sodass es wenig Sinn mache, die Schuld von einem zum anderen zu schieben, ob Schwarz-Gelb, Rot-Grün, Rot-Schwarz. Das hat auch die heutige Debatte geprägt. Das hat mich an das Passionsspiel von Oberammergau erinnert, bei dem ein großer Teil von Ihnen Zuschauer war. Das Einzige, was heute angenehmer war, war die Wärme im Plenarsaal. Ansonsten hatte ich das Gefühl, die einen spielen Pilatus und waschen ihre Hände in Unschuld, und die anderen rufen "Kreuzigt ihn, kreuzigt ihn".

(Beifall bei den Freien Wählern)

Das ist keine Politik, wie wir sie uns vorstellen.

(Christa Naaß (SPD): Pharisäer sind auch dabei!)

- Pharisäer sind auch dabei. Vollkommen richtig.

Politik muss vorausschauen und sollte nicht ständig nacheilen.

(Thomas Hacker (FDP): Gut, wenn Bildung durch Kulturveranstaltungen vermittelt wird!)

Wir diskutieren hier und im Fernsehen viele gute Ratschläge und viele Mittel. Ich meine, man hätte vieles ahnen können. Den Euro gibt es schon länger. Er wurde 1999 eingeführt. Seitdem gibt es auch die entsprechenden Mittel, nämlich die "No-Bail-Out"-Klausel, wonach man für die Verbindlichkeiten anderer Teilnehmerländer nicht einzustehen hat. Aber, Herr Finanzminister, genauso gibt es Artikel 100 Absatz 2 des EG-Vertrags seit 1999. Darin geht es um den finanziellen Beistand. Dort steht mit einigen Auslassungen wortwörtlich: "Ist ein Mitgliedstaat... von Schwierigkeiten betroffen, so kann der Rat... beschließen, dem betreffenden Mitgliedstaat... einen finanziellen Beistand... zu gewähren." Auf diese Solidaritätsklausel kann man sich berufen. Sie steht schon lange im EG-Vertrag. Insofern müssen wir nicht überrascht sein, dass das, was jetzt passiert, auch rechtlich möglich ist. Das Bundesverfassungsgericht hat auch dazu entschieden. Gemäß dem entsprechenden Kommentar ist Ausdruck dieses Artikels die Gewährung von Krediten, Bürgschaften oder Beihilfen. Insofern sollten die Politiker und diejenigen, die sich damit auseinandersetzen, nicht überrascht sein. Wir haben Solidarität als Leitprinzip der Europäischen Union. Ich habe länger dazu gearbeitet und schon im Jahr 2002 dazu etwas geschrieben.

Ich will einen zweiten Punkt erwähnen. Es geht um die Mittel, die wir nennen, nämlich die Hedgefonds, die Risikopuffer, um Basel III, um Kreditderivate, Clearingstellen, um Anreizstrukturen, und es sollen die Investmentbanker in die Schranken gewiesen werden. All das wird diskutiert. Wir alle sind Experten geworden. All das bedeutet Einschränkungen, und all das ist wichtig.

Was war aber vorher? Ich habe einige Redner, Herr Ministerpräsident, Ihrer Partei vor den Wahlen gehört. Sie haben der Bevölkerung gesagt: Mit mir wird es keine Steuererhöhung geben. Sie haben gesagt: Darauf kann sich das bayerische Volk verlassen.

Die Finanztransaktionssteuer, über die geredet wird, ist auch eine Steuer. Diese befürworten Sie. Man kann - wahrscheinlich sehr sophistisch - sagen, das sei keine Steuererhöhung, weil es die Steuer vorher nicht gab. Aber sie erhöht die Steuern. Insofern sollte man sich vorher überlegen, was man sagt.

Wir wussten alle, dass dieser Satz nicht stehen bleiben kann; denn die Krise war schon vor der Landtagswahl da.

(Beifall bei den Freien Wählern)

Lassen Sie mich noch einen Punkt herausstellen, der mir ganz wichtig ist, nämlich dass man heute darüber spricht, warum es diese Krise geben konnte. 1999, als der Euro ins Leben gerufen wurde, hatten wir ein wesentlich besseres System als heute. Seit 1999 ist vieles eingerissen worden, was wir damals beschlossen hatten. Die wichtigen Säulen sind weg. Der Stabilitätspakt wurde aufgeweicht. Jetzt wird an der Unabhängigkeit der Europäischen Zentralbank gerüttelt, indem man sie Staatsanleihen aufkaufen lässt. Darüber hinaus sind wir dabei, die Souveränität der Staaten aufzuweichen. Es wird darüber diskutiert, dass jeder Staat seinen Haushalt der EU-Kommission vorlegen soll, ehe er ihn verabschiedet. Das bedeutet, die Souveränität der Staaten und das parlamentarische Demokratieprinzip werden aufgeweicht.

Ich muss ganz ehrlich sagen, es berührt auch unser Selbstverständnis, wenn das Königsrecht des Landtags und des Bundestags aufgeweicht wird und die Kommission darüber entscheiden soll, ob ein Landeshaushalt oder ein Bundeshaushalt noch genehmigt wird. Das dürfen wir, die Parlamente, nicht mitmachen. Wir sind selbst schuld, wenn wir so etwas unterstützen.

(Beifall bei den Freien Wählern)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, teilweise war es naiv, zu glauben, dass sich alle Länder daran halten würden, wenn wir einen Stabilitätspakt und ein paar Kriterien festschreiben. Wir haben uns nicht einmal selber daran gehalten, geschweige denn die Griechen und einige andere Länder. Das wusste man auch. Man weiß nicht erst seit 2007 oder 2008, dass Griechenland die eine oder andere Zahl geschönt hat. Man weiß das seit sehr vielen Jahren, aber man hat nicht gehandelt - auch deshalb, weil vieles nicht demokratisch legitimiert ist.

Wie ist es denn jetzt gelaufen? Das macht mir schon Sorgen. In einer Nacht-und-Nebel-Aktion in zwei Nächten - zuerst durch die Finanzminister und dann durch die Staats- und Regierungschefs - wurde ein Rettungsschirm mit einem Umfang von 500 Milliarden verabschiedet. Hinzu kommen 250 Milliarden aus dem IWF. Dazu ist kein Parlament gefragt worden. Kein einziger Abgeordneter ist gefragt worden. Das sind Dimensionen von unglaublichem Ausmaß, aber kein einziger gewählter Volksvertreter ist an diesen Entscheidungen beteiligt worden.

(Beifall bei den Freien Wählern)

Diesen Punkt möchte ich stärker betonen als die einzelnen Maßnahmen, über die wir jetzt diskutiert haben. Wie soll es in Europa weitergehen? Solidargemeinschaft ja oder nein? Wenn ja, dann müssen wir es deutlich machen und dafür auch geradestehen. Wenn nein, dann kann man auch einmal ein Land ausschließen. Am wichtigsten aber ist es, dass wir darüber entscheiden, wie diese Europäische Union weitergeführt wird. Darauf kann es für mich nur eine Antwort geben: Wir müssen dem Bundestag, den Landtagen und dem Europäischen Parlament mehr Macht geben. Diese haben in einer solchen Krise zu entscheiden und nicht nur 27 Staats- und Regierungschefs.

(Beifall bei den Freien Wählern - Wortmeldung des Abgeordneten Jörg Rohde (FDP))

Machen wir es als Zwischenbemerkung, Herr Kollege Rohde?

Genau so war es gedacht. Herr Kollege Piazolo hatte so plötzlich aufgehört, dass ich mich nicht mehr rechtzeitig melden konnte. Trotzdem haben wir zusammengefunden.

Sie haben gerade gesagt, dass kein Parlamentarier gefragt wurde. Natürlich ist es richtig, dass die Finanzminister und die Regierungschefs in der öffentlichen Debatte Vorschläge dazu gemacht haben, wie der Euro-Rettungsschirm zu spannen sei. Diese Vorschläge haben sie aber natürlich vorbehaltlich der Zustimmung durch die Parlamente gemacht. Der Deutsche Bundestag wird in dieser Woche darüber befinden, und damit haben die Parlamentarier das letzte Wort. Es ist also nicht ganz so, wie Sie es dargestellt haben. Würden Sie mir bei dieser Korrektur zustimmen?

Nein. Wir beide glauben doch auch nicht ans Christkind. Was kann denn der Bundestag tun? Glauben Sie wirklich, dass der Bundestag das, was 27 Staats- und Regierungschefs besprochen haben, ernsthaft in Frage stellen wird? Würden Sie diese Verantwortung auf sich nehmen? Ich glaube es nicht.

(Jörg Rohde (FDP): Sie würden nicken?)

- Wir Freie Wähler sind noch nicht im Bundestag. Das wird vielleicht auch noch kommen. Deshalb können wir diese Entscheidung nicht beeinflussen.

Ich will nur, dass die Parlamentarier vorher entscheiden und bei diesen Entscheidungen ein gewichtiges Wort mitreden können. Bei solchen Abkommen zwi

schen den Regierungschefs bleibt nur mehr die Entscheidung übrig: Friss oder stirb! Die Parlamentarier können nur noch Ja oder Nein sagen. Dabei stehen sie unter einem unglaublichen Druck der Öffentlichkeit, der Medien und auch der Regierungen. Das sollte umgedreht werden. Die Parlamente sollten die Bedeutung erhalten, die sie verdient haben, denn sie sind gewählt.

(Beifall bei den Freien Wählern)

Zu einer abschließenden Stellungnahme hat nun Herr Staatsminister Fahrenschon das Wort.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich will Folgendes an den Anfang stellen. Ich glaube, dass die heutige Diskussion über die Regierungserklärung die richtige Stelle war, um sich gemeinsam im Bayerischen Landtag über die Auswirkungen, die Konsequenzen, aber auch über die Dimensionen dieser letzten eineinhalb Wochen und über die koordinierte Antwort der Regierungschefs der Euro-Gruppe für unser Gemeinwesen auszutauschen. Herr Professor Piazolo, Sie haben am Ende Ihres Wortbeitrags die Grundstimmung herausgearbeitet, die auch am Kabinettstisch herrschte. Das Primat der Politik gebietet es, dass sich repräsentative Demokratien auch in einer globalisierten Weltwirtschaft am Ende nicht in eine Situation manövrieren, in der nur mehr nach der Methode "Hund, friss oder stirb" verfahren wird. Das haben heute viele Wortbeiträge deutlich gemacht.

Das ist am Ende auch in der Detaildebatte deutlich geworden. Sie haben es angesprochen. Was ist mit dem alten Artikel 100 des EG-Vertrags, dem heutigen Artikel 122 des Lissabon-Vertrags? Dieser sieht zwar eine Notfallhilfe vor, die aber zu keinem ständigen und dauerhaften Zustand werden darf. Diese Position hat die Staatsregierung herausgearbeitet. Diese Position habe ich aus vielen Wortmeldungen über die Fraktionen hinweg mitgenommen. Im Notfall darf man Griechenland unter Beachtung bestimmter Auflagen helfen. Diese Auflagen wurden von vielen Seiten herausgearbeitet. Es darf aber keinen dauerhaften Mechanismus geben, weil wir dann auch darüber diskutieren müssen, dass die Europäische Union von Anfang an als Stabilitätsgemeinschaft, aber nie als Transfergemeinschaft gedacht war. Ich glaube, auch das ist von wesentlicher Bedeutung.

Herr Abgeordneter Runge, Sie haben zu Recht gefragt, was eine verbesserte wirtschaftspolitische Koordinierung bedeutet. Was bedeutet das sowohl in Bezug auf Frühwarnmechanismen als auch in Bezug

auf die Konsequenzen im Fall von Defiziten? Die Staatsregierung und auch die Experten, mit denen wir uns gestern auseinandergesetzt haben, glauben, dass es um zwei übergeordnete Elemente geht. Das glaubt sowohl Professor Issing, einer der Väter des Euro im Direktorium der Europäischen Zentralbank, als auch der derzeitige Vizepräsident der Bundesbank in seiner Eigenschaft als langjähriger Generalverantwortlicher des IWF, der neue Chef der Landesbank. Alle weisen darauf hin, dass es um zwei übergeordnete Elemente geht, die in Einklang miteinander zu bringen sind.