Protocol of the Session on June 9, 2005

Ich eröffne die Aussprache. Als erste hat sich Frau Kollegin Rütting zu Wort gemeldet.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Wie Sie wissen, haben wir einen Antrag auf Verbot der Ständerhaltung für Pferde gestellt. Dieser wurde – wie zu erwarten – im Ausschuss abgelehnt, wie eigentlich alle unsere guten Anträge überwiegend abgelehnt werden. Ich erinnere dazu nur an meinen Antrag zur besseren Ernährung der Schulkinder, zum Verbandsklagerecht und zum Verbot der Käfi ghaltung, dem die CSU schon einmal zugestimmt hat. Jetzt wollen Sie dieses Verbot mit der Begründung aufweichen, die Kleinvoliere wäre tierschutzgerecht, was sie natürlich nicht ist. Das ist nämlich auch nur ein vergrößerter Käfi g.

Ich muss Ihnen sagen: Dieses ständige Ablehnen von guten Anträgen, nur weil sie von der anderen Fraktion kommen, führt bei den Bürgern zu Politikverdrossenheit.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Lieber Sepp Ranner, Sie haben gesagt, Sie seien gegen die Durchführung dieses Verbots, weil es zu mehr Bürokratie führen würde. Nach unserer Erfahrung ist genau das Gegenteil der Fall, wie das Beispiel Hessen zeigt. Das Verbot führt zu Bürokratieabbau; denn es ist viel einfacher zu kontrollieren, ob Pferde angebunden sind, als zu kontrollieren, ob sie jeden Tag eine Stunde herausgeführt werden.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Das bestätigen uns auch die Tierärzte, die darauf hinweisen, dass es ihnen unmöglich ist, die tierschutzgerechte Haltung der Pferde und die Frage, ob sie angebunden oder lose geführt werden, zu kontrollieren. Die Regelung stammt im Grunde aus der Zeit, als Pferde Arbeitstiere waren und froh waren, wenn sie überhaupt im Stall stehen konnten. Das ist heute nicht mehr der Fall. Interessanterweise hat Herr Minister Miller bereits im Jahr 2002 – ich zitiere das gleich – erklärt, dass die Anbindehaltung von Pferden tierschutzwidrig sei. Er hat das Verbot gefordert. Hinter diesem Verbot steht auch die Tierärztekammer.

Ich lese jetzt einige unserer Begründungen vor: Nach den „Leitlinien zur Beurteilung von Pferdehaltungen unter Tierschutzgesichtspunkten“ der Sachverständigengruppe „Tierschutzgerechte Pferdehaltung“ des damaligen Bundesministeriums für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten aus dem Jahre 1995 erfüllt die Anbindehaltung von Pferden nicht die Kriterien einer artgerechten Pferdehaltung und ist abzulehnen. Diese Art der Haltung schränkt das Bewegungsbedürfnis erheblich ein, unterbindet das arteigene Bedürfnis nach Körperpfl ege, wie Wälzen, Fellknabbern sowie das Erkundungsverhalten weitestgehend. Für das Lauftier Pferd ist die Daueranbindung Stress. So zeigen über die Hälfte aller Ständerpferde

gravierende Verhaltensstörungen, Apathie, Frust und Aggression. Dies ist das Ergebnis einer umfangreichen wissenschaftlichen Untersuchung am Fachgebiet für Tierhaltung und Verhaltenskunde der Technischen Universität München in Weihenstephan. Darüber hinaus wurden bei den Tieren gravierende Bewegungsdefi zite festgestellt; denn obwohl die Leitlinien für im Stall gehaltene Pferde zum Ausgleich des Aktivitätsverlustes eine täglich mehrstündige Bewegungsmöglichkeit fordern – die Mindestanforderungen geben das Minimum mit einer Stunde an –, konnten sich 70 % der Ständerpferde nicht jeden Tag außerhalb des Ständers bewegen. Nahezu 90 % der Pferde erhielten nicht jeden Tag die Möglichkeit zur freien Bewegung.

Deshalb hat Hessen bereits 1998 als erstes Bundesland die Anbindehaltung von Pferden verboten. Dem folgten dann zahlreiche weitere Bundesländer wie SachsenAnhalt, Thüringen, Mecklenburg-Vorpommern, Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen, Schleswig Holstein und Baden-Württemberg. Viele dieser Länder sind unionsgeführt.

Die Ständerhaltung wird auch in Bayern abgelehnt, zum Beispiel von der Tierärztekammer und von den meisten Tierärzten. Jetzt zitiere ich Herrn Minister Miller: Die Ständerhaltung als Daueraufenthalt für Pferde ist unter Tierschutzgesichtspunkten abzulehnen. Diese Äußerung stammt vom 17. Oktober 2002. Für Fohlen und Jungtiere ist sie tierschutzwidrig. Dieser Expertenmeinung schließe ich mich an. Das sagte Minister Miller. Noch bestehende Stallungen sind deshalb baldmöglichst in pferdegerechte Aufstallungssysteme umzubauen. Damit ist für mich diese Art der Ständerhaltung obsolet. Um den Amtsveterinären vor Ort endlich eine klare Handlungsgrundlage zu geben, ist dem Beispiel anderer Länder zu folgen und die Anbindehaltung zu verbieten.

Im Ausschuss wurde dann auch zugegeben, dass im Jahr 2004 bayernweit an die 100 Haltungen überprüft worden sind, wobei in fast 70 % der Fälle Mängel festgestellt worden sind. Genaue Zahlen konnten aber nicht angegeben werden – wie denn auch? Wie will man kontrollieren, ob jedes Pferd wirklich jeden Tag eine Stunde draußen war? Das ist völlig ausgeschlossen. Noch einmal: Es ist viel einfacher zu kontrollieren, ob die Pferde angebunden sind oder ob sie frei laufen können.

Die Ständerhaltung ist megaout – das ist ein Zitat aus dem Protokoll aus Hessen. Die Landestierschutzbeauftragte Hessens im Ministerium hat Folgendes gesagt: Die Ständerhaltung ist auch ein Relikt aus der Zeit der Arbeitspferde – das sagte ich vorhin schon –, in der die Tiere meist ganztägig im Einsatz waren. Hessen ist das erste Bundesland, das die Anbindehaltung von Pferden per Erlass untersagt. Empfehlungen reichen aber nicht aus, wie auch die Tierärzte sagen. Empfehlungen reichen nicht aus – beim Rauchen sieht man das ja auch.

Der Hessische Reit- und Fahrverband steht hinter dem Verbot, ebenso der Verband hessischer Pferdezüchter, die Landestierärztekammer sowie der Verband der PonyZüchter Hessens.

§ 2 des Tierschutzgesetzes fordert ausdrücklich, dass Tiere ihrer Art und ihren Bedürfnissen entsprechend verhaltensgerecht untergebracht werden müssen. Man weiß heute sehr viel mehr über Pferde und ihr Verhalten. Die dauerhafte Anbindung – ich wiederhole – widerspricht dem Tierschutzgedanken.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Mit dem nochmaligen Hinweis auf Minister Miller, der die Anbindehaltung schon 2002 ausdrücklich abgelehnt und für tierschutzwidrig erklärt hat, möchte ich Sie bitten, unserem Antrag zum Verbot der Ständerhaltung zuzustimmen.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD)

Als Nächste hat Frau Kollegin Plattner das Wort. Bitte.

Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren! Das Pferd steht seit circa 5000 Jahren unter dem züchterischen Einfl uss des Menschen. Seit eben dieser Zeit, seit circa 5000 Jahren, nutzt der Mensch das Pferd als Haustier, sprich: als Nutztier. Das Verhalten des Pferdes hat sich seit dieser Zeit nicht wesentlich geändert. Das heißt, dass ein Pferd seinen Bedürfnissen entsprechend, seinem Verhalten entsprechend gepfl egt, ernährt und untergebracht werden muss. Die Bewegung des Tieres darf nicht so eingeschränkt werden, dass ihm Schmerzen, vermeintliche Leiden oder Schäden zugefügt werden – so steht es im Tierschutzgesetz in § 2. Das besagt aber nicht, dass das Pferd grundsätzlich nicht angebunden werden dürfte.

In den Leitlinien zur Beurteilung der Pferdehaltung unter Tierschutzgesichtspunkten steht unter anderem, dass Fohlen und Jungpferde an ein Anbinden zu Pfl egemaßnahmen und Tiertransporten gewöhnt werden müssen. Eine grundsätzliche Anbindung von Pferden lehnen wir, die CSU-Fraktion, natürlich ab. Die dauerhafte Ständerhaltung ist unter Tierschutzgesichtspunkten ebenfalls abzulehnen. Einer kurzzeitigen Anbindung der Tiere ist aber nichts entgegenzuhalten.

In früheren Zeiten war es gang und gäbe, dass in der Landwirtschaft Pferde nach getaner Arbeit in Anbindehaltung gehalten wurden. Der Landwirt hat schon immer mit dem Tier gelebt und gearbeitet und nicht in ideologischer Art und Weise nur vom Pferd gesprochen. Wir wissen, dass Landwirte mit ihren Tieren verantwortungsvoll umgehen. Wo das nicht der Fall sein sollte, muss das Veterinäramt einschreiten. Bei Verstößen gegen das Tierschutzrecht hat der Amtstierarzt die Möglichkeit der Beratung; wenn es zu keiner Verständigung kommt, hat er die Möglichkeit, zu einer Androhung oder Vollziehung eines Zwangsgeldes zu greifen.

Pferde, die heute noch im Ständer gehalten werden, sind entweder in Fremdenverkehrsgebieten für Kutschfahrten oder im Wald als Rückepferde eingesetzt. Ich meine, in diesen Bereichen haben sie sehr viel Auslauf und genügend Platz im Freien, um sich zu bewegen. Diese Tiere

brauchen meines Erachtens nicht in einer Box gehalten zu werden, sondern können ihre Ruhephasen jederzeit im Ständer verbringen.

Meine Damen und Herren, eine vernünftige Ständerhaltung mit den entsprechenden Abmaßen in Länge und Breite sowie einer guten Einstreu kann besser sein als Boxenhaltung, die nicht den Anforderungen an die Box hinsichtlich der Abmaßungen, also hinsichtlich Länge, Breite und Höhe entspricht. Andere Bundesländer haben ja – um mit Hessen, Thüringen und Nordrhein-Westfalen nur ein paar zu nennen – die Ständerhaltung verboten. Beim Umsetzen dieses generellen Verbotes traten aber oft gravierende Schwierigkeiten auf, sodass sich die tatsächlichen Verhältnisse oft nicht verändert haben, sondern unverändert geblieben sind.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen, die strengen Kontrollen der Veterinärämter in Bayern lassen einen sukzessiven Rückgang der Ständerhaltung verzeichnen. Durch fachliche Beratung der Tierärzte hinsichtlich baulicher Unterbringung, durch Anordnung und Verbesserungsvorschläge der Veterinärverwaltungen konnte und wird in Zukunft die Anzahl der Ständerhaltungen weiter dezimiert – im Konsens und nur im Konsens mit den Betroffenen. Nicht zuletzt aufgrund des Generationswechsels, der es mit sich bringt, dass junge Tierhalter ihre Tiere vermehrt in Boxen halten werden, können wir auch ohne ein generelles Verbot zu einer zufriedenstellenden Lösung kommen.

Wir, die CSU-Fraktion, lehnen diesen Antrag ab. Wir bitten um Ablehnung des Antrages der GRÜNEN.

(Beifall bei der CSU)

Als Nächste hat Frau Kollegin Biedefeld das Wort.

Herr Präsident, werte Kolleginnen und Kollegen! Die SPD-Landtagsfraktion wird diesem Antrag zustimmen. Ich möchte auch erläutern, warum. Ich verweise als erstes auf das Tierschutzgesetz. In § 2 des Tierschutzgesetzes heißt es ganz klar:

Wer ein Tier hält …, muss das Tier seiner Art und seinen Bedürfnissen entsprechend angemessen ernähren, pfl egen und verhaltensgerecht unterbringen, –

darf die Möglichkeit des Tieres zu artgemäßer Bewegung nicht so einschränken, dass ihm Schmerzen oder vermeidbare Leiden oder Schäden zugefügt werden.

Die Kollegin Plattner hat darauf verwiesen. Eigentlich müsste die CSU als Konsequenz dem Antrag zustimmen. Wir wissen nämlich auch aus dem Bericht der Vertreterin des Umweltministeriums, als der Antrag im Umweltausschuss behandelt worden ist, wie viele Mängel sich bei der Ständerhaltung, dieser Anbindehaltung ergeben. Auf derartige Mängel wurde ganz klar verwiesen. Man muss

deshalb immer Zwangsgelder androhen und teilweise Zwangsgelder auch vollstrecken, um dem Tierleid – nichts anderes ist das – entgegenzuwirken. Von daher wäre eigentlich die logische Konsequenz, Kollegin Plattner, da Sie selbst auf das Tierschutzgesetz verweisen, auch diesem Antrag zuzustimmen.

(Beifall bei der SPD)

Die Anbindehaltung steht in wirklich krassem Widerspruch zum Tierschutzgesetz. Das ist zumindest unsere Meinung. Wir haben ja gehört – Kollegin Rütting hat darauf verweisen –: In vielen anderen Bundesländern gibt es ein generelles Verbot. In manchen Ländern gab es auch eine zwölfmonatige Übergangszeit. Es gibt aber das generelle Verbot der Anbindehaltung, in Hessen beispielsweise seit 1998. Wenn man sich die lange Liste der Bundesländer ansieht, in denen es wirklich kein Problem ist, ein generelles Verbot auszusprechen, muss man sich fragen: Warum in Bayern nicht? Warum soll in Bayern nicht das möglich sein, was in anderen Bundesländern möglich ist?

(Beifall bei der SPD)

Das geht wirklich zulasten der Tiere, der Pferde. Das sind Geschöpfe – CSU, Christlich Soziale Union –; das sind Kreaturen, die genauso wie wir Menschen Schmerzen empfi nden und leiden.

Ich kann nur an Sie appellieren, dem Antrag des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN zuzustimmen und durch das generelle Verbot dem Tierleiden ein Ende zu bereiten.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Ich verweise auf ein bayerisches Gutachten von der Technischen Universität (TU) München. Darin wird klar festgestellt, dass die Anbindehaltung das Verhalten von Pferden sehr stark einschränkt, das Sozialverhalten mit Kontaktaufnahme zu anderen Pferden kaum möglich ist, das Komfortverhalten wie Knabbern, Scheuern, Wälzen und Kratzen in der Ständerhaltung ebenfalls kaum und auch das Ruheverhalten nur bedingt möglich ist und insbesondere auf Tiefschlaf in Seitenlage die Pferde in Anbindehaltung weitgehend verzichten müssen. Das Gutachten – und andere wissenschaftliche Untersuchungen untermauern dies – weist klar aus, dass das Lauf- und Fluchttier Pferd sein angeborenes Bewegungsverhalten in Anbindehaltung in keinster Weise ausleben kann – so heißt es in dem Gutachten der TU München. Die Wissenschaftler führen weiterhin aus, dass Pferde in Anbindehaltung und in Ständehaltung häufi g Verhaltensauffälligkeiten an den Tag legen, was eindeutig auf das Haltungssystem zurückzuführen ist.

Ebenso wie Frau Kollegin Rütting möchte auch ich die Aussagen von Staatsminister Miller ansprechen. Sie waren halbherzig – nicht kalt, nicht warm. Ich brauche die Aussagen nicht zu zitieren. Sie sagten, aus tierschützerischen Gründen sei der Antrag obsolet, lehnten aber in einem Schreiben die Abschaffung dieser Haltung durch Verbot ab. Herr Minister, wollen Sie diesem Tierleid nicht endlich ein Ende setzen?

(Beifall der Abgeordneten Johanna Werner-Mug- gendorfer (SPD))

Ich verweise auf die Beratungen im Ausschuss für Umwelt und Verbraucherschutz. Dort führte Frau Plattner aus, dass im Konsens mit den Landwirten mehr zu erreichen wäre als nur die „Holzhammermethode“, nämlich das generelle Verbot. Ich verweise auf die Zahlen, die das Staatsministerium für Umwelt und Verbraucherschutz vorgelegt hat. Die häufi gen Mängel zeigen, dass die Anbindehaltung nicht weiter toleriert werden darf. Schließlich führte die Vertreterin des Staatsministeriums für Umwelt und Verbraucherschutz aus, dass die Anbindehaltung nicht optimal sei, sie aber unter gewissen Voraussetzungen toleriert werde.

Die SPD will die Anbindehaltung nicht tolerieren. Sie lehnt das Haltungssystem ab. Im Interesse der Tiere soll die Anbindehaltung generell verboten werden. Schließlich darf gemäß § 1 des Tierschutzgesetzes niemand einem Tier ohne vernünftigen Grund Schmerzen, Leiden oder Schäden zufügen. Alles andere ist gesetzeswidrig. Ich bitte Sie, durch das generelle Verbot dem Leiden ein Ende zu bereiten.

(Beifall bei der SPD)

Weitere Wortmeldungen liegen mir nicht mehr vor.

(Ruth Paulig (GRÜNE): Das Staatsministerium ist auf Tauchstation!)

Die Aussprache ist geschlossen – ob mit oder ohne „Tauchstation“.

Wir kommen zur Abstimmung. Der federführende Ausschuss für Umwelt und Verbraucherschutz empfi ehlt die Ablehnung des Antrages. Wer dagegen dem Antrag zustimmen will, den bitte ich um das Handzeichen. – Das sind die Fraktionen des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der SPD. Gegenstimmen? – Das ist die Fraktion der CSU. Stimmenthaltungen? – Keine. Wird das Abstimmungsergebnis angezweifelt?