Protocol of the Session on July 1, 2009

(Beifall bei den Freien Wählern)

Den Anreiz zur Flucht bietet der Unrechtsstaat, aus dem man fliehen möchte, nicht der Staat, in den man gehen möchte.

(Beifall bei den Freien Wählern)

Wir haben unseren Gesetzentwurf auch mit dem Wort der Integration geschmückt. Denn ein Flüchtling, der zu uns kommt, soll integriert werden, damit er unsere Gesellschaft, unsere Kultur, unsere Werte kennenlernt. Wenn sich die Situation in dem Land, aus dem er flieht, ändert, wird er in der Regel zurückkehren und in seinem Heimatstaat sagen, dass er in Bayern war, hier eine Demokratie, einen Rechtsstaat erlebt hat, hier Menschen erlebt hat, die ihm geholfen haben. Das wird er nach Hause transportieren und sagen: So einen Staat will ich auch zu Hause haben.

Was wir hier machen, ist also Entwicklungshilfe par excellence. Denn wir schauen zu, dass wir Rechtsstaatlichkeit in die Welt transportieren. Wir können uns nicht darauf beschränken, das aufzusammeln, was an Informationen über Unrechtsstaaten zu uns gelangt.

(Beifall bei den Freien Wählern)

Das Leverkusener Modellprojekt ist erprobt, aber noch nicht in Bayern. Wir wollten mit dem Modellversuch eine Brücke zur Regierungspartei bzw. zur Koalition von FDP und CSU schlagen, damit ein bisschen Mut dazu gefasst wird, sich auf so etwas einzulassen. Wenn es nach uns ginge, könnten wir das Modell leicht einführen. Aber bei Ihnen muss manchmal ein bisschen vorsichtiger vorgehen.

(Beifall bei den Freien Wählern)

Die grundsätzliche Frage ist: Wollen wir, dass Flüchtlinge in Bayern ein menschenwürdiges Leben leben können, ja oder nein? Wenn wir Artikel 1 des Grundgesetzes ernst nehmen, müssen wir sagen, dass das eine einfach zu beantwortende Frage ist. Wir müssen sagen: Ja, wir wollen, dass diese Menschen bei uns menschenwürdig leben.

Es sind Menschen, die aus Unrechtsstaaten fliehen. Sie haben in ihrer Heimat schlimme, unerträgliche Dinge erlebt. Was muss ein Mensch alles erleben, damit er flieht, seine Familie, seine Freunde, seine Heimat, seine gewohnte Umgebung verlässt, sich in eine unbekannte Zukunft begibt, sich auf eine Flucht einlässt, die teilweise noch grausamer ist als das, was er im Heimatland erlebt hat! Es kommen doch Kinder auch allein, ohne Eltern, ohne Geschwister, ohne Verwandte bei uns an. Was finden sie bei uns vor? Gemeinschaftsunterkünfte, teilweise noch verziert mit Stacheldraht.

Meine Damen und Herren, da muss man sich wirklich schämen. Das ist eine Bodenlosigkeit!

(Beifall bei den Freien Wählern)

Die Menschen, die zu uns kommen, kommen aus allen Gesellschaftsschichten. Es sind Studierte, Menschen mit kaufmännischer Ausbildung, Menschen, die in der Landwirtschaft gearbeitet haben. Wenn man diese Menschen in Gemeinschaftsunterkünften quasi wegsperrt, teilweise 17 oder 18 Jahre lang, dann können sie keinen Beitrag zu unserer Gesellschaft leisten. Wir brauchen in unserer Gesellschaft aber solche Menschen.

Menschen, die zu uns kommen, werden also von uns teilweise als personae non gratae behandelt. Das leuchtet mir nicht ein. Dabei könnten wir hier eine Wertschöpfung für unsere Gesellschaft vollbringen. Wir müssen uns als Gesellschaft auch selber daran messen lassen, wie wir mit den verfolgten Menschen umgehen. Wir können hier zeigen, dass wir ein Herz haben.

Nach Artikel 131 der Bayerischen Verfassung sollen "Herz und Charakter" gebildet werden. Manchmal hat man den Eindruck: Bei manchen Leuten ist weder das eine noch das andere gebildet worden.

(Beifall bei den Freien Wählern)

Deswegen müssen wir danach trachten, dem Freistaat Bayern in dieser Frage ein menschliches Antlitz zu verleihen.

Frau Ministerin, Sie haben ein nettes Angesicht. Verleihen Sie dem Staat auch noch ein paar menschliche Züge.

In diesem Sinne liegt auch unser Gesetzentwurf. Ich appelliere, ihn zu unterstützen. Geben Sie sich einen Ruck. Hier geht es um Menschen, die in unwürdigen Verhältnissen leben müssen. Die Zustände haben wir geschaffen. Wir können sie ändern. Also packen wir’s an!

(Beifall bei den Freien Wählern)

Ich erteile jetzt das Wort Frau Staatsministerin Haderthauer.

Herr Streibl, es wäre schön gewesen, wenn Sie Ihre Bemühungen, charmant zu sein, auf die Erlangung von Sachkenntnis konzentriert hätten. Vielleicht wäre das auch ein bisschen zielführender gewesen.

(Beifall bei der CSU)

Wir befinden uns in der Ersten Lesung. Da möchte ich zu den Fragen, die Frau Weikert aufgeworfen hat - sie hat mich auch ganz persönlich angesprochen -, kurz Stellung nehmen.

Ich habe gelernt, dass ich in manchen Dingen, die ich mir persönlich vorstelle - das habe ich öffentlich gesagt; es ist kein Geheimnis -, auch bezüglich der Änderung der Asyldurchführungsverordnung, was den berühmten zweiten Halbsatz angeht, leider nicht allein etwas tun kann, sondern die Zustimmung des Kabinetts brauche. Deswegen ist das Ganze noch in der Schwebe. Meine entsprechende Kabinettsvorlage dazu befindet sich bereits lange im Lauf.

Was ich allein tun kann, habe ich sehr früh eingeleitet. Ich habe mich mit den Regierungspräsidenten zusammengesetzt, die hinsichtlich der Gemeinschaftsunterkünfte für den Vollzug der Leistungen an die Asylberechtigten zuständig sind.

Den Gesprächsprozess mit den Regierungspräsidenten habe ich am 5. Mai in einer Dienstbesprechung abgeschlossen. Die Ergebnisse der Dienstbesprechung habe ich in einem Schreiben vom 8. Mai festgehalten. Frau Weikert, das sind auch Dinge, die Sie angesprochen haben.

Erstens geht es um die Mischfälle. Frau Weikert, Sie sind Fachfrau und wissen, wovon ich rede. Bei den Mischfällen gibt es innerhalb derselben Familie aufenthaltsrechtlich einen unterschiedlichen Status. Wir haben jetzt Klarheit darüber, da der Vollzug bisher dabei unregelmäßig stattgefunden hat. Nach der Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofs dürfen alle ausziehen, soweit ein Antrag auf Auszug gestellt worden ist. Ich habe die Regierungspräsidenten angewiesen, dieses auch genauso zu vollziehen und den dadurch in den Gemeinschaftsunterkünften frei werdenden Raum und Platz mit dem Ziel zu nutzen, zum Beispiel Familien in abgetrennten Wohneinheiten unterzubringen und Mehrfachbelegungen zu beseitigen.

Zweitens habe ich darum gebeten und das mit den Regierungspräsidenten auch einmütig so besprochen, dass die Standards in unseren insgesamt 115 Gemeinschaftsunterkünften in Bayern angeglichen werden. Wir haben dort sehr unterschiedliche Standards. Das liegt weder an meinen Vollzugshinweisen noch habe ich das in irgendeiner Weise angeordnet, sondern das liegt am unterschiedlichen Vollzug durch die Regierungen, den ich schwierig finde. Deshalb habe ich darum gebeten, sich anzupassen, damit wir einheitlich die besten Standards schaffen, die wir derzeit schon in vielen GUs haben.

Drittens. Fehlbeleger sind Menschen, die nach dem Asylbewerberleistungsgesetz nicht mehr leistungsbe

rechtigt sind, weil sie rechtskräftig anerkannt sind. Sie fallen von da an formal aus meiner Zuständigkeit heraus und fallen formal in die kommunale Zuständigkeit wie letztlich ein Obdachloser, der eine Wohnung sucht. Natürlich sind sie im faktischen Sinne nicht obdachlos, weil sie weiterhin in den Gemeinschaftsunterkünften wohnen können. Ich habe die Regierungspräsidenten gebeten, trotz des Wechsels der Zuständigkeit oder gerade deswegen in Zusammenarbeit mit den Kommunen ein Konzept zu erarbeiten, wie diese Fehlbeleger begleitet werden können, damit sie, wenn sie das möchten, ausziehen können; denn ein Zuständigkeitswechsel darf nicht zulasten des davon Betroffenen gehen. Vielmehr muss dann eben besser zusammengearbeitet werden.

Was die Kosten angeht, wollte ich noch auf ein Missverständnis hinweisen, das sich auch in der Anhörung immer wieder gezeigt hat. Der Kostenbeitrag, der von den Asylbewerberleistungsberechtigten verlangt wird, sofern sie dazu in der Lage sind, weil sie ein Einkommen haben, umfasst auch die Kosten für die Verpflegung. Manchmal - nicht von Ihnen, aber manchmal wird er in der Diskussion mit den blanken Mietkosten für eine Wohnung gleichgesetzt. Natürlich ist er dann höher. Man muss dabei beachten, dass bei einer Wohnungsnahme das Sachleistungsprinzip nicht mehr durchzuhalten ist und die Unterstützung als Geldleistung erfolgt, was gewisse Folgen nach sich ziehen kann.

Mir war nur wichtig, das deutlich zu machen. Das, was in meiner Vollzugszuständigkeit möglich ist, habe ich angestoßen und auch an die Regierungspräsidenten weitergegeben. Im Übrigen habe ich im Falle von Würzburg den Regierungspräsidenten von Unterfranken schon früher auch schriftlich darum gebeten, sämtliche Änderungen vorzunehmen, die sich aus der Anhörung und aus Gesuchen ergeben haben. Ich möchte noch darauf hinweisen, dass der Stacheldraht auf Wunsch und auch mit entsprechendem Einverständnis der Kommunalpolitiker und des Flüchtlingsbeirates in Würzburg zum Schutz der Bewohner vor Eindringlingen von außen geblieben ist. Das liegt im Interesse der Bewohner. Dennoch meine ich, dass dieser Stacheldraht tatsächlich nicht notwendig ist, wenn er nun nicht mehr gewollt ist.

(Beifall bei der CSU)

Frau Ministerin, vielen Dank. Es liegen mir keine weiteren Wortmeldungen mehr vor.

(Dr. Hans Jürgen Fahn (FW): Doch!)

- Entschuldigung, wollen Sie eine Zwischenbemerkung machen, Herr Fahn? - Frau Ministerin, darf ich Sie noch einmal bitten?

Frau Ministerin, Ihre Äußerungen waren sehr interessant. Ich habe sie auch zur Kenntnis genommen. Ich frage Sie: Was sagen Sie eigentlich zum Gesetzentwurf der Freien Wähler, über den heute diskutiert wird?

Ich habe mich dazu bewusst nicht geäußert, weil es üblich ist, dass wir uns zunächst im Kabinett über einen Gesetzentwurf verständigen. - Das ist üblich; da brauchen Sie nicht den Kopf zu schütteln; das ist einfach so. Wir hatten Ihren Gesetzentwurf noch nicht im Kabinett. Ich kann Ihnen aber gern, wenn es Sie interessiert -

(Ulrike Gote (GRÜNE): Warum? Sind Sie auf die Erste Lesung nicht vorbereitet?)

- Natürlich bin ich vorbereitet. Lassen Sie mich ausreden, meine Gute.

(Unruhe - Glocke des Präsidenten)

Wenn es Sie interessiert, kann ich Ihnen aber gerne meine persönliche Meinung sagen. Meine persönliche Meinung ist, dass ein Gesetzentwurf, der wie Ihrer nicht unterscheidet, ob jemandem das Asylrecht zusteht oder ob jemand Leistungen für sich in Anspruch nimmt, obwohl rechtskräftig festgestellt ist, dass ihm der Schutz des Staates nicht zusteht, extrem schwierig, ich würde fast sagen, untauglich ist. Leider ist bei einem großen Teil der Bewohner von Gemeinschaftsunterkünften und bei leider fast den meisten Personen mit langen Aufenthaltszeiten rechtskräftig festgestellt, dass ihnen das Asylrecht nicht zusteht; sie verlängern aber dennoch zum Teil durch rechtswidrige Handlungen, Vernichtung von Papieren und sonstigem, auf Kosten des Steuerzahlers künstlich ihren Aufenthalt. Ich meine schon, dass es schwer zu vermitteln ist, dass beide Gruppen gleich behandelt werden sollen. Das ist das Haupt-K.O.-Argument, das mich gegen Ihren Gesetzentwurf sein lässt.

(Beifall bei der CSU)

Frau Ministerin, bleiben Sie noch. - Ich erteile Frau Kollegin Kamm zu einer Zwischenbemerkung das Wort.

Sehr geehrte Frau Ministerin, bedauerlicherweise haben Sie jetzt versucht, den Eindruck zu erwecken, dass geduldete Flüchtlinge aus eigener Lust und Tollerei im Lande bleiben würden. Stimmt es nicht, dass viele Menschen, die Duldungs

status haben, aufgrund der Situation in ihren Heimatländern momentan nicht zurückkehren können und das auch gerichtlich so festgestellt worden ist?

Ich wünschte, Sie hätten mir zugehört; denn dann hätten Sie bemerkt, dass ich das Wort Duldung nicht in den Mund genommen habe, sondern dass ich davon sprach, dass es Etliche gibt, die rechtskräftig abgelehnt sind, aber dennoch ihren Aufenthalt bei uns rechtswidrig verlängern. Wenn Sie die Materie kennen, wissen Sie, dass ich damit automatisch nicht von denen spreche, die einen Duldungsstatus haben; denn diese verlängern ihren Aufenthalt nicht rechtswidrig.

(Beifall bei der CSU - Zuruf der Abgeordneten Chri- stine Kamm (GRÜNE))

Halt, halt! Dazu gibt es keine Nachfragen mehr. Nein. Sie haben eine Zwischenbemerkung, und das ist es. Gibt es weitere Zwischenbemerkungen? - Frau Ministerin, vielen Dank. Dann ist die Aussprache jetzt endgültig geschlossen.

Im Einvernehmen mit dem Ältestenrat schlage ich vor, den Gesetzentwurf dem Ausschuss für Soziales, Familie und Arbeit als federführendem Ausschuss zu überweisen. - Damit besteht Einverständnis.