Protocol of the Session on May 19, 2010

Die Rechte der europäischen Statistikbehörden müssen gestärkt werden. Wir brauchen ein Frühwarnsystem und eine Reform des Stabilitäts- und Wachstumspaktes. Die alleinige Verschärfung der Sanktionen im Pakt verspricht allerdings nur wenig Erfolg. Auch Sanktionen, die bisher schon möglich gewesen

wären, wurden nicht ergriffen. Wir brauchen deswegen feste Regeln, Auflagen und Sanktionen, die dann auch tatsächlich durchgesetzt werden. Eine Initiative für solche Maßnahmen müssen wir sofort ergreifen, die von europäischen Gremien nicht wieder im Nachhinein ausgehebelt werden dürfen. Meine Damen und Herren, verfrühte Eingriffe in die Budget-Hoheit der einzelnen nationalen Parlamente wollen wir in Deutschland nicht und lehnen sie auch europaweit ab. Sanktionen dürfen erst dann erfolgten, wenn gegen die Regeln des Paktes verstoßen wird.

Um unser Finanzmarktsystem krisenfest zu machen das hat die aktuelle Krise verdeutlicht -, sind weitere Änderungen dringend erforderlich. Wir brauchen eine unabhängige europäische Ratingagentur, die ihre Ratings vollständig transparent macht. Selbst wenn die jetzt vom Internationalen Währungsfonds und von der EU ergriffenen Maßnahmen für Griechenland in vollem Umfang greifen, wird in den nächsten drei Jahren zwar das Staatsdefizit rückläufig, aber die Staatsverschuldung wächst weiter und erreicht voraussichtlich den horrenden Wert von fast 150 % des Bruttoinlandsproduktes.

Es ist zu befürchten, dass sich die Wettbewerbsfähigkeit Griechenlands in den nächsten Jahren nicht wirklich verbessert. Seit dem Eintritt in die Europäische Währungsunion ist die Wettbewerbsfähigkeit um beachtliche 20 % gesunken. Gerade diese ungute Kombination aus geringer Konkurrenzfähigkeit, niedrigem Wachstum, rückläufigen Steuereinnahmen und hoher Verschuldung trifft eben nicht nur unseren griechischen Nachbarn, sondern auch Länder wie Spanien und Portugal.

Die EU-Kommission hat unlängst berichtet, dass bis 2010 und 2011 mit Ausnahme Irlands alle Euroländer im Wettbewerb gegenüber Deutschland ins Hintertreffen geraten werden. Darin liegt die große Gefahr, dass ein Teil des Eurogebietes länger in einem Krisenzustand verbleibt und auf Unterstützung angewiesen ist, als wir das jetzt alle erwarten. Genau diese fehlende Wettbewerbsfähigkeit einiger Staaten droht die Stabilität des Euro langfristig zu beschädigen. Deswegen ist es gerade jetzt unsere Aufgabe, die Zeit schnell zu nutzen und einen Mechanismus für die Umschuldung überschuldeter Mitgliedsländer zu entwickeln. Er kann nur erfolgreich sein, wenn Schulden später neu verhandelt werden und die Gläubiger auch einen Teilverzicht leisten.

Wir brauchen die Schaffung eines europäischen Insolvenzrechts für die Mitglieder der Eurozone, für geordnete Rückzugsmöglichkeiten und um die Stabilität des Euro sicherzustellen. Damit können zahlungsunfähige

Staaten einen geregelten Neuanfang machen, ohne die anderen Euroländer zu gefährden.

Meine Damen und Herren, wir haben jetzt die historische Chance, aber auch die Pflicht, die Risiken des Staatsbankrotts von Euroländern durch ein klar festgelegtes Verfahren in den Griff zu bekommen. Dieses Verfahren schafft Rechtssicherheit, vermeidet die so gefürchteten Systemrisiken und beteiligt die Gläubiger angemessen an den entstandenen Schäden, für die sie in der Vergangenheit Erträge erzielt haben.

Meine Damen und Herren, unter diesen Prämissen müssen wir die europäischen Verträge ändern, wenn wir für die Zukunft vorbauen wollen. Um die Währungskrise im Euroraum zu bewältigen, ist eine schlüssige Agenda für die Finanzmärkte mit besseren Kontrollen notwendig. Den Schutz unserer gemeinsamen Währung müssen wir durch zuverlässige Regeln für unsere Finanzmärkte gewährleisten. Künftig darf kein Finanzmarkt, kein Finanzmarktakteur und kein Finanzmarktprodukt ohne Regulierung, Aufsicht und Haftung bleiben.

Wenn man der jetzigen Situation etwas Positives abgewinnen will, dann, dass sich die Erkenntnis der Notwendigkeit verlässlicher Regularien durchsetzt und diese durchsetzbar werden. Dazu gehört auch, den Finanzmarkt an den Kosten der Krise zu beteiligen. Wir werden uns dafür einsetzen, dass die Verursacher und Gläubiger ihren Teil zur Bewältigung der Krise beitragen. Wir als FDP begrüßen deshalb den angekündigten freiwilligen Beitrag der Finanzbranche zu den Hilfen für Griechenland. Das ist ein erster Schritt, jedoch nicht der letzte, den die Finanzbranche gehen muss.

(Christa Naaß (SPD): Die Beteiligung ist nicht groß!)

Die FDP spricht sich für eine Bankenabgabe aus, wie sie die Bundesregierung bereits Ende März beschlossen hat. Alle Kreditinstitute in Deutschland sollen künftig in einen Stabilitätsfonds einzahlen.

(Beifall bei der FDP)

Wir benötigen hierfür Augenmaß, da - Herr Fahrenschon hat bereits darauf hingewiesen - es viele kleinere Kreditinstitute gibt, deren Risikoaktiva nicht dieselben Ausmaße haben wie die der Global Player. Diese müssen einen entsprechend kleineren Beitrag in den Fonds leisten.

(Beifall bei der FDP)

Für die FDP-Fraktion, deren Sprecherin nicht Frau Müller ist, darf ich Ihnen ganz offen sagen: Eine Fi

nanzmarktsteuer ist aus unserer Sicht nicht der richtige Weg.

(Beifall bei der FDP)

Die Finanztransaktionssteuer setzt nicht an den Ursachen der Krise an, sondern dient ausschließlich fiskalischen Zwecken. Sie besteuert jeden einzelnen Handel mit fast allen Finanzprodukten, von Aktien- über Devisen- bis hin zu Spekulationspapieren.

Herr Kollege Hacker, gestatten Sie eine Zwischenfrage?

- Am Schluss.

Die Finanztransaktionssteuer wäre somit von allen zu entrichten. Dazu zählen private Altersvorsorger, die in Wertpapiere investieren, mittelständische Exporteure, die ausländische Umsätze in Euro umtauschen, und große Industrieunternehmen, die ihre Rohstoffe in Währung erwerben. Belastet wird dabei der Bankkunde und weniger die Bank selbst. Die Kosten werden erneut von den kleinen Sparern bezahlt. Lieber Herr Rinderspacher, die Einführung einer nicht einheitlich globalen Finanztransaktionssteuer würde zur Abwanderung in unregulierte Finanzmärkte führen, den deutschen Finanzplatz nachhaltig schädigen und Tausende Arbeitsplätze vernichten. Nicht ohne Grund wurde 1991 in Deutschland die früher erhobene Börsenumsatzsteuer abgeschafft. An die Argumente kann ich mich sehr gut erinnern, da ich kurz vorher meine grundsolide Bankausbildung beendet habe. Die Börsenumsatzsteuer hat nicht die Spekulanten getroffen, sondern jeden einzelnen Bankkunden.

(Jörg Rohde (FDP): So war es! - Beifall bei der FDP)

Dagegen setzt die Finanzaktivitätssteuer an den Gewinnen von Finanzunternehmen und Gehaltszahlungen wie Managerboni an. Mich freut es, dass dies einstimmig für wenig geeignet erachtet wird. Ihre Wirkung ähnelt einer Sondergewerbeertragsteuer und einer Lohnsummensteuer auf Bonus- und Gehaltszahlungen. Dabei ist damit zu rechnen, dass wenn zusätzliche Kosten entstehen, ein Teil der Steuern von den Unternehmen auf die Kunden abgewälzt wird. Dies kann nicht in unserem Sinne sein. Fraglich ist zudem, ob eine derartige Sondersteuer wirklich zulässig ist, wenn sie sich gegen einen Sektor richtet.

Die Eigenkapitalausstattung der Banken ist das große Thema. Es zeugt von Solidität, wenn Eigenkapital vorhanden ist. Die Banken der Bundesrepublik Deutschland müssen die Zinszahlungen für die staatlichen Unterstützungen erwirtschaften. Sie müssen die Avalgebühren für die Bürgschaften entrichten. Sie sollen

die Bankenabgabe leisten. Sie sollen weiterhin zusätzlich belastet werden. Wenn es uns gelingt, ein einheitliches Regularium zur Sicherstellung einer ausreichenden Eigenkapitalausstattung zu schaffen, trägt dies mehr zur Sicherheit der Banken bei als alle anderen Finanzmarkttransaktionen.

(Beifall bei der FDP)

Meine Damen und Herren, für mich gehört zu jeder staatlichen Intervention auch immer eine Exitstrategie, um wieder in den Normalzustand zu gelangen. Dieser Normalzustand in Europa darf eben nicht die europäische Transferunion sein, in der Mitgliedstaaten dauerhaft für die Schulden der anderen aufkommen müssen.

(Beifall bei der FDP)

Dies widerspricht unserer Meinung nach dem Grundgedanken der Währungsunion. Deshalb wollen wir, dass der Rettungsschirm zwingend auf drei Jahre begrenzt wird. Die Auszahlungen aus dem Schirm sollen nur bei entsprechend erzielten Fortschritten in Bezug auf die Konsolidierung der nationalen Haushalte geleistet werden. Über die Freigabe einzelner Branchen sollte der Haushaltsausschuss des Deutschen Bundestages mitentscheiden. Die Entscheidung sollte den Fortschritt bei der Weiterentwicklung der europäischen Finanzmarktarchitektur berücksichtigen.

Wir wollen mit dem Schutzschirm nicht nur Zeit erkaufen, sondern das Vertrauen in den Euro und in die Stärke der europäischen Volkswirtschaften wieder festigen. Deshalb stellen wir unser Ja zum Schutzschirm unter die vier von mir genannten Bedingungen: Haushaltskonsolidierung, die Schaffung eines Frühwarnmechanismus, eine Insolvenzordnung für Nationalstaaten und eine effektive Regulierung der Finanzmärkte.

Meine Damen und Herren, Krisen sind der beste Anlass für Reformen. Jetzt besteht hierfür die Notwendigkeit, aber auch die Chance. Lassen Sie uns diese Chance nutzen für einen starken Euro und für ein starkes Europa.

(Beifall bei der FDP)

Wir haben noch zwei Zwischenbemerkungen. Zunächst folgt eine Zwischenbemerkung von Herrn Kollegen Dr. Runge.

Herr Hacker, Ihr Vortrag zur Finanztransaktionssteuer dokumentiert, dass Sie trotz Ihrer soliden Ausbildung noch nicht ganz die Wirkungsmechanismen um- und überrissen haben. Ein oder fünf Cent auf einhundert Euro tut dem Kleinspa

rer nicht weh, weil dieser nicht stündlich oder minütlich sein Depot ändert. Diese Steuer tut jedoch weh, wenn dies wie beim Algo-Trading einhundertmal in einer halben Stunde oder einer Viertelstunde passiert. Genau darum geht es. Es geht nicht so sehr um das Abschöpfen, sondern darum, die Verwerfungen auf den Märkten in den Griff zu bekommen.

Deswegen habe ich mich aber nicht gemeldet. Hierzu haben wir noch Überzeugungsarbeit zu leisten. Ich möchte Sie korrigieren. Ich habe nicht gesagt, dass Frau Müller Mitglied der FDP sei. Frau Müller ist aber, soweit ich weiß, Mitglied der Staatsregierung. Die FDP ist ebenfalls Mitglied der Staatsregierung. Frau Müller hat auf Anfragen hin mehrfach gesagt - ich zitiere das Protokoll vom 23. Februar -, dass die Bayerische Staatsregierung die Finanztransaktionssteuer begrüße. Sie hat nicht gesagt, dass die CSU-Mitglieder der Bayerischen Staatsregierung die Finanztransaktionssteuer begrüßten. Auf Nachfrage hat sie für die Staatsregierung insgesamt gesprochen. Dies sollten Sie als Machtwort von Frau Müller verstehen.

(Beifall bei den GRÜNEN)

So wie Frau Müller Mitglied der Bayerischen Staatsregierung ist, bin ich der Fraktionsvorsitzende der FDP. Frau Müller spricht für die Staatsregierung und ich für die FDP-Fraktion im Bayerischen Landtag. Das ist völlig ausreichend.

(Beifall bei der FDP)

Ein Satz zur Transaktionssteuer: Sie meinen wohl auch, dass es nur Sinn macht, sie international einzuführen, weil alles andere Ausweichmechanismen auslösen würde.

(Dr. Martin Runge (GRÜNE): Sie wäre auch in Deutschland gut!)

Die nationale Transaktionssteuer, die Börsenumsatzsteuer hatten wir bereits.

(Dr. Martin Runge (GRÜNE): Falsch!)

Sie hat keinen Spekulanten davon abgehalten, Spekulation zu betreiben.

(Zuruf des Abgeordneten Dr. Martin Runge (GRÜNE))

Die Gewinne werden durch die Umdrehungen potenziert, und die Einnahmen des Staates im Promillebereich würden die Umdrehungen nicht reduzieren.

(Beifall bei der FDP)

Nächste Zwischenbemerkung: Kollege Rinderspacher, bitte schön.

Herr Kollege Hacker, Sie haben soeben deutlich gemacht, dass Sie von der Finanzaktivitätssteuer nichts halten, weil sie nichts bringt und sie deshalb auch von Ihnen nicht unterstützt wird. Sie haben für die FDP-Fraktion im Bayerischen Landtag für jeden hörbar und unmissverständlich deutlich gemacht, dass Sie die Finanztransaktionssteuer ablehnen. Habe ich Sie richtig verstanden?

Wie wird sich die Bayerische Staatsregierung im Bundesrat verhalten? Bitte korrigieren Sie mich. Wenn ich mich nicht täusche, steht im Koalitionsvertrag, dass man sich dann, wenn ein Dissens zwischen CSU und FDP besteht, dementsprechend im Bundesrat verhalten und im Gesetzgebungsverfahren nicht zustimmen wird. Ich bitte um Aufklärung, weil dieser Dissens von sehr hohem Interesse für das Plenum des Bayerischen Landtags und auch für den Ministerpräsidenten ist. Deshalb würde mich Ihre Position interessieren. Wie verhält sich der Freistaat Bayern im Bundesrat? Wie wollen Sie diesen offensichtlichen Dissens zwischen CSU und FDP kitten?