Dringlichkeitsantrag der Abg. Margarete Bause, Sepp Daxenberger, Ulrike Gote u. a. und Fraktion (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Google Street View - Keine Verwendung von Datenmaterial aus Bayern (Drs. 16/1539)
Dringlichkeitsantrag der Abg. Franz Maget, Franz Schindler, Horst Arnold u. a. und Fraktion (SPD) Google Street View (Drs. 16/1540)
Die Redezeit der Fraktionen hat sich noch einmal verlängert. Ich erteile Herrn Dr. Fischer zur Berichterstattung über den Dringlichkeitsantrag der FDP das Wort.
(Vom Redner nicht auto- risiert) Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren, Kolleginnen und Kollegen! Das Thema Google Street View ist - man möchte fast sagen zur Abwechslung - ein aktuelles Thema. Es ist nicht nur deswegen aktuell, weil wir jetzt im Juni und Juli wieder Aufzeichnungswagen durch bayerische Städte fahren sehen, zum Beispiel in Nürnberg oder Fürth. Es ist auch deswegen besonders aktuell, weil gerade in den letzten beiden Tagen in den Medien berichtet worden ist, dass Google Zugeständnisse gemacht und sich mit dem Datenschutzbeauftragten geeinigt hat. Das ist zumindest ein Schritt in die richtige Richtung, den wir auch begrüßen. Ist unser Antrag aber damit überflüssig geworden? - Leider nein.
Ich möchte einige Ausführungen zur Rechtslage machen. Fahrten, bei denen Aufzeichnungen erfolgen, können nicht ohne weiteres verboten werden. Sie können nicht verboten werden, wenn folgende vier Voraussetzungen gegeben sind:
Drittens. Es muss die Möglichkeit eines Widerspruches gegen die Veröffentlichung der Betroffenen geben.
Das alles hört sich relativ klar an. Der Teufel steckt jedoch, wie so oft, im Detail. Verehrte Kolleginnen und Kollegen, was heißt "ausreichende Anonymisierung"? Verpixelt wird nämlich nur das Gesicht. Manche Menschen lassen sich aber bereits an der Statur sehr ein
deutig erkennen. Selbst Google räumt ein, dass es eine Fehlerquote gibt, dass die Anonymisierung nicht fehlerlos klappt und dass es Ausreißer gibt.
Nun zum entscheidenden Punkt: Wie exakt müssen Fahrten angekündigt werden? Wie soll die Benachrichtigung erfolgen? Das ist der Kernpunkt. Unsere Nachfrage beim Hamburger Datenschutzbeauftragten, mit dem wir in intensivem Kontakt stehen, hat ergeben, dass die Einigung bedeutet, dass die Fahrtrouten in etwa angegeben werden. Google könnte zum Beispiel sagen, dass man im Juli von München über Landsberg nach Memmingen und Kempten fahren wolle. Wann und wo genau die Aufzeichnungen erfolgen, weiß man nicht. Der Bürger ist nicht genau informiert.
Es gibt zwei entscheidende Gründe, warum man als Bürger wissen sollte, wann die Aufzeichnungen erfolgen. Der erste Grund: Es ist zwar höchst umstritten, ob Abbildungen von Immobilien einen Persönlichkeitsbezug aufweisen und vor unfreiwilliger Aufzeichnung geschützt sind. Natürlich habe ich aber das Recht, zu verhindern, dass nicht ich, meine Familie oder meine Katze aufgenommen werden. Hier kann ich Vorkehrungen treffen. Das ist aber nur möglich, wenn ich ganz genau weiß, wann und wo eine Aufzeichnung erfolgt.
Der zweite Grund ist, dass ich von meinem Widerspruchsrecht Kenntnis haben muss. Wenn ich keine Kenntnis habe, kann ich der Veröffentlichung auch nicht widersprechen. Ich muss wissen, wann und wo aufgezeichnet wurde. Stellen Sie sich vor, ich würde erst im Juli erfahren, dass in München aufgezeichnet wurde. Wenn Sie zufälligerweise ein Münchner Abgeordneter sind, werden Sie nicht mehr genau wissen, wann Sie welche Straße in München besucht haben. Vielleicht war eine Straße dabei, in der Sie nicht aufgenommen werden wollten. Deshalb ist es wichtig, dass eine Benachrichtigung der Bürger erfolgt.
Ich möchte jetzt zu den beiden nachgezogenen Dringlichkeitsanträgen Stellung nehmen. Zunächst zum Antrag der GRÜNEN: Ich bin schon etwas enttäuscht darüber, dass Sie so einfallslos sind, Ihren alten Entwurf wieder einzubringen. Ich frage Sie konkret: Warum sollte die Bayerische Staatsregierung in Verhandlungen mit Google eintreten, wenn doch schon die zuständigen Datenschützer seit Monaten verhandeln? Glauben Sie, dass dadurch das Gewicht in entscheidendem Maße verändert wird?
Ich frage Sie weiter: Warum stellen Sie einen Antrag, der von vornherein rechtlich nicht umsetzbar ist, weil das Aufzeichnen grundsätzlich zulässig ist? Sie können es nicht verhindern. Es geht nicht um das Ob, sondern um das Wie. Deswegen können wir diesem Dringlichkeitsantrag so nicht zustimmen. Es gibt einen weiteren
Grund: Eine Löschungsanordnung, die Sie haben möchten, kann vom Freistaat Bayern nicht verfügt werden. Hinsichtlich der anonymisierten Daten ist dies rechtlich schlicht nicht möglich. Hinsichtlich der nicht anonymisierten Daten fehlt es an der Zuständigkeit. Hier müsste der federführende Hamburger Datenschutzbeauftragte tätig werden. Werte Kolleginnen und Kollegen, Ihr Antrag geht nicht nur zu weit, er geht ins Leere.
Nun zum Dringlichkeitsantrag der SPD. Auch dieser Antrag wirft Fragen auf. Werte Kolleginnen und Kollegen, was sind "unfreiwillige Aufnahmen"? Welche Folgerungen ergeben sich aus der Aussage, dass die Staatsregierung dagegen sei? Der zweite Satz in Ihrem Antrag ist richtig. Er ist aber auch überflüssig, weil er genau so bereits vom Ausschuss für Verfassung, Recht, Parlamentsfragen und Verbraucherschutz beschlossen wurde. Schließlich fordern Sie gesetzliche Ansprüche auf Löschung. Diese kann nur der Bundesgesetzgeber schaffen. Die Bayerische Staatsregierung könnte nur im Rahmen einer Bundesratsinitiative tätig werden.
Wie sollen die Betroffenen nachträglich benachrichtigt werden? Entschuldigen Sie bitte, aber es ist doch realitätsfremd zu fordern, dass die Betroffenen benachrichtigt werden sollen. Soll überall, wo der Wagen durchgefahren ist, an die Anwohner ein Brief versandt werden? Das geht nicht. Richtig ist lediglich der fünfte Satz, weil er eine Konkretisierung auf zwei Wochen enthält. Ansonsten entspricht er genau unserem Antrag. Das reicht mir nicht, um Ihrem Antrag zuzustimmen.
Meine Damen und Herren, Politik ist die Kunst des Machbaren. Deswegen schließen Sie sich unserem Antrag an, da ist alles drin.
Nächste Wortmeldung für die Fraktion des BÜNDNISSES 90/ DIE GRÜNEN: Frau Kollegin Stahl. Bitte schön.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, mein Vermittlungsversuch, diesen Tagesordnungspunkt in die Ausschüsse zu verweisen, hat leider keine Gegenliebe erfahren. Deswegen müssen wir uns jetzt mit dem Thema befassen. Liebe FDP, Sie haben sich damit keinen Gefallen
getan. Letztendlich zeigt Ihr Antrag sehr deutlich - deshalb hätten Sie der Debatte im Ausschuss zustimmen sollen -, dass sich die Staatsregierung von Google Street View mit vagen Zusicherungen hat abspeisen lassen, nämlich Minimalforderungen des Bundesdatenschutzgesetzes erfüllen zu wollen.
Sie haben sich mit sehr wenig zufrieden gegeben. In den Pressemitteilungen der letzten Wochen, vor allem in den Pfingstferien, wollten Sie den Bürgerinnen und Bürgern weismachen, dass Sie sich ernsthaft mit dem Datenschutz beschäftigt hätten. Letztendlich sind Sie doch geblieben, was Sie immer sind, wenn es um wirtschaftliche Interessen geht: Sie sind Datenschützer auf Urlaub. Sie schicken aus dem Urlaub irgendwelche Beruhigungspostkarten an die Daheimgebliebenen.
Bereits im Januar 2009 - ich komme zu Ihrem Vorwurf, Herr Dr. Fischer, den ich ein bisschen daneben finde haben wir diesen Antrag eingereicht. Insofern ist es richtig, dass das ein bereits existierender Antrag ist. Auf Wunsch der CSU und der FDP haben wir den Antrag in einen "Berichtsantrag" umgewandelt. Ich war einverstanden, weil das der Positionsfindung dienen sollte. Daraus uns einen Strick drehen zu wollen,
obwohl wir bis heute den Bericht nicht bekommen haben, der Austausch aber über die Medien stattfindet, beweist, dass Sie mit sehr viel Chuzpe arbeiten.
Sie dürfen sich also nicht wundern, wenn wir uns an Zusagen nicht gebunden fühlen und den ursprünglichen Antrag wieder auf das Tapet bringen.
Ich frage mich, ob wir den Bericht noch nicht bekommen haben, weil sich Innen- und Justizministerium nicht einigen können, wer letztendlich für den Verbraucherdatenschutz zuständig ist. Das Justizministerium gibt Pressemitteilungen heraus, und der Innenminister gibt ebenfalls Pressemitteilungen heraus. Es wäre schön zu wissen, wo der Verbraucherdatenschutz verortet ist. Wir jedenfalls machen das Theater nicht mit und stellen unseren alten Antrag zur Abstimmung. Wir beugen uns Google Street View nicht, wir fordern: Stoppt Google.
Weitere Datenerhebungen sind zu unterlassen. Erstellte Datenbestände sind zu löschen. Bei Nichtbeachtung
sind gegebenenfalls rechtliche Schritte einzuleiten. Der Antrag enthält keine weiteren Verhandlungsaufträge, sondern es heißt, dass sich die Staatsregierung mit Google Deutschland auseinandersetzen und darauf hinwirken soll, dass eine Erhebung von weiterem Datenmaterial nicht stattfindet; denn die ist inzwischen angekündigt worden für Juni und Juli 2009, wie im Antrag der FDP beschrieben.
Es geht nicht um Löschungsanordnungen, sondern es soll darauf hingewirkt werden, dass bereits bestehende Datenbestände gelöscht werden. Das alles ist meines Wissens nicht verhandelt worden. Sie sind schon darüber froh, dass verkündet werden kann, dass uns Widerspruchsrechte nach dem Bundesdatenschutzgesetz zustehen - wie immer das in der Realität aussehen soll.
Sie kritisieren, dass die Forderungen der SPD unrealistisch sind. Ihre sind auch nicht sehr viel realistischer; denn wie wollen Sie informieren, damit alle Menschen wissen, dass Sie ein Widerspruchsrecht haben. An diesem Punkt wird der Datenschutz scheitern.
Bei Nichtbeachtung durch Google - der Punkt, zu dem wir rechtliche Schritte verlangen - ist es durchaus möglich, mit den bestehenden Gesetzen zu operieren. Wenn Sie es mit dem Datenschutz ernst meinen, sollten Sie wenigstens den Versuch starten, die rechtlichen Möglichkeiten auszuschöpfen. Ich denke an § 4 Absatz 2 des Bundesdatenschutzgesetzes in Verbindung mit § 3 des Bundesdatenschutzgesetzes, in dem es um die Erhebung, automatisierte Verarbeitung und Veröffentlichung personenbezogener Daten geht. Unter bestimmten Umständen könnte man prüfen, ob § 29 des Bundesdatenschutzgesetzes greifen könnte, wenn es um die Bereitstellung von Daten von Grundstücken und Wohnungen im Internet geht.
Für uns ist Folgendes klar: 66 % der Bürgerinnen und Bürger sehen Google Street View äußerst kritisch und halten das Vorgehen für bedenklich. Nur 28,5 % halten Google-Aktionen für unbedenklich. 5,4 % ist das egal.
Google Deutschland meint, man müsse den Menschen die Angst nehmen. Ich meine, Google hat überhaupt noch nicht begriffen, wo die Bürger und Bürgerinnen nach all den Skandalen heute stehen. Es geht nicht darum, Menschen die Angst zu nehmen und sie über diese Behauptung schon fast diffamierend in die Psychoecke zu stellen. Es geht darum, die Menschen, die ihr Recht auf Selbstbestimmung in den Netzen wahrnehmen wollen, ernst zu nehmen.
Die Bürgerinnen und Bürger sind sensibler geworden, weil sie sehen - hier gebe ich den Ausführungen von
Herrn Herrmann recht -, dass mit Rundumaufnahmen Sicherheitsbedürfnisse nicht ausreichend gedeckt werden. Ich möchte nicht, dass meine Wohnung, mein Haus oder wo immer ich lebe, in Zukunft von den Nazis per Google Street View ausfindig gemacht werden kann. Mir reicht es bereits, dass ich namentlich und mit Foto bei diesen Leuten im Netz auftauche. Man muss sehen, dass es auch Unsicherheitsaspekte gibt.
Ich weise darauf hin, dass die Redezeit verlängert wurde. Es kann nicht sein, dass hier angezeigt wird, meine Redezeit sei zu Ende.
Der Internetanbieter missachtet seit Langem die Privatsphäre der Menschen, indem er große Mengen persönlicher Daten auswertet und für kommerzielle Zwecke verfügbar macht. Wem das egal ist - in Ordnung. Ich will niemanden missionieren. Das sind die circa 30 % Menschen, von denen ich vorhin gesprochen habe. Diesen Leuten stehen mannigfaltige Möglichkeiten zu nach der Devise, mein Haus, meine Familie, meine Yacht, mein Hamster, alles ins Internet einzustellen. Der Rest von uns soll in Ruhe gelassen werden. Wir haben ein Recht darauf. Danke.