Protocol of the Session on June 9, 2005

Wir kommen zur Abstimmung. Der federführende Ausschuss für Umwelt und Verbraucherschutz empfi ehlt die Ablehnung des Antrages. Wer dagegen dem Antrag zustimmen will, den bitte ich um das Handzeichen. – Das sind die Fraktionen des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der SPD. Gegenstimmen? – Das ist die Fraktion der CSU. Stimmenthaltungen? – Keine. Wird das Abstimmungsergebnis angezweifelt?

(Zurufe von den GRÜNEN: Ja!)

Dann wird ausgezählt. Wer dem Antrag zustimmen will, den bitte ich um ein deutliches Handzeichen. – Das sind 20. Wer gegen den Antrag stimmen will, bitte ich ebenfalls um ein deutliches Handzeichen. – Das sind 23. Der Antrag ist damit abgelehnt.

Ich rufe Tagesordnungspunkt 15 auf:

Antrag der Abg. Margarete Bause, Dr. Sepp Dürr, Ulrike Gote u. a. u. Frakt. (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Lebensgrundlage Wasser 5 – Den Eintrag von Pflanzenschutzmitteln reduzieren (Drs. 15/3036)

Ich eröffne die Aussprache. Als erste Rednerin hat Frau Kollegin Paulig das Wort. Bitte schön.

Kolleginnen und Kollegen, Herr Präsident! Mit dem Antrag „Den Eintrag von Pfl anzenschutzmitteln reduzieren“ greifen wir die Thematik „Sicherungsschutz des Trink- und Grundwassers in Bayern“ auf. Dazu hatten wir ein Bündel von Anträgen eingebracht. Einen davon ziehen wir heraus. An ihm wollen wir Ihnen beispielhaft Ihr Versagen beim Trinkwasserschutz vor Augen führen.

Der Antrag auf der Drucksache 15/3036 gliedert sich in zwei Abschnitte. Zum einen wollen wir Maßnahmen zur Reduktion des Eintrags, und zum anderen wollen wir in regelmäßigen Abständen einen Bericht über die Belastung und den Erfolg der Maßnahmen erhalten. Sie lehnten beides ab.

(Christian Meißner (CSU): In welchen Abständen?)

Das hätten Sie im Ausschuss defi nieren können – im Abstand von zwei Jahren oder einem Jahr. Lieber Herr Meißner, Sie haben das damals versäumt. Jetzt können Sie sagen, die CSU ist bereit, Punkt zwei des Antrags anzunehmen und einen jährlichen Bericht zu fordern.

Bisher haben Sie den Antrag abgelehnt. Deshalb will ich kurz den Inhalt darstellen. Wir fordern erstens die technische Optimierung der Geräte, die beim Pestizidaustrag eingesetzt werden. Die Geräte, die technisch optimiert sind, sollen mit einer Prüfplakette versehen werden. Zum zweiten fordern wir die regelmäßige Fortbildung der Landwirte, vor allem dann, wenn neue Pestizide und neue Geräte zum Einsatz kommen. Die dritte Forderung ist die besondere Aufklärung über den Verzicht von Pestiziden bei empfi ndlichen Grundwasserkörpern wie im Karst oder in der Schotterebene. Gehen Ihnen diese Maßnahmen schon zu weit, sodass Sie sie ablehnen müssen? – Ich kann das umso weniger nachvollziehen, als die Situation in Bayern alles andere als gut ist.

(Christian Meißner (CSU): Inwiefern?)

Schauen wir uns die Darstellung des Landesamts für Wasserwirtschaft an. Im zusammenfassenden Bericht von 1999 bis 2003 steht, dass die Anlagen mit Grenzwertüberschreitungen seit 2000 deutlich zunehmen. In den Jahren 2001 und 2002 lag der Wert tiefer, 2003 lag er bei 5,7 %. Festzustellen ist, dass in Bayern 27 % der gesamten Trinkwasserfassungen Pestizide enthalten. 6 % der Trinkwasserversorgungsanlagen in Bayern liegen über dem Grenzwert. Das ist wahrhaftig keine Situation, zu der man sagen könnte, die bayerische Landwirtschaft arbeite fachgerecht und in Bayern sei der Trinkwasserzustand optimal. In Schwaben gibt es sogar 11 % und in der Oberpfalz 7 % Grenzwertüberschreitungen beim Trinkwasser. Diese beiden Bezirke liegen über dem bayerischen Durchschnitt. Diese Zahlen sollten der CSU zu denken geben. Handeln ist notwendig.

Insbesondere in Oberbayern gibt es die Zunahme von Desethylatrazin, eines Abbauprodukts von Atrazin. In Schwaben hat man im Wasser einen Anstieg durch den Wirkstoff des Ampferbekämpfungsmittels Diclobenil und seines Abbauproduktes gefunden, obwohl dieses bereits

verboten ist. Die Untersuchungen zeigen, dass die Bereiche kritisch zu bewerten sind. Gerade in den Karstgebieten Oberpfalz und Oberfranken sind hohe Belastungen und Grenzwertüberschreitungen nachgewiesen. Zum Beispiel klagt die Fischereianstalt Oberfranken, dass die Pestizideinträge von Atrazin in den Weihern sehr hoch seien, obwohl dies seit vielen Jahren verboten ist. Die wissenschaftliche Forschung sei nicht möglich, weil die Pestizidbelastung zu hoch sei.

Die Mehrheitspartei wird sich irgendwann einmal zum Handeln entscheiden müssen. Mit diesem Antrag hätten Sie heute die Chance.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Erlauben Sie mir noch zwei Bemerkungen, um das Problem zu verdeutlich. 25 % des weltweiten Einsatzes und Absatzes fi ndet innerhalb der 25 EU-Staaten statt. 25 %, das ist mehr als in Lateinamerika und Afrika zusammen verbraucht werden. Auch in Kanada, Mexiko und in den USA zusammen ist der Einsatz mit 23 % geringer als in der EU der 25 Mitgliedstaaten. Das sollten Sie sich einmal zu Herzen nehmen. Die EU der 25 hat weltweit den höchsten Absatz von Pestiziden.

Pestizide sind nicht gesund, das sagt schon das Wort: Sie töten Organismen ab, beispielsweise Insekten, Pilze oder Kräuter. Ob das für den Menschen gesund ist, das möchte ich wirklich stark bezweifeln. Trotzdem ist der Absatz im Jahr 2004 weltweit signifi kant gestiegen. Das sind Zahlen, die höchst bedenklich sind.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Es wäre an der Zeit, dass wir hier in Bayern Reduktionsmaßnahmen ergreifen, sie in regelmäßigen Abständen bewerten und über die Evaluierung regelmäßig Berichte erhalten. Doch Sie machen sich stattdessen darüber lustig, wenn das Umweltbundesamt beispielsweise die Erhebung von Daten voranbringt. Wie Sie wissen, gibt es das wissenschaftliche Programm „Feldbeobachtungen sowie Pfl anzen- und Bodenuntersuchungen zur Anwendung von Pfl anzenschutzmitteln“. Das Programm wird vom Umweltbundesamt im Auftrag des Bundesumweltministeriums durchgeführt. Doch welch üble Polemik war vonseiten der CSU zu vernehmen? Da hieß es beispielsweise: „Trittins Feldspione sind eine Beleidigung für Landwirte“, „Rot-Grün behandelt Bauern wie Kriminelle“.

(Christian Meißner (CSU): So geht es doch auch nicht! – Gegenruf des Abgeordneten Dr. Sepp Dürr (GRÜNE): Es gibt aber Kriminelle!)

Ich kann nur sagen: Die CSU verwechselt Forschung mit Spionage, so wie das meine Kollegin Gote ausgedrückt hat.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Nicht der einzelne Anwender steht in der Beobachtung, sondern der Zustand der Umwelt, der Zustand des Wassers und der Zustand der Böden. Sie stehen unter Beob

achtung, weil wir die Gesundheit von Menschen und Tieren sowie den Zustand der Umwelt schützen müssen. Wie Sie wissen, sind inzwischen zahlreiche Pestizide hormonell wirksam. Das tut uns ganz bestimmt nicht gut.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Die Kontrolle der Anwendung und der Ausbringung dieser Pfl anzenschutzmittel und der Pestizide ist Aufgabe der Länder. Darauf wurde in der Umweltministerkonferenz auch hingewiesen. Dann hat das Umweltbundesamt abgefragt, welche Daten in den Ländern vorliegen. Das Umweltbundesamt hat 2004 alle Länder aufgefordert, ihm die Kontrolldaten der Untersuchungsergebnisse zukommen zu lassen, um die Daten zu einem wissenschaftlichen Gesamtblick zusammenzufassen. Immerhin geht es um die weitere Zulassung und um die Neuzulassung von Pestiziden. Welche Antworten, welche Daten kamen aus Bayern? – Keine. Bayern hat im Jahr 2004 überhaupt keine Daten an das Umweltbundesamt weitergegeben. Die Daten hätten bis zum Januar 2005 vorliegen müssen. Bayern hat aber keine Daten geliefert. Entweder liegen die Daten nicht vor oder Sie sind schlicht unfähig, diese Daten zusammenzuführen. Was aber war die Antwort Bayerns an das Umweltbundesamt? Es wurde behauptet, das Schreiben des Umweltbundesamtes sei nie an der richtigen Stelle angekommen. – Ich bitte Sie: Eine dümmere Ausrede können Sie sich nicht ausdenken?

Werfen wir noch einen Blick auf die EU-Kommission: Die EU-Kommission prüft jährlich, ob die Anwendung von Pfl anzenschutzmitteln in den Mitgliedstaaten korrekt kontrolliert wird. Nach Angaben der deutschen Behörden sind weniger als 1 % der Anwender kontrolliert worden. Das nennen Sie die angeblich korrekte Kontrolle. Die EU musste feststellen, dass diese Überprüfung nicht korrekt stattgefunden hat. Es ist deshalb dringend notwendig, dass das Umweltbundesamt und das Bundesumweltministerium das Heft in die Hand nehmen und die Belastung durch Pestizide im Boden und im Wasser untersuchen und wissenschaftlich auswerten lassen. Das muss vor allem im Hinblick auf die Zulassung und die Anwendung weiterer Pestizide geschehen.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Sie von der Bayerischen Staatsregierung und Sie von der CSU-Fraktion und auch alle Landwirte haben, wie sie sagen, nichts zu verbergen. Dann stimmen Sie doch diesem Antrag zu, der wirksame Reduktionsmaßnahmen und einen regelmäßigen Bericht über die Wirksamkeit der Maßnahmen sowie über die Belastung des Grundwassers und des Bodens fordert. Sie haben angeblich nichts zu verbergen. Warum also wollen Sie die Offenlegung vermeiden? Warum boykottieren Sie das Forschungsprogramm des Bundes, wenn alles in Ordnung ist? Es ist aber nicht alles in Ordnung, wie das Landesamt für Wasserwirtschaft festgestellt hat.

(Beifall bei den GRÜNEN Wir haben in den letzten Jahren steigende Pestizidein- träge und eine steigende Belastung des Trinkwassers festzustellen. Das geht auf Kosten der Natur und des Umwelthaushalts. Es geht aber auch auf Kosten der Gesundheit von Mensch und Tier. (Beifall bei den GRÜNEN)

Als Nächster hat Herr Kollege Kern das Wort.

Herr Präsident, verehrte Kolleginnen und Kollegen! Zum Antrag des BÜNDNISSES 90/ DIE GRÜNEN darf ich Folgendes feststellen: Der Trinkwasserschutz wird bei uns sehr ernst genommen. Wasser ist unser wichtigstes Lebensmittel. Wir werden alles unternehmen und jegliche Vorsorge treffen, damit Trinkwasser auch in Zukunft in bester Qualität und in ausreichender Menge dauerhaft gefördert und der Bedarf an unbelastetem Trinkwasser sichergestellt werden kann. Neben der Vorsorge werden wir auch weiterhin intensive Kontrollen durchführen. Dabei sind wir auf einem guten Weg. Langfristig ist die Belastung rückläufi g. Ich möchte dies anhand einiger Zahlen aufzeigen.

Frau Paulig, Sie haben die Zahlen schon genannt. Man darf dabei aber nicht Äpfel mit Birnen vergleichen. Im Berichtsjahr 2003 wurden die Grenzwerte von 117 Betrieben überschritten. Die Statistik reicht von 1999 bis 2003. Wenn man die Zahlen vergleicht, stellt man fest, dass sie rückläufi g sind. In den Jahren 2001 bis 2003 kam es allerdings zu kleineren Überschreitungen. Die Ursache dafür liegt bei dem Pfl anzenschutzmittel mit dem Wirkstoff Diclobenil, welches im Schwäbischen eingesetzt worden ist. Dieses Mittel wurde bei der Grünlandwirtschaft zur Ampferbekämpfung eingesetzt, ebenso für den Obst- und Gemüsebau. Während im Jahr 2002 eine Überschreitung festgestellt wurde, waren es 2003 schon 26 Überschreitungen. Im Wesentlichen hat sich das im Regierungsbezirk Schwaben abgespielt. Der Wirkstoff Diclobenil ist seit 2003 verboten. Wir haben von ihm sicher keine weitere Belastung zu erwarten.

Der größte Teil der Pfl anzenschutzmittelüberschreitungen ist noch immer auf das so genannte Atrazin zurückzuführen. Seit 1990 ist Atrazin verboten. Die Belastung ist rückläufi g, doch das ist regional unterschiedlich. Bis auf Schwaben ist überall Atrazin der Hauptbestandteil bei Rückständen von Pfl anzenschutzmitteln.

Herr Kollege, gestatten Sie eine Zwischenfrage von Frau Kollegin Gote?

Danke, Herr Kollege. In Aufseß im Fränkischen ist aber gerade Atrazin gemessen worden und nicht die Abbauprodukte. Atrazin wurde auch in den Jahren 2003 und 2004 festgestellt. Wie schätzen Sie das ein?

Ich glaube nicht, dass das von den Landwirten angewendet wurde. Wenn sie es aber getan haben, gehören sie zur Rechenschaft gezogen.

(Unruhe bei den GRÜNEN und bei der SPD)

Ich denke, nachdem das Mittel seit 14 Jahren bei uns verboten und auch nicht mehr im Handel ist, ist Atrazin nicht angewendet worden.

(Ulrike Gote (GRÜNE): Wie kann das dann aber sein? – Ruth Paulig (GRÜNE): Wie kann es gemessen worden sein?)

Nun weiter zum Antrag der GRÜNEN. Sie beklagen, für Anwender sollten regelmäßige Fortbildungsveranstaltungen angeboten werden. Die Fortbildungsveranstaltungen werden in ausreichender Menge angeboten, und sie werden von den Bauern und den Anwendern sehr gerne angenommen.

Ich darf Ihnen ein paar Beispiele aufzählen.

Zu nennen sind die so genannten Pfl anzenschutztagungen. Dort erfährt man aktuelle Meldungen über neue Pfl anzenschutzmittel und über deren Anwendung und Einsatzmöglichkeiten. Zu nennen sind auch Beratung und Schulung durch das Amt für Landwirtschaft, unsere staatliche Beratung. Es gibt Infomaterial, es gibt Internetangebote, es gibt Broschüren, es gibt Warndiensthinweise, es gibt Fachzeitschriften. Sie können sicher sein: Alles, was es an Informationen gibt, wird verwendet.

Personen, die den Pfl anzenschutzeinsatz vornehmen, brauchen den so genannten Sachkundenachweis: Sie müssen einen Lehrgang machen, eine Prüfung bestehen. Dann sind sie sachkundig, haben den Führerschein für den Pfl anzenschutzmitteleinsatz.

Nun zur Ausbringungstechnik. Sie geben weiter vor: Keine Prüfplaketten für Pfl anzenschutzgeräte ohne Wassertank. Spritzen ohne Wassertank gibt es kaum mehr. Bei Neuanschaffungen gibt es überhaupt keine Spritzen ohne Wassertanks mehr. Aber zuständig für die Vorgaben ist Herr Trittin. Gehen Sie doch zu Herrn Trittin. Er soll Ihnen das sagen.

(Christian Meißner (CSU): Das geht nicht, weil er nicht mehr lange Minister ist!)

Das Pfl anzenschutzgesetz macht klare Vorgaben für die Spritzen oder für die Geräte, die beim Pfl anzenschutzeinsatz gebraucht werden. Sie müssen zuverlässig funktionieren, Sie müssen genau verteilen und dosieren, damit das Pfl anzenschutzmittel sicher dort abgeladen wird, wo es hin muss.

(Ruth Paulig (GRÜNE): Ob es gut tut? Ob es schmeckt?)