Es ist zwar problematisch, Herr Kollege Arnold, sich auf den Koalitionsvertrag zu berufen. Er hat sicherlich keine Drittwirkung. Das ist kein Vertrag zugunsten Dritter. Das ist wohl wahr. Wenn ich aber etwas in einen Koalitionsvertrag schreibe, sollte ich - wenn ich mich der Wahrheit und der Ehrlichkeit verpflichtet fühle - es auch umsetzen und nicht sagen, ich werde es umsetzen, aber erst dann, wenn diejenigen dran sind, die wieder die Rolle rückwärts machen können.
Die Kollegen haben das Wesentliche schon gesagt. Deshalb beschränke ich mich auf einen einzigen Punkt, der allerdings in der Tat unglaublich ist. Das ist die Aussage zur G-10-Kommission, man könne nicht jedem trauen. Ich frage Sie: Sitzt in diesem Landtag die Linkspartei? Ich hätte Verständnis, wenn Sie sagen würden, dass man solche Menschen nicht in eine solche Kommission wählen kann. Sie werden doch die Fraktionen der Freien Wähler, der SPD und der GRÜNEN nicht mit der Linkspartei oder einer rechtsaußen DVU oder NPD gleichsetzen. Meine Damen und Herren, das geht eindeutig zu weit.
Wenn Sie der Auffassung sind, dass Vertreter der Freien Wähler in einer derartigen Kommission ungeeignet sind, weil zu befürchten sei, dass Indiskretionen nach außen dringen, schlage ich Ihnen vor: Durchleuchten Sie Ihren eigenen Parteiapparat, darauf hin, was da nicht erst seit vorgestern an der Tagesordnung ist. Ich an Ihrer Stelle hätte vor einigen Ihrer Kollegen mehr Angst als vor den Freien Wählern.
Herr Präsident, Kolleginnen und Kollegen! Herr Pohl, zu Ihrer Aufforderung an uns, zur Beichte zu gehen: Die Scheinheiligkeit ist bekanntlich der Tribut der Tugend an das Laster. Insoweit sollten Sie in sich selbst gehen.
Meine Damen und Herren, Sie machen die Sache komplizierter, als sie ist. Bei den Tagesordnungspunkten vier bis sieben geht es um die Besetzung verschiedener Gremien aus dem Hohen Haus. Dabei setzen sich der Rundfunkrat und der Medienrat nur zum geringeren Teil aus Vertretern der Fraktionen des Landtags zusammen. Auch die Datenschutzkommission stellt kein Abbild des gesamten Parlaments dar. Anders ist das bei den Untersuchungsausschüssen, die als echte Parlamentsausschüsse das Gesamtparlament widerspiegeln.
Wenn aus dem Parlament heraus Positionen in begrenzter Zahl zu besetzen sind, ist es ganz natürlich, dass sich die Frage nach dem Modus stellt. Darüber im Hinblick auf die verschiedenen Gremien zu entscheiden, gehört zum Selbstorganisationsrecht des Parlaments. Um das vorwegzunehmen: Wir werden bei den Tagesordnungspunkten vier bis sechs entsprechend den Beschlussempfehlungen der letztberatenden Ausschüsse zustimmen. Tagesordnungspunkt 7, Ihren Antrag, verehrte Kolleginnen und Kollegen der Opposition, werden wir ablehnen.
In den vergangenen Legislaturperioden hat der Landtag mit guten Gründen nahezu ausschließlich nach dem Verfahren des belgischen Professors d’Hondt Positionen verteilt. Dieses Divisorverfahren hat sich bewährt. Seine Vorteile liegen in der einfachen Handhabung und darin, dass in einem Gang alle Positionen vergeben werden können. Das d’Hondt’sche Verfahren wird ebenso wie das Verfahren nach Hare-Niemeyer und das Verfahren nach Sainte-Laguë/Schepers seit Langem als verfassungsgemäß akzeptiert. Der von Ihnen als Präsident für das Bundesverfassungsgericht vorgeschlagene Würzburger Staatsrechtler Horst Dreier schreibt beispielsweise in seinem Grundgesetz-Kommentar, einem der anerkanntesten Kommentare, ganz eindeutig, dass das d’Hondt’sche Verfahren verfassungsgemäß sei. Geringfügige Ungenauigkeiten sind bei allen Verfahren verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden. Genauso wie das d’Hondt’sche Verfahren haben auch die beiden anderen Verfahren Vor- und Nachteile.
Um es klar zu sagen, hier geht es nicht um die Frage, ob die Verfahren verfassungsmäßig oder nicht verfassungsmäßig sind; es geht auch nicht um die Frage, ob die Verfahren demokratisch oder nicht demokratisch
sind. Die Entscheidung ist eine Organisationsentscheidung im Rahmen der Autonomie des Parlaments. Sie finden weder im Grundgesetz noch in der Bayerischen Verfassung eines der Berechnungsverfahren niedergelegt.
- In der Rechtsprechung ist die Tendenz auch ganz klar, dass das Verfahren nach d’Hondt verfassungsgemäß ist.
Wir in der Koalition haben uns dafür entschieden, dass das Verfahren nach Sainte-Laguë/Schepers in dieser Legislaturperiode für die Ausschussbesetzungen anzuwenden ist. Insofern liegt es nahe, dass wir auch bei den Untersuchungsausschüssen so verfahren. Allerdings haben wir uns für die Besetzung des Medienrates und des Rundfunkrates anders entschieden. Hier sind sich die Koalitionsfraktionen darüber einig geworden, dass in dieser Legislaturperiode für die Besetzung der dem Landtag zustehenden Plätze das d’Hondt’sche Verfahren angewandt werden soll.
Meine sehr geehrten Damen und Herren von der Opposition, dem hat im Übrigen der federführende Ausschuss einstimmig zugestimmt. Es ist geradezu lächerlich, wenn hier gesagt wird, Sie seien überrumpelt worden. Ich meine, Sie haben genügend erfahrene Parlamentarier, dass Sie sich nicht überrumpeln lassen. Diesem Übergangsreglement haben Sie im federführenden Ausschuss einstimmig zugestimmt. Erst später sind Sie darauf gekommen, dass das Verfahren nach Sainte-Laguë/Schepers für Sie vielleicht ein bisschen günstiger sein könnte. Deshalb haben Sie sich bis zur Endberatung im Rechtsausschuss eines anderen besonnen. Das ist zwar verständlich, aber es wird Ihnen nichts nützen, denn anders als die Berechnungsverfahren ist das Mehrheitsprinzip in der Verfassung verankert. Dieses Prinzip gehört zu den demokratischen Spielregeln, und die Mehrheit hat sich nun anders entschieden.
Das Gleiche für gilt für die Datenschutzkommission. Auch hier haben wir uns für die Übergangsregelung entschieden.
Dass Sie in der G-10-Kommission die Mitgliederzahl auf sechs erhöhen wollen, halten wir nicht für sachgerecht. Die Konstituierung als Dreiergremium entspricht dem hohen Geheimhaltungsinteresse. Eine Verringerung der Zahl der Mitglieder ist immer ein Mittel, um die Geheimhaltungsmöglichkeiten zu verbessern. Dieses Verfahren entspricht der Behandlung sicherheitsrechtlich hoch brisanter Themen, und es entspricht der Notwendigkeit, schnell die Beschlussfähigkeit des Gremi
ums herzustellen, um eine Entscheidung treffen zu können. Die Spiegelbildlichkeit ist gerade bei der G-10Kommission nicht zu beachten, denn es handelt sich dabei um keinen Ausschuss im eigentlichen Sinn. Insoweit ist unsere Haltung klar.
Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Zuerst möchte ich feststellen: Hier wird nicht getrickst. Wir alle wissen, worüber wir reden. Deswegen ist das Verfahren transparent, und es ist den Mehrheiten geschuldet. Es wurde hier schon angesprochen: Die Erfolge, die wir jetzt im Parlament gemeinsam nutzen können, haben wir der FDP zu verdanken. Alle Fraktionen, die etwas kleiner sind als die CSU-Fraktion, sind ganz froh darüber, dass wir das Verfahren nach d’Hondt hier im Parlament nicht mehr anwenden müssen.
Darf ich Sie ganz kurz unterbrechen? Ich habe noch bekannt zu geben, dass für diese Gesetzentwürfe namentliche Abstimmung beantragt wurde.
Jedenfalls kann ich feststellen, dass sich die FDP mit der Forderung, das Zählverfahren nach Sainte-Laguë/Schepers einzuführen, auf ganzer Linie durchgesetzt hat. Da eine Koalition aber auch Kompromisse erfordert, haben wir hinsichtlich des Zeitpunkts der Einführung dieses Verfahrens einen Kompromiss schließen müssen. Ich kann mit der getroffenen Vereinbarung leben. Schon Martin Luther hat gesagt: "Hier stehe hier, ich kann nicht anders."
Das Thema ist relevant für den Rundfunkrat und für den Medienrat, ebenso für die Untersuchungsausschüsse. Mit Ihren Anträgen haben Sie von der Opposition offene Türen eingerannt. Die CSU hat die bisher von der CSU verschlossene Tür entriegelt. Der vorgelegte Gesetzentwurf hätte ohne uns keine Chance gehabt. Jetzt könnten alle Fraktionen den Gesetzentwürfen zustimmen.
In der Datenschutzkommission ist jetzt schon jede Fraktion vertreten, sodass ich hier kein großes Problem sehe, wenn man das neue Verfahren etwas später einführt. Deswegen wird die FDP-Fraktion bei den Entwürfen unter den Punkten vier, fünf und sechs positiv
abstimmen und diese Änderungen so beschließen. Zumindest muss dann eine andere Mehrheit in der nächsten Legislaturperiode argumentieren, warum man von diesem Verfahren wieder abweichen will. Das ist dann schwieriger, und die Ausgangslage, die man dann vorfinden wird, ist eindeutiger. Davon muss man dann erst einmal wieder abweichen, auch wenn sich die Mehrheiten vielleicht wieder ändern.
Bei der G-10-Kommission finde ich es schade, dass hier nicht das Verfahren genannt wird, nach dem die Mitglieder zu bestimmen sind. Wir, die FDP, halten aber auch aus Geheimhaltungsgründen die Beschränkung auf ein kleines Gremium für geboten. Die Geschäftsordnung der Kommission muss durch das parlamentarische Kontrollgremium bestätigt werden. Dort sind auch alle im Landtag vertretenen Fraktionen repräsentiert. Das ist übrigens auch ein Erfolg der FDP.
Die brisanten Einzelfälle sollten wirklich nur von wenigen Kolleginnen und Kollegen verantwortungsbewusst geprüft werden. Wir halten diese Kontrolle der Aktivitäten des Innenministeriums im Rahmen der Telefonüberwachung für angemessen.
In der Geschäftsordnung steht auch nicht, wer diese Kolleginnen und Kollegen aus dem Hause sind. Es können auch andere sein. Dass es Kolleginnen und Kollegen der meist größeren Fraktionen sind, ist unbestritten. In diesem Falle ist ein kleines Gremium das richtige. Deswegen haben wir gesagt, dass wir in dieses Gremium nicht hineingehen. Es ist in Ordnung, wenn es drei Kollegen machen. Die Themen sind sehr brisant. Wegen der Geheimhaltung ist das richtig so. Deshalb bitte ich Sie, den Gesetzentwurf unter Nummer sieben abzulehnen.
Ich habe noch einige Minuten Zeit. Aber keine Angst, ich werde sie nicht ausschöpfen. Die Frage, ob es eine namentliche Abstimmung gibt, scheint noch offen zu sein. Sie scheinen Angst zu haben, dass Sie nicht genügend Abgeordnete zusammenbringen, um tatsächlich die Mehrheit zu haben. Der Grund für meine Wortmeldung liegt aber darin, dass der Kollege Bausback das d’Hondt’sche Verfahren ohne Wenn und Aber freige
sprochen und es für in jedem Fall für verfassungsgemäß erklärt hat. Dazu muss man schon noch eine Bemerkung machen.
Bezüglich der Landtagswahlen ist das Verfahren für verfassungswidrig erklärt worden, weil es insgesamt sieben Mal angewendet wurde. Zur Besetzung kommunaler Ausschüsse gibt es ein Urteil des Verwaltungsgerichtshofes, wonach das d’Hondt’sche Verfahren nicht in jedem Fall angewandt werden darf, nämlich dann nicht, wenn es zu Überaufrundungen und Unterrepräsentationen kommt. Im Moment ist eine Verfassungsklage gegen die Anwendung des d’Hondt’schen Verfahrens bei der Auszählung der letzten Kommunalwahl anhängig. Diese Klage ist sehr gut begründet. Sie enthält viele Beispiele, bei denen es zu erheblichen Verzerrungen gekommen ist. Die FDP hat auch schon ein paar Mal gegen d’Hondt geklagt.
- D’Hondt ist aber vom Kollegen Bausback für anwendbar und verfassungsgemäß erklärt worden. Deswegen habe ich hier noch einmal diese Bemerkungen gemacht; denn Sie wollen auch die nächsten viereinhalb Jahre d’Hondt für die betreffenden Gremien anwenden.
Herr Präsident, Kolleginnen und Kollegen! Schade, dass Herr Kollege Pohl nicht da ist. Er hat vorhin gefragt, ob wir den Fraktionen nicht trauten, dass sie auf dem Boden der Verfassung stünden. Wenn ich an seinen Antrag zum Aktiengesetz denke, der heute auf der Tagesordnung stand, dann zweifle ich gelegentlich schon an der Verfassungsmäßigkeit der Aussagen.
Davon abgesehen: Es ist nicht die Frage, ob die Fraktionen dieses Landtags in der Verfassung verwurzelt sind, wenn es um die Zusammensetzung der G-10Kommission geht. Es ist vielmehr eine Frage des Geheimschutzes. So wie bekanntlich vier Augen mehr sehen als zwei, so plappern auch sieben Münder mehr als drei.