Protocol of the Session on June 18, 2009

Der Internetanbieter missachtet seit Langem die Privatsphäre der Menschen, indem er große Mengen persönlicher Daten auswertet und für kommerzielle Zwecke verfügbar macht. Wem das egal ist - in Ordnung. Ich will niemanden missionieren. Das sind die circa 30 % Menschen, von denen ich vorhin gesprochen habe. Diesen Leuten stehen mannigfaltige Möglichkeiten zu nach der Devise, mein Haus, meine Familie, meine Yacht, mein Hamster, alles ins Internet einzustellen. Der Rest von uns soll in Ruhe gelassen werden. Wir haben ein Recht darauf. Danke.

(Beifall bei den GRÜNEN, Abgeordneten der SPD und der Freien Wähler)

Vielen Dank, Frau Kollegin. Nächste Wortmeldung: Kollege Horst Arnold, Fürth.

Sehr geehrter Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Liberalitas Bavariae Freiheit Bayerns.

(Tobias Thalhammer (FDP): Das fängt schon gut an!)

- Ja, das fängt gut an, hört aber schlecht auf, wenn man Ihren Antrag liest.

Was heißt das? - Wenn Google aufnimmt, muss das vorher angekündigt werden. Das geht nach dem Motto: Dreh’ dich nicht um, der Kommissar geht um. Diejenigen, die möglicherweise ihren freien Lebensraum gestalten wollen, sind in dieser Zeit gezwungen, sich zurückzuziehen und sich nicht aus dem Haus zu wagen, weil Google seinen wirtschaftlichen Interessen gerecht werden und Aufzeichnungen durchführen will. Liberalitas Bavariae - so stelle ich mir das nicht vor.

(Johanna Werner-Muggendorfer (SPD): Man geht in Deckung!)

Wir müssen im Grundsatz feststellen, dass es uns allen in Bayern nicht recht sein kann, unser Tun und Lassen auf den Straßen, in den Häusern, in den Gärten usw. zufällig aufzeichnen zu lassen. Wer das will, Herr Dr. Fischer, macht das freiwillig. Deshalb steht in unserem Antrag "freiwillig". In unserem Land gibt es einige Oberbürgermeister, die höchst begeistert sind, dass ihre wunderbaren Denkmäler von Google aufgezeichnet werden. Wenn sich dort niemand einfindet, habe ich nichts dagegen. Deshalb ist der erste Satz mit "freiwillig" ganz klar. Die anderen, die sich möglicherweise in diese Aufnahmen einfinden und unter Umständen Monate und Jahre später feststellen, dass sie dort gewesen sind, haben Pech gehabt.

Herr Innenminister, wir streiten hier im Hohen Haus zu Recht um Möglichkeiten, wie die Polizei Aufzeichnungen fertigen kann, wie lange die Daten zu speichern sind, und dann, wenn es Private machen, soll das unbegrenzt für alle Zeiten möglich sein. Das kann nicht sein. Sie messen mit zweierlei Maß.

(Beifall bei der SPD)

Wir sollten uns wirklich einerseits darin einig werden, dass wir derartige Aufzeichnungen nicht wollen. Auf der anderen Seite liegt seit gestern in Bezug auf die Verhandlungen mit Hamburg die Erklärung von Google vor, dass sie bereit sind, diese Daten bei Einspruch zu löschen, und zwar mindestens zwei Monate später. Man will Gesichter unkenntlich machen. Dann muss man aber wissen, wann man aufgezeichnet worden ist. Nimmt man das Prinzip der Liberalitas Bavariae ernst, dann muss man natürlich jeden davon informieren, dass er aufgezeichnet worden ist. Das darf man nicht dem Zufall überlassen, sondern man muss die Information tatsächlich tatkräftig durchführen.

(Beifall bei der SPD und Abgeordneten der GRÜ- NEN)

Dann geht es auch darum, Ansprüche zu schaffen. Was haben wir doch schon für Zusagen in diesem Hause gehört - Vereinbarungen und Sonstiges, die dann nicht eingehalten worden sind! Lassen Sie uns doch gemeinsam, Herr Staatsminister Herrmann, Initiativen ergreifen, um rechtlich einen Anspruch des Bürgers zu begründen, dass er diese Daten löschen lassen kann. Was nützen uns Zusagen von Google, wenn sie nicht einklagbar sind? Was nützen uns Zusagen eines Konzerns, der weltweit tut und lässt, was er will? Dem können wir nicht Einhalt gebieten; das ist das Entscheidende.

Wir haben in unserem Antrag ganz deutlich formuliert: Wenn ein Datenaufnehmer um die Häuser fährt, Höfe fotografiert, Kühe fotografiert, was möglicherweise für weitere Ermittlungen ganz wichtig ist - die Behörden

können sich dann zumindest privat über Google entsprechend informieren -, sollte das mindestens so veröffentlicht werden, wie öffentlich-rechtliche Mitteilungen in Amtsblättern, Ausschreibungen und Sonstigem, damit es jeder Mensch weiß. Die Folge wäre - ich weise noch einmal darauf hin -, dass sich alles zurückzieht, wenn Google herumfährt. Das darf nicht sein. Schreiben Sie "FDP" drauf, Freiheit in Bayern. Dank FDP muss ich mich ins Haus zurückziehen. Herzlichen Dank! Das können wir so nicht stehen lassen.

(Beifall bei der SPD und Abgeordneten der GRÜ- NEN)

Die Löschung von Daten muss ein Anspruch sein. Wir können uns nicht immer auf Zusagen von Industrie und Sonstigen einlassen. Es spricht doch nichts dagegen, das gemeinsam zu formulieren, wenn wir den Datenschutz richtig im Auge behalten wollen.

Ich frage mich schon, was Sie mit Ihrem zu kurz gefassten Antrag erreichen wollen. Das ist doch nur ein reines Alibi-Gehabe. Diese Etikettierung nehmen Ihnen die Bürger draußen nicht mehr ab; denn es ist so, dass die Straßen verschlossen sind, wenn Google Aufzeichnungen macht.

Wir haben große Sorgen - davon ist auch der Innenminister betroffen -, dass damit Örtlichkeiten ausgespäht werden. Wenn jemand drei Tage lang vor einem Haus steht und auskundschaftet, wer da hinein- und herausgeht, fällt ihm viel auf. Das ist in Zukunft alles nicht mehr nötig. Wenn Google Street View richtig aufzeichnet, sind sämtliche Grundstücke mit Ausgängen und Hausnummern festgehalten; das kann man sich dann alles herunterladen. Das ist für mich persönlich ein Sicherheitsrisiko allererster Güte. Wenn das der Freiheit dienen soll, dann ist mir diese Freiheit zuviel!

(Beifall bei der SPD)

Der Antrag der SPD geht am weitesten, weil er konkrete Maßnahmen fordert, zum Beispiel Veröffentlichungspflichten. Wir wollen in diesem Hohen Haus Konsens herstellen, dass wir solche Aufzeichnungen in unserem Bayernland nicht wollen, es sei denn, wir wollen sie bewusst. Dann sollen die Bürgermeister ihre Kulturgüter ablichten lassen. Wir wollen aber nicht, dass unsere Häuser, unsere Kindergärten, unsere Grundstücke abgelichtet werden, und auch nicht, dass das abgelichtet wird, was uns am allerliebsten ist, nämlich unsere Freizeit. Das ist mir zu gefährlich.

(Beifall bei der SPD und Abgeordneten der GRÜ- NEN)

Herr Kollege, bleiben Sie gleich am Rednerpult. Ich er

teile Herrn Kollegen Fischer zu einer Zwischenbemerkung das Wort.

(Vom Redner nicht auto- risiert) Herr Kollege Arnold, offenbar haben Sie nicht gesehen - oder nicht sehen wollen -, dass sich unser Antrag sehr kritisch mit Google Street View auseinandersetzt. Ihr Antrag verfolgt zwar hoch gesteckte Ziele, aber mir ist nicht klar, wie Sie die erreichen wollen. Sie können nicht einfach etwas nach dem Motto verbieten: Jetzt machen wir ein Gesetz. Mich würde interessieren, wie Sie Ihren Antrag praktisch umsetzen wollen und welche verfassungsrechtlichen Chancen Sie sehen, dass das so möglich gemacht wird. Derartige Chancen sieht kein Datenschutzbeauftragter. Derartige Chancen sieht, nachdem Sie eine Bundesratsinitiative ansprechen, offensichtlich auch keines der SPD-geführten Bundesländer. Das überrascht mich schon.

(Beifall bei Abgeordneten der FDP)

Sehr geehrter Herr Dr. Fischer, wie Gesetzesinitiativen ablaufen, brauche ich Ihnen als Jurist nicht zu erklären; das ist das eine. Zum anderen mache ich Sie darauf aufmerksam, dass die Einigung zwischen Google Street View und dem Datenschutzbeauftragten deswegen zustande kam, weil der Datenschutzbeauftragte von Hamburg - offensichtlich hat er etwas in der Hose, und zwar am Hintern - gezwungen erklärt hat, dass er diese Aufnahmen verbieten wird, wenn diese Vereinbarung nicht getroffen wird. Was in Hamburg geht, wird in Bayern immer gehen, und zwar dreifach besser.

(Dr. Andreas Fischer (FDP): Das wollen wir doch auch!)

Wenn man sich wie Sie darin sonnen würde, dass man entsprechende Dinge verfassungsrechtlich bis zum Sankt Nimmerleinstag überprüfen lässt, verliert man ganz schnell das Ziel aus dem Auge. Mir geht es um den Schutz der Bürgerinnen und Bürger Bayerns und nicht um irgendwelche Präludien mit dem Titel "Liberalitas Bavariae", wie Sie sie dauernd abspielen.

(Beifall bei der SPD - Dr. Andreas Fischer (FDP): Auch wenn es rechtlich nicht geht?)

Herr Kollege, vielen Dank. Nächste Wortmeldung: Frau Kollegin Guttenberger.

Herr Präsident, Kolleginnen und Kollegen! Bei manchen Diskussionen kommt man doch sehr ins Grübeln.

(Horst Arnold (SPD): Stimmt!)

Das Böse lauert immer und überall. Ein Beschluss wurde nicht umgesetzt; ein Bericht wurde nicht gegeben. Es steht außer Frage, dass wir alle das Thema Google Street View mit großer Wachsamkeit betrachten. Das haben wir im Ausschuss hinreichend deutlich gemacht; das möchte ich nicht weiter ausführen.

Frau Kollegin Stahl, wir sind uns schon einig, dass der berühmte Beschluss, der nicht umgesetzt wurde, vom 27.05. stammt, wir seit den Pfingstferien keine Ausschusssitzung mehr hatten und dieser Bericht im Ausschuss gegeben werden sollte. Da sollte auch berichtet werden, welche datenschutzrechtlichen und sonstigen Möglichkeiten einer Problemlösung es geben wird. Wie gesagt, der Beschluss stammt vom 27.05. Welches Datum wir heute haben, wissen wir alle, und dass gerade Pfingsten war, wissen wir auch alle. Deshalb sollte man mit solchen Verdächtigungen im Interesse eines kontinuierlichen und vertrauensvollen Ablaufes gar nicht erst anfangen.

Ich bin schon einigermaßen verwundert, dass ich jetzt das Wiederaufleben eines GRÜNEN-Antrags vom Januar dieses Jahres erlebe, weil man erst den Bericht abwarten sollte. Wir waren uns auch alle darüber im Klaren - ich hoffe, das sind wir immer noch, auch wenn ich heute von der SPD schon etwas erschreckende Aussagen zum Verfassungsrecht gehört habe -, dass jedes Recht auch im verfassungsmäßigen Kontext gesehen werden muss. Wir wissen auch, dass Datenschutz ausgelegt werden muss. Es ist rechtlich nicht zulässig, einfach nach Gutsherrenart etwas zu verbieten: "Das gefällt uns nicht, und diese Firma gefällt uns auch nicht, die darf sich hier nicht bewegen."

Das wissen wir auch alle. Wir wissen, dass wir nicht grundsätzlich eine Aufzeichnung verbieten können, weil die Kolleginnen und Kollegen, die hier sitzen, dann auch nicht einfach ein Urlaubsfoto von der Residenz machen könnten; denn es könnte da vielleicht jemand ins Bild laufen. Das würde dann ein großes datenschutzrechtliches Problem ergeben. Das wissen Sie auch alle, auch wenn Sie jetzt so tun, als wüssten Sie es nicht.

(Dr. Paul Wengert (SPD): Und das muss man sich anhören!)

Man muss zwischen der Erhebung und der Verbreitung von Daten unterscheiden. So sieht es auch der Antrag der FDP, den wir ausdrücklich unterstützen. Wir waren uns im Ausschuss auch darin einig, dass man widersprechen kann. Man kann bereits vorher widersprechen, und man kann klarlegen, welche Daten man veröffentlicht haben will und welche nicht. Es ist wesentlich angenehmer und leichter, vorher zu widerspre

chen, wenn ich den Routenplan kenne. Das steht wohl außer Frage.

(Horst Arnold (SPD): Anspruchsgrundlage!)

Das ist ein Antrag, der, nicht so wie Ihre Anträge, den Beschluss vom Mai gar nicht mehr gelten lassen will. Es ist ein Antrag, der den Beschluss im Vorfeld des Ergebnisses flankiert und für die Bürgerinnen und Bürger eine leichtere Art der Umsetzung und eine effizientere Art der Umsetzung gewährleistet. Das halte ich für absolut richtig und wichtig.

Tun wir doch nicht so, als würden wir hier in einem realitätsfernen Raum leben. Jeder, der sich jemals einen Ort über Google Maps angesehen hat, weiß: Er kann erkennen, wie man in ein Haus hineinkommt und wo die Eingangstüre ist. Aufgrund der Daten können sie sogar sehen, in Umrissen, was auf der Terrasse steht. Ich weiß zum Beispiel, die Aufnahme muss älter als drei Jahre sein, denn die Garnitur, die auf der Terrasse steht, habe ich seit etwa drei Jahren nicht mehr.

(Horst Arnold (SPD): Und das ist gut so!)

Ich kann all dies also bereits jetzt ersehen. Wir tun jetzt so, als wäre da nichts ersichtlich, als wäre keine Straße, kein Haus ersichtlich. Das alles gibt es doch bereits.

Nunmehr geht es darum, dass ich Hausnummern und Gesichter löschen lassen kann und, dass ich vielleicht nicht unbedingt mein Kfz-Kennzeichen auf dieser Darstellung haben möchte. In dieser Frage sind wir uns wieder einig: Das wollen wir auch. Wir wollen das aber realistisch und machbar gestalten. In Ihrem Antrag steht, jeder ist zu informieren, dass er eventuell aufgenommen worden ist. Gerade hier sehe ich einen Verstoß gegen den Datenschutz, denn ich müsste zu jedem, der auf dem Marienplatz herumgelaufen ist sagen: Geben Sie mir doch bitte ihre Adresse, denn ich muss Sie anschreiben. Ich muss Ihnen meine Aufnahmen vorspielen. Sie können dann entscheiden, ob ich die Aufnahme löschen soll. - Entschuldigung! Wir müssen schon realistisch miteinander umgehen und leben.

Aus diesem Grund unterstützen wir den Dringlichkeitsantrag der FDP. Wir werden ihm zustimmen, weil er die Widerspruchsmöglichkeiten für die Bürgerinnen und Bürger erleichtert. Wir sollten nicht so tun, als wüsste der Bürger nicht, wohin er sich wenden kann. Es gibt das Verbraucherinformationssystem Bayern. Dort kann sich der Bürger informieren, wie er es macht. Es gibt zu Google View das "Google Streetview Germany", wo sich der einzelne auch hinwenden kann. In jeder Plattform kann er die Adressen finden, wohin er sich wenden kann, um zu widersprechen. Auf dieser Basis halten wir den Vorschlag, die Routen bekannt zu geben und ähnliches für einen wichtigen Punkt. Da kann ich mir näm

lich im Vorfeld schon überlegen, ob meine Straße dabei ist. Dann kann ich mein Recht schnell wahrnehmen.

(Horst Arnold (SPD): Anspruchsgrundlage!)

In dieser Zeit kann ich dann auch entscheiden, ob ich es möchte, dass die Aufnahmen verpixelt werden oder nicht. Vielleicht ist es mir auch egal, denn es gibt auch Menschen, denen das schlicht egal ist. Dieser Antrag ergänzt den Beschluss vom 27.05.09. Ansonsten halten wir an dem Beschluss fest. Wir werden also dem FDP-Antrag als einer sinnvollen Erweiterung und einer Ergänzung dieses Beschlusses zustimmen. Die anderen Anträge werden wir, aus genau den rechtlichen Gründen, die schon Herr Kollege Fischer ausgeführt hat, ablehnen.