Herr Präsident, meine Damen und Herren! Meine beiden Vorredner haben es schon erwähnt: Das ist heute die zweite Diskussion zu diesem Thema. Inzwischen haben sich die GRÜNEN und die Freien Wähler positioniert. Die SPD hat ihre Vorstellungen und unsere Vorstellungen in einem Antrag zusammengefasst für eine Wende in der bayerischen Asylpraxis, der inzwischen auch in das parlamentarische System eingespeist wurde. Mit diesem Antrag, der, wenn man den Gesetzentwurf anschaut, vieles ergänzt, sprechen wir Sozialdemokraten uns dafür aus, dass die Unterbringung in Gemeinschaftsunterkünften als Regel abgelöst wird. Das ist die bisherige Praxis. Gemeinschaftsunterkünfte sollen die Ausnahme, nicht die Regel sein.
Die Flüchtlinge, die nach Deutschland kommen, brauchen Schutz und Hilfe. Sie brauchen aber auch Bedingungen, Frau Ministerin, die es ihnen ermöglichen, dass sie sich in ihrer Persönlichkeit entwickeln. Ferner brauchen sie Bedingungen, die es ihnen ermöglichen, dass in der Zeit, die sie in der Bundesrepublik verbringen, um ihr Asylverfahren durchführen - das ihr ureigenstes Recht ist -, ihre Kinder ausgebildet werden. Diese sollen die Möglichkeit haben, sich in einen entsprechenden Schutzraum zurückzuziehen, um zu lernen, um in die Schule zu gehen. Auch die Eltern sollen die Möglichkeit haben, eine Arbeit aufzunehmen.
Das alles sind Bedingungen, die Sie - das hat auch die Anhörung ergeben - längst ändern müssten. Ich frage Sie: Wie geht es jetzt weiter? Es haben sich fast alle Parteien positioniert, bis auf die entscheidenden, näm
Ich gehe davon aus, dass wir das vor der Sommerpause nicht mehr hinbekommen. Wir haben nur noch zwei Wochen, in denen Plenarsitzungen stattfinden, dann gehen wir in eine längere Sommerpause. Die notwendige Diskussion in den Fachausschüssen, in denen alles zusammenfließt - Anträge, Gesetzentwürfe, es sind auch begleitende Anträge gestellt worden - wird wohl erst im Herbst erfolgen.
Deshalb habe ich die dringende Bitte an Sie, Frau Haderthauer: Es gibt eine Menge Punkte, die Sie sofort aufgreifen können und es gibt eine Menge Punkte, bei denen wir Sie dringend bitten, nicht bis nach der Sommerpause zu warten, sondern diese drei Monate, bis wir uns wieder treffen, zu nutzen, um die Lage vor Ort zu entspannen. Ich nenne das von Ihnen und gerade vom Vorredner der CSU genannte Problem der Fehlbelegung. Ich war erst am Montag wieder bei uns in der Containerunterkunft in der Regensburger Straße. Da ist eine ganze Reihe von Familien mit teilweise vier, sechs, sieben Kindern, die sofort ausziehen könnten. Es ist nicht so, wie Sie gerade gesagt haben, Herr Seidenath, dass die nicht wollen, sondern es ist konkret so, dass diese Familien Unterstützung bei der Wohnungsvermittlung brauchen. Die Sozialverbände, die diese Menschen vor Ort betreuen, müssen die Zeit haben. Es muss mit den Kommunen besprochen werden, dass man für diese Familien Wohnungen sucht und letztlich findet. Von alleine wird sich da nichts tun.
Wenn wir es in der Sommerpause schaffen, wenigstens einen Teil hinauszubekommen, würde sich auch die Situation in den Gemeinschaftsunterkünften entscheidend entspannen.
Es gibt nach wie vor viele ungelöste Probleme, Frau Haderthauer, Sie wissen es. In der Baierbrunner Straße gibt es auch viele Fehlbelegungen. Die unbegleiteten Minderjährigen bleiben viel zu lange in der Erstaufnahmeeinrichtung. Hier könnten Sie mit dem Jugendamt in Kontakt treten und für Entspannung sorgen.
Überhaupt möchte ich, weil das letzte Mal die Redezeit so kurz war, diesen Punkt noch einmal einbringen. Die kommunalen Vertreter haben in der Anhörung deutlich gemacht, dass sie bei der Bewältigung der konkreten Probleme, die vor Ort auftreten, dringend die Unterstützung des Freistaats Bayern brauchen. Ich bitte Sie, Frau Haderthauer, den Kommunen die Hand zu reichen und in den nächsten drei Monaten dafür zu sorgen, dass sich einiges in Bayern entspannt. Da brauchen wir nicht zu warten, bis wir über die Gesetzentwürfe ent
schieden haben, was wohl etwas dauern wird und wo wir gern mitdiskutieren, aber bitte handeln Sie sofort.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Das im Rahmen der Expertenanhörung vorgestellte Leverkusener Modell, auf das sich der Gesetzentwurf der Freien Wähler bezieht, ist im Grunde eine sehr interessante und finanzierbare Lösung des Problems, mit dem wir hier zu tun haben. Der besondere Charme dieses Modells liegt jedoch darin, dass es bereits seit vielen Jahren, eben in Leverkusen, praktiziert wird und sich über Jahre als praxistauglich erwiesen hat. Ich denke, das ist ein gewichtiger Gesichtspunkt.
Es widerlegt ein weitverbreitetes Vorurteil, nämlich dass die Unterbringung in Gemeinschaftsunterkünften günstiger sei als in Privatwohnungen. Das erzählen Sie uns seit Jahrzehnten, das ist aber nicht so.
Das Gegenteil ist der Fall. Das Wohnen in dezentralen Wohnungen ist nicht teurer, sondern sogar kostengünstiger, wie uns Experten gesagt haben. Die Stadt Leverkusen hat bereits drei Viertel, also 75 % der Flüchtlinge in Privatwohnungen untergebracht. Sie hat damit jährlich Unterbringungskosten von 76.000 Euro eingespart. Wenn Sie das hören, müssten doch die Alarmglocken bei Ihnen läuten.
Die Unterbringung in Lagern ist aber nicht nur teurer, sondern obendrein auch noch unmenschlich, wie unsere Expertinnen und Experten bei der Anhörung unisono eindrucksvoll berichteten. Sie, Frau Meyer, haben für die FDP in der vergangenen Woche einen der Experten, den Privatdozenten Dr. Stich, zitiert, und ich möchte noch einmal unterstreichen, was uns da gesagt wurde:
Gemeinschaftsunterkünfte machen krank. Das haben Sie gesagt und Sie haben so recht, Frau Meyer. Wenn Herr Seidenath in der letzten Sitzung gesagt hat, wir GRÜNEN und damit auch die Expertinnen und Experten hätten die Situation schlechter dargestellt, als sie ist, dann sage ich Ihnen: Bitte setzen Sie Ihre rosarote Brille endlich einmal ab.
Viele in der CSU haben sie wirklich immer noch auf, aber es macht die Situation für die Menschen, die in diesen Einrichtungen leben, auch nicht farbenfroher.
Wir haben in der letzten Woche über den Gesetzentwurf der GRÜNEN diskutiert. Wir GRÜNEN begrüßen es ausdrücklich, dass jetzt auch die Freien Wähler einen eigenen Gesetzentwurf vorgelegt haben, denn allein mit Anträgen ist es nicht getan, wir brauchen ein Gesetz, das das restriktive bayerische Aufnahmegesetz ersetzt. Deshalb finde ich Ihren Gesetzentwurf gut. Wir begrüßen insbesondere den Titel des Gesetzentwurfs, nämlich das Flüchtlingsaufnahme- und Integrationsgesetz. Das bestätigt den von uns gewünschten Paradigmenwechsel. Flüchtlinge müssen künftig unter dem Zeichen der Integration und nicht der Marginalisierung betrachtet werden. Das ist für uns wichtig, das ist eine ganz andere Herangehensweise an unsere Mitbürgerinnen und Mitbürger, die Asyl suchen.
Herr Seidenath hat gesagt, dass man nach Aufenthaltsstatus wegen Fehlbelegung trennen müsse. Ich muss sagen, da müssen auch Sie einmal umdenken. Der Asylbewerber muss vor der Ausländerbehörde in seiner Kommune dauerhaft die eigene wirtschaftliche Situation darstellen, und das muss er schriftlich, zum Beispiel mit einem Arbeitsvertrag, hinterlegen. Viele Asylbewerber können deshalb wegen befristeter Arbeitsverhältnisse nicht ausziehen. Das heißt, es obliegt den Kommunen, ob sie das anerkennen oder nicht, dass es eine wirtschaftlich unabhängige Situation in den nächsten Jahren geben wird. Viele Kommunen erkennen es an, dann können die Asylbewerber aus der Gemeinschaftsunterkunft ausziehen. Es gibt aber auch genug Kommunen, die es nicht tun. Das ist im Grunde eine schwammige Geschichte. Ich finde, da ist der Entscheidungsspielraum viel zu groß. Dem wollen wir vorgreifen, indem wir sagen: Die Asylbewerber, die kommen, sollen möglichst nach der Erstaufnahme eine eigenen Wohnstatt nehmen können. Das ist es, was wir in der Opposition darlegen.
Wir stimmen mit den Freien Wählern auch darin überein, dass das Leverkusener Modell nachahmenswert ist. Deswegen gründet der Gesetzentwurf der GRÜNEN auch auf dem Leverkusener Modell.
Wir halten es allerdings für überflüssig - das ist das einzig Negative, was ich anzumerken habe -, dass das Leverkusener Modell zuerst in Modellprojekten auszuprobieren ist.
Wir brauchen doch nicht immer das Rad neu zu erfinden, meine Damen und Herren. Es hat sich im Grunde als positiv erwiesen. Es ist seit vielen Jahren bewährt. Davon werden zumindest wir Mitglieder des Sozialausschusses uns im Herbst ein Bild vor Ort machen können, und dann sehen wir weiter. Wichtig ist, dass bei Ihrem Gesetzentwurf die Zielrichtung stimmt, und dafür danke ich Ihnen.
Sehr geehrter Herr Präsident, verehrte Kolleginnen und Kollegen! Auch wir begrüßen es sehr, dass soviel Bewegung in diese Diskussion gekommen ist und wir jetzt innerhalb einer Woche den zweiten Gesetzentwurf zu diesem Thema vorliegen haben.
Natürlich ist es ein bisschen einfacher, wenn ich mich als Fraktion nur artikulieren muss und einen Gesetzentwurf erarbeiten kann. Wenn ich im Gegenzug zwei Parteien habe, die sich irgendwo treffen und sich gemeinsam austauschen und eine gemeinsame Linie finden müssen, ist es etwas schwieriger.
Ganz egal: Wer Koalitionen erlebt, hat diese Erfahrungen genauso schon öfter gemacht. Was uns aber bestimmt eint, sind viele Punkte, bei denen wir alle der Meinung sind, dass wir darüber diskutieren müssen, dass wir etwas verändern müssen. Das wurde auch in den Wortbeiträgen deutlich.
Einer der wichtigsten Punkte ist natürlich die Frage der freien Wohnsitznahme. Das Leverkusener Modell, das Sie in einem Gesetzentwurf verankert haben wollen, ist seit vielen Jahren erprobt, und wir werden auch mit dem Sozialausschuss eine Informationsreise dorthin machen, um das anzuschauen und mit den Leuten vor Ort zu diskutieren. Die FDP hatte die Idee eines Modellversuchs auch in ihrem Grundsatzpapier, das wir nach der Anhörung verabschiedet haben, aufgegriffen, und wir freuen uns natürlich, dass Sie das auch aufgegriffen haben und in einem Gesetzentwurf einfließen lassen wollen, wenngleich wir das jetzt nicht als Gesetzentwurf weiterverfolgt hätten.
Es sind viele Punkte, die von uns allen gleich gesehen werden. Das betrifft einmal die Notwendigkeit, sich über
traumatisierte Personen Gedanken zu machen. Bei verschiedenen Personengruppen ist zu fragen, ob sie noch länger in den Gemeinschaftsunterkünften untergebracht sein sollten bzw. welche Möglichkeiten wir schaffen wollen, damit sie aus diesen Unterkünften herauskommen.
Die Tatsache, dass es Fehlbeleger gibt, wird immer wieder angesprochen. Das geschieht zu Recht. Aber hier kommt es darauf an, wie die Gemeinschaftsunterkünfte konzipiert sind.
Ich habe eine solche Unterkunft in Augsburg besucht. Da kann man wirklich von menschenwürdiger Unterkunft sprechen. Dort gibt es etliche Personen, die deswegen nicht ausziehen, weil sie nicht ausziehen wollen. Ich habe mit den Leuten dort gesprochen. Sie sind freiwillig in den Unterkünften. Eigentlich könnten sie ausziehen, wollen dort aber bleiben.
Entscheidend ist, dafür zu sorgen, dass die Leute aus den Unterkünften herauskommen können, wenn sie wollen und dazu auch in der Lage sind.
Ich begrüße sehr, dass wir diese Diskussion hier führen. Wir werden vor den Sommerferien, wie richtig gesagt wurde, keine Entscheidung mehr treffen können. In bestimmten Dingen, die man sofort umsetzen kann, werden wir darauf drängen, dass etwas geschieht. Nach den Ferien, also im Herbst, sollte die gemeinsame Diskussion vertieft anfangen. Da unterstütze ich unsere gemeinsame Vision. In der Politik muss man manchmal noch Visionen haben. Es müsste gelingen, einen Gesetzentwurf zu formulieren, der von allen nach Abschluss einer sachlich geführten Diskussion mitgetragen werden kann. Das wäre wirklich ein ganz tolles Ergebnis. Ich bitte darum, darauf hinzuarbeiten.
Ich bedanke mich noch einmal für die Diskussion, die von Ihnen angestoßen wurde. Auch wir haben da unsere Position formuliert. Jetzt müssen wir die Vorschläge in die Gesetzentwürfe einfließen lassen.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Als Erstes sage ich eine Antwort zu der Seite der CSU. Es ist ungeheuerlich, zu unterstellen, ein Flüchtlingsaufnahmegesetz biete Anreize zur Flucht.