Heute stehen nicht die Rechtsgrundlage zur Sicherungsverwahrung und auch nicht die Verlegenheitslösung des Therapie und Unterbringungsgesetzes TUG - zur Debatte mit seinen ungeeigneten Begriffen, beispielsweise psychische Störung, ohne das dazuge
hörige Krankheitsbild. Wir sprechen heute lediglich über den Vollzug der Sicherungsverwahrung, vielleicht sollte man besser sagen: der Sicherungsunterbringung. Auf der Bundesebene wird das Thema unter diesem Stichwort diskutiert. Es ist Aufgabe der Länder.
Wir wissen, dass ein solches Gesetz im Vollzug kein bloßer Abklatsch des Strafvollzugsgesetzes sein darf. Auch darin stimmen wir überein. Ich möchte dem vorliegenden Gesetzentwurf sehr viel Positives abgewinnen. Wir alle wissen, dass es wieder sehr auf den Inhalt und die Realität ankommen wird. Ich verweise insbesondere auf die Presseerklärung der Gewerkschaft Strafvollzug, den Bund der Strafvollzugsbediensteten Deutschlands - BSBD -, der gestern auf fünf Seiten sehr differenziert klargemacht hat, was er sich von einer Sicherungsverwahrung in den Ländern verspricht und wie sie ausgestaltet sein muss.
Es ist richtig, wie Kollege Dr. Rieger gesagt hat, dass man so etwas nicht einfach stemmt, sondern dafür braucht man sehr viel Geld. Da wird sich im Detail zeigen, ob wir es schaffen, mit den eingesetzten Haushaltsmitteln das Abstandsgebot zwischen normalem Strafvollzug und der Sicherungsunterbringung zu wahren. Ob dafür zum Beispiel fünf Euro mehr Taschengeld pro Monat geeignet sind, werden wir diskutieren müssen. Ich würde es deshalb sehr begrüßen, wenn wir hier mit den Fachleuten ins Gespräch kämen.
Vom Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte und vom Bundesverfassungsgericht wurden Grundsätze und Leitlinien mit auf den Weg gegeben. Wir sehen, dass ein paar Mindeststandards mehr, ein paar Freistunden mehr und etwas mehr Taschengeld nicht genügen werden, sondern dass Behandlung und Therapie im Vordergrund stehen müssen. Auch dazu bekennt sich die Staatsregierung. Da liegt der Hund aber wieder im Detail begraben; es ist die Frage, ob tatsächlich in dem Maße Therapieplätze vorhanden sein werden. Wir erleben - dazu gab es ebenso schon Presseberichterstattungen -, dass ein Straftäter zwar irgendwann einmal zu Beginn seiner Haft gefragt wird, ob er eine Therapie machen will, er das aber überhaupt noch nicht einsieht, diese Therapie abbricht und dann nur bedingt ein neues Angebot erhält. Oder wir haben Therapieabbrecher, die dann ebenso nur sehr schwer einen zweiten Anlauf starten können. Ich meine, es ist mehr möglich, als bisher getan wird. Wir werden das aber alles noch im Detail im Ausschuss diskutieren.
Herr Präsident, Kolleginnen und Kollegen! Das Bundesverfassungsgericht hat in seinem Urteil vom 4. Mai 2011 sowohl dem Bund als auch den Ländern klare Hausaufgaben zugeteilt. Der Bund ist gezwungen, weitreichende Änderungen im materiellen und formellen Strafrecht vorzunehmen. In den Ländern ist ein Sicherungsverwahrungsvollzugsgesetz zu schaffen.
Die Vorgaben für dieses Gesetz sind klar und eindeutig. Es ist ein therapiegerichteter und freiheitsorientierter Vollzug erforderlich. Das Abstandsgebot muss gesichert werden. Sicherungsverwahrung ist dem Wesen nach etwas anderes als Strafvollzug. Aber eines ist klar: Auch wenn Sicherungsverwahrung etwas anderes als Strafvollzug ist, muss die Sicherheit nach außen gewährleistet werden. Niemand hätte Verständnis dafür, wenn ein effizienter Schutz der Bevölkerung dabei auf der Strecke bliebe. Immer ist zu berücksichtigen, dass es sich hier um schwerste Straftäter handelt, auch um solche, die nicht therapierbar sind.
Der bayerische Entwurf, der von der Staatsregierung vorgelegt wird, wird den Zielen und Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts gerecht. Er dient der Verwirklichung der Vollzugsziele, nämlich der Minderung der Gefährlichkeit der Sicherungsverwahrten für die Allgemeinheit und deren Schutz, aber auch der Förderung der Vollstreckung durch einen freiheitsorientierten und therapiegerichteten Vollzug. Soweit es möglich ist, werden die Sicherungsverwahrten liberal und großzügig behandelt. Wo es die Sicherheit der Bevölkerung jedoch erfordert, ist der bayerische Entwurf zu Recht streng. Einige Punkte wurden bereits angesprochen. Ich möchte darauf in der Kürze, die einer Ersten Lesung angemessen ist, eingehen.
Den kritischen Anmerkungen zur Arbeitspflicht möchte ich entgegnen, dass eine direkte Sanktion für den Fall, dass jemand nicht arbeitet, nicht vorgesehen ist. Sie ist auch nicht erforderlich. Hier handelt es sich vielmehr um eine Motivation zur Verrichtung von Arbeit mit sanftem Druck. Vor allem aber ist wichtig, dass die Arbeitspflicht dem Therapieziel dient. In Anbetracht des Vollzugsgrunds und der Vollzugsziele ist eine solche weiche Arbeitspflicht auch aus liberaler Sicht zu begrüßen; denn ein Therapieerfolg liegt im Interesse der Öffentlichkeit und der Betroffenen.
Ich möchte aber auch betonen, dass der bayerische Entwurf einige Regelungen enthält, die es im Musterentwurf nicht gibt. Ansprechen möchte ich zum Bei
spiel das Angebot seelsorgerischer Betreuung oder die Arbeitsfreistellung an 24 statt nur an 20 Tagen im Jahr. Mir ist es auch wichtig, zu erwähnen, dass die Suizidprävention im Untersuchungshaftvollzugsgesetz vorgesehen ist. Dem Erkennen von Suizidabsicht und der Verhütung von Selbsttötungen kommt eine besondere Bedeutung zu. Dies ist ebenfalls im Entwurf enthalten.
Aus Sicht der FDP ist erfreulich, dass die Mindestbesuchszeit auf 12 Stunden pro Monat angehoben worden ist. Dies ist eine ganz andere Größenordnung, als wir sie im Strafvollzug haben. All das kann aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass wir selbstverständlich ein Spannungsverhältnis zwischen Freiheit und Sicherheit haben. Dieses Spannungsverhältnis können wir auch nicht ohne Weiteres auflösen. Das einzige, was wir tun können und müssen, ist es deshalb, die größtmögliche Sicherheit nach außen und die größtmögliche Freiheit nach innen zu gewährleisten. Dies geschieht mit diesem Entwurf. Ich freue mich auf die Beratungen im Ausschuss.
Die Aussprache ist damit geschlossen. Im Einvernehmen mit dem Ältestenrat schlage ich vor, den Gesetzentwurf dem Ausschuss für Verfassung, Recht, Parlamentsfragen und Verbraucherschutz als federführendem Ausschuss zu überweisen. Besteht damit Einverständnis? - Ich sehe keinen Widerspruch. Dann ist das so beschlossen.
Gesetzentwurf der Staatsregierung über die Bildung von Versorgungsrücklagen im Freistaat Bayern (Drs. 16/13864) - Erste Lesung
Der Gesetzentwurf wird vonseiten der Staatsregierung begründet. Ich erteile Herrn Staatssekretär Pschierer das Wort.
Herr Präsident, liebe Kolleginnen, liebe Kollegen! Die Versorgungskosten für die Beamtinnen und Beamten werden beim Bund und selbstverständlich auch bei den 16 Bundesländern in den nächsten Jahren erheblich ansteigen. Das gilt für den Freistaat Bayern genauso wie für die anderen Länder. Deshalb haben wir in der Vergangenheit den Versorgungsfonds und Versorgungsrücklagen gebildet. Der derzeitige Stand der Sondervermögen liegt bei 1,6 Milliarden Euro.
Vielleicht gestatten Sie mir den Hinweis, dass wir anders als es vergleichbare Länder getan haben diese Rücklagen nicht durch Schulden finanziert haben. Wir werden auch künftig eine generationengerechte Vorsorge betreiben. Dabei wollen wir einen anderen Weg gehen. Auch künftig sollen mit dem bayerischen Pensionsfonds Rücklagen gebildet werden, allerdings in geringerem Maße als bisher. Daneben soll es eine zweite Säule der Vorsorge geben: Wir wollen unsere Schulden bis zum Jahr 2030 tilgen.
Bevor jetzt Zwischenrufe von der anderen Seite kommen, die lauten, die Botschaft hör ich wohl, allein mir fehlt der Glaube, möchte ich prophylaktisch empfehlen: Schauen Sie einmal in den Haushaltsentwurf für die Jahre 2013 und 2014.
Sehen Sie auch einmal in den Haushaltsvollzug des Jahres 2012. Dann werden Sie feststellen, dass allein bis zum Jahr 2014 knapp 10 % der bayerischen Staatsschulden getilgt werden. Die Berechnung ist ganz einfach: Wir werden bereits in den Jahren 2013 und 2014 Einsparungen bei den Zinskosten haben. Das Beste, was wir tun können, um Vorsorge zu betreiben, ist das Bemühen, diesen Freistaat Bayern schuldenfrei zu machen. Wir wollen uns damit jährlich bis zu einer Milliarde Euro Zinsen sparen. Wir sind auf einem guten Wege. Leider Gottes ist dies ein Weg, den der Freistaat Bayern derzeit in der Bundesrepublik Deutschland alleine geht.
Unter Wirtschaftlichkeitsgesichtspunkten und im Hinblick auf die Nachhaltigkeit und die Generationengerechtigkeit ist der Schuldenabbau für die Vorsorge für künftige Beamtenpensionen genauso wichtig wie der Pensionsfonds selbst. Mit dem Gesetzentwurf sollen die bestehenden Sondervermögen zu einem neuen bayerischen Pensionsfonds verschmolzen werden. Das bereits angesparte Vermögen in der Versorgungsrücklage und im Versorgungsfonds - derzeit, wie schon ausgeführt, rund 1,6 Milliarden Euro - wird in den neuen Fonds übertragen.
Wir haben festgelegt, dass wir bis zum Jahr 2030 eine pauschale Zuführung von jährlich 100 Millionen Euro in den Pensionsfonds vornehmen werden. Interessant ist, wie andere Bundesländer diese Leistungen finanzieren. Wir finanzieren diese Leistung aus unserem regulären Haushalt und gleichen den Haushalt trotzdem aus. Meine Damen und Herren von der anderen Feldpostnummer, schauen Sie einmal in die anderen Bundesländer: Niedersachsen hat seine Rücklagen aufgelöst. Rheinland-Pfalz macht es ganz geschickt. Von Ihrem Kollegen Kurt Beck - bekannt durch den Nürburgring - kann man sehr viel lernen. Wissen Sie,
was der macht? - Der Kurt ist ein cleveres Bürschchen. Er finanziert diesen Versorgungsfonds, indem er in eigene Landesschuldverschreibungen geht. Das bedeutet, er bezahlt die Vorsorge der Beamten, indem er bei sich selbst neue Schulden aufnimmt. Das ist Rosstäuscherei. Das ist keine solide Politik der Vorsorge für die Beamten.
- Herr Kollege Rinderspacher, wenn Sie sich permanent in der Vergangenheit bewegen, wird Ihre Partei aus dem Tal der Tränen nie herauskommen.
Entnahmen aus diesem neuen Pensionsfonds sind erstmals ab dem Jahr 2023 möglich. Die frühere Ansparphase war bis zum Jahr 2017/2018 vorgesehen. Wir haben die Ansparphase noch einmal um fünf Jahre verlängert. Ab dem Jahr 2023 können wir mit den Mitteln aus dem Pensionsfonds die Versorgungskosten verstetigen. Ab dem Jahr 2030 können wir die eingesparten Zinsen aufgrund des Schuldenabbaus für die Beamtenpensionen einsetzen. Wir halten diesen Weg für vernünftig, weil er uns unabhängig von den Kapitalmärkten macht und künftige Haushalte auf eine solide Grundlage stellt. Ich bitte um die Beratung dieses Gesetzentwurfs in den zuständigen Ausschüssen.
Herr Präsident, Kolleginnen und Kollegen! Nach jahrelangen Forderungen der Oppositionsparteien, Rücklagen für die Pensionen unserer Beschäftigten zu bilden, war es 2008 endlich soweit: Es wurde beschlossen, dass der Freistaat für neueingestellte Beschäftigte 500 Euro monatlich dem Versorgungsfonds zuführt.
Ein Jahr nach dem Beschluss und der Einzahlung des Freistaates wurde im Ausschuss für Fragen des öffentlichen Dienstes vom Finanzministerium ein Zwischenbericht gegeben über die Versorgungsrücklage und den Versorgungsfonds, die mit Ihrem jetzigen Gesetzentwurf zusammengeführt werden sollen. In diesem Bericht hieß es seit der Auflage der Versorgungsrücklage im Jahr 1999 belaufe sich die jährliche Wertentwicklung auf 4,61 %. Dieser Wert sei beachtlich - so das Finanzministerium.
Beim Versorgungsfonds hieß es, seine Wertentwicklung sei derzeit traumhaft hoch. Die Wertentwicklung seit der Auflage belaufe sich auf 14,34 %. Man konnte
also sozusagen von einer echten Erfolgsstory des Versorgungsfonds reden. Die Ausschussvorsitzende bedankte sich für den Bericht und das kluge Anlageverhalten der Staatsregierung. Damit sei die Zukunft der Beamtenversorgung gesichert, so die Ausschussvorsitzende.
Allerdings hatte die Erfolgsstory eine kurze Laufzeit: Bereits im Jahr 2010 haben die Regierungsparteien nämlich eine Deckelung auf 70 Millionen Euro beim Versorgungsfonds beschlossen - auf Kosten der Beschäftigten.
Im Übrigen wurde damals, bei der Bildung des Versorgungsfonds, im Gesetz auch vorgesehen, dass eine vorübergehende Minderung oder Aussetzung der Zuführung nur zulässig ist, wenn eine Störung des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts vorliegt. Da das gesamtwirtschaftliche Gleichgewicht aber nicht gestört war, haben Sie damals, also 2010, bereits gegen Ihr eigenes Gesetz verstoßen nach dem Motto: Was interessiert mich mein Geschwätz von gestern.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, mit Ihrer Entscheidung aus dem Jahr 2010, dem Doppelhaushalt 2011/2012 und dem Gesetzentwurf, den wir heute in Erster Lesung behandeln, zertrümmern Sie das System der Sicherung von Versorgungsverpflichtungen
und lassen mehr oder weniger ein finanzpolitisches Feigenblatt übrig. Die von Ihnen eingesparten Beträge belaufen sich für 2010 auf 35 Millionen Euro, für 2011 auf 252 Millionen Euro, 2012 auf 280 Millionen Euro. Das sind schon zum Ende des laufenden Haushaltsjahres 567 Millionen Euro. 2013 kommen nochmals 310 Millionen Euro und 2014 345 Millionen Euro hinzu. Insgesamt entziehen Sie dem Vorsorgesystem, das gut gestartet war, 1,22 Milliarden Euro, und dies ist sehr konservativ gerechnet.
Mit Ihrem heutigen Gesetzentwurf, Herr Staatssekretär, dem jährlichen Pauschalbetrag von 100 Millionen Euro, wird aus der Erfolgsstory Versorgungsfonds eine traurige Geschichte, vor allem für die Beschäftigten des Freistaats Bayern.
Sehr verehrter Herr Präsident, meine lieben Kolleginnen und Kollegen! Ich denke, dass jede Seite dieses Hohen Hauses ein großes Ziel hat und dass wir für das verfassungsmäßige Alimentationsprinzip, die Alterssicherung unserer Beamten zu gewährleisten, etwas tun müssen. Dass es dazu unterschiedliche Wege geben kann, ist auch klar.
Die heutige Änderung des Versorgungsrücklagengesetzes ist ein einzelner Baustein dazu, wie wir Alterssicherung gewährleisten. Weitere Bausteine sind die Anhebung der Lebensarbeitszeit und die Absenkung des Pensionsniveaus, vergleichbar mit dem Rentensystem.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, was ich immer ein bisschen dick habe, ist, wenn auch in öffentlichen Diskussionen der Fokus immer nur auf die Beamtenpensionen gelegt wird. Die Alterssicherungssysteme werden uns in Zukunft generell die größten Anstrengungen abverlangen. Das Gleiche gilt für die Rente. Auch hier haben wir ein Umlagesystem. Auch die Rentenversicherung legt keine kapitalgedeckten Fonds auf. Auch dort werden wir 2020/2025 erhebliche Probleme bekommen.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, Kollege Schuster hat von der "Erfolgsstory" gesprochen, und das zu Recht. Lieber Kollege Schuster, Sie haben es genau richtig beschrieben. Nur haben sich die Zeiten geändert.
Der Kollege Schuster hat es selbst gesagt: Als wir zum ersten Mal einen Bericht über den Pensionsfonds erhielten, wurde von "traumhaften Renditen" zwischen 4 und 5 % geredet. Wir sind auch gezwungen, dieses Geld nicht hoch spekulativ anzulegen, sondern relativ sicher: Bundesanleihen Deutsche Bundesbank. Die heutigen Renditen liegen mittlerweile zwischen 1 und 2 %.